Urteil des FG Köln vom 18.05.2010

FG Köln (tochtergesellschaft, eugh, auflösung der gesellschaft, bundesrepublik deutschland, zwingender grund, beteiligung, gesellschaft, niederlassungsfreiheit, gesellschaft mit beschränkter haftung, gesellschafter)

Finanzgericht Köln, 13 K 4828/06
Datum:
18.05.2010
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 4828/06
Tenor:
Die Bescheide über die Feststellung gemäß § 47 Abs. 2 KStG 2000 und
die ge-sonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum
31.12.2000 werden dahingehend abgeändert, dass das Einkommen
nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG auf 3.339.437 DM vermindert und der
vortragsfähige Gewerbeverlust auf 18.495.867 DM erhöht wird.
Die Körperschaftsteuer 2000 wird weiterhin mit 0 € festgesetzt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen Klägerin und Beklagter je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
Kosten-erstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren, ob Aufwendungen der Klägerin im
Zusammenhang mit einer schottischen Tochtergesellschaft steuerlich zu
berücksichtigen sind.
2
Die Klägerin ist eine 1988 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung - GmbH -.
Gegenstand ihres Unternehmens ist im Wesentlichen die Herstellung, die Entwicklung,
die Konstruktion und der Vertrieb sowie die Vermietung von Maschinen aller Art,
insbesondere von ... einschließlich der Werkzeuge und Ersatzteile sowie der
Durchführung damit zusammenhängender Geschäfte.
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Nach Lage der Akten (u. a. Bilanz der Tochtergesellschaft) gründete die Klägerin
zusammen mit ihrem Gesellschafter M mit Eintragung vom 5. März 1999 in Schottland
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eine Tochtergesellschaft (K Limited) mit einem Stammkapital von zwei britischen Pfund
(Anteil der Klägerin ein Pfund). Ausweislich des Protokolls über die
Gesellschafterversammlung, in der die Auflösung der Tochtergesellschaft beschlossen
wurde, war neben der Klägerin der Gesellschafter M ebenfalls zu 50% an der
Tochtergesellschaft beteiligt. Ausweislich des Bilanzberichtes des Streitjahres der
Klägerin ist mit Gesellschafterbeschluss vom 19. April 1999 ein Betrag von 30.000
Pfund in die Kapitalrücklage der Tochtergesellschaft eingestellt worden.
Die Tochtergesellschaft war als Vertriebsgesellschaft geplant und sollte sich außerdem
auf die Entwicklung von ... konzentrieren. Ausweislich der Darstellung im Bilanzbericht
der Klägerin für das Streitjahr erzielte die Tochtergesellschaft laut der zu diesem
Zeitpunkt ungeprüften Jahresabschlüsse im Gründungsjahr 1999 einen
Jahresfehlbetrag von ca. 12.000 Pfund. Bei Umsätzen von circa 400.000 Pfund im
Streitjahr erzielte die Tochtergesellschaft einen weiteren Jahresfehlbetrag von ca.
117.000 Pfund. Sie wäre damit zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 bilanziell
überschuldet gewesen.
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Bereits mit Beschluss vom 16. August 2000 beschlossen die Gesellschafter die
Auflösung der Tochtergesellschaft und die Kündigung der Arbeitsverträge und sonstiger
abgeschlossener Verträge. Die Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaft wurde zum
23. November 2000 eingestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auszug
aus dem britischen Handelsregister, das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom
16. August 2000 und den Bilanzbericht 2000 der Klägerin, S. 23 Bezug genommen. Im
Rahmen der Abwicklung übernahm die Klägerin als Aufwand gebuchte Kosten in Höhe
von 201.163,77 DM.
6
In den Erläuterungen zur Bilanz des Streitjahres betreffend das Anlagevermögen
dokumentiert die Klägerin ein negatives Eigenkapital der Tochtergesellschaft von
486.000 DM im Jahr 2000. Weiter ist ausgeführt, das negative Eigenkapital in Höhe von
486.000 DM resultiere im Wesentlichen aus Verbindlichkeiten gegenüber der
Gesellschafterin. Entsprechende Forderungen habe die "Klägerin" bereits unterjährig
wertberichtigt. Finanzielle Verpflichtungen aus der Einstellung des Geschäftsbetriebes
bestünden für die "Klägerin" nicht. In der Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr
wies die Klägerin eine Abschreibung auf Finanzanlagen in Höhe von 94.078,90 DM
(entspricht der von der Klägerin erbrachten Einlage von 30.000 Pfund zuzüglich 1,90
DM Beteiligungswert) aus. Diese betreffen nach den Erläuterungen zur Gewinn- und
Verlustrechnung die Abschreibung auf die schottische Tochtergesellschaft. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss 2000 mit allen Anlagen Bezug genommen.
7
Insgesamt wies die Gewinnermittlung der Klägerin im Streitjahr daher 94.078,90 DM
Abschreibung auf die Beteiligung und 201.163,77 DM Ausbuchung bzw.
Wertberichtigung von Forderungen aus. (Im Jahr 2002 kam es noch zu einer Zahlung an
die Tochtergesellschaft, die von der Klägerin als Ertrag verbucht wurde.) Die
Tochtergesellschaft selbst war bereits im Januar 2002 im Handelsregister in P gelöscht
worden.
8
Im Jahr 2001 gab die Klägerin ihre Steuererklärungen ab, die auf der Gewinnermittlung
mit den oben dargestellten Aufwendungen beruhte. Dies führte zu einer im
Wesentlichen erklärungsgemäßen Festsetzung der Körperschaftsteuer mit Bescheid
vom 6. Juni 2001. Die Körperschaftsteuer wurde auf null DM festgesetzt, das
Einkommen nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG auf 3.061.170 DM festgestellt. Der Bescheid
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über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.
Dezember 2000 vom 18. Juni 2001 wies einen verbleibenden Gewerbeverlust von
21.344.124 DM aus. Alle Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 18. November 2005 war zunächst eine Prüfung
ab dem 19. Dezember 2005 vorgesehen, die auf Antrag der Klägerin erst im Jahr 2006
begann. Im Rahmen der Außenprüfung stellte der Prüfer die oben dargestellten
Lebenssachverhalte, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind, fest. Er vertrat aber
die Auffassung, dass die im Zusammenhang mit der Liquidation der schottischen
Tochtergesellschaft angefallenen Verluste durch die Übernahme von Kosten und die
Ausbuchung des Beteiligungswertes - gemindert um die nachträgliche Zahlung - nach §
8b Abs. 2 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - in der im Streitjahr geltenden
Fassung nicht abzugsfähig seien. Weitere Überlegungen hinsichtlich der hälftigen
Beteiligung des Gesellschafters an der schottischen Tochtergesellschaft stellte der
Beklagte nicht an.
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Wegen diverser weiterer Feststellungen, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind,
und dem oben dargestellten Lebenssachverhalt wurden die vorangegangenen - in der
Zwischenzeit mehrfach geänderten - Bescheide über Körperschaftsteuer und
Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG sowie über die Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO -
geändert. Der Körperschaftsteuerbescheid vom 15. November 2006 weist bei einer
unveränderten Körperschaftsteuer von 0,00 DM ein Einkommen nach § 47 Abs. 1 Nr. 3
KStG von 3.487.057 DM aus. Der vortragsfähige Gewerbeverlust wurde mit 18.348.247
DM festgestellt.
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Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobener Sprungklage, mit der sie
das Ziel verfolgt, ein um 295.240 DM verringertes Einkommen der Klägerin bei der
Feststellung gemäß § 47 Abs. 2 KStG und der Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes zugrundezulegen. Der Beklagte stimmte der Sprungklage fristgerecht
zu.
12
Die Klägerin ist mit dem Beklagten der Auffassung, dass der hier streitbefangene
Lebenssachverhalt von der Regelung in § 8b Abs. 2 KStG erfasst wird. Sie vertritt
jedoch die Auffassung, dass die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG gegen das Recht der
Europäischen Gemeinschaft (jetzt Union), hier insbesondere die Vorschriften über die
Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG-Vertrag - EG -, jetzt Art. 49 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -), verstoße. Die Regelungen des
Vertrages seien in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union als vorrangiges Recht
vor den innerstaatlichen Steuergesetzen zu beachten. Das Niederlassungsrecht führe
dazu, dass kein Bürger der Europäischen Union wegen seiner Staatsangehörigkeit
diskriminiert (Diskriminierungsverbot) noch in anderer Weise in seinen Möglichkeiten
zur Nutzung der Niederlassungsfreiheit eingeschränkt werden dürfe
(Beschränkungsverbot), soweit die Einschränkungen nicht im Einzelfall gerechtfertigt
seien. Eine Rechtfertigung könne nur anerkannt werden, wenn die jeweilige Maßnahme
einem legitimen Ziel des staatlichen Allgemeininteresses diene, zur Zielerreichung
geeignet und auch erforderlich sei und nicht zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung
vergleichbarer Vorgänge führe.
13
Im Streitjahr sei der Aufwand aus der Liquidation einer Tochterkapitalgesellschaft für
eine inländische Mutterkapitalgesellschaft abziehbar gewesen, soweit die
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Tochtergesellschaft nicht unter die Sonderregelung des erweiterten Schachtelprivilegs
aus § 8b KStG gefallen sei. Die Regelung habe Beteiligungsgesellschaften erfasst, die
in einem Land ansässig gewesen seien, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ein
Doppelbesteuerungsabkommen - DBA - abgeschlossen habe. Demgegenüber sei der
Aufwand aus der Liquidation einer Tochtergesellschaft im Inland uneingeschränkt
abziehbar gewesen. Damit liege eine Ungleichbehandlung von Inlands- und
Auslandsfall und auch eine Beschränkung durch die Unterschiedlichkeit der
verschiedenen Steuerregelungen vor.
Nach Darstellung, dass auch die Liquidationsgewinne bei Inlands- und Auslandsfall
(unter Berücksichtigung des im Streitjahr noch anwendbaren Anrechnungsverfahrens)
unterschiedlich besteuert würden, führt die Klägerin aus, dass aus ihrer Sicht keinerlei
Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der Verluste bei der Liquidation
bestünden. Entgegen der Darstellung des Beklagten habe die theoretische Steuerpflicht
des Gewinns aus der Beteiligung im Inlandsfall in keinem Fall zu einem ungünstigeren
Besteuerungsergebnis führen können, als die Steuerfreiheit des Gewinns im
Auslandsfall. Insoweit wird auf die tabellarische Darstellung der Klägerin im Schriftsatz
vom 12. November 2007 (Blatt 50 der Akten) verwiesen. Ein Unterschied ergebe sich
nur im Verlustfall.
15
Zunächst trug die Klägerin in diesem Kontext weiter vor, dass die Verluste ihrer
Tochtergesellschaft nach den Regeln in der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs (jetzt Gerichtshofs der Europäischen Union) - EuGH - in dem Verfahren
Marks & Spencer zu berücksichtigen seien. Nach dieser Entscheidung seien Verluste
von ausländischen Tochtergesellschaften in Staaten der Europäischen Union im Land
der Muttergesellschaft zu berücksichtigen, wenn eine steuerliche Berücksichtigung bei
der Tochtergesellschaft unter allen denkbaren Gesichtspunkten ausscheide, z. B. weil
die Tochtergesellschaft vollständig liquidiert werde.
16
Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht auf die
weiteren Ausführungen des EuGH in dem Verfahren Marks & Spencer berufen. Es gehe
nicht um die Aufteilung von Besteuerungsgrundlagen auf verschiedene Staaten,
sondern darum, dass im Streitfall die Verluste der Tochtergesellschaft in keinem
Mitgliedstaat der Europäischen Union Berücksichtigung finden. Die Verluste der
Tochtergesellschaft könnten sich in Großbritannien nicht auswirken, da die
Tochtergesellschaft durchgängig Verluste erzielt habe und infolge der Liquidation keine
Verrechnung mit positiven Einkünften erfolgen könne.
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Im Übrigen gehe es nicht um die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft,
sondern um die eigenen Verluste der Klägerin aus der Wertberichtigung der
Forderungen und der Abschreibung der Beteiligung. Die Berücksichtigung der Verluste
der Klägerin aus der Teilwertabschreibung auf den Beteiligungsbesitz obliege ohnehin
nur der Bundesrepublik Deutschland. Eine Berücksichtigung in Großbritannien komme
nach den allgemeinen Regeln der Doppelbesteuerungsabkommen nicht in Betracht.
18
Die Klägerin beantragt,
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die angefochtenen Bescheide dahingehend zu ändern, dass im Körperschaft-
steuerbescheid 2000 sowie den Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG für 2000
ein um 295.240,00 DM verringertes Einkommen und bei der gesonderten
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 2000 ein
20
um 295.240,00 DM höherer Gewerbeverlust festgestellt wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen,
23
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
24
Auch der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Grundsätze der EuGH-Entscheidung
Marks & Spencer auf das vorliegende Verfahren keine Anwendung finden können, da
es nicht um die Verluste der Tochtergesellschaft unmittelbar gehe. Streitig sei vielmehr
der Abzug der mit der Beteiligung zusammenhängenden Aufwendungen in Form der
historischen Anschaffungskosten, die sich auf Grund der Kostenübernahmen erhöht
hätten. Außerdem mangele es an dem eindeutigen Nachweis, dass sämtliche
Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Verluste in Großbritannien ausgeschöpft
worden seien.
25
Auch die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des EuGH in der Sache
Keller-Holding sei nicht einschlägig. In diesem Verfahren sei es um die faktische
Steuerfreiheit bei Gewinnausschüttungen aus Inlandsbeteiligungen gegangen. Diese
sei mit der Rechtssituation bei der Veräußerung von Auslandsbeteiligungen nicht
vergleichbar. Vielmehr sei der Gewinn aus der Veräußerung einer Inlandsbeteiligung
steuerpflichtig gewesen, was dazu führe, dass auch Verluste aus einer Veräußerung zu
berücksichtigen seien. Die Veräußerung einer Auslandsbeteiligung sei demgegenüber
steuerfrei gestellt. Dem entspreche die Nichtberücksichtigung von Verlusten aus der
Veräußerung. Es liege keine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte vor.
Daran ändere auch die Ausschüttungsfiktion des § 41 KStG a. F. (§ 40 Abs. 4 KStG n.
F.) nichts.
26
Im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurde erst durch die
Übersendung der Prüferhandakten die hälftige Beteiligung des im Streitzeitraum
50%igen Gesellschafters der Klägerin erkennbar. Die Klägerin wurde daher
aufgefordert, vorzutragen, inwieweit eine Veranlassung für sie bestand, die gesamten
Kosten in der Liquidation zu tragen, obwohl ihr Gesellschafter zu 50% an der
Tochtergesellschaft beteiligt war. Auch der Gesellschafterbeschluss über die Erbringung
der Kapitalrücklage wurde angefordert. Trotz entsprechender Bemühungen der
Sachaufklärung konnten keine weiteren Unterlagen vorgelegt werden.
27
Die Frage der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung - vGA - wegen
Übernahme der auf die Beteiligung des Gesellschafters entfallenden Kosten wurde im
Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert.
28
Entscheidungsgründe
29
Die Klage ist teilweise begründet.
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Soweit der Beklagte die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung und die
Wertberichtigung der gegen die Tochtergesellschaft gerichteten Forderungen im
Hinblick auf § 8b KStG nicht zum Abzug zugelassen hat, ist die Klage begründet, da
31
sich die Klägerin zu Recht auf entgegenstehendes, höherrangiges europäisches Recht
berufen hat. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind insoweit rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO -).
Hinsichtlich der Übernahme der Einlage und der Kosten, die auf den hälftigen Anteil des
früheren Gesellschafters der Klägerin entfallen, ist aber von einer gesellschaftlichen
Veranlassung auszugehen und daher das Ergebnis außerbilanziell entsprechend durch
Ansatz einer vGA zu korrigieren.
32
Die Klägerin hat zu Recht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. §§ 5, 4 Abs. 1, 6 Abs. 1
Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der Gewinnermittlung des Streitjahres
die Beteiligung an der schottischen Tochtergesellschaft auf einen Erinnerungswert von
einer DM und die als Forderungen gegen die Tochtergesellschaft gebuchten
übernommenen Abwicklungskosten auf 0 DM abgeschrieben.
33
Nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Kaufmann in seiner Bilanz
das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung - GoB - auszuweisen ist, und damit auch Beteiligungen
(vgl. § 271 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -) und Geldforderungen (§ 240 Abs.
2 i.V.m. Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB).
34
Beteiligungen und Geldforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2
EStG ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich
mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden
Wert, vermindert um hier nicht einschlägige Abzüge anzusetzen. Ist der Teilwert auf
Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, kann dieser angesetzt
werden.
35
Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören u. a.
die Kosten für die Anschaffung der Gesellschaftsanteile und auch die offenen Einlagen
im Sinne des § 272 Abs. 2 HGB (vgl. z. B. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 27. April
2000 I R 58/99, BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168). Die Anschaffungskosten von
Forderungen entsprechen in der Regel ihrem Nennwert (BFH-Urteil vom 20. August
2003 I R 49/02, BStBl II 2003, 941 m. w. N.).
36
Der Wert der Beteiligung der Klägerin war danach auf Grund des anteiligen (hälftigen)
Stammkapitals von einem britischen Pfund und der von ihr allein erbrachten
Kapitalrücklage von 30.000 Pfund (umgerechnet 94.077 DM) in der Bilanz zum 31.
Dezember 1999 zutreffend erfasst. Besonderheiten ergeben sich auch nicht aus der
Anwendbarkeit britischen Handelsrechtes (vgl. zur Maßgeblichkeit des ausländischen
Handelsrechtes BFH, BStBl II 2001, 168). Denn die Kapitalrücklage gehört auch nach
dem maßgeblichen Handelsrecht des Sitzstaates der Tochtergesellschaft,
Großbritannien, zum Eigenkapital. Das ergibt sich aus der in Umsetzung der Art. 8 und 9
der Bilanzrichtlinie (Vierte Richtlinie 78/660/EWG zum Gesellschaftsrecht des Rates
über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom 25. Juli
1978) erfolgten Regelung im britischen Companies Act - CA - 1985/1989 (Schedule 1
und 4 CA; vgl. die Darstellung bei Scholtissek, Großbritannien, Rechnungslegung der
Unternehmen in der Reihe "Ausländisches Wirtschafts- und Steuerrecht" 1991,
insbesondere der Seiten 45 und 95 ff.).
37
Es besteht im vorliegenden Verfahren auch kein Streit, dass die Klägerin den Teilwert
der Beteiligung wegen einer voraussichtlich andauernden Wertminderung in der Bilanz
auf den 31. Dezember 2000 zu Recht nur noch mit einem Erinnerungswert von einer DM
erfasst hat.
38
Die Tochtergesellschaft hatte durchgängig Verluste erzielt und war zwischenzeitlich
bereits aufgelöst. Auch wenn die formelle Löschung im Handelsregister in P erst im
Januar 2002 erfolgte, bestand doch kein Zweifel, dass die Abwicklung der
verbleibenden Restgeschäfte zwar ggf. zu einer Verminderung der Gesamtverluste,
keinesfalls aber zu einer derartigen Verminderung führen würde, dass das eingezahlte
Eigenkapital zurückgewährt werden konnte.
39
Die Klägerin hat auch zu Recht ihre Forderungen gegen die schottische
Tochtergesellschaft gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG in voller Höhe abgeschrieben. Dabei
kann an dieser Stelle offen bleiben, ob es sich insoweit ebenfalls um weitere (verdeckte)
Einlagen, also im Ergebnis um Aufwendungen zur Anschaffung der Beteiligungen
handelt, oder um Forderungen im eigentlichen Sinne. Soweit man die Zahlungen der
Klägerin als Aufwand auf die Beteiligung qualifiziert, sind die Voraussetzungen der
Teilwertabschreibung bereits oben dargelegt. Wenn man - in Übereinstimmung mit der
Bilanzierung - von Forderungen gegenüber der Tochtergesellschaft ausgeht, ergibt sich
die Berechtigung zur Teilwertberichtigung aus den nachfolgenden Ausführungen.
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Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, weil zweifelhaft ist, ob die
Forderung in Höhe des Nennwertes erfüllt werden wird (so genanntes Ausfallrisiko), so
"kann" statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 2 EStG). Er entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im
Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). In Befolgung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips
war daher für Wirtschaftsjahre, die bis zum 31. Dezember 1998 endeten, gemäß § 5
Abs. 1 Satz 1 EStG auch in der Steuerbilanz auf diesen Wert abzuschreiben (vgl. BFH-
Urteil vom 24. Oktober 2006 I R 2/06, BStBl II 2007, 469 m. w. N.). Seither gilt auch für
die zum Umlaufvermögen gehörenden Forderungen, dass steuerrechtlich eine
Teilwertberichtigung nur auf Grund einer voraussichtlich andauernden Wertminderung
möglich ist. Zweifelhafte Forderungen sind handelsrechtlich mit ihrem wahrscheinlichen
Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 HGB;
vgl. Adler/Düring/Schmaltz - ADS -, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6.
Aufl., § 253 HGB Anm. 531). Steuerrechtlich ergibt sich hinsichtlich der uneinbringlichen
Forderungen keine Abweichung. Hinsichtlich der zweifelhaften Forderungen ist auf die
Feststellung einer voraussichtlich andauernden Wertminderung abzustellen.
41
Ein (wegen des Ausfallrisikos) unter ihrem Nennbetrag liegender Teilwert
(beizulegender Wert) von Geldforderungen kann im Allgemeinen nur im Wege der
Schätzung ermittelt werden. Dabei kommt dem Ermessen des Kaufmanns besondere
Bedeutung zu (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH a. a. O. m. w. N.). Maßgebend ist, ob
ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den
jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Annahme eines - teilweisen -
Forderungsausfalls herleiten darf. Allerdings muss die Schätzung eine objektive
Grundlage in den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen finden. Schätzungen, die
auf bloßen pessimistischen Prognosen zur zukünftigen Entwicklung beruhen, sind
unbeachtlich. Schließlich sind auch Geldforderungen nach allgemeinen Grundsätzen
unter Berücksichtigung wertaufhellender Umstände zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4
42
HGB). Danach sind bis zum Tag der Bilanzerstellung erlangte Kenntnisse über den
Wert von Forderungen zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen (ADS, a. a. O.). Auch der
Umstand einer späteren Erfüllung der Forderung kann deren Wert zum Bilanzstichtag
"aufhellen". Der Wertermittlung zugrunde zu legen ist er jedoch nur, wenn er spätestens
am Tag der Bilanzerstellung verwirklicht worden ist. Nach dem Tag der Bilanzerstellung
eingetretene Umstände oder erlangte Kenntnisse sind unbeachtlich (BFH BStBl II 2003,
941).
Ausgehend von diesen allgemeinen Grundsätzen, die der erkennende Senat ständig in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH zur Anwendung bringt, konnte die
Klägerin im Streitfall die Forderungen gegen die Tochtergesellschaft auf null DM
abschreiben.
43
Wie bereits oben dargelegt, war die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, die
Arbeitnehmer entlassen und die Löschung im Handelsregister beantragt und der
Geschäftsbetrieb zum Ende November des Streitjahres eingestellt worden. Vermögen
der Tochtergesellschaft war nicht mehr vorhanden. Bei dieser Sachlage war die
Annahme, dass mit Zahlungen auf die Forderungen der Klägerin nicht mehr zu rechnen
sei, sowohl zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 als auch im Zeitpunkt der
Aufstellung und abschließenden Prüfung der Bilanz im Februar 2001 nicht zu
beanstanden. Die Tatsache, dass im weiteren Verlauf des Jahres 2001 tatsächlich noch
Zahlungen an die Tochtergesellschaft erfolgten und gegenläufig auch weitere Kosten
beglichen werden mussten, ist nach der oben dargestellten - vom Senat geteilten -
Rechtsprechung des BFH unbeachtlich (Der positive Saldo der Zahlungen im Verlauf
des Jahres 2001 ist von der Klägerin auch zutreffend in 2001 gewinnerhöhend erfasst
worden.). Die Rechtmäßigkeit der Teilwertabschreibung auf die Forderungen auf null
DM ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits auch nicht umstritten.
44
Der Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 8b Abs.
2 KStG in der ausschließlich in den Jahren 1999 und 2000 geltenden Fassung im
Streitfall erfüllt worden ist.
45
Nach § 8b Abs. 2 KStG 2000 blieben bei der Ermittlung des Einkommens einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 6
KStG Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer ausländischen Gesellschaft
oder bei deren Auflösung oder der Herabsetzung von deren Nennkapital außer Ansatz,
wenn Gewinnausschüttungen dieser Gesellschaft nach einem Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung oder nach Abs. 5 der Vorschrift befreit oder nach §
26 Abs. 2 oder 3 KStG begünstigt wären, ... . Verluste, die bei der Veräußerung,
Auflösung oder Kapitalherabsetzung nach Satz 1 entstanden, waren nicht abziehbar.
46
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift waren im Streitfall die Verluste der Klägerin aus
den Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung nicht abziehbar.
47
Nach Art. XVIII des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November
1964 - DBA Großbritannien - sind Dividendeneinkünfte, die eine in der Bundesrepublik
Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft von einer im Vereinigten Königreich
ansässigen Kapitalgesellschaft bezieht von der Bemessungsgrundlage der Steuer der
Bundesrepublik ausgenommen, wenn die deutsche Gesellschaft zu mindestens 25% an
48
den stimmberechtigten Anteilen der britischen Gesellschaft beteiligt ist.
Da die Klägerin zu 50% an der schottischen Tochtergesellschaft beteiligt war, besteht
zwischen den Beteiligten zu Recht Übereinstimmung, dass nach Art. XVIII des DBA
Großbritannien die Voraussetzungen für das so genannte Schachtelprivileg vorliegen
und deshalb eine Besteuerung der Gewinne der Tochtergesellschaft, die als Dividenden
an die Klägerin ausgeschüttet worden wären, in Deutschland ausgeschlossen war.
49
Damit lagen die Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG in der im Streitjahr
geltenden Fassung vor. Der Verlust der Kapitalbeteiligung an der schottischen
Tochtergesellschaft trat unstreitig im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft
und im Jahr des Liquidationsabschlusses ein. Der Auflösungsbeschluss war bereits am
16. August 2000 mit Wirkung zum 31. des Monats getroffen worden. Die Abschreibung
der Beteiligung (Stammkapital und Kapitalrücklage) erfolgte erst mit Buchung vom 28.
September 2000. Es liegt daher nach Überzeugung des erkennenden Senats, der sich
insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung beider Beteiligten sieht, keine
vor der Auflösung vorgenommene Teilwertabschreibung, die nicht unter § 8b Abs. 2
Satz 2 KStG gefallen wäre (vgl. zur Möglichkeit der verlustbedingten
Teilwertabschreibung Buyer in Dötsch/ Pung/ Jost/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b
KStG a. F. Rdnr. 117b; BFH-Urteil vom 22. April 2009 I R 57/06, BFH/NV 2009, 1460),
vor.
50
Nach Lage der Akten lagen die Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG auch für
die Wertberichtigung der Forderungen auf null DM vor.
51
Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist die vom Beklagten vorgenommene
Qualifizierung der übernommenen Kosten als verdeckte Einlage nicht zu beanstanden.
52
Nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, ist eine verdeckte
Einlage die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus
gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten (vgl.
BFH-Urteil vom 28. April 2004 I R 20/03, BFH/NV 2005, 19 m. w. N.). Eine solche
Zuwendung liegt hier vor.
53
Die Betriebsprüfung ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Abschreibung der
Forderungen um einen den Anteil der Klägerin an der Tochtergesellschaft betreffenden
Verlust, der bei der Auflösung der Gesellschaft entstanden ist, gehandelt habe. In den
Prüferhandakten ist insoweit ausgeführt, dass die Klägerin im Rahmen der Abwicklung
Kosten in Höhe von 201.163,77 DM übernommen habe. Der Beteiligungswert sei zum
31. Dezember 2000 vollständig abgeschrieben worden. Dies steht in Übereinstimmung
mit den Ausführungen auf Seite 23 des Berichts über die Prüfung des
Jahresabschlusses, wo ausgeführt ist, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der
Betriebsaufgabe bei der Tochtergesellschaft im Streitjahr Verluste in Höhe von TDM
201 entstanden sind.
54
Anhaltspunkte für eine betriebliche Veranlassung der Forderungen der Klägerin
gegenüber ihrer Tochtergesellschaften bestehen nicht. Auch die Klägerin ist der vom
Beklagten vorgenommenen Einordnung nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat
vielmehr im Verlaufe des Verfahrens ausdrücklich die Zuordnung des gesamten
Verlustes zu § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG als zutreffend bezeichnet (Klageschrift).
55
Der Senat sieht unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Qualifizierung durch
beide Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreites und im Hinblick auf die Tatsache,
dass das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der (zu liquidierenden)
Tochtergesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war,
auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFH zur Nichtanwendbarkeit des
§ 8b Abs. 3 KStG 2002 auf kapitalersetzende Darlehen (Urt. vom 17. Januar 2009 I R
52/08, BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674 mit Anmerkung Gosch in BFH-PR 2009, 223)
keine Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung.
56
Der danach grundsätzlich einschlägige § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG in der im Streitjahr
2000 geltenden Fassung darf aber wegen Verstoßes gegen Art. 43 EG-Vertrag - EG -
(jetzt Art. 49 AEUV - Niederlassungsfreiheit) und/oder wegen Verstoßes gegen Art. 56
EG (jetzt Art. 63 AEUV - Kapitalverkehrsfreiheit) nicht angewendet werden.
57
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fallen die direkten Steuern zwar in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung
des Gemeinschaftsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 2005, "Marks &
Spencer" C-446/03, Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs -
Slg. - 2005, I-10837 Rdnr. 29, vom 12. Dezember 2006, "Test Claimants in Class IV of
the ACT Group Litigation", C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Rdnr. 36). Der Spielraum der
nationalen Gesetzgeber endet dort, wo die Grundfreiheiten des Vertrages berührt
werden (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Januar 2009 "STEKO Industriemontage GmbH", C-
377/07, Slg. 2009, I-299, Rdnr. 49 m. w. N.).
58
Soweit eine inländische Vorschrift gegen eine der Grundfreiheiten des
Gemeinschaftsrechtes verstößt, ist auf Grund des Anwendungsvorranges
gemeinschaftsrechtlichen Primärrechtes vor nationalen Rechtsvorschriften (vgl. dazu z.
B. BFH-Urteil vom 17. Juli 2008 X R 62/04, BFH/NV 2008, 1927 m. w. N.) eine
Anwendung des inländischen Rechtes nicht mehr möglich, ohne dass es einer Vorlage
an das Bundesverfassungsgericht oder den EuGH bedarf.
59
Für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die
Niederlassungsfreiheit oder unter die Kapitalverkehrsfreiheit (oder unter beide
Grundfreiheiten) fällt, ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des EuGH auf
den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen (vgl. u. a. EuGH-
Urteile vom 24. Mai 2007 C-157/05 "Holböck”, Slg. 2007, I-4051, Rdnrn. 22 und 23; vom
13. März 2007 C-524/04 "Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation”, Slg. 2007, I-
2107, Rdnrn. 26 bis 34, und vom 3. Oktober 2006 C-452/04 "Fidium Finanz”, Slg. 2006,
I-9521, Rdnrn. 34 und 44 bis 49). Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich weiter,
dass der EuGH die in Rede stehenden Maßnahme grundsätzlich nur im Hinblick auf
eine dieser beiden Freiheiten prüft, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen
des Ausgangsfalls eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig
ist und ihr zugeordnet werden kann (EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, "Fidium Finanz",
C-452/04, Slg. 2006, I-9521, Rdnr. 34).
60
Nationale Vorschriften, die nur auf solche Beteiligungen anwendbar sind, die einen
sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ermöglichen und deren
Tätigkeit zu bestimmen, fallen danach (ausschließlich) unter die Niederlassungsfreiheit
(vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 12. September 2006 C-196/04 "Cadbury Schweppes", Slg.
2006, I-7995, Rdnrn. 31 und 32; vom 18. Juli 2007 C-231/05 "Oy AA", Slg. 2007, I-6373,
Rdnr. 20; vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, Rdnr. 37,
61
und vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 22). Insofern
betreffen Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer
Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit (z.B. EuGH-Urteil
vom 26. Juni 2008 C-284/06 "Burda", Slg. 2008, I-4571 Rdnr. 68).
Wenn mit solchen Vorschriften gleichzeitig Auswirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit
verbunden sind, rechtfertigt dies regelmäßig keine eigenständige Prüfung der Art. 56 ff.
EG, weil diese Auswirkungen lediglich als zwangsläufige Folge einer eventuellen
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen sind (z.B. EuGH-Urteil vom 13.
März 2007 C-524/04 "Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation”, Slg. 2007, I-
2107, Rdnr. 34; EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007 C-492/04 "Lasertec" Slg. 2007, I-
3775 Rdnrn. 20 ff.).
62
Kapitalbewegungen im Sinne von Art. 56 EG sind nach der Rechtsprechung des EuGH
insbesondere Direktinvestitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch
Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung
dieser Gesellschaft und deren Kontrolle zu beteiligen (sogenannte Direktinvestitionen),
sowie der Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer
Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss
nehmen zu wollen (sogenannte Portfolioinvestitionen) (vgl. EuGH-Urteile vom 16. März
1999, "Trummer und Mayer", C-222/97, Slg. 1999, I-1661, Rdnr. 21, vom 17. September
2009 C-182/08 "Glaxo Wellcome", BFH/NV 2009, 1941, Rdnr. 40).
63
Wenn die Prüfung ergibt, dass der den freien Kapitalverkehr betreffende Aspekt der
Regelung Vorrang vor dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit hat, wären
Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit die unvermeidliche Folge einer eventuellen
Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und rechtfertigten damit keine eigenständige
Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 43 EG (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Oktober
2004, "Omega", C-36/02, Slg. 2004, I-9609, Rdnr. 27, vom 17. September 2009 C-
182/08 "Glaxo Wellcome", BFH/NV 2009, 1941, Rdnr. 51).
64
Der erkennende Senats sieht im Streitfall nicht die Möglichkeit einer eindeutigen
Zuordnung der streitbefangenen Vorschrift des § 8b Abs. 2 KStG 2000 zu einer der
beiden Grundfreiheiten.
65
Einerseits gilt die Regelung nicht für Beteiligungen unter 10%, andererseits lassen auch
10%ige Beteiligungen in der Regel keinen bestimmenden Einfluss auf die
Entscheidungen der Gesellschaft und deren Tätigkeiten zu. Auch die Richtlinie
90/435/EWG des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen,
die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die
Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen vom 23. Juli 1990 - so genannte
Mutter-/Tochter-Richtlinie - stellte in den hier interessierenden Jahren für die Annahme
eines Mutter-Tochter-Verhältnisses auf eine Beteiligungsquote von mindestens 25% ab.
66
Es liegt auch kein Lebenssachverhalt vor, bei dem der nationale Gesetzgeber auf eine
wesentliche Beteiligung im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses abgestellt hätte
(vgl. dazu EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007 C-492/04 "Lasertec" Slg. 2007, I-3775
Rdnrn. 21, 22).
67
Andererseits ist die Klägerin zu 50% an der schottischen Tochtergesellschaft beteiligt
gewesen (zusammen mit ihrem Gesellschafter zu 100%). Auf ein derartiges faktisches
68
Beherrschungsverhältnis hat der EuGH zumindest im Sinne einer Kontrollüberlegung in
verschiedenen Verfahren abgestellt (vgl. z. B. in EuGH a. a. O. unter Rdnr. 23; weitere
Nachweise bei Dölker/Ribbrock, Die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten
- nunmehr gefestigte Rechtsprechung?!, Betriebs-Berater - BB - 2007, 1928). Auch stellt
die Mutter-/Tochter-Richtlinie seit dem 1. Januar 2009 auf eine Mindestbeteiligung von
10% ab.
Der Senat sieht sich in seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des BFH. Der BFH ist bei seiner Entscheidung zu § 8b Abs. 5 KStG
2002 auf der Basis ähnlicher Überlegungen ebenfalls zur Anwendung beider
Grundfreiheiten gekommen (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE
224, 50, BFH/NV 2009, 849).
69
Letztlich kann die Frage aber auch offen bleiben, da alle beteiligten Gesellschaften
ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in der Europäischen Union haben und daher ein
Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit oder gegen die Niederlassungsfreiheit zum
gleichen Ergebnis führt.
70
Es liegt im Streitfall sowohl ein Verstoß gegen Art. 43 EG als auch gegen Art. 56 EG vor.
71
Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 43 EG den Staatsangehörigen der
Mitgliedstaaten zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger
Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den
gleichen Bedingungen wie den im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene
Angehörigen festgelegten umfasst, ist gemäß Art. 48 EG für die nach den
Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren
satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb
der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden
Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur
auszuüben (vgl. EuGH-Urteile vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-307/97,
"Saint-Gobain" ZN, Slg. 1999, I-6161, Rdnr. 35, vom 13. Dezember 2005, "Marks &
Spencer", Slg. 2005, I-10837, Rdnr. 30).
72
Auch wenn die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die
Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, so verbieten sie es doch
ebenfalls, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder
einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat
behindert (vgl. EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2005, "Marks & Spencer", Slg. 2005, I-
10837, Rdnr. 31). Dabei ist eine Regelung, die verhindert, dass Verluste an einer
Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft - anders als solche an
inländischen Tochtergesellschaften - steuerlich geltend gemacht werden, geeignet die
Muttergesellschaft in der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit zu behindern, da sie
dadurch von der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten
abgehalten wird.
73
§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG i. V. m. § 8b Abs. 5 KStG führte dazu, dass die Verluste aus der
Teilwertabschreibung auf die Beteiligung anlässlich der Liquidation einer
ausländischen Tochtergesellschaft, an der die inländische Muttergesellschaft zu
mindestens 10% beteiligt war - anders als die Verluste aus der Liquidation einer
entsprechenden deutschen Tochtergesellschaft - steuerlich unbeachtet blieben.
74
Darin liegt eine ungleiche Behandlung, die nur dann mit den Bestimmungen des
Vertrages über die Niederlassungsfreiheit vereinbar wäre, wenn sie Situationen beträfe,
die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder die ungleiche Behandlung durch
einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre (EuGH-Urteil vom
25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", BFH/NV 2010, 1064, Rdnr. 20). Keiner der
beiden Rechtfertigungsgründe kann im Streitfall festgestellt werden.
75
Der EuGH hat bereits in dem auf Vorlagebeschluss des erkennenden Senats (vgl.
Beschluss vom 15. Juli 2004 zu Aktenzeichen 13 K 1908/00, Entscheidungen der
Finanzgerichte - EFG - 2004, 1609) ergangenen Urteil in der Sache "Rewe
Zentralfinanz" in Bezug auf die Verluste in Deutschland ansässiger
Muttergesellschaften aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte an
Tochtergesellschaften festgestellt, dass sich die Muttergesellschaften unabhängig
davon, ob es sich um Beteiligungen an in Deutschland oder an in anderen
Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften handelt, in einer
vergleichbaren Situation befinden. Er hat darauf hingewiesen, dass in beiden Fällen
zum einen die Verluste, deren Abzug begehrt wird, solche der Muttergesellschaften
sind, und zum anderen die Gewinne der Tochtergesellschaften nicht bei den
Muttergesellschaften besteuert werden, gleichviel, ob sie von in Deutschland oder von
in anderen Mitgliedstaaten steuerpflichtigen Tochtergesellschaften stammen (EuGH-
Urteil vom 29. März 2007, "Rewe Zentralfinanz", C-347/04, Slg. 2007, I-2647, Rdnr. 34).
Diese Einschätzung hat der EuGH aktuell bestätigt (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Januar
2009 "STEKO Industriemontage GmbH", C-377/07, Slg. 2009, I-299, Rdnrn. 34, 35).
76
Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses für die nachteilige Behandlung von
Abschreibungen auf ausländische Tochtergesellschaften ist ebenfalls nicht feststellbar.
77
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Verbesserung der
steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im
europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz) ist in der Gesetzesbegründung
zu § 8b Abs. 2 KStG, der in den Jahren 1994 bis 1998 eine Verlustbeschränkung nicht
vorsah, Folgendes ausgeführt: "Nach Satz 2 bleibt jedoch ein Veräußerungsverlust in
dem Umfang, den das geltende Recht zulässt, abziehbar. Dies ist sachlich
gerechtfertigt, da es andernfalls dazu kommen könnte, dass realisierte
Veräußerungsverluste endgültig unberücksichtigt bleiben." (BT-Drucks. 12/4487 vom 5.
März 1993, S. 39).
78
Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ist durch Änderung des § 2a EStG
und des § 8b KStG in den Streitjahren geltende Gesetzeslage herbeigeführt worden. Die
Änderung des § 2a EStG wurde damit begründet, dass die Regelung systemwidrig sei
und den Finanzämtern erhebliche Schwierigkeiten bereite (vgl. z.B. BT-Drucks. 14/23,
S. 167). Bei der Gesetzesbegründung zur Änderung des hier betroffenen § 8b Abs. 2
Satz 2 KStG ist lediglich ausgeführt, dass die Neuregelung im Zusammenhang mit der
Streichung der Verlustverrechnung nach § 2a EStG und des Betriebsausgabenabzugs
nach § 3c EStG bei steuerfreien Schachteldividenden stehe. Sie solle verhindern, dass
Verluste steuerlich berücksichtigt werden, während Gewinne steuerfrei bleiben (vgl. BT-
Drucks. 14/265, S. 192).
79
Ein zwingender Grund für die im Streitfall bedeutsame Diskriminierung
auflösungsbedingter Verluste aus einer Beteiligung an einer ausländischen
Tochtergesellschaft ist danach für den erkennenden Senat nicht ersichtlich.
80
Zunächst war die Rechtslage in den Vorjahren 1994 bis 1998 aufgrund einer bewussten
Entscheidung des Gesetzgebers gegenläufig. Es bedürfte einer besonderen
Argumentation um darzulegen, warum nunmehr ein zwingender Grund des
Allgemeininteresses eine gegenläufige Gesetzgebung notwendig macht. Der Beklagte
hat insoweit nichts vorgetragen.
81
Auch ist nach wohl herrschender Meinung (vgl. z.B. Altendorf in Herrmann/Heuer/
Raupach, EStG/KStG, Jahresband 2002, § 8b KStG, K 5 m.w.N.; Dötsch/Pung,
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002: Änderungen des
Körperschaftsteuergesetzes, Der Betrieb - DB - 1999, 867; Kröner/Köhler, Änderungen
in § 8b KStG: Standortsicherung im Rückwärtsgang, Internationales Steuerrecht - IStR -
1999, 268; Prinz, Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Auswirkungen auf den
Holdingstandort Deutschland, Finanzrundschau - FR - 1999, 356) die Möglichkeit,
Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung an ausländischen Tochtergesellschaften
vorzunehmen nicht grundsätzlich eingeschränkt worden. Auch unter Berücksichtigung
dieser Tatsache bedürfte es einer besonderen Argumentation um darzulegen, warum
ein zwingender Grund des Allgemeininteresses besteht, einen unmittelbar mit der
Auflösung der Tochtergesellschaft verbundenen Verlust nicht zum Abzug zuzulassen,
aber bei Fortsetzung des Unternehmens der Tochtergesellschaft bis ins Folgejahr eine
Teilwertabschreibung zu akzeptieren. Der Beklagte hat auch insoweit nichts
vorgetragen.
82
Der Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ist auch nicht durch die Notwendigkeit,
die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, gerechtfertigt. Der EuGH hat bereits
mehrfach entschieden, dass ein solcher Rechtfertigungsgrund nur Erfolg haben kann,
wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil
und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht
(vgl. EuGH-Urteile vom 28. Februar 2008, "Deutsche Shell", C-293/06, Slg. 2008, I-
1129, Rdnr. 38 und vom 22. Januar 2009 "STEKO Industriemontage GmbH", C-377/07,
Slg. 2009, I-299, Rdnr. 52). Ein derartiger Zusammenhang ist weder vorgetragen noch
feststellbar.
83
Unabhängig von dem vorliegenden Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften
der Niederlassungsfreiheit liegt im Streitfall auch ein Verstoß gegen die
Kapitalverkehrsfreiheit vor.
84
Regelungen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat
oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten, sind
nach Art. 56 Abs. 1 EG als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten (vgl. EuGH-
Urteile vom 23. Februar 2006, "van Hilten-van der Heijden", C-513/03, Slg. 2006, I-1957,
89, Rdnr. 44, vom 25. Januar 2007, "Festersen", C-370/05, Slg. 2007, I-1129, Rdnr. 24,
und vom 18. Dezember 2007, "A", C-101/05, Slg. 2007, I-11531, Rdnr. 40). Die
nationalen Maßnahmen, die als "Beschränkungen” im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG
eingestuft werden können, umfassen nicht nur Maßnahmen, die geeignet sind, den
Erwerb von Aktien in anderen Mitgliedstaaten niedergelassener Gesellschaften zu
verhindern oder zu beschränken (vgl. EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2007,
"Kommission/Deutschland", C-112/05, Slg. 2007, I-8995, Rdnr. 19 m. w. N.), sondern
auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Beteiligungen an in anderen
Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften zu behalten (vgl. EuGH-Urteile vom
12. Dezember 2002, "Lankhorst-Hohorst", C-324/00, Slg. 2002, I-11779, Rdnr. 32, und
85
13. März 2007, "Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation”, C-524/04, Slg. 2007, I-
2107, Rdnr. 61).
Wie bereits oben bei der Prüfung der Niederlassungsfreiheit dargelegt, differenziert das
Gesetz zwischen dem auflösungsbedingten Verlust einer inländischen und einen
ausländischen Tochtergesellschaft.
86
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass eine nationale Steuerregelung, die
zwischen Steuerpflichtigen danach unterscheidet, wo ihr Kapital angelegt ist, nur dann
als mit den Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr vereinbar
angesehen werden kann, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die
nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des
Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. EuGH-Urteile vom 20. Mai 2008, "Orange
European Smallcap Fund", C-194/06, Slg. 2008, I-3747, Rdnr. 59 m.w.N. und 7.
September 2004 C-319/02 "Manninen", Slg. 2004, I- 7477, Rdnr. 19).
87
Der EuGH hat in dem Verfahren "STEKO Industriemontage GmbH", das zur
Gesetzeslage bezüglich § 8b Abs. 2 und 3 KStG im Jahr 2001 ergangen ist, bereits
ausführlich zur Frage der Vergleichbarkeit der Situationen unter Rückgriff auf das Urteil
"Rewe Zentralfinanz" Stellung genommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
auf die Ausführungen des EuGH insoweit Bezug genommen.
88
Hinsichtlich der weiteren denkbaren Rechtfertigungsgründe wird auf die Ausführungen
zur Niederlassungsfreiheit Bezug genommen.
89
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die streitbefangene Regelung in § 8b
Abs. 2 Satz 2 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sowohl gegen die
Niederlassungsfreiheit, als auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und daher
nicht angewendet werden darf. Eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 74 FGO zum
Zwecke der Vorlage gemäß Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EG) ist insoweit weder
erforderlich noch geboten.
90
Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV steht
im Ermessen des Senates. Eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung
besteht für Instanzgerichte grundsätzlich nicht. Selbst letztinstanzliche Gerichte sind
nicht mehr zur Einholung einer Vorabentscheidung verpflichtet, wenn die
europarechtliche Frage bereits eindeutig auf der Grundlage der bislang ergangenen
Rechtsprechung des EuGH geklärt ist (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs
20083/81 "C.I.L.F.I.T.", Slg. 1982, 3415). Eine derartige Situation besteht nach
Überzeugung des erkennenden Senats im vorliegenden Verfahren, weil Vorschriften,
die inhaltlich mit dem hier streitbefangenen § 8b Abs. 2 S. 2 KStG 2000 übereinstimmen,
bereits mehrfach Gegenstand von Vorlageverfahren an den EuGH waren.
91
Obwohl die Klägerin insoweit mit ihrer europarechtlichen Argumentation gegen die
außerbilanzielle Hinzurechnung der Abschreibungsbeträge obsiegt, erweist sich die
bilanzielle Hinzurechnung durch den Beklagten zu 50% als aus anderen
Rechtsgründen rechtmäßig. Der Klage bleibt insoweit der Erfolg versagt.
92
Soweit die Klägerin die finanzielle Ausstattung der Tochtergesellschaft über ihren
hälftigen Anteil an der Gesellschaft hinaus übernommen hat, liegen vGA vor.
93
Unter einer vGA i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine
Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages
gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem
Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der
entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208,
BStBl III 1967, 626; vom 7. August 2002, I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131).
Deshalb ist jedoch nicht jede durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste
Unterschiedsbetragsminderung eine vGA. Die Annahme einer vGA setzt zusätzlich
voraus, dass die Unterschiedsbetragsminderung bei der Körperschaft die Eignung hat,
beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
auszulösen.
94
Danach liegt im Streitfall eine vGA in Höhe von 147.620 DM im Streitjahr vor. In dieser
Höhe hat die Klägerin Kosten übernommen, die quotal auf den hälftigen Anteil ihres
Gesellschafters an der schottischen Tochtergesellschaft entfallen. Eine derartige
Kostenübernahme hätte der gedachte sorgfältige, ordentliche und gewissenhafte
Geschäftsleiter bei einer Tochtergesellschaft, an der ein Nichtgesellschafter zu 1/2
beteiligt gewesen wäre, nicht gewährt.
95
Der Senat sieht im vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die über
die Quote der Beteiligung der Klägerin hinausgehende Kapitalisierung der schottischen
Gesellschaft betrieblich veranlasst war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sowohl
die Erbringung der Kapitalrücklage als auch die Übernahme der
Liquidationsverbindlichkeiten zur Hälfte im Interesse des hälftig an der schottischen
Gesellschaft beteiligten Gesellschafters der Klägerin, Herrn M, erfolgte.
96
Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Voraussetzungen für eine
Durchgriffshaftung auf die beiden Gesellschafter der schottischen Gesellschaft vorlagen.
Es erscheint zumindest möglich, dass in Anbetracht der Kapitalisierung der schottischen
Gesellschaft mit lediglich 2 Pfund (entspricht 5,80 DM) eine Durchgriffshaftung auf die
Gesellschafter im Hinblick auf den Grundsatz "lifting of the corporate veil" des
englischen Rechts möglich war (vgl. insoweit die Darstellung zum englischen Recht bei
Happ/ Holler, "Limited" statt GmbH, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2004, 730, 733/34
m. w. N.; Fleischer, Gläubigerschutz in der kleinen Kapitalgesellschaft: Deutsche GmbH
versus englische private limited company, DStR 2000, 1015, 1018; Schumann, Die
englische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland: Kapitalaufbringung,
Kapitalerhaltung und Haftung bei Insolvenz, DB 2004, 743, 747). Auch im Hinblick auf
sec. 214 des Insolvency Act kam eine Durchgriffshaftung in Betracht, da die Eingehung
jedes Geschäftes vor Erbringung der Kapitalrücklage und nach Ende des ersten
Geschäftsjahres 1999, in dem bereits die Kapitalrücklage in vollem Umfang
aufgebraucht worden war, als haftungsauslösendes "wrongful trading" qualifiziert
werden konnte (vgl. zum Insolvency act: Happ/ Holler und a. a. O.; Fleischer a. a. O.
Seite 1017). Die schottische Gesellschaft war ohne die Zufuhr weiteren Kapitals nicht
lebensfähig und dies wussten die inländischen Gesellschafter der schottischen
Gesellschaft oder mussten es wissen.
97
Auch für den Fall, dass ein Durchgriff durch die schottische Ltd. nicht zu befürchten war,
ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin als nur hälftig Beteiligte 100% der Kosten tragen
sollte. Die Klägerin hat insoweit auch keine durchgreifende Begründung vorgebracht. Es
kann daher offen bleiben, ob auch das englische Recht bei derartig mangelhaft
kapitalisierten Gesellschaften es als Aufgabe des Gesellschafters ansieht die in der
Krise befindliche, kreditunwürdige Ltd. mit Kapital auszustatten (vgl. zur deutschen
GmbH BGH-Urteil vom 18. November 1991 II ZR 258/90, DB 1992, 366; ablehnend zur
britischen Ltd. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Juni 2004 2 K 2455/02,
EFG 2005, 38).
98
Die Übernahme der gesamten Kapitalisierungskosten ohne Rückgriff bei dem zweiten
Gesellschafter der schottischen Gesellschaft lässt sich daher nach Überzeugung des
erkennenden Senats nur aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erklären. Außer der
Tatsache, dass der hälftige Gesellschafter der schottischen Gesellschaft zugleich
Gesellschafter der Klägerin war, ist kein Grund ersichtlich, der die Klägerin von einem
Rückgriff bei dem Mitgesellschafter der schottischen Gesellschaft bzw. der Begrenzung
ihres Engagements auf 50% der angefallenen Kosten abhalten konnte. Auch die
Klägerin hat dazu keine betrieblichen Gründe vorgetragen. Der Senat sieht daher im
vorliegenden Fall keine grundlegenden Unterschiede zu den Sachverhalten, bei denen
der BFH zur Annahme einer vGA bei Schuldübernahme gegenüber
Schwestergesellschaften gekommen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Februar 1999 I R
62/98, BFH/NV 1999, 1515).
99
Da sich die streitbefangenen Teilwertabschreibungen im Streitjahr 2000
einkommensmindernd auf das Vermögen der Klägerin ausgewirkt haben, ist auch in
diesem Jahr die außerbilanzielle Hinzurechnung vorzunehmen.
100
Der Ansatz der vGA führt dazu, dass die Minderung des gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG
festgestellten Einkommens und die Erhöhung des festgestellten vortragsfähigen
Gewerbeverlustes wegen der Teilwertabschreibung auf die "Beteiligung" an der
Tochtergesellschaft nur in Höhe von 50% von 295.240 DM, also in Höhe von 147.620
DM, erfolgen kann, weil der überschießende Betrag durch den Ansatz der vGA
ausgeglichen wird.
101
Die Körperschaftsteuer 2000 wird weiterhin mit null € festgesetzt, weil der Senat wegen
der Bindung an den Klageantrag nicht auf eine - wegen Fehlens positiven belasteten
Eigenkapitals - ausschüttungsbedingte Erhöhung der Körperschaftsteuer erkennen kann
(vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; so genanntes Verböserungsverbot).
102
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
103
Die Revision war im Streitfall nicht zuzulassen. Die Sache hat keine
rechtsgrundsätzliche Bedeutung, da sie seit ca. 10 Jahren ausgelaufenes Recht betrifft.
Die rechtsgrundsätzliche Frage des Vorranges europäischen Vertragsrechtes ist
allgemein anerkannt und bedarf keiner weiteren Klärung.
104
Die im Streitfall konkret zu klärende Rechtsfrage ist im Übrigen durch die
Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in den Verfahren "STEKO
Industriemontage GmbH" und "Rewe Zentralfinanz" geklärt.
105
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155
106
FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.