Urteil des FG Köln vom 29.04.2003

FG Köln: nachhaltigkeit, private vermögensverwaltung, grundstück, vermietung, anfang, immobilie, kauf, sanierung, datum, mietvertrag

Finanzgericht Köln, 8 K 7540/99
Datum:
29.04.2003
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 7540/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger ist als Unternehmer gewerblich tätig. Außerdem erzielt er Einkünfte aus
Land- und Forstwirtschaft, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung
aus einem umfangreichen Immobilienvermögen.
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Mit Vertrag vom 29.09.1992 erwarb der Kläger das Grundstück in N, I Str. von der
Bundesrepublik Deutschland zum Preis von 757.178,- DM. Auf den Vertrag wird
verwiesen.
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Nach Stellung des Bauantrages Ende 1993 ließ der Kläger auf dem Grundstück einen
Supermarkt errichten. Die Bauphase dauerte von Februar bis Oktober 1994. Die
Fertigstellung erfolgte zum 01.11.1994. Die Herstellungskosten beliefen sich auf
insgesamt 2.168.471,- DM. Die Finanzierung erfolgte über sogenannte
Termingeldkonten, die ausweislich einer Bescheinigung der finanzierenden Bank vom
4.9.1998, auf die hier verwiesen wird, langfristig konzipiert, jedoch wegen der günstigen
Zinslage jeweils nur kurzfristig in Anspruch genommen worden sind. Das gesamte
Objekt wurde für die Zeit nach der Fertigstellung aufgrund langfristiger Verträge
vermietet. Auf die Mietverträge wird Bezug genommen.
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Mit Vertrag vom 16.12.1994, auf den hier Bezug genommen wird, wurde der gesamte
Komplex zum Preis von 6.325.000,- DM brutto veräußert. Der Übergang von Nutzen und
Lasten sollte mit Hinterlegung des Kaufpreises, frühestens jedoch zum 15.02.1995
erfolgen. Die Mietverträge wurden vom Erwerber übernommen.
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Laut Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung 1995 erfolgte die
Kaufpreiszahlung im April 1995, weshalb die Mieten bis einschließlich April 1995 an
den Kläger flossen. Diese Mieteinnahmen erfasste der Kläger als Einkünfte aus
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Vermietung und Verpachtung und erklärte hieraus einen Überschuss der Einnahmen
über die Ausgaben in Höhe von 26.064,- DM. Der Veräußerungsvorgang wurde vom
Kläger der Privatsphäre zugeordnet. Nach Erörterung einzelner Punkte wurde die
Einkommensteuerveranlagung 1995 vom Beklagten betreffend das hier streitige Objekt
unter Berücksichtigung eines Überschusses in Höhe von 29.140,- DM unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO durchgeführt. Der Steuerbescheid
wurde bestandskräftig. Im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung
1997 wurde der oben beschriebene Sachverhalt unter dem Aspekt gewerblichen
Grundstückshandels vom Beklagten erneut aufgegriffen. Dementsprechend wurde der
Einkommensteuerbescheid 1995 nach § 164 Abs. 2 AO mit Bescheid vom 21.05.1999
geändert und ein Gewinn aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung des Objektes I Str.
in Höhe von 2.556.101,- DM berücksichtigt.
Der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr wurde mit Bescheid vom
04.06.1999 auf 123.505,- DM festgesetzt.
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Mit Datum vom 21.07.1999 ergingen Teilabhilfebescheide hinsichtlich der
Einkommensteuer und des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages 1995 unter
Zugrundelegung eines Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des streitigen Objektes
- nunmehr unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von
367.885,- DM - in Höhe von 2.198.216,- DM.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrt der Kläger mit seiner Klage weiterhin
die Zuordnung der Einnahmen aus der Grundstücksveräußerung zur privaten
Vermögenssphäre. Er trägt vor, er habe seit vielen Jahren, zu Beginn vornehmlich durch
Schenkungen aus dem Familienkreis, ein umfangreiches Immobilienvermögen
zusammengetragen. Diese Objekte würden alle langfristig als Vermögensanlage und
Renditeobjekte genutzt, wesentliche Umschichtungen hätten im Laufe der Jahre nicht
stattgefunden. Von vier nach dem gleichen Muster errichteten Gewerbeobjekten seien
bis auf das hier streitige Objekt alle noch in seinem Besitz. Für ihn sei der
Immobilienbesitz neben den gewerblichen Beteiligungen und der Landwirtschaft immer
ein wesentliches Element seiner Vermögensanlage gewesen. Dies sei so auch mit dem
Grundstück I Str. in N geplant gewesen. Der Kauf des Grundstücks sei durch
Schenkungen aus dem Familienkreis finanziert worden. Das Bauvorhaben selbst sei mit
geringem Fremdkapitalanteil langfristig finanziert und mit einem langfristigen lukrativen
Mietvertrag abgesichert worden. Mit dieser Konzeption sei das Grundstück als
Renditeobjekt zur langfristigen Einbindung in das Immobilienvermögen vorgesehen
gewesen.
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Zum Verkauf des Grundstückes sei es aus folgenden Gründen gekommen: Sein Vater
sei 1992 verstorben. Seitdem sei er mit 75 % an der H GmbH & Co. KG in F beteiligt.
Weitere Gesellschafterin sei Frau L, seine Mutter. Komplementär sei die L-GmbH, F,
ohne Kapitaleinlage. Gegenstand des Unternehmens sei die Herstellung und der
Vertrieb von ... . Hauptkunden seien europäische ... . Die Krise der ...wirtschaft habe
auch diese Gesellschaft hart getroffen. Ab Mai 1994 habe sich ein erheblicher Umsatz
und Ertragseinbruch abgezeichnet. Davon betroffen seien auch die
Schwestergesellschaft U GmbH & Co. KG F und die Tochtergesellschaft F`er GmbH, F,
gewesen. Die Sanierung der Unternehmensgruppe habe erhebliche Mittel erfordert. Die
Hausbank sei nicht bereit gewesen, weitere Risiken zu übernehmen und die
Gesellschafterin L habe neben der Unternehmensbeteiligung keine weiteren
wesentlichen Vermögensgegenstände besessen. Ende 1994 habe dann die Alternative
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bestanden, die Firmengruppe zu liquidieren oder mit erheblichem Eigenkapitalaufwand
zu sanieren. Er, der Kläger, habe sich nach umfangreichen Beratungen mit Anwälten,
Wirtschaftsprüfern und den zuständigen Politikern für die Sanierung entschieden.
Liquide Mittel seien nicht vorhanden gewesen, so dass die Vermögenssubstanz habe
genutzt werden müssen. Zunächst habe er versucht, den landwirtschaftlichen Betrieb in
... zu veräußern. Dies sei jedoch aufgrund der Marktlage nach der Eingliederung der
neuen Bundesländer gescheitert. In dieser Situation habe er anlässlich einer
Baubesprechung im September 1994 mit dem mit ihm befreundeten Architekten M seine
finanziellen Probleme angesprochen, woraufhin dieser ihn darauf aufmerksam gemacht
habe, dass er in seinem Kundenkreis einen Investor habe, der sich für Gewerbeobjekte
interessiere. Er, der Kläger, sei damit einverstanden gewesen, dass diesem Investor,
Herrn U1, das Objekt I Str. angeboten werde. Herr M habe daraufhin mit Herrn U1
verhandelt, das Objekt besichtigt und ihm ein Kaufangebot von Herrn U1 übermittelt. Er
habe sich dann, aufgrund fehlender sonstiger kurzfristiger Möglichkeiten, die benötigten
Mittel zu bekommen, zum Verkauf der Immobilie entschlossen. Wegen vorgesehener
Änderungen bei der Abschreibung von Gewerbeobjekten zum 31.12.1994 sei der
Verkauf dann noch im Jahre 1994 abgewickelt worden. Dies ergebe sich aus den von
ihm eingereichten Schreiben der Herren M und U1, deren Inhalt er sich zu eigen mache.
Auf die Schreiben, jeweils vom 10.4.2003, wird Bezug genommen.
Der Ansicht des Beklagten, dass dieses Grundstücksgeschäft die Vorraussetzungen
eines gewerblichen Grundstückshandels erfülle, könne nicht gefolgt werden.
Gewerbebetrieb sei nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung,
die mit Gewinnabsicht unternommen werde und sich als Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr darstelle, wenn keine andere Einkunftsart damit verbunden sei.
Im vorliegenden Fall sei zwar eine selbständige Tätigkeit mit Gewinnabsicht gegeben,
allerdings fehle es an der Nachhaltigkeit. Eine Wiederholungsabsicht liege nicht vor. Es
habe sich um eine einmalige Aktion gehandelt. Die tatsächlichen Umstände ließen
keine andere Deutung zu.
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Aus den Schreiben der Herren U1 und M ergebe sich, dass trotz der kurzen Frist
zwischen Grundstückskauf, Bebauung und Veräußerung zu Beginn der Maßnahmen
keine - auch keine bedingte - Veräußerungsabsicht bestanden habe. Im Übrigen habe
der BFH in seinem Urteil vom 18.05.1999 (I R 118/97) entschieden, dass von der
sogenannten Drei-Objekt-Grenze auch Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten als
jeweils ein Objekt erfasst würden. Es komme weder auf die Größe noch den Wert des
einzelnen Objektes noch auf dessen Nutzungsart an.
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Da im Streitfall nur ein Objekt veräußert worden sei, sei ein gewerblicher
Grundstückshandel auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gegeben.
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Der Kläger beantragt,
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die Einkommensteueränderungsbescheide 1995 vom 21.5.1999 und vom
21.7.1999 sowie die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag
1995 vom 4.6.1999 und vom 21.7.1999, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 6.10.1999, aufzuheben,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er trägt vor, der Verkauf des Supermarktgeländes sei als gewerblicher
Grundstückshandel zu qualifizieren. Unabhängig von dem Umfang der Bautätigkeit des
Klägers, dem Einsatz von Fremdmitteln sowie der Errichtung nach den Plänen des
Hauptmieters setze die Annahme gewerblichen Grundstückshandels die zumindest
bedingte Absicht einer Veräußerung voraus, die nach dem BFH-Urteil vom 24.1.1996,
BStBl II 1996, 303 im Falle der Errichtung eines gewerblichen Großobjekts jedenfalls im
Zeitpunkt der Bebauung bestehen müsse. Es reiche nicht aus, dass lediglich zu Beginn
der Bebauung keine Veräußerungsabsicht bestanden habe, dieser Zustand müsse
während der ganzen Bauzeit bis zur Fertigstellung beibehalten werden. Ein enger
zeitlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskauf, Bebauung und Verkauf sei ein
Anzeichen dafür, dass eine Verkaufsabsicht bereits von Anfang an vorgelegen habe.
Ein solcher zeitlicher Zusammenhang werde in der Regel angenommen, wenn die
Zeitspanne zwischen Errichtung des Gebäudes und dem Verkauf weniger als 5 Jahre
betrage. Je kürzer dieser Zeitabstand ausfalle, umso strengere Anforderungen seien an
die Widerlegung der Vermutung zu stellen. Betrage der Zeitabstand - wie im Streitfall -
zwischen Fertigstellung und Veräußerung nur 6 Wochen, seien an die Widerlegung der
Vermutung strenge Anforderungen zu stellen.
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Aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Errichtung und Verkauf der
Gewerbeimmobilie sei auf eine bereits bei Errichtung bestehende bedingte
Verkaufsabsicht zu schließen, wenn keine eindeutigen gegenteiligen Anhaltspunkte
bestünden. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Errichtung des Gebäudes und
seiner Veräußerung sei ein Beweisanzeichen, dass durch andere
Sachverhaltsmerkmale erschüttert werden könne. Die bloße Behauptung, der Kläger
habe das Gebäude nicht veräußern, sondern langfristig durch Vermietung nutzen
wollen, reiche für eine Erschütterung der Beweisanzeichen nicht aus. Die innere
Einstellung des Klägers bei Errichtung des Gebäudes könne, wie alle sich in der
Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge, nur anhand äußerer Merkmale
beurteilt werden. Es müsse sich daher um objektive Tatsachen handeln, die
Anhaltspunkte dafür böten, dass der Kläger das Gebäude auf keinen Fall alsbald wieder
verkaufen, sondern unbedingt anderweitig als durch Verkauf habe nutzen wollen.
Ausweislich des durch den Kläger vorgelegten Schriftsatzes des Herrn M werde aber
gerade eine Veräußerungsabsicht des Klägers bereits während der Bauphase, d. h. vor
Fertigstellung des Objektes am 01.11.1994 dokumentiert. Dies bedeute, dass hiernach
jedenfalls bereits im September 1994, wenn nicht bereits früher, durch die Zustimmung
des Klägers, den Kaufinteressenten zu kontaktieren, zumindest die bedingte
Veräußerungsabsicht hinsichtlich des Objektes bestanden habe.
Verkaufsverhandlungen, die Besichtigung des Objektes, die Erstellung des
Kaufangebotes und die Vereinbarung des Termins für die notarielle Beurkundung des
Kaufvertrages dürften vor Fertigstellung des Objektes am 01.11.1994 stattgefunden
haben. Das letztlich durch den Kläger die Mieten bis April 1995 noch vereinnahmt
worden seien, sei lediglich darauf zurückzuführen, dass sich die Kaufpreiszahlung
durch den Erwerber bis zum 15.03.1995 verzögert habe.
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Die Tatsache, dass im Streitfall der eigentliche Anlass für den Verkauf des
Supermarktes ein unvorhergesehener Finanzierungsbedarf gewesen sei, biete keinen
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derartigen Anhaltspunkt für eine bloße Vermögensverwaltung. Nach ständiger
Rechtsprechung seien persönliche und finanzielle Beweggründe für die Veräußerung
von Grundstücken auf die Zuordnung des Vorgangs zum gewerblichen Bereich oder
zum Bereich der Vermögensverwaltung prinzipiell ohne Bedeutung und nicht geeignet,
im Streitfall die Vermutung der von Anfang an bestehenden Veräußerungsabsicht zu
wiederlegen. Denn der bloße Anlass für den Verkauf sage nichts darüber aus, ob der
Kläger nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern
von Anfang an bedingte Verkaufsabsicht gehabt habe.
Die Annahme einer bedingten Verkaufsabsicht bei einem engen zeitlichen
Zusammenhang zwischen Errichtung und Verkauf von Gebäuden könne daher nur
durch solche objektiven Umstände erschüttert werden, die unabhängig vom Anlass für
den Verkauf darauf hindeuteten, dass der Kläger bei Errichtung noch keine - auch keine
bedingte - Absicht zum Verkauf gehabt habe. Solche Umstände habe der BFH z. B.
nach der Errichtung von Wohnungen in dem Abschluss langfristiger Mietverträge oder
unter bestimmten Voraussetzungen in der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gesehen.
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Demnach könne die langfristige Vermietung zwar einen Umstand darstellen, welcher
der Annahme einer bedingten Veräußerungsabsicht entgegenstünde. Dieser für
Mietwohnungen aufgestellte Grundsatz gelte jedoch nicht gleichermaßen für die
Errichtung und Veräußerung von Gewerbeimmobilien. Bei gewerblichen Objekten
garantiere ein langfristig abgeschlossener Mietvertrag dem Erwerber regelmäßig
abgesicherte Gewinne aus der Immobilie und stelle einen wirtschaftlichen Faktor dar,
der die Kaufentscheidung positiv beeinflussen dürfte. Langfristige Mietverträge seien bei
Großobjekten vielmehr üblich und ließen deshalb allenfalls dann Rückschlüsse auf den
längerfristigen Haltewillen des Vermieters zu, wenn durch diese nicht die Attraktivität
des Objektes für eine bestimmte Interessengruppe erhöht werde. Der Wert einer
Großimmobilie könne sich beispielsweise durch den Abschluss besonders günstiger
Mietverträge zugunsten des Eigentümers erheblich erhöhen. Außerdem sei eine
gewerbliche Immobilie unter Umständen so sehr auf einen bestimmten Zweck
zugeschnitten, dass deren Kauf für einen Erwerber allein bei Übernahme eines
langfristigen Mietvertrages interessant erscheine.
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Auch aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001, BStBl II, 291
könnten keine anderen Folgerungen gezogen werden. Der Große Senat des BFH habe
in diesem Beschluss entschieden, dass die Errichtung von Wohnobjekten auf dem
eigenen Grundstück und deren Veräußerung nicht unabhängig von der als Indiz
wirkenden 3-Objekt-Grenze bereits wegen der Ähnlichkeiten mit dem Bild des
produzierenden Bauunternehmers/Bauträgers eine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Der
Leitsatz des Beschlusses vom 10.12.2001 beziehe sich ausgehend von der
Vorlagefrage des 10. Senates des BFH nur auf die Errichtung von Wohnobjekten. Nur
für diese Fallgruppe finde der Beschluss des Großen Senates Anwendung. Auch in den
Entscheidungsgründen fehle ein ausdrücklicher Hinweis auf die Anwendung auf
Grundstücksverkäufe nach deren Bebauung mit einem Großobjekt. Sowohl nach dem
BMF-Schreiben vom 20.12.1990, BStBl I 1990, 884 als auch nach dem BMF-Schreiben
vom 09.07.2001, BStBl I 2001, 512 könne im Falle der Errichtung und anschließendem
Verkauf von Großobjekten ein gewerblicher Grundstückshandel auch bei der
Veräußerung von weniger als 4 Objekten vorliegen. Die Verwaltungsauffassung stütze
sich hierbei auf die BFH-Rechtsprechung.
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Der Beschluss des Großen Senates vom 10.12.2001 habe daher keine Auswirkung auf
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die Beurteilung der Verkäufe von Großobjekten. Der BFH nenne zwar beispielhaft - vor
dem Hintergrund der Vorlagefrage einschlägige - Ausnahmefälle, die eine Annahme
eines gewerblichen Grundstückshandels bei Veräußerung von weniger als 4 Objekten
rechtfertigten. Dies sei jedoch nicht als abschließende Aufzählung zu werten. Wie
bislang könne daher bei der Veräußerung von Großobjekten ein gewerblicher
Grundstückshandel auch bei Veräußerung von weniger als 4 Objekten vorliegen.
Schließlich dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Kläger mit
Gesellschaftsvertrag vom 22.05.1995 zu 25 % an der T GmbH beteiligt habe, an der
auch seine nunmehrige Ehefrau sowie der Architekt M und dessen Ehefrau zu jeweils
25 % beteiligt seien. Gegenstand des Unternehmens sei die Errichtung von Bauwerken
aller Art durch Dritte und der Erwerb sowie der Vertrieb von bebauten und unbebauten
Grundstücken. U. a. seien seitens der Gesellschaft zuvor erworbene Grundstücke mit
Supermärkten bebaut und anschließend veräußert worden.
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Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Beklagte hat zu Recht die Voraussetzungen für die Annahme eines gewerblichen
Grundstückhandels im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks I Str.
durch den Kläger bejaht.
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1. Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 EStG vor,
wenn er selbständig, nachhaltig sowie mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, betrieben
wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht
der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen ist (ständige Rechtsprechung des
BFH, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl II
2002, 291).
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a) In Bezug auf die Nachhaltigkeit hat der Große Senat in seinem Beschluss vom
10.12.2001 (GrS 1/98, a.a.O.) entschieden, dass die Veräußerung nur eines Objektes
der Annahme eines gewerblichen Grundstückhandels nicht entgegensteht. Die Drei-
Objekt-Grenze stellt im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal keine Mindestgrenze
dar. Ausnahmsweise kann eine Nachhaltigkeit selbst dann zu bejahen sein, wenn der
Steuerpflichtige nur ein einziges Geschäft oder einen einzigen Vertrag abschließt und
sich keine Wiederholungsabsicht feststellen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die
Erfüllung dieses Geschäftes oder Vertrages eine Vielzahl von zahlreichen und
unterschiedlichen Einzeltätigkeiten erfordert, die in ihrer Gesamtheit die Würdigung
rechtfertigen, der Steuerpflichtige sei nachhaltig tätig geworden. Entscheidend ist, dass
der Steuerpflichtige die die Nachhaltigkeit begründenden Einzelaktivitäten entfaltet hat,
nachdem er fest zum Kauf entschlossen war (BFH-Urteile vom 15.7.1986 VIII R 289/81,
BFH/NV 1987, 92 und vom 09.12.2002 VIII R 40/01, BFH/NV 2003, 554).
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b) Für die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung
andererseits stellt die Rechtsprechung auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die
Verkehrsanschauung ab. Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum
Gewerbebetrieb wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH überschritten, wenn
nach dem Gesamtbild der Betätigung unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung
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die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der
Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden
Substanzwerten (z. B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den
Vordergrund tritt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 GrS 1/98 a.
a. O.). In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung
darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem
Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und
einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (BFH-Urteil vom 19.12.2002 X R 51/98,
BStBl II, 2003, 394) .
Indiz für einen solchen gewerblichen Grundstückshandel ist grundsätzlich die
Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines engen zeitlichen
Zusammenhangs (sogenannte Drei-Objekt-Grenze, vgl. BFH-Urteil vom 18.09.2002 X R
5/00, BFH/NV 2003, 544 m. w. N.). Denn die Zahl der Veräußerungen innerhalb eines
engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren zwischen Anschaffung
bzw. Errichtung und Verkauf lässt den Schluss zu, dass es dem Steuerpflichtigen auf die
Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt und nicht auf
die Nutzung des Grundstückes im Sinne einer Fruchtziehung (BFH-Urteil vom
19.12.2002 X R 51/98, BStBl II, 2003, 394). Die Heranziehung dieser äußerlich
erkennbaren Merkmale ist gerechtfertigt, weil die innere Tatsache der von Anfang an
bestehenden Veräußerungsabsicht oft nicht auf anderem Wege zweifelsfrei feststellbar
ist. Gleichwohl kommt es auf diese Indizienmerkmale dann nicht an, wenn sich bereits
aus anderen - im Einzelfall besonderen - Umständen zweifelsfrei eine von Anfang an
bestehende oder aber fehlende Veräußerungsabsicht ergibt. In solchen Fällen kann
trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel zu
verneinen sein, wenn eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende
Veräußerungsabsicht sprechen. Andererseits können auch bei einer Veräußerung von
weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung
schließen lassen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Objekt
angeschafft oder selbst errichtet hat (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
10.12.2001 GrS 1/98, BStBl II 2002, 291).
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Nach den Ausführungen des Großen Senates in seinem Beschluss vom 10.12.2001,
dessen Grundsätze - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch im Zusammenhang mit
Gewerbebauten anzuwenden sind (BFH-Urteil vom 19.12.2002 VIII R 40/01, a.a.O. und
BFH-Beschluss vom 3.7.2002 XI R 31/99, BFH/NV 2002, 1559), kann beispielsweise
auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen
Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung erworbene Grundstück schon vor
seiner Bebauung verkauft worden ist oder wenn ein solches Grundstück von
vorneherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird. Ebenso
kann für eine gewerbliche Betätigung der Umstand sprechen, dass das
Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden Steuerpflichtigen erhebliche
Leistungen für den Bau erbringt, die nicht wie unter Fremden abgerechnet werden.
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Diesen für eine unbedingte Veräußerungsabsicht und gegen eine private
Vermögensverwaltung sprechenden Indizien steht nach der Rechtsprechung des BFH
(vgl. BFH-Urteile vom 18.09.2002 X R 5/00 a. a. O. und X R 108/96, BFH/NV 2003, 455)
gleich, wenn der Steuerpflichtige das Bauvorhaben nur kurzfristig finanziert, bereits
während der Bauzeit eine Maklerfirma mit dem Verkauf des Objekts beauftragt oder
selbst Veräußerungsannoncen schaltet, vor Fertigstellung des Objekts einen Vorvertrag
mit dem künftigen Erwerber schließt oder Gewährleistungspflichten über das bei
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Privatverkäufen übliche Maß hinaus übernimmt; umso mehr gilt dies, wenn der
Steuerpflichtige die unbedingte Veräußerungsabsicht zweifelsfrei bekundet oder in
sonstiger Weise dokumentiert.
2. Dies zugrunde gelegt sind im Streitfall die Voraussetzungen für einen gewerblichen
Grundstückshandel gegeben.
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Durch die Veräußerung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung
des Gebäudes hat der Kläger im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG selbständig und mit
Gewinnerzielungsabsicht nachhaltig am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
teilgenommen.
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a) Die - von den positiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG im
Streitfall allein zweifelhafte - Nachhaltigkeit der Betätigung ergibt sich, obwohl nur ein
Objekt veräußert wurde, aus den vom Kläger in unbedingter Veräußerungsabsicht
getätigten Einzelaktivitäten, die in ihrer Gesamtheit die Würdigung rechtfertigen, der
Kläger sei nachhaltig tätig geworden. Insbesondere die Errichtung eines großen
Objektes -wie im Streitfall - erfordert so viele Einzelaktivitäten, dass die Tätigkeit auch
dann als nachhaltig anzusehen ist, wenn diese Einzelaktivitäten nur in ein einziges
Werk einfließen (vgl. Kempermann, DStR 2002, 785). Dabei kann an dieser Stelle
dahinstehen, ob im Streitfall der Entschluss zum Verkauf, wie vom Kläger vorgetragen,
tatsächlich erst im September 1994 gefasst wurde, oder, wie vom Beklagten vermutet,
bereits zu einem früheren Zeitpunkt, denn auch in den letzten Monaten der Bauphase
erfordert ein Objekt dieser Größenordnung eine solche Vielzahl an Einzelaktivitäten,
dass auch diese - dem Kläger als Auftraggeber zuzurechnenden - Tätigkeiten (vgl. BFH
- Urteil vom 14.10.2002 VIII R 70/98, NV) geeignet sind, der Betätigung das Gepräge der
Nachhaltigkeit zu geben. Da die Nachhaltigkeit im Streitfall bereits aus der Intensität der
Betätigung folgt, kann ebenfalls dahinstehen, ob aus eventuellen Verkäufen der T -
GmbH - so der Beklagte - auf eine Wiederholungsabsicht des Klägers bei der
Veräußerung des streitigen Objektes geschlossen werden kann.
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b) Die Betätigung des Klägers geht auch über den Rahmen der privaten
Vermögensverwaltung hinaus. Die für die Annahme eines gewerblichen
Grundstückhandels erforderliche unbedingte Veräußerungsabsicht ergibt sich im
Streitfall aus der Tatsache, dass der Kläger bereits während der Bauphase über seinen
Architekten Verkaufsverhandlungen mit dem späteren Erwerber aufgenommen hat (vgl.
BFH-Urteile vom 18.09.2002 X R 108/96, a.a.O. und X R 5/00, a.a.O.). Dies gilt
unabhängig davon, ob man - wie der Beklagte - die Ansicht vertritt, dass stets und
unwiderlegbar eine von vornherein bestehende unbedingte Veräußerungsabsicht
anzunehmen ist, wenn der Veräußerungsentschluss , wie im Streitfall, noch während
der Bauphase gefasst wird, oder ob man der Auffassung zuneigt, dass in einem solchen
Fall eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer von vornherein bestehenden,
unbedingten Veräußerungsabsicht spricht.
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Die Auffassung, dass bei Fassen eines Verkaufsentschlusses noch während der
Bauphase stets die Gewerblichkeit zu bejahen ist, scheint der 8. Senat des BFH zu
vertreten, wenn er in seiner Entscheidung vom 9.12.2002 (VIII R 40/01 a.a.O.) ausführt,
auch bei der Veräußerung nur eines Grundstücks sei von Gewerblichkeit auszugehen,
wenn aufgrund objektiver Umstände zweifelsfrei feststehe, dass die Tätigkeiten, die in
ihrer Gesamtheit das Merkmal der Nachhaltigkeit erfüllten, mit unbedingter
Veräußerungsabsicht ausgeübt worden seien. Da, wie oben ausgeführt, die
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Nachhaltigkeit auch bei einer Entschließung zum Verkauf erst während der Bauphase
regelmäßig zu bejahen ist, mit der Folge, dass die zur Nachhaltigkeit führenden
Einzelaktivitäten ab diesem Zeitpunkt stets mit unbedingter Veräußerungsabsicht
ausgeübt werden, wäre in diesen Fällen generell die Gewerblichkeit zu bejahen.
Der Rechtsprechung des 10. Senates des BFH ist dies nach Ansicht des erkennenden
Senates jedenfalls in dieser Stringenz nicht zu entnehmen ( BFH-Urteile vom 18.9.2002
X R 5/00 a.a.O., X R 183/96 a.a.O. und X R 108/96 a.a.O.). Andererseits kann aus
diesen BFH-Entscheidungen auch nicht geschlossen werden, dass die unbedingte
Veräußerungsabsicht zu Beginn der Bauphase objektiv feststehen muss. Vielmehr
spricht der 10. Senat des BFH generell von "Indizien", aus denen sich die von
vornherein bestehende Veräußerungsabsicht ergibt. Hieraus folgt, so jedenfalls die
Ansicht des erkennenden Senates, dass ein Verhalten des Steuerpflichtigen - wie im
Streitfall der Beginn der Verkaufsverhandlungen noch während der Bauphase - nach
den Regeln der Lebenserfahrung zu der Schlussfolgerung zwingt, dass von vornherein
eine unbedingte Veräußerungsabsicht vorgelegen hat, wenn nicht eindeutige
gegenteilige Anhaltspunkte dagegensprechen.
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Solche eindeutigen Anhaltspunkte sind im Streitfall nicht ersichtlich. Der Vortrag des
Klägers, er habe den Veräußerungsentschluss erst im September 1994 wegen eines
unvorhergesehenen Finanzierungsbedarfes in der H-Gruppe gefasst, ist nicht geeignet,
diese Schlussfolgerung zu entkräften, denn konkrete Anlässe und Beweggründe für den
Verkauf sind grundsätzlich unbeachtlich. Sie sagen nichts darüber aus, ob der Kläger
nicht bereits unabhängig von seinen finanziellen Schwierigkeiten von vornherein die
Absicht hatte , das Objekt zu veräußern. Insofern hat auch Herr M nur mitgeteilt, zu
welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck der Kläger im September an ihn
herangetreten ist.
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Schließlich sind auch die vom Kläger vorgetragene langfristige Vermietung des Objekts
sowie dessen langfristige Finanzierung keine derartigen Anhaltspunkte für eine bloße
Vermögensverwaltung. Die Finanzierung war - laut Bescheinigung der finanzierenden
Bank vom 4.9.1998 - zwar langfristig konzipiert, wurde aber jeweils nur kurzfristig in
Anspruch genommen. Dementsprechend kann von der Art der Finanzierung gerade
nicht auf eine fehlende Veräußerungsabsicht geschlossen werden. Was die
langfristigen Mietverträge betrifft, so lassen sich Gewerbeobjekte - anders als
Wohnhäuser - generell in vermietetem Zustand besser veräußern als leerstehend. Auch
die langfristigen Mietverträge sind daher nicht geeignet, die Vermutung einer von
vornherein bestehenden Veräußerungsabsicht zu entkräften.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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