Urteil des FG Köln vom 21.10.1999
FG Köln: freier mitarbeiter, einkünfte, fachhochschule, breite, ingenieur, diplom, gewerbesteuer, seminar, verkehr, informatiker
Finanzgericht Köln, 7 K 1520/88
Datum:
21.10.1999
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1520/88
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob der Kläger in den Streitjahren 1983 bis 1985 als selbständiger EDV-
Berater Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb erzielt hat.
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Der Kläger, geboren 1951, besuchte in den Jahren 1962 bis 1970 das mathematisch-
naturwissenschaftliche Gymnasium in A.. 1970 begann er bei der Firma B. GmbH in
Köln eine sechsmonatige Ausbildung als Büroassistent. Nach einer intensiven
firmeninternen Schulung übernahm er nach kurzer Zeit die Leitung verschiedener
Filialen. Ende 1971 wurde er in die Abteilung Datenverarbeitung der B. GmbH" versetzt.
Dort wurde er durch hausinterne und beim Computerhersteller geführte Kurse zum
Organisationsprogrammierer weitergebildet. Später erhielt er nach weiteren
Ausbildungen die Position als Systembetreuer. Dabei bestand seine Aufgabe aus
Arbeiten an Softwareprodukten, wie z. B. der Einführung von neuen Betriebssystemen,
das systematische Testen neuer Produkte (Compiler, Utilitis usw.) sowie das Erarbeiten
von Lösungen für problemloses Umstellen auf andere Datenverarbeitungsanlagen.
1978 wechselte der Kläger zu einer Unternehmensberatung über. Hier betraute man ihn
zunächst vorwiegend mit Programmier- und kleineren Organisationsarbeiten. Im Laufe
von etwa drei bis vier Jahren verlagerte sich seine Tätigkeit mehr zur Systemberatung.
Bis zum Jahre 1980 war der Kläger bei der C. EDV-Beratungspraxis in D. als
Angestellter beschäftigt.
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Seit dem 01.10.1980 ist er dort als freier Mitarbeiter tätig. Es gehört zu seinen Aufgaben,
Beratung, Unterstützung und optimierende Tätigkeiten in der Betriebssystem- und
betriebssystemnahen Umgebung durchzuführen. Darunter versteht man die Gruppe von
Systemprogrammen, die für den Betrieb einer Datenverarbeitunganlage grundsätzlich
erforderlich sind. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Bestätigung der C. vom
28.01.1997 (Bl. 64 und 65 d. A.) und die Beschreibung des Klägers hierzu (Bl. 59 - 63 d.
A.) verwiesen.
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Der Kläger besuchte bis zu den Streitjahren folgende Fortbildungsveranstaltungen:
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05.10.1972 bis 13.10.1972 Seminar GECOS Basic Serie 6000 (Honeywell Bull - Bl. 37
d. A.)
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01.02.1973 bis 16.04.1973 Aufbau und Benutzung des Be- triebssystems OS (DAG - Bl.
38 d. A.)
7
20.05.1975 bis 23.05.1975 Seminar TDS (Honeywell Bull - Bl. 39 d. A.)
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23.05.1977 bis 27.05.1977 und 20.06.1977 bis 24.06.1977 Seminar GCOS Analysis
(Honeywell Bull - Bl. 40 d. A.)
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Aus einer weiteren Bescheinigung der C. vom 05.10.1995 (Bl. 42 d. A.) geht hervor, daß
das Aufgabengebiet des Klägers die System-Softwarebetreuung des E.-Konzerns
betrifft. Zwischen den Beteiligten ist insoweit unstreitig, daß der Kläger seit Anfang der
80iger Jahre auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig ist.
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In seiner Einkommensteuererklärung für 1980 bezeichnete sich der Kläger als EDV-
Berater und in der für 1981 als Programmierer. Er erklärte jeweils Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM in 1980 und ... DM in 1981. Ab 1982 bezeichnete
sich der Kläger als Systemanalytiker und erklärte nunmehr Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit, und zwar für 1982 in Höhe von ... DM, für 1983 in Höhe von ... DM, für 1984 in
Höhe von ... DM und für 1985 in Höhe von ... DM.
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Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, daß es sich bei den Einkünften aus
der Tätigkeit als Systemanalytiker um gewerbliche Einkünfte handele und erließ gegen
den Kläger am 27.02.1985 und am 04.08.1986 entsprechende
Gewerbesteuermeßbescheide für 1983 und 1984 sowie am 19.11.1987 einen
Gewerbesteuermeßbescheid für 1985. Gleichzeitig wurde durch Bescheide vom
19.11.1987 der Vorbehalt der Nachprüfung in den Gewerbesteuermeßbescheiden für
1983 und 1984 aufgehoben.
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Zur Begründung seiner hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen
Klage trägt der Kläger vor, er sei freiberuflich und nicht gewerblich tätig. Er übe den
Beruf als Systemanalytiker bzw. als Informatiker seit mehr als 20 Jahren aus. In dieser
Zeit habe er sich einen Wissensstand zugeeignet, der ohne weiteres mit dem eines
achtsemestrigen Studiums der Informatik vergleichbar sei. Dies folge aus der Tatsache,
daß Mitarbeiter seiner Auftraggeber seine Beratung benötigten, die selbst akademische
Titel verschiedener Richtungen trügen. Es handele sich auch um eine
höchstpersönliche Tätigkeit, da sämtliche vorgeschlagenen Problemlösungen von ihm
selbst entwickelt und individuell gestaltet würden. Außerdem honoriere sein langjähriger
Auftraggeber seine Leistungen und die damit verbundene notwendige Qualifikation und
keinesfalls eine vorhandene oder nicht vorhandene akademische oder sonstige
Ausbildung. Auch die Stadt F. vertrete die Auffassung, daß seine Tätigkeit den
sogenannten freien Berufen zuzuordnen sei, wie sich aus dem Schreiben vom
08.08.1985 ergebe (Bl.43 d. A.).
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Dem in Klageverfahren eingeholten Gutachten ist der Kläger zunächst
entgegengetreten. Er hat hierzu ein Privatgutachten des Rechtsanwalts Dr. G., EDV-
Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule H., Fachbereich Wirtschaft, vom
13.04.1999 (Bl. 251 - 267 d. A.) erstellen lassen, dessen Inhalt er sich zu eigen macht.
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Insoweit wird ausgeführt, das Gutachten des Dr. I. vom 10.07.1998 - das Empfehlungen
des BMWF aus dem Jahre 1972, einen Vorschlag für ein Studienmodell 1968 sowie
einen Auszug aus dem Vorlesungsverzeichnis der Fachhochschule J. vom
Wintersemester 82/83 verarbeite - enthalte erhebliche Unschärfen und einen
erheblichen Interpretationsspielraum beim Vergleich der Kenntnisse des an einer
Fachhochschule ausgebildeten Informatikers mit den Kenntnissen des Klägers.
Aufgrund des Zeugnisses der B. vom 28.02.1994 ergebe sich, daß er, der Kläger,
sowohl im Fach höhere Programmiersprachen als auch im Fach Cobol entsprechende
Kenntnisse habe. Auch müßten Kenntnisse im Bereich "Datenstrukturen" berücksichtigt
werden sowie im Fach "Listenverarbeitung" und "Programmgeneratoren". Ferner müsse
eine Korrektur im Fach "Programmierung von Tischrechnern" vorgenommen werden.
Das Fach Mathematik werde zu hoch gewertet. Im Grundstudium würden im Bereich der
Mathematik nur die Kenntnisse vermittelt, die dem Niveau des Abiturs entsprächen. -
Schließlich werde die Kompensation bzw. Überkompensation von Wissen in anderen
Bereichen nicht beachtet. Wenn ein Diplom-Informatiker (FH) unmittelbar nach
Abschluß seines Studiums einen Wissensstand von 100 % besitze, so werde man dem
Kläger für die Streitjahre 1983 bis 1985 ein aufgrund seiner damals etwa 12jährigen
Berufserfahrung in einigen Bereichen ein über 100 % liegendes Wissen zuerkennen
müssen. Dies treffe insbesondere für die Bereiche "Systemarchitekturen", "Software",
"Anwendungen" sowie "Methoden und Verfahren" zu. Zwar beständen bei ihm, dem
Kläger, Defizite in den Bereichen Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, diese
müßten aber durch das Wissen in anderen Bereichen kompensiert werden. Für die
anspruchsvollen Tätigkeiten des Klägers spreche auch die Tatsache, daß dieser für
seine Tätigkeit für den E.-Konzern ein Jahresgehalt von ca. ... DM erhalte; ein derartiges
Honorar werde für einen Operator nicht gezahlt.
Gegen die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. I., die sich mit den Einwänden aus
dem Privatgutachten des Klägers vom 13.04.1999 auseinandersetzt und das zunächst
erstellte Gutachten vom 10.07.1998 korrigiert, hat der Kläger - trotz ausdrücklicher
Gelegenheit hierzu - keine Einwendungen mehr erhoben.
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Der Kläger beantragt,
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die Gewerbesteuermeßbescheide 1983 bis 1985 und die hierzu ergangene
Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt aus, der Kläger habe in den Streitjahren keine ingenieur-ähnliche Tätigkeit
ausgeübt. Die Arbeiten des Klägers müßten erkennen lassen, daß der Kläger
theoretische Kenntnisse in einer Breite und Tiefe habe, die denjenigen des an einer
Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-
Informatikers entsprächen. Dies sei nicht der Fall. Das vom Kläger in Auftrag gegebene
Privatgutachten sei nicht von einem für die Streitjahre als ausreichend befähigt
anzusehenden Sachverständigen erstellt worden.
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Der Senat hat am 24.07.1997 beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, ob die
vom Kläger dem Gericht vorgelegten praktischen Arbeiten für die Streitjahre 1983 bis
1985 den Schluß rechtfertigen, daß des Klägers theoretische Kenntnisse ihrer Breite
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und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen
Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprechen. Mit der Erstellung des
Gutachtens wurde der Sachverständige Dr. I. beauftragt.
Vom Kläger wurden für die Streitjahre 1983 und 1984 keine und für das Streitjahr 1985
zwei Arbeitsproben vorgelegt. Im übrigen enthielt der vorgelegte Aktenordner insgesamt
8 Arbeitsproben aus späteren Jahren.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.07.1998
(Bl. 146 -183 d. A.) und die ergänzenden bzw. korrigierenden Stellungnahmen vom
02.09.1998 (Bl. 202 - 203 d. A.) und vom 29.07.1999 (Bl. 283-294 d. A.) verwiesen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat entscheidet, dem Einverständnis der Beteiligten entsprechend, gemäß § 90
Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Beklagte hat die vom Kläger in den Streitjahren erzielten Einkünfte zu Recht in
vollem Umfang als gewerbliche behandelt. Der Kläger übte in den Streitjahren eine
selbständige nachhaltige Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, aus, die sich
als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellte (§ 2 Abs. 1 Satz 2
GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG; § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-
Durchführungsverordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Der Kläger hat
insbesondere nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht, daß er in den Streitjahren
Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.
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I. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger in den Streitjahren keinen der
in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe, insbesondere nicht den des
Ingenieurs, ausgeübt hat. Der Kläger ist nicht Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2
EStG. Als solcher gilt nur, wer nach den landesrechtlichen Ingenieurgesetzen aufgrund
seiner Ausbildung berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (BFH-
Urteil vom 18.06.1980, BStBl II 1981, 818 [819]). Hierzu ist der Kläger nach seinem
eigenen Vorbringen nicht berechtigt.
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II. Der Senat hat sich auch nicht davon überzeugen können, daß der Kläger in den
Streitjahren einen der Berufstätigkeit des Ingenieurs ähnlichen Beruf ausgeübt hat.
Insoweit trifft den Kläger die objektive Beweislast (Feststellungslast). Zwar trägt
grundsätzlich das Finanzamt die Feststellungslast für die steuerbegründenden
Tatsachen; da der freie Beruf aber grundsätzlich auch die Merkmale eines
Gewerbebetriebs (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) erfüllt und die
Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht gegeben ist, wenn die Merkmale des § 18 EStG
zusätzlich vorliegen, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines freien Berufs der
Steuerpflichtige (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.1994 I R 53/93, BFH/NV 1995, 210 [211 m.
w. N.]). Die insoweit verbleibenden Zweifel des Senats gehen deshalb zu Lasten des
Klägers.
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1. Ein Beruf ist einem Katalogberuf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich,
wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die
Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21.03.1996 XI R 82/94, BStBl II 1996,
518 [521]). Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf
(vgl. BFH-Urteil vom 09.07.1992 IV R 116/90, BStBl II 1993, 100 [101 m. w. N.]). Dabei
muß die Ausbildung nicht in einem förmlichen Ausbildungsgang erworben sein;
vielmehr kann derjenige, der eine Berufsausbildung, wie sie in den Ingenieurgesetzen
der Länder vorgeschrieben ist, nicht besitzt, nachweisen, daß er vergleichbare
Kenntnisse in Wege des Selbststudiums erworben hat. Der Erwerb ingenieurmäßiger
Kenntnisse kann dabei auch mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen
nachgewiesen werden, z. B. anhand praktischer Arbeiten. Dies setzt allerdings voraus,
daß diese Tätigkeit besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der
Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangt
(BFH-Urteil in BStBl II 1993, 100 [101]).
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2. Ausgehend von diesen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten
Grundsätzen, die sich der erkennende Senat insoweit zu eigen macht, hat der Kläger
nicht nachgewiesen, daß er eine entsprechende ingenieurmäßige Ausbildung durch die
von ihm besuchten Seminare oder im Wege des Selbststudiums erlangt hat.
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a. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Ausbildung, die ihn schließlich dazu
befähigte, auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig zu sein, nicht mit der Ausbildung
eines Ingenieurs vergleichbar. Der Kläger hat nach Bestehen des Abiturs auf einem
mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium betriebsintern bei der B. GmbH eine
Ausbildung zum Filialleiter genossen und sich durch verschiedene Seminare zum
Organisationsprogrammierer weitergebildet. Insoweit hat er lediglich Einzelmaßnahmen
absolviert, die nicht in ein Gesamtkonzept eingebunden waren, das ihm zumindest den
Kernbereich der für eine Ingenieurtätigkeit erforderlichen Kenntnisse vermitteln konnte.
Die Teilnahme an den vier vom Kläger im einzelnen aufgeschlüsselten Seminaren in
den Jahren 1972 bis 1974 kann nicht als ausreichender Nachweis für den einem
Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstand angesehen werden. Hierbei handelte es sich
vielmehr nur um zeitlich sehr begrenzte, punktuell auf Einzelbereiche zielende
Veranstaltungen, die nicht die Kenntnisse eines ausgebildeten Ingenieurs vermitteln
sollten.
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b. Es ist auch nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen, daß sich der Kläger die
zum Erreichen des Ingenieurniveaus notwendigen theoretischen Kenntnisse -
insbesondere im mathematischen und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich - im
Anschluß an die von ihm geschilderten Seminare bis zu den Streitjahren durch ein
entsprechendes Selbstudium verschafft hat.
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Das für eine ingenieur-ähnliche Tätigkeit erforderliche Wissen muß nicht in einem
förmlichen Ausbildungsgang erworben werden. Der Steuerpflichtige kann vielmehr auch
nachweisen, daß er vergleichbare Kenntnisse durch ein Selbststudium erworben hat
(BFH-Urteil vom 21.03.1996 XI R 82/94, BStBl II 1996, 518 [521]). Hierzu muß er zur Art
und Weise sowie zur Dauer eines Selbststudiums und der tatsächlichen Anwendung
seines Fachwissens im einzelnen vortragen (BFH-Beschluß vom 03.09.1996 IV B
107/95, BFH/NV 1997, 116).
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Im Streitfall hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, in welcher Weise er das
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notwendige theoretische Ingenieurwissen erworben haben will. Es ist aufgrund der
Schilderungen des Klägers nicht erkennbar, wie dieser seine bis Mitte der 70iger Jahre
im Ansatz vorhandenen Kenntnisse systematisch ausgebaut und vertieft haben will, so
daß sie in den Streitjahren dem Ingenieurniveau entsprochen hätten.
c. Der Erwerb ingenieurmäßiger Kenntnisse kann schließlich - auch ohne
Tatsachenvortrag zum Selbststudium - mittels der eigenen Berufstätigkeit des
Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, nämlich anhand eigener praktischer Arbeiten
(BFH-Urteil in BStBl II 1996, 518 [521]). Dies setzt aber voraus, daß diese Arbeiten
einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen und die derart
qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden. Die
Tätigkeit des Steuerpflichtigen muß sowohl der Tiefe als auch der Breite nach
zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangen (BFH-Urteil
in BStBl II 1993, 100 [101]).
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Daß dies in den Streitjahren der Fall war, steht anhand der vorgelegten Arbeiten des
Klägers und des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zur Überzeugung des
Senats fest. Der Kläger hatte, wie sich bereits aus dem als Klägervortrag zu wertenden
Privatgutachten ergibt und wie er damit selbst einräumt, Defizite in den Bereichen
Mathematik und Wirtschaftswissenschaften (siehe Seite 10 des klägerischen
Gutachtens Dr. G., Bl. 260 d.A.). Diese vom Kläger während des Klageverfahrens selbst
eingeräumten Defizite lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit
vorhandenem Wissen in anderen Bereichen kompensieren.
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aa) Der Kläger hat für die Streitjahre 1983 und 1984 keine und für das Streitjahr 1985
lediglich zwei Arbeitsproben vorgelegt. Allein diese Tatsache zeigt, daß hieraus
konkrete Schlüsse auf den Wissensstand des Klägers in den Streitjahren 1983 bis 1985
nicht gezogen werden können. Denn aus lediglich zwei Arbeitsproben für eines von drei
Streitjahren läßt sich nicht erkennen, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag.
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bb) Aber auch wenn man davon ausgeht, daß die Arbeitsproben repräsentativ für die
Tätigkeit des Klägers auch in den Streitjahren waren, so ergibt sich unter
Berücksichtigung des Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten
Sachverständigen Dr. I. vom 10.07.1998 in seiner korrigierten Fassung vom 29.07.1999
kein anderes Ergebnis:
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Der Sachverständige Dr. I. ist seinem Gutachten vom 10.07.1998 und seinen
ergänzenden Stellungnahmen vom 02.09.1998 und 29.07.1999 aufgrund der vom
Kläger auch für spätere Jahre vorgelegten - insgesamt 8 - Arbeitsproben
zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger im EDV-Bereich die
Kenntnisse eines Dipl.-Informatikers zwar erreiche, daß aber insgesamt nicht der
Schluß gerechtfertigt sei, daß die theoretischen Kenntnisse des Klägers in ihrer Breite
und Tiefe denjenigen des von einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen
Hochschule ausgebildeten Dipl.-Informatikers entsprächen. Der Sachverständige geht
in seinem Gutachten vom Ansatz her in gut nachvollziehbarer Weise im Interesse des
Klägers von dem Studienverlaufsplan der Fachhochschule J. in den Streitjahren aus
und legt seiner Beurteilung nicht etwa die Ausbildung an einer wissenschaftlichen
Hochschule zugrunde, die von den Arbeiten des Klägers wesentlich weiter entfernt ist.
Zutreffend geht der Sachverständige bei seiner Beurteilung ebenfalls von den
Studieninhalten für ein Informatikstudium in den Streitjahren 1983 bis 1985 aus und
stellt nicht auf die zwischenzeitlich gewandelten Anforderungen aus den 90iger Jahren
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ab. Denn es ist grundsätzlich nicht möglich, mit Arbeitsproben aus den Streitjahren 1983
bis 1985 die Kriterien und den Inhalt eines Informatikstudiums aus den 90iger Jahren zu
erfüllen. Dabei bleibt für die Streitjahre dann aber auch zu berücksichtigen, daß die
Informatik in diesen Jahren noch vergleichsweise mathematisch orientiert war, worauf
der Sachverständige Dr. I. in seiner Stellungnahme zu seinem Gutachten zutreffend
hingewiesen hat. Die sich insoweit ergebenden Inhalte des Studiums werden zutreffend
und nachvollziehbar in drei Hauptgebieten - und zwar Mathematik und physikalische
Grundlagen, Informatik und Nebenfach - zusammengefaßt und näher erläutert, worauf
sich diese drei Hauptgebiete beziehen und wie sie schwerpunktmäßig zu erfassen sind.
Dabei wählt der Sachverständige mit Hilfe von Wochenstunden ein mathematisiertes
Verfahren, wobei nunmehr die - wenigen - Seminarbesuche, Zeugnisse und
Arbeitsproben des Klägers den einzelnen Fächern zugeordnet werden. Den vom Kläger
vorgebrachten Beanstandungen hat der Gutachter Dr. I. Rechnung getragen und sein
zunächst erstelltes Gutachten in seiner Stellungnahme vom 29.7.1999 in objektiver und
nachvollziehbarer Weise zugunsten des Klägers berichtigt. Dabei ist der
Sachverständige insbesondere auf die im Gutachten G. in den "Schlußfolgerungen"
vorgeschlagenen Änderungen eingegangen und hat eine neue Bewertung der belegten
und nicht belegten Kenntnisse durchgeführt. Lediglich auf eine Kompensation ist der
Sachverständige Dr. I. - zu Recht - nicht eingegangen. Auch der Kläger hat gegen das
berichtigte Gutachten keine Bedenken mehr erhoben. Trotz der Korrekturen hat der
Sachverständige Dr. I. aber nach wie vor darauf hingewiesen, daß im Bereich
Mathematik und physikalische Grundlagen, wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen
und allgemeinwissenschaftliche Fächer erhebliche Defizite vorlägen.
cc) Der Kläger kann in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg einwenden, daß
die im Bereich Mathematik und wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen vorhandenen
Defizite jedenfalls mit seinem Wissen auf anderen Gebieten kompensiert werden
müßten. Insoweit ist wesentliches Merkmal der Ausbildung eines Diplom-Informatikers
eine vergleichsweise theoretische Grundlage, die sich in den Streitjahren eben auch auf
den Bereich der Mathematik und der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen bezog.
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c) Auch der Einwand des Klägers, allein sein Verdienst spreche dafür, wie
anspruchsvoll seine Tätigkeit gewesen ist, führt nicht zum Erfolg der Klage. Der Senat
verkennt nicht, daß der Kläger auch in den Streitjahren eine anspruchsvolle Tätigkeit
ausgeübt hat, für die ein gehobenes und spezielles Wissen erforderlich war. Dieser
Umstand führt aber nicht dazu, daß nunmehr die Tätigkeit aus diesem Grunde nicht als
gewerblich behandelt werden kann, sondern als freiberuflich zu beurteilen ist. Denn im
Hinblick auf die Katalogisierung in § 18 EStG kann nicht jede anspruchsvolle Tätigkeit
als freiberuflich eingeordnet werden.
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d) Auch der Hinweis des Klägers, daß die Gemeinde F., die letztlich die Gewerbesteuer
erhebe, ihm bescheinigt habe, daß seine Tätigkeit als freiberufliche und nicht als
gewerbliche anzusehen sei, führt nicht zur Klagestattgabe. Grundlage für die Erhebung
der Gewerbesteuer ist der vom Finanzamt zu erlassende Gewerbesteuermeßbescheid.
Insoweit ist die Auffassung der Gemeinde unerheblich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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