Urteil des FG Köln vom 25.04.2007

FG Köln: kapitalvermögen, anschaffungskosten, anfechtungsklage, sicherheitsleistung, einspruch, verfügung, erwerb, vermögensverwaltungsvertrag, form, abgabenordnung

Finanzgericht Köln, 10 K 3240/06
Datum:
25.04.2007
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 3240/06
Tenor:
Die Einkommensteuer 2003 wird unter Änderung des
Einkommensteueränderungsbescheids vom 23. August 2005 und
Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. Juli
2006 mit der Maßgabe herabgesetzt, dass bei der Neuberechnung der
Einkommensteuer bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen
zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 5.600,00 Euro berücksichtigt
werden. Die Neuberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei den Einkünften des Klägers aus
Kapitalvermögen Aufwendungen für ein sogenanntes "Strategieentgelt" als
Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen sind.
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Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt wurden.
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Der erstmalige Einkommensteuerbescheid erging am 17. Mai 2004 unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2004 wurde der erstmalige
Einkommensteuerbescheid geändert, der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Am 19. April 2005 beantragten die Kläger eine Änderung des
Einkommensteuerbescheides mit der Maßgabe, dass ein sogenanntes Strategieentgelt
als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zu
berücksichtigen ist.
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Dabei handelt es sich um Folgendes:
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Der Kläger schloss am 5. August 2003 mit der V-GmbH einen Fonds-
Vermögensverwaltungsvertrag. Danach beauftragte er die V-GmbH mit der
konzeptionellen, organisatorischen und buchhalterischen Betreuung von
Vermögensanlagen gemäß den Vertragsbedingungen des Verwaltungsvertrages. Dabei
konnten verschiedene Gewinnstrategien ausgewählt werden. Der Kläger entschied sich
für eine Kombination aus der Gewinnstrategie I und Gewinnstrategie III. Bei der
Gewinnstrategie I bestehen die Investitionen zu 100 % in offene Immobilienfonds und
bei der Strategie III betragen die Investitionen maximal 30 % Aktienmärkte. Gemäß Tz.
7. erfolgen Einzahlungen in die Vermögensverwaltung einschließlich eines einmaligen
Strategieentgelts zu Gunsten der V-GmbH und der AA-Bank (AAB), das die Depotbank
von der Einzahlung des Kunden abziehen wird. Das vom Kläger zu entrichtende
Strategieentgelt betrug letztendlich 3,5 % von 160.000,00 eingezahlten Euro. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Fonds-Vermögensverwaltungsvertrag Bezug genommen.
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Der Beklagte lehnte die Änderung mit Verfügung vom 3. Mai 2005 ab. Am 14. Juli 2005
beantragten die Kläger erneut eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003.
Dies lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 12. August 2005 ebenfalls ab.
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Mit Bescheid vom 23. August 2005 änderte der Beklagte den
Einkommensteuerbescheid 2003 aus anderen Gründen und hob gleichzeitig den
Vorbehalt der Nachprüfung auf.
8
Am 26. August 2005 legten die Kläger Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2006, auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird, als unbegründet zurück.
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Mit der Klage tragen die Kläger vor: Die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei
dem Strategieentgelt um Anschaffungskosten der im Rahmen der
Vermögensverwaltung erworbenen Investmentfondsanteile handele, sei unzutreffend.
Zu den Anschaffungskosten gehörten alle Aufwendungen, die entstehen, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu
versetzen. Anschaffungskosten könnten nur dann vorliegen, wenn sie dem
Vermögensgegenstand einzeln zugerechnet werden können. Insbesondere der
Einbezug von Gemeinkosten in die Anschaffungskosten sei nicht zulässig. Hinsichtlich
der geltend gemachten Werbungskosten in Form des Strategieentgelts handele es sich
nicht um Aufwendungen, die den zu erwerbenden Wirtschaftsgütern in Form der
Fondsanteile einzeln zugerechnet werden könnten. Der Vergleich zu den Provisionen,
den der Beklagte anführe, gehe insoweit fehl, als diese sich als Transaktionskosten auf
einzelne Wertpapiere (Anteile an Investmentfonds) beziehe. Die Vermögensverwaltung
sei aber kein Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne.
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Die Kläger beantragen,
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unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 23. August 2005 und Aufhebung der hierzu
ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2006 die Einkommensteuer mit
der Maßgabe herabzusetzen, dass bei den Einkünften des Klägers aus
Kapitalvermögen weitere Werbungskosten in Höhe von 5.600,00 Euro
berücksichtigt werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene
Einkommensteueränderungsbescheid vom 23. August 2005 ist rechtswidrig und verletzt
die Kläger deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung – FGO - . Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten
Aufwendungen für ein "Strategieentgelt" nicht als Werbungskosten bei den Einkünften
des Klägers aus Kapitalvermögen berücksichtigt.
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1. Der Senat geht davon aus, dass es sich im Streitfall um eine Anfechtungsklage
handelt. Zwar hatte der Beklagte einen Antrag auf Änderung des unter Vorbehalt
der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheids abgelehnt. Da er aber
vor Eingang des Einspruchs den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben hat und
dies gemäß § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung 1977 – AO – einer
Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, ist davon
auszugehen, dass sich der Einspruch gegen die Aufhebungsverfügung und den
damit gleichzeitig verbundenen Erlass eines vorbehaltlosen
Einkommensteuerbescheids richtet.
2. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und ggf. wie das
Strategieentgelt auf Einkünfte aus Kapitalvermögen und private
Veräußerungsgeschäfte aufzuteilen ist (vgl. hierzu FG Düsseldorf, Urteil vom 9.
Januar 2007 17 K 2300/04 E, DStRe 2007, 333 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Wird Kapitalvermögen durch einen Dritten verwaltet, gehört das Entgelt für die
Verwaltung grundsätzlich zu den Werbungskosten. Das gilt auch dann, wenn
neben den steuerpflichtigen Einnahmen steuerfreie Vermögensvorteile erzielt
werden (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 14.05.1993 VIII R 7/91,
Bundessteuerblatt – BStBl – II 1983, 832). Nach diesem Urteil ist ein einheitliches
Entgelt, das für die dauerhaft erfolgreiche Anlage des Kapitalvermögens gezahlt
wird, in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar, eine Aufteilung ist nicht
vorzunehmen. Anderes gilt nur dann, wenn ein Verwaltungsentgelt gezahlt wird,
das erfolgsabhängig ist und auf nicht steuerbare Wertsteigerungen des
verwalteten Vermögens entfällt (BFH-Urteil vom 15.12.1987 VIII R 281/83, BStBl II
1989, 16). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
3. Bei dem Strategieentgelt handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten
nicht um Anschaffungskosten für Investmentfondsanteile. Anschaffungskosten sind
nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – nur die Aufwendungen, die
einem Wirtschaftsgut einzeln zugeordnet werden können. Hieran scheitert es bei
dem Strategieentgelt. Dieses Entgelt ist für die allgemeine Vermögensverwaltung
gezahlt worden und nicht für den Erwerb einzelner Investmentfondsanteile. Dies
ergibt sich aus Tz. 2 des Fonds-Vermögensverwaltungsvertrags. Danach wird die
V-GmbH beauftragt, die ihr zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte unter
Beachtung der mit der V-GmbH vereinbarten Anlagestrategie nach ihrem freien
Ermessen ohne vorherige Einholung von Weisungen des Kunden zu verwalten.
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Zu dieser Verwaltung gehört auch die Umschichtung von Vermögen, d.h. die
Veräußerung zunächst gekaufter Investmentfondsanteile und der Erwerb neuer,
anderer Anteile. Dies schließt es aus, das Strategieentgelt irgendwelchen
Wertpapieren zuzuordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Der Senat läßt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtsfrage zu, ob es sich bei einem sogenannten Strategieentgelt um
sofort abzugsfähige Werbungskosten handelt und ob und ggf. wie ein Strategieentgelt
auf Einkünften aus Kapitalvermögen und private Veräußerungsgewinne aufzuteilen ist.
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