Urteil des FG Köln vom 28.05.2008

FG Köln: einkünfte, wirtschaftsprüfer, eröffnung des verfahrens, verwalter, arbeitskraft, öffentliche aufgabe, vermögensverwaltung, gutachter, verwertung, unternehmen

Finanzgericht Köln, 12 K 3735/05
Datum:
28.05.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 3735/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Strittig ist, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter um eine
gewerbliche Tätigkeit handelt.
2
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer und er betreibt seine Kanzlei im
Zuständigkeitsbereich des Beklagten (Finanzamt –FA-). Die von ihm erklärten Einkünfte
wurden vom FA zunächst in vollem Umfang als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit im
Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gesondert festgestellt.
3
Nach den vom Kläger vorgelegten Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG sind in
den Gesamteinnahmen der Streitjahre 1997 bis 2000 von durchschnittlich rund 3 Mio.
DM, denen Aufwendungen für Löhne / Gehälter und "freie Mitarbeiter" von
durchschnittlich rund 1,8 Mio. DM gegenüberstanden, folgende Betriebseinnahmen aus
Insolvenzverwaltertätigkeit enthalten:
4
1997. 1.246.573 DM
1998. 3.277.725 DM
1999. 807.326 DM
2000. 1.893.937 DM
5
6
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Jahresabschlüsse Bezug genommen.
7
Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Beginn 16.01.2003; Bericht vom 24.11.2003) legte
8
Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Beginn 16.01.2003; Bericht vom 24.11.2003) legte
der Kläger eine Übersicht über die Personalstruktur sowie über die Qualifikation und
den Einsatz seiner Mitarbeiter bzw. deren Zuordnung zur "Insolvenzabteilung" und zu
anderen Tätigkeitsbereichen (Anwaltstätigkeit, Steuerberatung) vor. Danach
beschäftigte der Kläger in den Streitjahren bis zu 7 Juristen, Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater (Berufsträger), allerdings nicht gleichzeitig und zum Teil als Teilzeitkräfte.
Umgerechnet auf die Jahresarbeitskraft einer Vollzeitstelle handelte es sich um 4,5
Berufsträger in 1997, in 1998 und 1999 waren es 3,5 und in 2000 waren es 3,75
Berufsträger. Diese waren nach seinen Angaben zu rund 40 % in der
"Insolvenzabteilung" und zu rund 60 % in der Steuer- und Rechtsabteilung tätig. Ferner
beschäftigte er durchschnittlich rund 11,5 qualifizierte Insolvenzsachbearbeiter,
Rechtsanwaltsgehilfen, Steuerfachgehilfen und Lohnbuchhalter sowie durchschnittlich
rund 7 Schreibkräfte, Sekretärinnen und kaufmännische Angestellte. Hinzu kamen
weitere Aushilfskräfte, Referendare, Studenten, Auszubildende und Arbeiter (Hauswart,
Putzhilfen, Fahrer usw.). Die qualifizierten Insolvenzsachbearbeiter, Fachgehilfen und
Lohnbuchhalter waren überwiegend ausschließlich in der "Insolvenzabteilung" tätig
bzw. sowohl in diesem Bereich als auch in anderen Tätigkeitsbereichen beschäftigt.
Das gleiche galt für die Schreibkräfte und Sekretärinnen. Es ließ sich nur eine
Fachgehilfin ausschließlich der allgemeinen Steuer- und Rechtsabteilung zuordnen.
Die Referendare wurden nach den Angaben des Klägers zu 50 % in der
"Insolvenzabteilung" eingesetzt. Der Wirtschaftsprüfer wurde als Leiter der
Steuerabteilung bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Steuerfragen in
Insolvenzverfahren hinzugezogen.
8
Der Betriebsprüfer ermittelte anhand der Angaben des Klägers folgende "Kennzahlen"
zum Umfang der "Insolvenzabteilung", wobei er die Berufsträger mit 40 % und die
Referendare mit 50 % berücksichtigte, allerdings die Fachgehilfen und Sachbearbeiter
nur insoweit, als sie ausschließlich im Insolvenzbereich eingesetzt waren (und nicht
auch diejenigen, die sowohl dort als auch in anderen Bereichen tätig waren):
9
1997
1998
1999
2000
Gehaltsaufwendungen (in DM)
533.094
590.274
587.256
575.926
Personaleinsatz:
Rechtsanwälte
1,10
1,40
1,48
1,50
Sachbearbeiter
4,08
4,00
4,25
4,85
Aushilfssachbearbeiter
1,00
1,00
--
--
Schreibkräfte
1,50
1,50
1,50
1,88
Auszubildende
--
--
0,42
1,00
Fachgehilfen
1,00
1,00
0,75
--
Referendare
0,50
0,29
0,21
--
Aushilfen, Hilfskräfte
2,08
3,60
4,18
3,67
Summe Angestellte
11,26
12,79
12,79
12,90
10
Weiter führte der Prüfer folgendes aus: Die Insolvenzverwaltung sei der Schwerpunkt
der gesamten Tätigkeit des Klägers, deren Umfang durchgängig die Beschäftigung
mehrerer qualifizierter Mitarbeiter erfordert habe. Bei der Insolvenzverwaltung handele
es sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht um eine
freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern um eine
vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Insoweit komme
die sog. Vervielfältigungstheorie zur Anwendung, so dass gewerbliche Einkünfte
anzunehmen seien, wenn die Tätigkeit in ihrem Kernbereich nicht mehr auf der eigenen
persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruhe. Dies sei im Streitfall gegeben, weil
die Insolvenzverwaltertätigkeit des Klägers nach ihrem Umfang die Beschäftigung
mehrerer qualifizierter Angestellter erforderlich gemacht habe, denen nicht nur
untergeordnete mechanische Arbeiten übertragen wurden. Wegen weiterer Einzelheiten
wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 24.11.2003 Bezug genommen.
11
Das FA schloss sich diesen Ausführungen an und stellte die Einkünfte des Klägers mit
den hier angefochtenen gesonderten Feststellungsbescheiden vom 30.03.2004 bzw. mit
teilweise korrigierender Einspruchsentscheidung vom 18.08.2005 unter Aufteilung der
Betriebsausgaben nach dem Verhältnis der Einnahmen und unter Berücksichtigung
anderer, hier nicht streitiger Feststellungen der Betriebsprüfung wie folgt gesondert fest:
12
1997
1998
1999
2000
DM
DM
DM
DM
Feiberufliche Einkünfte im Sinne des § 18
Abs. 1 Nr. 1 EStG
-
116.365
439.559
-
411.911
169.324
Gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs.
1 Nr. 1 EStG aus Insolvenzverwaltertätigkeit
-
134.714
1.125.783 -
283.574
246.308
Summe der Einkünfte
-
251.079
1.565.342 -
695.485
415.632
Anteil der gewerblichen Einkünfte in %
53,65 % 71,92 %
40,77 % 59,62 %
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Dabei wurde der Anteil der gewerblichen Einkünfte an den Gesamteinkünften
abweichend vom BP-Bericht zu Gunsten des Klägers nach Maßgabe seines Schreibens
vom 02.03.2004 -auf das Bezug genommen wird (Bl. 387-389 BP-Handakte)- korrigiert.
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Mit seinem gegen die Feststellungsbescheide gerichteten Einspruch hatte der Kläger
vorgetragen, die von ihm als Insolvenzverwalter erbrachten Leistungen beruhten auf
seiner eigenen persönlichen Arbeitsleistung. Er betreue in seiner Kanzlei
durchschnittlich rund 150 -160 laufende Insolvenzverfahren. Dabei seien in der
"Insolvenzabteilung" jedoch weder mehr als ein qualifizierter Mitarbeiter (Berufsträger)
noch mehr als 10 nicht qualifizierte Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Die Kernaufgaben
der Insolvenzverwaltung, wie Erfassung des jeweiligen Sachverhalts, Erstellung der
Berichte und Gutachten für die Insolvenzgerichte, Wahrnehmung von Gerichtsterminen,
Liquidation und Fortführung von Schuldnerbetrieben einschließlich Erarbeitung der
Entscheidungsgrundlagen für die Fortführungsentscheidung, Veräußerung von
Unternehmen oder Unternehmensteilen, Ausarbeitung von Insolvenzplänen, laufende
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Überwachung fortgeführter Unternehmen, Befriedigung der Insolvenzgläubiger,
Verteilung der Massen und Abrechnung seiner Tätigkeit habe er -unter Zuarbeit seiner
Mitarbeiter- selbst vorgenommen und lediglich Hilfsarbeiten auf seine Mitarbeiter
verlagert. Die Hilfstätigkeiten hätten folgendes umfasst: Prüfung einzelner rechtlicher
Fragestellungen, Abgleich von Insolvenzforderungen, Führung von Tabellen über
Insolvenz- und Masseforderungen sowie von Drittschuldnerverzeichnissen, interne und
externe Insolvenzbuchhaltung, Steuererklärungen, Forderungseinzug, Schreibarbeiten
usw. Da die Tätigkeit als Insolvenzverwalter mit erheblichen Haftungsrisiken belastet
sei, könne die Delegation von Aufgaben auf Dritte oder Mitarbeiter nur eingeschränkt
vorgenommen werden. Die angestellten Berufsträger seien überwiegend mit den
üblichen anwaltlichen Tätigkeiten befasst gewesen, wie Prüfung und Beratung bei
Fragen aus dem Zivil-, Arbeits- und Wirtschaftsrechts sowie der Prozessführung u.ä. Ob
sie diese Tätigkeiten für den Kläger als Insolvenzverwalter oder für einen "normalen"
Mandanten ausführen, könne für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers keine Rolle
spielen. Einem Insolvenzverwalter sei es gestattet, sich für die Führung von Prozessen
und für die Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen der Mithilfe
anderer Berufsträger zu bedienen. Dies führe nicht zu einer Vervielfältigung seiner
Arbeitskraft. Ansonsten wäre ein Insolvenzverwalter, der solche Leistungen selbst
erbringen könne, gegenüber anderen Verwaltern mit anderer Ausbildung benachteiligt.
Die Vervielfältigungstheorie könne nicht angewendet werden, weil die Angestellten
nicht nur in den Insolvenzverfahren tätig gewesen und nachweisbar neben dem Kläger
als Insolvenzverwalter höchstens ein Berufsträger und 3-4 übrige Mitarbeiter beschäftigt
worden seien. Die Zuordnung der Mitarbeiter sei projektweise erfolgt. Der
Insolvenzverwalter habe jeweils die Aufgaben zugeteilt und die Arbeitsergebnisse
überwacht. Dass z.B. eine Summen- und Saldenliste von einem angestellten Buchhalter
überprüft oder ein Kündigungsschutzprozess von einem angestellten, dafür besonders
qualifizierten Anwalt geführt werde, führe nicht zu einer Vervielfältigung der Arbeit des
Insolvenzverwalters.
16
Den Einspruch wies der Beklagte im Streitpunkt mit Einspruchsentscheidung vom
18.08.2005 zurück. Der Kläger habe im Prüfungszeitraum 4 – 5 Insolvenzsachbearbeiter
beschäftigt. Bei diesen handele es sich nicht um bloße Hilfskräfte, die ausschließlich
untergeordnete, mechanische oder vorbereitende Tätigkeiten erledigten. Nach dem
Urteil des BFH vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202, führe die Beschäftigung
von mehr als einem qualifizierten Mitarbeiter zur Gewerblichkeit der Verwaltertätigkeit.
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Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger führt aus, in dem Betriebsprüfungsbericht
vom 24.11.2003 und in der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2005 sei der
Sachverhalt insoweit zutreffend festgestellt, als der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in den
Streitjahren bei der Insolvenzverwaltung gelegen und er sich hierbei der Mithilfe
verschiedener Mitarbeiter bedient habe, die nicht nur mechanische Hilfstätigkeiten
erbracht haben.
18
Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des BFH vom 12.12.2001 XI R 56/00,
BStBl II 2002, 202, werde allerdings in der Fachpresse zu Recht kritisiert (vgl. Auflistung
der Fundstellen, Bl. 52 d.A.), unter anderem auch wegen verfassungsrechtlicher
Bedenken.
19
Der BFH gehe zudem von einer unzutreffenden Vorstellung aus, was die Tätigkeit eines
Insolvenzverwalters betreffe. Diese beschränke sich nicht auf die Inbesitznahme,
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Verwaltung und Verwertung des schuldnerischen Vermögens. Vielmehr überwiege eine
unterschiedliche Anzahl von schwierigen rechtlichen, steuerrechtlichen und
betriebswirtschaftlichen Fragen. Diese Teilaspekte führten für sich betrachtet zu
typischen anwaltlichen Tätigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Ein Großteil
der Insolvenzordnung beschäftige sich mit solchen Rechtsfragen, wie z.B. Beendigung
von Verträgen, Aufrechnungsmöglichkeiten, Insolvenzanfechtung, Absonderung,
Aussonderung, Prüfen und Bestreiten der angemeldeten Forderungen, Fragen der
Unternehmensfortführung oder –schließung. Diese eindeutig freiberuflichen Tätigkeiten
würden nicht zu einer vermögensverwaltenden, weil sie unter dem losen Band der
Verwaltung und Verwertung des schuldnerischen Vermögens stehen. Ein Großteil der
Arbeit des Verwalters sei also eine anwaltliche und damit freiberufliche.
Dem halte der BFH zu Unrecht entgegen, dass die Insolvenzverwaltung nicht den
Rechtsanwälten vorbehalten sondern auch anderen Berufsgruppen zugänglich sei. Dies
sei kein sachgerechtes Abgrenzungsmerkmal, weil es auch für eine Reihe von typisch
anwaltlichen Tätigkeiten gelte (z.B. die Führung von Strafprozessen durch
Hochschulprofessoren oder von Arbeitsgerichtsprozessen durch
Gewerkschaftsvertreter).
21
Die Sicht des BFH leide zudem daran, dass sie schematisch nach dem Motto abgrenzt:
"Vermögensverwaltung + mehr als ein qualifizierter Mitarbeiter = Gewerblichkeit". In
anderen Sachzusammenhängen werde dagegen immer wieder darauf abgestellt, ob der
Steuerpflichtige dem Typus des Kaufmanns/Händlers entspricht. Dies sei aber
vorliegend nicht der Fall. Es mache keinen Unterschied, ob ein Rechtsanwalt die Frage
der Unternehmensfortführung im Auftrag eines fremden Verwalters prüft oder für sich
selbst in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter. Ferner werde die Vergütung des
Verwalters nicht frei ausgehandelt, sondern aufgrund der Vergütungsordnung durch das
Gericht einseitig festgesetzt.
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Das Verständnis des BFH von der Vervielfältigungstheorie durch Abstellen auf mehr als
einen qualifizierten Miterbeiter entspreche nicht mehr den heutigen Gegebenheiten und
ergebe sich auch nicht aus dem Gesetz. Die gesetzliche Änderung des § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG durch das StÄndG 1960, wonach die Mithilfe fachlich vorgebildeter Mitarbeiter bei
den freien Berufen unschädlich ist, bedeute nicht, dass im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr.
3 EStG die von der Rechtsprechung entwickelte Vervielfältigungstheorie weiterhin
Anwendung finden müsse.
23
Ferner habe der Prüfer übersehen, dass die Tätigkeit des Klägers als
Insolvenzverwalter seine anwaltlichen Tätigkeiten nicht überwiege, wie der BFH
gefordert habe. Denn der Prüfer habe bei dem Vergleich der Einnahmen aus den
verschiedenen Tätigkeitsbereichen nicht beachtet, dass unter der Rubrik
Insolvenzverwaltervergütung auch Einnahmen erfasst seien, die nicht mit einer
Vermögensverwaltung in Zusammenhang stünden. Gemeint seien die Vergütungen aus
der Sequestrations- bzw. Gutachtertätigkeit und ab 1999 aus der Tätigkeit als vorläufiger
(schwacher) Insolvenzverwalter. In diesen noch nicht eröffneten Insolvenzverfahren
seien die Vergütungen für eine Gutachtertätigkeit und nicht für eine Verwaltertätigkeit
gezahlt worden. Rechne man richtigerweise nur die Einnahmen aus den eröffneten
Insolvenzverfahren der hier streitigen Insolvenzverwaltertätigkeit zu, dann betrage der
Anteil an den Gesamteinnahmen für die Streitjahre nur durchschnittlich 36,54 %. Selbst
wenn man durch einen Unsicherheitszuschlag von 5 % die vereinzelten Verfahren
berücksichtige, in denen der Kläger als sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter
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bestellt wurde, und er damit ausnahmsweise schon in nicht eröffneten Verfahren
Vermögensverwaltung betrieben habe, seien seine Einnahmen hieraus nicht
überwiegend. Sollte das Gericht gleichwohl zu einer Gewerblichkeit der
Insolvenzverwaltervergütungen kommen, sei der Anteil der gewerblichen Einkünfte
entsprechend zu reduzieren und beschränke sich auf die im Hilfsantrag
wiedergegebenen Beträge (wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Seite 9 des
Schriftsatzes des Klägers vom 28.08.2006 –Bl. 58 d.A.- Bezug genommen).
Im Übrigen -so der Kläger- bedeute die Vervielfältigungstheorie nicht, dass man alles
höchstpersönlich verrichten müsse. Dies werde lediglich für den Kernbereich verlangt.
Zum Kernbereich der Insolvenzverwaltung könne man nur das Inbesitznehmen,
Verwalten und Verwerten zählen. Die anderen rechtlichen, steuerrechtlichen und
betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten prägten nach Ansicht des BFH gerade nicht das
Bild des Verwalters. Daher könne man im Umkehrschluss in diesen Bereichen nicht
eine Höchstpersönlichkeit verlangen. Zudem müsse man die eigentlichen
Entscheidungen von deren Vorbereitung und Durchführung unterscheiden. Nur die
Entscheidungen müssten höchstpersönlich getroffen werden, nicht aber auch die
Vorbereitung und Durchführung. Dazu überreicht der Kläger eine von ihm gefertigte
Übersicht "Wer erledigt welche Arbeiten im Insolvenzverfahren" auf die Bezug
genommen wird (Bl. 63, 64 d.A.) und verweist beispielhaft auf einen Schlussbericht vom
01.03.2006 in einem von ihm bearbeiteten Insolvenzverfahren. In diesen Bericht wurden
Kommentare zum persönlichen Arbeitseinsatz des Klägers eingefügt (Bl. 65-75 d.A.).
Bei einer solchen unschädlichen Arbeitsteilung ist es nach Ansicht des Klägers auch
plausibel, dass er in den vier Streitjahren 120 eröffnete Neuverfahren im Kernbereich
höchstpersönlich geführt habe.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, jedem Insolvenzverfahren
sei ein Mitarbeiter zugeordnet, der eine Art Logbuch zu führen habe, also alles notieren
müsse, was im Laufe des Verfahrens geschieht. Von den 4-5 Insolvenzsachbearbeitern
seien 1,5 als Personalsachbearbeiter tätig, blieben also 2-3 zur "Logbuchführung". Mit
den Personalsachbearbeitern unterhalte er für die Insolvenzverfahren eine Art (kleine)
Personalabteilung. Diese prüfe die Lohnbuchhaltung und die Personalakten sowie die
lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange. Die Bearbeiter
berechneten die Kosten von Kündigungen oder die Auswirkung einer Kündigung im
Einzelfall. Sie ermittelten "Sozialpunkte" und bereiteten wenn notwendig einen
Sozialplan vor. Der Sozialplan werde dann unter Assistenz eines Arbeitsrechtlers mit
dem Betriebsrat verhandelt. Die Forderungsprüfungen würden von den Sachbearbeitern
durch Abgleich der Informationen aus dem Schuldnerbereich mit den eingereichten
Unterlagen der Gläubiger vorgenommen. Wenn sich Unklarheiten ergäben, würden die
angemeldeten Forderungen bestritten. Der Forderungseinzug bei Drittschuldnern werde
von den Sachbearbeitern ebenfalls anhand der Buchhaltung des Schuldners
vorgenommen. Bei Unklarheiten könne der Sachbearbeiter auch Verhandlungen führen.
Um Problemfälle kümmere er -der Kläger- sich selbst. Meistens sei die Buchhaltung des
Schuldners nicht à jour. Dann werde diese "nachgeschrieben", wenn und soweit sich
dies lohne, entweder von dem Buchhalter oder dem Steuerberater des Schuldners oder
mit eigenen Leuten des Klägers. Die Entscheidung, wie viel Arbeit in die Erstellung der
Buchhaltung investiert wird, treffe er selbst. Die Schlussrechnung und das
Schlussverzeichnis würden von der Insolvenzbuchhaltung gefertigt anhand einer
Gegenüberstellung aller Einnahmen und Ausgaben im Laufe des Verfahrens. Die zu
verteilende Masse und die Forderungen würden gegenübergestellt. Rückstellungen für
noch anfallende Kosten würden nach seiner Vorgabe eingestellt. Alle mechanischen
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Rechenarbeiten würden von den Sachbearbeitern erledigt; diese erstellten auch die
vorzulegenden Berichte im Entwurf. Die Entwürfe würden ihm vorgelegt und er prüfe
alles intensiv.
Die Sachbearbeiter erledigten nicht nur mechanische Hilfstätigkeiten. Aber es komme
nur auf den Kernbereich an. Maßgebende Entscheidungen und Wertungen gebe er
nicht aus der Hand. Sein Schwerpunkt liege in der Gestaltung des Verfahrens. Er
betreibe 2-2,5 Unternehmensinsolvenzen im Monat. Die Anamnese mache er stets
selbst, auch in der Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter. Im Bereich der
vorläufigen Insolvenzverwaltung unterscheide sich die Prüfungstätigkeit zur Ermittlung
der maßgeblichen Sachverhalte nicht von der eines (regulären) Insolvenzverwalters.
27
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
28.05.2008 Bezug genommen.
28
Der Kläger beantragt,
29
die Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1997 bis 2000 vom 30.03.2004 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2005 dahingehend abzuändern,
dass die Gewinne nicht teilweise als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern
einheitlich als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit festgestellt werden,
30
hilfsweise
31
die Bescheide dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
wie folgt herabgesetzt werden: Für 1997 auf –54.634 DM, für 1998 auf 906.646 DM,
für 1999 auf –96.602 DM, für 2000 auf 162.179 DM und dementsprechend die
freiberuflichen Einkünfte wie folgt festgestellt werden: Für 1997 auf –196.445 DM,
für 1998 auf 661.696 DM, für 1999 auf –598.882 DM und für 2000 auf 253.453 DM;
32
weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.
33
Der Beklagte beantragt,
34
die Klage abzuweisen
35
hilfsweise die Revision zuzulassen.
36
Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und ist der Ansicht, der BFH fordere
entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass der Rechtsanwalt überwiegend als
Verwalter tätig sein müsse. Auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
sei mit Vermögensverwaltung verbunden, nämlich mit der Sicherung des Vermögens.
Ferner verweist er darauf, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen das vom Kläger
kritisierte BFH-Urteil vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202 nicht zur
Entscheidung angenommen wurde (BVerfG-Beschluss vom 05.03.2003 – 1 BvR
437/02).
37
Entscheidungsgründe
38
I. Die Klage ist zulässig, denn der Kläger wäre durch die unzutreffende Feststellung
der Einkunftsart beschwert im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO (vgl. BFH-Urteil vom
39
04.07.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte als
solche aus Gewerbebetrieb gesondert festgestellt, soweit sie auf der Tätigkeit des
Klägers als Insolvenzverwalter beruhen.
40
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit
Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, in der Regel ein Gewerbebetrieb.
Dies gilt –als Ausnahme von der Regel- dann nicht, wenn die Tätigkeit als
Ausübung eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder einer
anderen selbständigen Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen ist.
Beides ist im Streitfall nicht gegeben.
41
1. Der Kläger erzielt als Insolvenzverwalter keine freiberuflichen Einkünfte im Sinne
des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
42
Freiberufliche Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen namentlich
die in der Vorschrift aufgeführten Berufsträger der sog. Katalogberufe sowie
diejenigen, die einen ähnlichen Beruf ausüben. Dabei reicht es nicht aus, dass der
Steuerpflichtige -wie hier der Kläger als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer- einer
der genannten Berufsgruppen angehört; vielmehr muss die tatsächlich ausgeübte
Tätigkeit freiberuflicher Art sein. Dies ist bei der Insolvenzverwaltung nicht der Fall.
43
Der Insolvenzverwalter gehört weder zu den sog. Katalogberufen, noch übt er
einen ähnlichen Beruf aus. Die Insolvenzverwaltung hat sich vielmehr zu einem
neuen, eigenständigen Berufsbild entwickelt; es handelt sich um einen
verfassungsrechtlich geschützten eigenständigen Beruf (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgericht vom 03.08.2004 – 1 BvR 1086/01, NJW 2004, 2725,
DStR 2004, 1670; siehe auch Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter, § 1 (2),
veröffentlicht vom Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID) unter
www.vid.de/verhaltensrichtlinien). Im Rahmen dieser Tätigkeit überwiegt eine
kaufmännisch-praktische Betätigung, wenn auch unter Verwertung qualifizierter
Wirtschafts- und Rechtskenntnisse (vgl. BFH-Urteile vom 29.03.1961 IV 404/60 U,
BStBl III 1961, 306 und vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202;
Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 12. Auflage 2003, § 56 InsO Rdnr.
18). Nach § 56 Abs. 1 InsO ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen
Einzelfall geeignete, insbesondere "geschäftskundige" Person zu bestellen. Neben
Rechtskenntnissen sind demzufolge gleichermaßen betriebswirtschaftliches
Wissen und unternehmerische Fähigkeiten gefragt (Uhlenbruck, Braucht der Markt
neue Maßstäbe für die Auswahl von Insolvenzverwaltern?, BB Die erste Seite
2007, Nr. 21).
44
Vorrangiger Zweck des Insolvenzverfahrens ist unter Berücksichtung der Lage des
Schuldners die bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger. Dabei
sieht die Insolvenzordnung nicht nur die Verwertung des Vermögens vor, sondern
auch die Möglichkeit einer Entscheidung für den Erhalt des Unternehmens. Der
Insolvenzverwalter hat unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
mögliche Sanierungschancen oder Möglichkeiten zur Gesamtveräußerung zu
ermitteln. Er muss unter Umständen das Unternehmen einstweilen fortführen, die
erforderlichen Personalmaßnahmen treffen und Arbeitsplätze nach Möglichkeit
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erhalten. Die Verwaltung der Insolvenzmasse kann z.B. die Einhaltung von Liefer-
und Abnahmeverpflichtungen erfordern oder die Betreuung langfristiger
Geschäftsbeziehungen mit Dauerschuldcharakter. Nach entsprechender
Aufforderung muss der Insolvenzverwalter unverzüglich entscheiden, ob
gegenseitige Verträge erfüllt werden (§ 102 Abs. 2 Satz 2 InsO). Im Rahmen der
übernommenen Arbeitgeberfunktion ist das Direktionsrecht auszuüben, ggf. ist über
Arbeitszeugnisse oder über Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer zu befinden.
Öffentlich rechtliche Verpflichtungen im Bereich des Sozialversicherungs- und
Steuerrechts sind zu erfüllen, ebenso nach § 34 AO Buchführungs- und
Steuererklärungspflichten (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.05.2006 – 1 BvR
2530/04, BVerfGE 116,1, NJW 2006, 2613, BB 2006, 1702).
Kriterien für die Auswahl des Insolvenzverwalters sind neben einer mehrjährigen
einschlägigen Berufserfahrung auch die Frage, ob eine funktionsfähige, spezielle
Büroorganisation gegeben ist (vgl. OLG München Beschluss vom 7.12.2004 9 VA 4
– 6/04 u.a. ZIP 2005, 670; Uhlenbruck, Braucht der Markt neue Maßstäbe für die
Auswahl von Insolvenzverwaltern?, BB Die erste Seite 2007, Nr. 21) und ob der
Verwalter auf einen angemessenen Stab qualifizierter Mitarbeiter zurückgreifen
kann, auf deren regelmäßige Fortbildung zu achten ist (siehe Berufsgrundsätze der
Insolvenzverwalter, a.a.O., § 3 Abs. 1 Buchst. f und § 6 Abs. 2). Der
Insolvenzverwalter muss einen Büroapparat unterhalten, der es ihm erlaubt,
komplexe Vorgänge um arbeits-, gewerbe-, umwelt-, steuer- und
gesellschaftsrechtliche Vorgänge zu bearbeiten, sowie die Lohn- und
Gehaltsbuchhaltung und die handels-, steuer- und insolvenzrechtlichen
Rechenwerke zu bearbeiten (Smid, Grundzüge des neuen Insolvenzrechts, 3.
Auflage, § 7 Rdnr. 2).
46
Die Anforderungen an die Qualifikation des Insolvenzverwalters und an seine
Büroorganisation sowie seine Aufgabenstellung unterscheiden sich also
grundlegend von der berufstypischen Tätigkeit der Rechtsanwälte und
Wirtschaftsprüfer. Die Berufsausbildung als Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer ist
zwar hilfreich, aber nicht ausreichend. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters ist
weder mit der eines Katalogberufs identisch noch ähnlich. Eine sog.
"Gruppenähnlichkeit" genügt nicht (vgl. BFH-Urteil vom 05.07.1973 IV R 127/69,
BStBl II 1973, 730 und vom 23.05.1984 I R 122/81, BStBl II 1984, 823).
47
2. Der Kläger erzielte in den Streitjahren keine Einkünfte aus sonstiger
selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
48
a. Im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG werden Einkünfte aus sonstiger
selbständiger Arbeit erfasst, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von
Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als
Aufsichtsratsmitglied. Das Gesetz umschreibt den Begriff der "sonstigen
selbständigen Arbeit" nicht, sondern erläutert ihn durch eine beispielhafte
Aufzählung. Aus den exemplarisch aufgezählten Aktivitäten ergibt sich, dass es
sich um vermögensverwaltende Tätigkeiten handelt (vgl. BFH-Urteile vom
28.06.2001 IV R 10/00, BStBl II 2002, 338 und vom 28.08.2003 IV R 1/03, BStBl II
2004, 112). Nach der Rechtsprechung des BFH zählen hierzu die Tätigkeiten der
49
Nachlass-, Konkurs-, Vergleichs-, Zwangs- oder Gesamtvollstreckungsverwalter,
Hausverwalter, Vormund und Pfleger. Auch das Amt des Insolvenzverwalters wird
unter den Begriff des Vermögensverwalters subsumiert (vgl. BFH-Urteil vom
28.04.2005 IV R 41/03, BStBl II 2005, 611 sowie weitere Nachweise aus der
Rechtsprechung bei Wacker in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 26. Auflage 2007,
§ 18 Rdnr. 141).
50
b. Nach der historischen Entwicklung dieser Vorschrift sowie nach der gefestigten
51
52
Rechtsprechung des BFH erfasst § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG allerdings in der Regel
nur gelegentliche Tätigkeiten und nur ausnahmsweise nachhaltig ausgeübte
Betätigungen (vgl. BFH-Beschluss vom 11.4.2008 VIII B 169/07, nv, mit weiteren
Nachweisen aus der Rechtsprechung). Es ist danach schon fraglich, ob das neue
eigenständige Berufsbild des Insolvenzverwalters überhaupt in den Rahmen des §
18 Abs. 1 Nr. 3 EStG passt. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht
vom 03.08.2004 – 1 BvR 1086/01 (NJW 2004, 2725, DStR 2004, 1670) kann die
Tätigkeit des Insolvenzverwalters angesichts der Entwicklung in den letzten
Jahrzehnten nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von
Rechtsanwälten oder Kaufleuten angesehen werden. Vielmehr bietet der (neue)
Beruf des Insolvenzverwalters zahlreichen Personen maßgeblich die Möglichkeit
zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer Existenzgrundlage. Es hat sich insoweit
ein neuer "Markt" für Rechtsanwälte, Steuerberater und Kaufleute entwickelt. Es
geht nicht mehr um "die Inpflichtnahme Privater für eine öffentliche Aufgabe, als die
Konkursverwaltung möglicherweise früher einmal begriffen worden ist, sondern um
die Eröffnung von Chancen in einem Wirtschaftssektor" (vgl. BVerfG-Beschluss 1
BvR 135/00, a.a.O., unter 2 a) cc) der Entscheidungsgründe).
53
c) Im Streitfall kann jedoch dahinstehen, ob schon unter diesem Gesichtspunkt die
54
Insolvenzverwaltertätigkeit des Klägers nicht zu Einkünften aus selbständiger
Arbeit führt. Denn es fehlt jedenfalls ein weiteres wesentliches
Tatbestandsmerkmal des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG: Die erzielten Einkünfte beruhen
nicht auf der persönlichen Arbeitskraft des Klägers.
55
aa) Zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Tätigkeit gehört es, dass sie in
ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers
beruht, während durch die Ausnutzung fremder Arbeitskräfte ein für den
Gewerbebegriff wesentliches Merkmal erfüllt wird. Hieraus haben der RFH und der
BFH zur Abgrenzung zwischen selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb die sog.
Vervielfältigungstheorie entwickelt. Danach liegt bei der Beschäftigung von mehr
als einem qualifizierten Mitarbeiter eine gewerbliche Tätigkeit vor. Im Bereich der
freien Berufe wurden diese Anforderungen zwar durch die Einfügung des Satzes 3
in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (durch das StÄndG 1960) entschärft. Danach ist die
56
Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte unschädlich, wenn der Berufsträger
weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Diese entschärften
Anforderungen gelten jedoch nicht im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem Urteil des BFH vom 11.08.1994
IV R 126/91, BStBl II 1994, 936, an und verweist zur Begründung hierauf.
Danach gilt: Nimmt die Tätigkeit einen Umfang an, der die ständige Beschäftigung
mehrerer Angestellter oder die Einschaltung von Subunternehmern erfordert, und
werden den genannten Personen nicht nur untergeordnete, insbesondere
vorbereitende oder mechanische Arbeiten übertragen, so beruht sie nicht mehr im
Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und ist deshalb
steuerrechtlich als eine gewerbliche zu qualifizieren. Aber auch dann wenn nur
Hilfskräfte beschäftigt werden, die ausschließlich untergeordnete Arbeiten
erledigen, kann der Umfang des Betriebs im Einzelfall den gewerblichen Charakter
der Tätigkeit begründen. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall
nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom
23.05.1984 I R 122/81, BStBl II 1984, 823; vom 11.08.1994 IV R 126/91, BStBl II
1994, 936 und vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202).
57
bb) Qualifizierte Mitarbeiter sind nicht nur solche, die eine dem Berufsträger
gleichwertige Berufsausbildung aufweisen. Ihre Tätigkeit muss auch nicht mit der
des Berufsträgers identisch sein. Es genügt, dass sie die Tätigkeit des
Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzen und damit seine Arbeitskraft
vervielfältigen. Dabei brauchen die Arbeiten der Mitarbeiter denen des
Berufsträgers nicht gleichwertig, sondern nur in Teilen gleichartig zu sein, wenn ihr
Tätigkeitsbeitrag nicht von nur untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom
21.03.1995 XI R 85/93, BStBl II 1995, 732 unter Aufgabe des BFH-Urteils vom
10.06.1988 III R 118/85, BStBl II 1988, 782; sowie die BFH-Urteile vom 20.12.2000
XI R 8/00, BStBl II 2002, 478 und vom 14.03.2007 XI R 59/05, BFH/NV 2007,
1319). Unschädlich ist die Beschäftigung von Hilfskräften, die im Wesentlichen
mechanische oder technische Verrichtungen besorgen (z.B. Schreibkräfte,
Botendienste etc.) und von Personen, die sich in der Berufsausbildung befinden.
Ferner wird
eine
als steuerunschädlich zuerkannt (vgl. BFH-Urteile vom 30.08.1962 IV 394/58 U,
BStBl III 1963, 42; vom 07.11.1957 IV 668/55 U, BStBl III 1958, 34; vom 24.01.1952
IV 410/51 U, BStBl III 1952, 64 und vom 15.10.1953 IV 221/52 U, BStBl III 1953,
361).
58
3. Unter Anwendung dieser Grundsätze sind im Streitfall die Einkünfte des Klägers aus
59
seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren.
60
Aus der vom Kläger vorgelegten Übersicht "Wer erledigt welche Arbeiten im
Insolvenzverfahren" (Bl. 63, 64 d.A.) geht hervor, dass der Kläger sich zwar die
Entscheidungskompetenz (mit dem Buchstaben "E" gekennzeichnet) in der
Mehrzahl der angesprochenen Punkte vorbehält, die Durchführung der zu
erledigenden Aufgaben (Buchstabe "D") sowie die vorbereitenden Arbeiten
(Buchstabe "V") aber überwiegend in den Händen seiner Mitarbeiter liegen. Der
Kläger selbst beteiligt sich lediglich in folgenden Punkten an der Durchführung von
Maßnahmen: Unternehmensfortführung, Einstellung des Geschäftsbetriebs,
Berichtstermin-Gläubigerversammlung, Forderungsprüfungstermin und
61
Schlusstermin.
Selbst die Entscheidungskompetenz delegiert er in folgenden Angelegenheiten auf
die angestellten Rechtsanwälte bzw. Insolvenzsachbearbeiter und Fachgehilfen,
denen auch die Durchführung obliegt: Info Hausbank, Gläubiger-Info (FAM-
Aufforderung), Tabelle (Eingang Anmeldungen), laufende Überwachung und
Zahlungsverkehr, Forderungsprüfung (FP1), Forderungsnachprüfung (FP2),
Schlussrechnung, Kassenführung, Zahlungsverkehr, Buchhaltung und
Insolvenzgeldbescheinigungen.
62
Darüber hinaus obliegt die Durchführung der Maßnahmen in folgenden Fällen den
Mitarbeitern (bzw. teilweise Subunternehmern), wenn auch unter Wahrung der
Entscheidungskompetenz des Klägers: Kündigungen, evtl. Interessenausgleich,
Sozialplan, Inventur, Verwertung, Versteigerung, Vermögensverzeichnis,
Debitoren-/Kreditoren-/Masseverzeichnis, Sachstandsberichte, Forderungseinzug,
Forderungsschlussprüfung, Schlussverzeichnis, Schlussbericht, Schlussvergütung,
Schlussverteilung, Nachtragsverteilung, Steuererklärungen und Jahresabschlüsse.
Hinzu kommen die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger ergänzend
vorgetragenen Aufgaben wie Prüfung der Personalakten und der Lohnbuchhaltung,
der lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange, Berechnung der
Kosten von Kündigungen, ermitteln von "Sozialpunkten", Verhandlungen mit
Drittschuldnern usw.
63
Ferner erledigen die angestellten Rechtsanwälte folgende Aufgaben: Ermittlung
anfechtbarer Sachverhalte und Ermittlung von Schadensersatzansprüchen sowie
die Durchführung eventueller Klage- und Berufungsverfahren hierzu, ebenso
hinsichtlich eventueller Ratenzahlungsvereinbarungen. Sie bereiten Mahn- und
Gerichts- sowie Zwangsvollstreckungsverfahren vor, deren Durchführung in den
Händen der übrigen Mitarbeiter liegt.
64
Aus all dem ergibt sich, dass die Mitarbeiter des Klägers nicht nur untergeordnete
oder mechanische bzw. technische Verrichtungen besorgen. Bei der Prüfung von
rechtlichen Fragestellungen nebst Prozessführung, bei dem Abgleich von
Insolvenzforderungen, bei der Forderungsprüfung und dem Forderungseinzug
nebst Verhandlungen mit den Schuldnern, bei der internen und externen
Insolvenzbuchhaltung, der Lohnbuchhaltung nebst Kündigungen und Ermittlung
von "Sozialpunkten", bei der Fertigung von Vermögensverzeichnissen und
Berichten, des Schlussverzeichnisses, der Jahresabschlüsse und
Steuererklärungen usw. handelt es sich um anspruchsvolle Tätigkeiten, die
eingehende Prüfungen, Überlegungen und Schlussfolgerungen notwendig
machen. Damit ersetzen und vervielfältigen die Mitarbeiter in maßgebenden Teilen
der Insolvenzverfahren die Arbeitskraft des Klägers.
65
Es kann nicht als ausreichend angesehen werden, wenn der Kläger sich in
wesentlichen Bereichen lediglich die Entscheidungskompetenz vorbehält und
damit unter Umständen leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt. Denn Letzteres
ist nur im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
von Belang, nicht aber bei der hier maßgeblichen Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG.
66
Zwar sind entgegen der Aufstellung des Betriebsprüfers (bloße) Schreibkräfte und
67
Hilfskräfte, sowie Auszubildende und Referendare nicht zu berücksichtigen. Aber
es bleiben an Insolvenzsachbearbeitern und Fachgehilfen mehr als 4 qualifizierte
Mitarbeiter pro Jahr, die sich der Kläger als Vervielfältigung seiner Arbeitskraft
zurechnen lassen muss. Hinzu kommt noch jeweils mehr als ein qualifizierter
Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer.
4. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, dass er in ausreichendem Umfang
68
wenigstens im sog. Kernbereich der Insolvenzverwaltung höchstpersönlich tätig
gewesen ist.
69
In diesem Zusammenhang kann es nicht darauf ankommen, welche Aufgaben der
Insolvenzverwalter nach Maßgabe der Insolvenzordnung höchstpersönlich
erbringen muss und welche er möglicherweise delegieren darf (a.A. Urteil des FG
Rheinland Pfalz vom 21.06.2007 – 4 K 2063/05, rkr., EFG 2007, 1523). Das
Steuerrecht hat nach seinen eigenen, aus der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG sich ergebenden Kriterien zu bestimmen, wann eine Tätigkeit noch auf der
persönlichen Arbeitskraft des Verwalters beruht.
70
Wenn man die Insolvenzverwaltung als Vermögensverwaltung begreift, dann
gehört in den Kernbereich der Tätigkeit alles, was Aufgabe eines
Vermögensverwalters ist. Dazu gehört es nicht nur, den Verwaltungsgegenstand in
Besitz zu nehmen und unternehmerische Entscheidungen zu treffen, sondern
maßgeblich auch, die Verwaltertätigkeit nachvollziehbar zu dokumentieren, die
entsprechenden Berichte zu fertigen, über die Geschäftsvorfälle Buch zu führen
und Rechnung zu legen. Gerade diese Tätigkeiten hat der Kläger jedoch
weitestgehend seinen Mitarbeitern übertragen.
71
Davon abgesehen gehört es auch nach der Insolvenzordnung zu den vom
Insolvenzverwalter höchstpersönlich zu erbringenden Aufgaben, z.B. die
Verzeichnisse aufzustellen (§§ 151-153 InsO), die angemeldeten Forderungen zu
prüfen, ggf. Widerspruch zu erheben und die Listen zu führen (§§ 175 ff InsO), die
steuer- und handelsrechtlichen Buchführungspflichten zu erfüllen (§ 155 InsO),
Anfechtungsklagen und Schadensersatzprozesse zu führen (§§ 129 ff InsO, § 92 f
InsO), ebenso das Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO) und die Schlussrechnung
zu erstellen (§ 66 InsO). Selbst wenn man also die Insolvenzordnung als Maßstab
dafür heranzieht, was den Kernbereich der höchstpersönlich vom Verwalter zu
erfüllenden Aufgaben ausmacht, muss im Streitfall festgestellt werden, dass der
Kläger maßgebliche Teile dieser Aufgaben delegiert und von qualifizierten
Mitarbeitern hat erledigen lassen.
72
5. Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist auch dann keine freiberufliche im Sinne des §
73
18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie weniger als 50 % der Gesamttätigkeit des Klägers
ausmacht. Sie muss die freiberuflichen Einkünfte als Rechtsanwalt oder
Wirtschaftsprüfer nicht "überwiegen", wie der Kläger meint.
74
Zwar findet sich in der Entscheidung des BFH vom 12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II
2002, 202 folgender Satz:
75
"Wird ein Rechtsanwalt (überwiegend) als Verwalter im
76
Gesamtvollstreckungsverfahren tätig, gilt nichts anderes; auch ein
Rechtsanwalt kann Vermögensverwaltung i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
betreiben.
Der Klammerzusatz "(überwiegend) " ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass eine
gemessen am Gesamtumsatz weniger als 50%ige Verwaltertätigkeit eines
Rechtsanwalts seiner freiberuflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Von den insoweit
möglicherweise missverstandenen Ausführungen des BFH in den Urteilen vom
28.06.1973 IV R 77/70, BStBl II 1973, 729 und vom 06.09.1990 IV R 125/89, BStBl
II 1990, 1028 hat sich der BFH in seiner o.a. Entscheidung XI R 56/00 gerade
abgegrenzt (unter 2 d) der Entscheidungsgründe). Vielmehr gelten bei einer
"gemischten" Tätigkeit die allgemeinen Grundsätze, wonach soweit als möglich
eine getrennte Beurteilung und Einordnung in verschiedene Einkunftsarten
vorzunehmen ist. Dies gilt auch für die verschiedenen Formen der
Einkunftserzielung innerhalb einer Einkunftsart, soweit sie mit verschiedenen
Rechtsfolgen verknüpft sind (vgl. hierzu Kanzler in FR 1994, 114, auf dessen
Ausführungen der BFH in der o.a. Entscheidung XI R 56/00 ausdrücklich Bezug
nimmt). Nur wenn die Tätigkeiten untrennbar miteinander verflochten sind, kann es
darauf ankommen, welche Tätigkeitsart überwiegt. Im Streitfall handelt es sich aber
nicht um untrennbar miteinander verknüpfte Tätigkeiten. Vielmehr lassen sich die
Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit und seine Einkünfte aus
freiberuflicher Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer problemlos von
einander trennen.
77
6. Auch mit seinem Hilfsantrag kann der Kläger nicht durchdringen. Denn auch der
78
vorläufige Insolvenzverwalter erzielt mit seiner Tätigkeit keine freiberuflichen
Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
79
a) Nach den §§ 21 und 22 InsO stehen dem Insolvenzgericht im
80
Insolvenzeröffnungsverfahren verschiedene Sicherungsmaßnahmen zur
Verfügung. Insbesondere kann ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werden.
Dessen Aufgabenstellung kann wiederum mit unterschiedlichen Befugnissen
ausgestaltet sein. In der insolvenzgerichtlichen Praxis unterscheidet man zwischen
dem "starken", dem "schwachen" und dem sog. "halbstarken" Insolvenzverwalter.
Wird dem Insolvenzschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, geht die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den
vorläufigen Insolvenzverwalter über (sog. starker Insolvenzverwalter, § 22 Abs. 1
InsO). Dessen Stellung unterscheidet sich nicht von der des endgültigen
Insolvenzverwalters, so dass die o.a. Grundsätze auch hier zum Zuge kommen.
81
Wird dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, können dem
Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 2 InsO einzelne Befugnisse übertragen werden.
Dabei kann das Insolvenzgericht die Pflichten und Befugnisse des vorläufigen
Insolvenzverwalters so weit ausdehnen, dass nahezu die Stellung des mit einem
begleitenden Verfügungsverbot bestellten "starken" vorläufigen Verwalters erreicht
wird (vgl. BGH-Urteil vom 16.06.2005 IX ZB 264/03, BB 2005, 1760 –sog.
halbstarker Insolvenzverwalter-).
82
Als schwächste Form der Sicherungsmaßnahmen kann das Gericht zumindest
83
einen Zustimmungsvorbehalt im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO anordnen,
wonach der Insolvenzschuldner nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters
verfügen darf (sog. schwacher Insolvenzverwalter). Die Anordnung eines
Zustimmungsvorbehalts ist in der Insolvenzpraxis inzwischen die Regel (vgl.
Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 21 Rdnr. 24).
b) Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Gestaltungen im Streitfall im Einzelnen seiner
84
Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter zugrunde gelegen haben. Selbst wenn
er überwiegend nicht als sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter mit
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestattet war und demgemäß das
Schuldnervermögen nicht in Besitz genommen hat, um es zu verwalten und zu
verwerten, so hat er zwar insoweit möglicherweise keine Vermögensverwaltung im
Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG betrieben. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend,
dass er freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig gewesen ist.
Vielmehr gelten auch hier die in dem bereits erwähnten Urteil des BFH vom
12.12.2001 XI R 56/00, BStBl II 2002, 202 aufgezeigten Grundsätze, denen sich
der erkennende Senat anschließt. Danach muss es sich bei der freiberuflichen
Tätigkeit um eine berufstypische, einen Katalogberuf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr.
1 EStG besonders kennzeichnende und dem jeweiligen Katalogberuf vorbehaltene
Tätigkeit handeln. Es genügt nicht, dass die Tätigkeit mit der Berufsausübung in
einem Katalogberuf (lediglich) vereinbar ist.
85
c) Die Betätigung als vorläufiger "schwacher" oder "halbstarker" Insolvenzverwalter ist
86
zwar eine mit der Berufsausübung als Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer
vereinbare, jedoch keine für diese Katalogberufe im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG berufstypische, vorbehaltene Tätigkeit.
87
Berufstypisch für einen Rechtsanwalt ist die Beratung und Vertretung in
Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung –BRAO-).
Wirtschaftsprüfer haben die berufstypische Aufgabe, betriebswirtschaftliche
Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher
Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und
das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über eine
Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer –WPO-).
88
Hiervon unterscheiden sich die Stellung und die Aufgaben des vorläufigen
Insolvenzverwalters grundlegend. Dem in aller Regel zumindest mit begleitendem
Zustimmungsvobehalt ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter obliegt (gleich
einem Sequester) die Pflicht, zur Sicherung und Erhaltung der Masse beizutragen
(§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO) und einer Verringerung des Schuldnervermögens
dadurch entgegenzuwirken, dass er die Erfüllung einzelner oder aller
Verbindlichkeiten verhindert. Dies kommt einem relativen Verfügungsverbot des
Insolvenzschuldners gleich (vgl. BFH-Beschluss vom 03.12.2004 VII B 178/04,
BFH/NV 2005, 661). Der Schuldner darf sich über das Zustimmungserfordernis
nicht hinwegsetzen. Ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind
seine Verfügungen grundsätzlich unwirksam (§ 24 Abs. 1 i.V.m. §§ 81, 82 InsO).
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat überdies die Pflicht, bei Gericht weitere
Sicherungsmaßnahmen anzuregen oder zu beantragen, wenn dies im Interesse
der Masse geboten ist. Er hat permanent zu prüfen, welche Maßnahmen im
89
Einzelfall erforderlich sind, um eine gläubigernachteilige Verminderung der
Haftungsmasse zu verhindern (vgl. Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Teil III Rdnr.
398; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 235).
Die Voraussetzungen für die Bestellung des vorläufigen Verwalters entsprechen
denen für die Auswahl des endgültigen Insolvenzverwalters. Es muss sich um eine
"geschäftskundige" Person handeln (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 56 InsO). In der
Praxis der Insolvenzverfahren wird oftmals bereits mit der Auswahl des vorläufigen
Verwalters eine Vorentscheidung über die Person des späteren
Insolvenzverwalters getroffen, weil nicht nur seine Qualifikation der des
Insolvenzverwalters entsprechen muss, sondern der vorläufige Verwalter
insbesondere bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, die Masse zu sichern
und zu erhalten und die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung vorzubereiten
(§ 22 Abs. 3 InsO), für das Insolvenzverfahren nutzbare Kenntnisse erwerben kann
(vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.05.2006 – 1 BvR 2530/04, BverfGE 116,1, NJW
2006, 2613, BB 2006, 1702).
90
Der vorläufige Verwalter wird vom Gericht bestellt und steht unter der Aufsicht des
Insolvenzgerichts (§ 58 InsO); er kann aus wichtigem Grund entlassen werden (§
59 InsO); er haftet allen Beteiligten, insbesondere auch den Massegläubigern, für
die Verletzung seiner Pflichten (§§ 60-62 InsO) und er muss bei Beendigung
seines Amtes Rechnung legen (§ 66 InsO).
91
d) Allen Formen der vorläufigen Verwaltung ist allerdings auch gemeinsam, dass der
92
vorläufige Verwalter regelmäßig gutachterliche Funktionen für das Insolvenzgericht
wahrzunehmen hat (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO und § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der
Kläger sieht hierin aber zu Unrecht eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18
Abs. 1 Nr. 1 EStG.
93
Zwar werden auch Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer im Rahmen ihrer
freiberuflichen Betätigung verschiedentlich als Gutachter beauftragt. Während ein
Jurist jedoch einen vorgegebenen Sachverhalt auf seine rechtliche Einordnung
untersucht und ein Wirtschaftsprüfer betriebswirtschaftliche Fragen klärt, muss der
vorläufige Insolvenzverwalter oder Gutachter als Helfer des Gerichts
(Sachverständiger) zunächst den Sachverhalt ermitteln, aus dem sich dann
bestimmte Rechtsfolgen ergeben können. In der Sachverhaltsermittlung liegt seine
Aufgabe.
94
Der Sachverständige (Gutachter) nach §§ 5 Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 InsO hat als verlängerter Arm des Gerichts Tatsachen festzustellen, wie z.B.
das Vorliegen eines Insolvenzgrundes oder die Frage, ob eine die
Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist. Er hat die wirtschaftliche Lage
des Unternehmens und die Ursachen der Insolvenz zu erforschen und zu prüfen,
ob Aussichten zur Sanierung des Unternehmens bestehen. Hierbei steht die
Ermittlungstätigkeit zur Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts im
Vordergrund (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 5 Rdnr. 13.)
95
Demgemäß kann der vorläufige Verwalter als Sachverständiger durch gerichtlichen
Beschluss ermächtigt werden, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu
betreten und dort Nachforschungen anzustellen, sowie Auskünfte über die
96
schuldnerischen Vermögensverhältnisse bei Dritten einzuholen (§§ 21 Abs. 1, 22
Abs. 3 InsO). Dem Schuldner kann aufgegeben werden, dem Sachverständigen
Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren und diese bis zur
Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens auszuhändigen. Der vorläufige
Verwalter ist berechtigt, Besichtigungen vorzunehmen, Urkunden, Pläne und
Karteien einzusehen und Personen zu befragen. Ist zur Frage der Überschuldung
Stellung zu nehmen, kann auf die Erstellung eines Vermögensstatus nicht
verzichtet werden. Zur Prüfung der Massekostendeckung gehört auch die
Feststellung nicht bilanzierter Aktivposten oder die Feststellung von
Anfechtungslagen (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 5 Rdnr. 16). Insoweit unterscheidet
sich die sachverhaltsermittelnde Prüfungstätigkeit des Sachverständigen
(Gutachters) bzw. vorläufigen Verwalters nicht von der eines (regulären)
Insolvenzverwalters, wie der Kläger selbst ausführt.
e) Wenn der "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter verschiedentlich als "Berater"
97
des Schuldners bezeichnet wird (vgl. BFH-Urteil vom 01.04.2004 V R 24/03, BStBl
II 2004, 905 unter Bezugnahme auf Braun/Kind, Insolvenzordnung, § 21 Rdnr. 18;
ebenso Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 235; Pape/Uhlenbruck,
Insolvenzrecht, Kapitel 23 Rdnr. 399), kann damit kann nach Auffassung des
Senats allenfalls seine schwache Stellung umschrieben werden. Nicht gemeint
sein kann, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Rechtsberatung im Sinne des § 3
Abs. 1 BRAO oder wirtschaftliche Beratung im Sinne des § 2 Abs. 1 WPO betreibt.
Denn der Insolvenzschuldner ist nicht Auftraggeber oder Mandant des vorläufigen
Insolvenzverwalters. Überdies steht die Berufung zum Sachverständigen
(Gutachter) bzw. vorläufigen Insolvenzverwalter jeder geschäftskundigen Person
offen. Die Tätigkeit ist nicht den Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder
Steuerberatern vorbehalten.
98
In fachlicher Hinsicht besteht ein so enger Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als
99
vorläufiger Verwalter bzw. Gutachter und der Tätigkeit als (regulärer)
Insolvenzverwalter, dass eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung nicht
gerechtfertigt ist (so bereits zum sachverständigen Gutachter nach § 75 KO BFH-
Urteil vom 29.03.1961 IV 404/60 U, BStBl III 1961, 306; vgl auch Wacker in:
Schmidt, EStG, § 18 Rdnr. 141). Im Übrigen hat auch der Gutachter sein Gutachten
persönlich zu erstatten (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 5 Rdnr. 17 mit Nachweisen aus
der Rechtsprechung). Er ist nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu
übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit anderer Personen bedient, hat er diese
namhaft zu machen, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter
Bedeutung handelt (§ 407 a Abs. 2 ZPO).
100
7. Weitere Einwände gegen die Höhe der vom FA festgestellten Einkünfte, auch gegen
101
die Zurechnung der Betriebsausgaben zu den freiberuflichen Einkünften einerseits
und den gewerblichen Einkünfte andererseits, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auch der Senat sieht aus dem Inhalt der Akten keinen Anlass zu einer von den
angegriffenen Feststellungsbescheiden abweichenden Würdigung.
102
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
103
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Vereinheitlichung der
Rechtsprechung zuzulassen.
104