Urteil des FG Köln vom 28.06.2004

FG Köln: mehrarbeit, gebühr, zivilprozess, bauer, vergleich, rechtsmittelbelehrung, rücknahme, öffentlich, begriff, mandat

Finanzgericht Köln, 10 ko 1588/04
Datum:
28.06.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 ko 1588/04
Tenor:
Die Erinnerung wird abgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsführerin zu
tragen.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Prozessbevollmächtigten für das Verfahren im
2. Rechtszug eine weitere Prozessgebühr zusteht und ob eine Erledigungsgebühr
angefallen ist.
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Die Beteiligten stritten vor dem Finanzgericht Köln im Verfahren 5 K 890/93 (1.
Rechtszug) um den Abzug von Zinsaufwendungen als Werbungskosten bei den
Vermietungseinkünften der Klägerin. Die Erinnerungsführerin wurde im Verfahren des 1.
Rechtszugs durch Steuerberater L. vertreten. Der 5. Senat des FG Köln wies die Klage
mit Urteil vom 27. Juli 1995 ab, weil die Aufwendungen teilweise nicht durch die
Erzielung von Einkünften veranlasst seien. Der BFH hob dieses Urteil im
anschließenden Revisionsverfahren X R 104/98 mit Urteil vom 19. Juni 2001 auf und
verwies die Sache an das FG Köln zurück. Im Revisionsverfahren wurde die
Erinnerungsführerin durch RA H. vertreten, der zu dieser Zeit für die Kanzlei XXX &
Partner tätig war.
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Im 2. Rechtszug war der 3. Senat des FG Köln für die Sache im Verfahren 3 K 6842/01
zuständig. In diesem Verfahren zeigte die Kanzlei XXX & Partner an, dass der dort
ausgeschiedene RA H. das Mandat allein fortführe. In der Folgezeit trat Herr RA H. als
Sozius der Kanzlei "Y & Kollegen" für die Erinnerungsführerin auf. Nach einem
umfangreichen Erörterungsschreiben des Berichterstatters und Vorlage weiterer
Unterlagen wurden die Zinsaufwendungen weitgehend antragsgemäß berücksichtigt
(Bl. 5, 104 Gerichtsakte). Die Beteiligten erklärten Rechtsstreit daraufhin in der
Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 26. August 2003 wurden die Kosten des
Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens dem Finanzamt auferlegt.
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Im Kostenfestsetzungsantrag beantragte RA H, die insgesamt zu erstattenden Kosten
unter Berücksichtigung einer Prozessgebühr und einer Erledigungsgebühr für das
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Klageverfahren im 2. Rechtszug auf 12.940 EUR festzusetzen. Er machte geltend, der
Ansatz einer Erledigungsgebühr sei gerechtfertigt, weil er die außergerichtliche
Änderung der angefochtenen Bescheide durch Beschaffung spezifischer, vom
Finanzamt zusätzlich verlangter Dokumente erreicht habe.
Das Finanzamt ist demgegenüber der Ansicht, im Klageverfahren des 2. Rechtszugs sei
keine erneute Prozessgebühr entstanden, weil das FG Köln bereits im 1. Rechtszug mit
der Sache befasst gewesen sei (§ 15 Abs. 1 BRAGO). Außerdem habe kein
Bevollmächtigtenwechsel stattgefunden. Denn RA H. sei sowohl in der Kanzlei XXX &
Partner als auch als Sozius der Kanzlei "Y & Kollegen" Prozessbevollmächtigter
gewesen. Eine Erledigungsgebühr sei ebenfalls nicht entstanden, weil es an der dazu
erforderlichen qualifizierten Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten bei der Erledigung
des Rechtsstreits gefehlt habe. Die Unterlagen, die im 2. Rechtszug zur Änderung der
angefochtenen Bescheide geführt hätten, seien vom FG Köln bereits im 1. Rechtszug
erfolglos angefordert worden.
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Im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. März 2004
wurden die zu erstattenden Kosten auf 11.006 EUR festgesetzt. Dabei berücksichtigte
der Kostenbeamte eine Prozessgebühr, aber keine Erledigungsgebühr. Der
Kostenbeamte vertrat die Ansicht, eine Erledigungsgebühr entstehe nicht, wenn die
Behörde unter dem Eindruck schriftlicher oder mündlicher Ausführungen während des
Prozesses einlenke; erforderlich sei vielmehr ein darüber hinausgehendes Einwirken
des Prozessbevollmächtigten auf die Behörde.
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II. Die Erinnerung ist im Ergebnis unbegründet. Im Verfahren des 2. Rechtszugs entsteht
keine Prozessgebühr, wenn die Sache an das Gericht des 1. Rechtszugs
zurückverwiesen wird; in diesem Fall entsteht jedoch eine Erledigungsgebühr, wenn
sich die Behörde aufgrund des überzeugenden Vortrags des Prozessbevollmächtigten
oder unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung zu einer weitgehend
antragsgemäßen Änderung des angefochtenen Bescheides bereit erklärt.
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1. Im Verfahren des 2. Rechtszugs entsteht keine Prozessgebühr, wenn die Sache an
das Gericht des 1. Rechtszugs zurückverwiesen wird.
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a) Gemäß § 13 Abs. 1 BRAGO entgelten die Gebühren grundsätzlich die gesamte
Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Gemäß
Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben
Angelegenheit nur einmal, gemäß Abs. 2 Satz 2 im gerichtlichen Verfahren jedoch in
jedem Rechtszug fordern. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ist im Falle der
Zurückverweisung der Sache an ein untergeordnetes Gericht das weitere Verfahren vor
diesem Gericht ein neuer Rechtszug. Die Prozessgebühr erhält der Rechtsanwalt nach
Satz 2 der Vorschrift jedoch nur, wenn die Sache an ein Gericht zurückverwiesen ist,
das mit der Sache noch nicht befasst war.
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b) Diese Vorschriften gelten auch im finanzgerichtlichen Verfahren (BFH-Beschluss vom
17. August 1971 VII B 147/70, BStBl II 1971, 742). Danach gilt zwar das weitere
Verfahren vor dem FG als ein neuer Rechtszug. Die Prozessgebühr erhält der
Rechtsanwalt aber nur, wenn das FG des 2. Rechtszugs noch nicht mit der Sache
befasst war. Im Streitfall war das FG bereits im ersten Rechtszug mit der Sache befasst,
auch wenn im Hinblick auf den geänderten Geschäftsverteilungsplan ein anderer Senat
des Gerichts zuständig gewesen ist (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 70). In einem
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solchen Fall steht dem Prozessbevollmächtigten auch dann keine (weitere)
Prozessgebühr mehr zu, wenn nach der Zurückverweisung in großem Umfange
Mehrarbeit entstanden ist (BFH-Beschluss vom 17. August 1971 VII B 147/70, BStBl II
1971, 742).
Die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Prozessgebühr trotz dieser Regelung
entsteht, wenn im Revisionsverfahren und anschließend im 2. Rechtszug ein anderer
Rechtsanwalt beauftragt ist als im 1. Rechtszug, ist im Streitfall nicht erforderlich. Denn
selbst wenn eine Prozessgebühr entstünde, wäre ein Kostenerstattungsanspruch
insoweit nur unter den engen Voraussetzungen eines "notwendigen Anwaltswechsels"
möglich (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 70), die im Streitfall nicht vorliegen.
Die Prozessgebühr ist daher in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu
Unrecht berücksichtigt worden.
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2. In einem solchen Fall entsteht jedoch eine - im Streitfall nicht berücksichtigte -
Erledigungsgebühr, wenn sich die Behörde aufgrund des überzeugenden Vortrags des
Prozessbevollmächtigten oder unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung zu
einer weitgehend antragsgemäßen Änderung des angefochtenen Bescheides bereit
erklärt.
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a) Erledigt sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder
Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts, so erhält der
Rechtsanwalt, der bei der Erledigung mitgewirkt hat, eine volle Gebühr (§ 24 BRAGO).
Nach welchen Gesichtspunkten der Begriff "mitwirken" an der Erledigung auszulegen
ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.
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aa) Nach einer teilweise vertretenen Rechtsauffassung fällt die Erledigungsgebühr
bereits an, wenn der Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung Argumente
vorträgt, die das Gericht oder die Verwaltungsbehörde mit der Folge der Erledigung
ohne Urteil überzeugen (vgl. insoweit die Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139
FGO Rz 99). Dagegen spricht jedoch, dass die Erledigungsgebühr einen Ersatz für die
Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO darstellt, die in öffentlich-rechtlichen Streitsachen
nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. § 23 Abs. 3 BRAGO). Auch die
Vergleichsgebühr wird nicht bereits durch die allgemeine Prozessführung
(Klageerhebung und Begründung derselben) verdient; erforderlich ist vielmehr eine
darüber hinausgehende Mitwirkung beim Abschluss oder bei der Vorbereitung eines
Vergleichs, auch wenn die Vergleichsbereitschaft des Gegners durch die allgemeine
Prozessführung gefördert wird (vgl. FG Köln, Beschluss vom 2. Juli 2001 10 Ko 2725/01,
EFG 2001, 1321; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl. § 23 Rz. 21).
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Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte im
finanzgerichtlichen Verfahren gegenüber einem Rechtsanwalt privilegiert werden sollte,
der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet. Deshalb
kommt als "Mitwirkung bei der Erledigung" nur eine besondere Tätigkeit des
Prozessbevollmächtigten in Betracht, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits
ohne Urteil herbeiführt und die über die bereits mit der Prozess- oder
Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs
hinausgeht (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1969 VII B 45/68, BStBl II 1970, 251).
Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst
überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines
Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht
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bereits mit der Prozessgebühr abgegolten wäre.
bb) Die Erledigungsgebühr ist danach keine reine Erfolgsgebühr, sondern eine
besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen
des Klageverfahrens verdient werden kann. Sie entsteht weder, wenn sich die Sache
bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich
die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das
Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso
wenig genügt es, dass das Finanzamt unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw.
eines diese ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die
Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger
klaglos stellt (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95,
EFG 1995, 1077 und Außensenate Stuttgart, Beschluss vom 2. Oktober 1985 XII Ko
1/85, EFG 1986, 309; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 17. Juli 1995 IX 3/94 Ko,
1077; FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 1987 3 Ko 2/87, EFG 1987, 322;
FG Bremen, Beschluss vom 16. Dezember 1993 292138 E 2, EFG 1994, 316;
Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 100).
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b) Im Streitfall hat der überzeugende Vortrag des Prozessbevollmächtigten und die
Beibringung der fehlenden Unterlagen durch ihn dazu geführt, dass die Behörde die
Erinnerungsführerin weitgehend klaglos gestellt hat. Diese Tätigkeiten stellen nach den
obigen Ausführungen keine besonderen Leistungen dar; sie sind vielmehr
grundsätzliche Teil der allgemeinen Prozessführung, die bereits mit der Prozessgebühr
abgegolten ist und halten sich im Rahmen dessen, was von einem mit der
Prozessführung beauftragten Bevollmächtigten im Allgemeinen zu erwarten ist. Wenn
jedoch aufgrund besonderer Umstände keine Prozessgebühr entsteht, etwa weil die
Sache - wie im Streitfall - im 2. Rechtszug vor dem Gericht des 1. Rechtszugs anhängig
ist, dann muss die zweifellos erbrachte Mehrarbeit des Prozessbevollmächtigten durch
den Ansatz einer Erledigungsgebühr abgegolten werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht
gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz)
eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung
beschränkt demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen
Kosten.
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Rechtsmittelbelehrung
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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