Urteil des FG Köln vom 20.01.2005

FG Köln: wiedereinsetzung in den vorigen stand, steuererlass, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, glaubhaftmachung, einziehung, zahnbehandlung, erbe, arbeitslosenhilfe, erlöschen, zahlungsunfähigkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Finanzgericht Köln, 3 K 2096/03
20.01.2005
Finanzgericht Köln
3. Senat
Urteil
3 K 2096/03
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Erlass von Einkommen- und Umsatzsteuer sowie
Säumniszuschlägen hierzu.
Der zu fünfzig Prozent schwerbehinderte Kläger lebt mit kurzzeitiger Unterbrechung seit
Januar 1991 von Arbeitslosenhilfe. Nach seinen Angaben ist er hoch verschuldet und
wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, seine
Verbindlichkeiten zu begleichen. Zu den Einzelheiten wird auf sein Schreiben an den
Beklagten vom 04.04.2003 (Blatt 83 d. A.) verwiesen.
Ausweislich eines Kontoauszugs vom 10.02.2003 schuldete der Kläger Einkommensteuer
1988, 1989 und 1993 sowie Umsatzsteuer 1991 bis 1993 nebst Säumniszuschlägen zu
den zuvor genannten Hauptforderungen und zur Einkommensteuer 1987 i.H.v. insgesamt
6.967,16 €. Auf Antrag des Klägers hatte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom
16.06.1997 die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Säumniszuschläge i.H.v. 4.611,00
DM zur Hälfte erlassen. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der der Kläger den Erlass der
gesamten Säumniszuschläge begehrt hatte, wies das Finanzgericht Köln mit Urteil vom
24.11.1998 3 K 5458/97 als unbegründet ab.
Wegen o.g. Steuerrückstände pfändete der Beklagte mit Verfügungen vom .....2002 und
......2002 beim Bruder des Klägers und dessen Anwälten die sich aus dem Schlussurteil
des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom ......2002 11 U 23/00 ergebenden
Erbschaftsansprüche des Klägers gegen seinen Bruder aus dem Erbe nach der
verstorbenen Großmutter (.....,50 Euro nebst Zinsen). Die hiergegen eingelegten
Einsprüche vom ......2002 wies er durch bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom
.......2003 als unbegründet zurück.
Daraufhin beantragte der Kläger am .....2003 den Erlass der o.g. Abgabenforderungen. Zur
Begründung führte er aus, es widerspreche der Zweck-Mittel-Relation, wenn er sich als
Arbeitsloser wachsenden Steueransprüchen ausgesetzt sehe, obwohl ein Zuwachs an
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit fehle. Seit 1993 sei er wegen der Unterhaltslast
gegenüber seiner Tochter, hoher Mietaufwendungen von 840,00 DM mtl., Werbungskosten
7
8
9
10
zur Arbeitsplatzbeschaffung sowie Anwalts- und Gerichtskosten und Aufwendungen für
Zahnersatz zahlungsunfähig und überschuldet. Hinzu komme, dass seine
Leistungsfähigkeit behinderungsbedingt eingeschränkt sei. Monatlich wende er 100 bis
120 € für die Suche nach einem Arbeitsplatz auf. Insgesamt habe er seit 1993 hierfür ca.
18.000,00 DM ausgegeben, die er nicht wie Erwerbstätige steuerlich habe absetzen
können. Das widerspreche dem Gleichheitsprinzip. Allein dieser Betrag überschreite die
Steuerschuld, so dass eine komplette Steuertilgung möglich gewesen wäre, wenn er die
Gelder hierfür hätte einsetzen können. Auch sei die Kürzung der Arbeitslosenhilfe um den
nichtabziehbaren Arbeitsförderungsbetrag (§ 136 Abs. 2 SGB III) eine Benachteiligung. Da
er nie einen verschwenderischen Lebenswandel geführt habe, treffe ihn an seiner
fehlenden Leistungsfähigkeit kein Verschulden, so dass er erlasswürdig sei. Auch sei er
erlassbedürftig. Denn das Absehen von einer Steuererhebung eröffne ihm die Möglichkeit,
seine wirtschaftliche Situation durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu
verbessern, was gerade im fortgeschrittenen Alter zu befürworten sei.
Die Säumniszuschläge seien wegen persönlicher und sachlicher Billigkeitsgründe in voller
Höhe und nicht nur zur Hälfte zu erlassen, weil auch ihre Erhebung gegen das
Übermaßverbot verstoße und sie wie eine Erdrosselungssteuer wirkten.
Mit Schreiben vom .....2003 und ......2003 erließ der Beklagte die Hälfte der noch offenen
Säumniszuschläge in Höhe von 1.178,78 € und 569,43 € (Säumniszuschläge insgesamt:
3.496,42 €). Den Erlass der Hauptforderungen lehnte er mit dem zuletzt genannten
Schreiben ab.
Zur Begründung führte er aus, ein Erlass aus persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen
Billigkeitsgründen komme nur in Betracht, wenn die Steuererhebung entweder die
Fortführung eines Unternehmens des Steuerpflichtigen ernsthaft gefährde oder die
Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nicht nur vorübergehend in Frage stelle.
Die Notlage müsse allein durch die Einziehung der Steuerrückstände verursacht und
deshalb allein durch den Steuererlass beseitigt werden können. Das sei beim Kläger,
dessen derzeitige wirtschaftliche Notlage nicht allein durch die Abgabenrückstände
verursacht sei, zu verneinen. Eine Erlassbedürfigkeit sei nicht schon dann gegeben, wenn
sich ein Steuerpflichtiger in Liquiditätsschwierigkeiten befinde oder überschuldet sei.
Wirtschafts-, arbeitsmarkt- oder sozialpolitische Ziele könnten nicht durch einen
Steuererlass gefördert werden. Sachliche Unbilligkeit sei ebenfalls zu verneinen, weil nicht
zu erkennen sei, dass der Gesetzgeber den vom Kläger erfüllten Sachverhalt nicht der
Besteuerung habe unterwerfen wollen. Zu den Einzelheiten wird auf die
Ablehnungsverfügung vom 11.02.2003 in der Vollstreckungsakte des Beklagtes verwiesen.
Hiergegen legte der Kläger am ......2003 Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, soweit
Säumniszuschläge zur Hälfte erlassen worden seien, könne sich das nur auf den Zuwachs
vom 06.06.1997 bis zum jetzigen Zeitpunkt beziehen. Der Zuwachs habe bis zum
15.10.2002 2.317,64 € betragen, so dass Säumniszuschläge in Höhe von 1.158,82 € zu
erlassen gewesen seien. Tatsächlich seien die Säumniszuschläge nur um 24,57%
erlassen worden (569,43 €). Eine Vermengung mit früheren Erlassansprüchen sei
unzulässig, weil sich der Erlass immer am zeitlichen Zuwachs zu orientieren habe. Zu den
Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 17.02.2003 in der Vollstreckungsakte
des Beklagtes verwiesen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass verwirkte
Säumniszuschläge mit dem Erlöschen der Hauptschuld entfielen und ihm bei der
Umsatzsteuer keine Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen sei. Das sei aber Voraussetzung für die
Haftung eines Unternehmers.
11
12
13
14
15
16
17
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ......2003 als
unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Einziehung der Forderung sei weder
sachlich noch persönlich unbillig. Der Kläger sei nicht erlassbedürftig. Ein Erlass wirke sich
auf seine wirtschaftliche Situation nicht aus, weil er bereits auf Sozialhilfeniveau lebe. Ganz
offensichtlich verfolge der Antragssteller nur den Zweck, die Pfändung in ein
Erbauseinandersetzungsguthaben zu unterlaufen. Das rechtfertige keine
Billigkeitsmaßnahme. Auch lasse der Kläger bei seinen Billigkeitserwägungen einen ihm
im Jahr 1997 zugeflossenen Erbanteil in Höhe von ca. 60.000,00 DM unberücksichtigt.
Säumniszuschläge seien auch bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nur i.H.v. 50 %
zu erlassen, weil sie auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und den
damit verbundenen Verwaltungsaufwand erhoben würden.
Gegen die Einspruchsentscheidung hat der Kläger am ......2003 Klage erhoben.
Er behauptet, das 1997 erhaltene Erbauseinandersetzungsguthaben habe weniger als
60.000,00 DM betragen und sei durch erforderliche Neuanschaffungen für Gegenstände
des täglichen Lebens verbraucht worden. Soweit er mit diesem Geld Reisen unternommen
habe, hätten seine Ärzte ihm diese zu Erholungszwecken empfohlen. Der gepfändete
Erbanspruch sei ausschließlich seiner Altersversorgung zugedacht gewesen, so dass die
Vollstreckung seinen wirtschaftlichen Ruin bedeute. Einem betagten und nicht mehr
erwerbstätigen Steuerpflichtigen seien die Steuern zu erlassen, wenn die zur Zahlung
erforderlichen Mittel zur angemessenen Gestaltung seines Lebensabends bestimmt seien.
Außerdem sei das Erbe für den Eigenanteil einer Zahnbehandlung bestimmt. Notwendige
Mittel für Kranken-, Sozial-, Pflege-, Lebens- und Zusatzversicherungsbeiträge für
zahnärztliche Leistungen und Zahnersatz sowie zur Altersvorsorge dürfe ihm der Beklagte
nicht wegnehmen. Zum Nachweis nimmt der Kläger Bezug auf einen Heil- und Kostenplan
des Zahnarztes Dr. ................, ........., vom ........2003, in dem der Eigenanteil für
Zahnersatzimplantate mit 4.118,50 € ausgewiesen ist. Zu den Einzelheiten wird auf den
Heil- und Kostenplan (Blatt 74, 75 d. A.) verwiesen.
Ferner vertritt der Kläger die Auffassung, den Steuerforderungen müsse der ihm nach § 10
Abs. 5 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) für die Abwicklung des Nachlasses
seiner Großmutter zustehende Erbfallkostenpauschbetrag in Höhe von 5.150,00 €
"gegengerechnet" werden. Alles in allem sei die Entscheidung des Beklagten daher
ermessensfehlerhaft.
Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Kläger am 03.01.2005 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 06.01.2005 hat der Kläger Terminsverlegung beantragt und zur
Begründung mitgeteilt, er müsse sich aus gesundheitlichen Gründen am 20.01.2005 einer
längerfristigen auswärtigen Reha-Maßnahme unterziehen (Bl. 158 d. A.). Mit Verfügung
vom 10.01.2005 hat der Vorsitzende den Kläger gebeten, den Verhinderungsgrund durch
Vorlage einer Einweisung in die Rehabilitationseinrichtung oder sonstige präsente
Beweismittel glaubhaft zu machen und zur Begründung auf § 155 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 227 Abs. 3, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO)
verwiesen. Da der Kläger hierauf nicht antwortete, hat der Vorsitzende mit Verfügung vom
18.01.2005 den Antrag auf Terminsverlegung mangels Glaubhaftmachung eines
Verhinderungsgrundes abgelehnt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Er hat
schriftsätzlich sinngemäß angekündigt zu beantragen,
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ......2003 und der
hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ......2003 zu verpflichten, die
Einkommensteuer 1987 – 1989 und 1993 sowie die Umsatzsteuer 1991 – 1993 nebst
Säumniszuschlägen zu erlassen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den auf Grund der Einspruchsentscheidungen vom
16.06.1997 und 19.03.2003 nicht realisierten Erlass der Säumniszuschläge i.H.v. 1.207,53
€ zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom
......2004, auf die ergänzend Bezug genommen wird.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils hat der Kläger mit
Schriftsätzen vom 24.01.2005, 28.01.2005 und 14.02.2005 drei Schreiben der Fachklinik
für Psychogene Erkrankungen ............ in .......... vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass er
sich seit dem 12.01.2005 in einer voraussichtlich bis 04.03.2005 andauernden stationären
Heilbehandlung befindet. Zu den Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 24.01.2004,
28.01.2005 und 14.02.2005 (Bl. 161 – 165 d.A.) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 24.01.2005
hat der Kläger "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund Verstoß gegen die
Verfahrensvorschriften der FGO und die Gewährung rechtlichen Gehörs" beantragt und zur
Begründung ausgeführt, die üblichen Fristen zur Beibringung von Nachweisen und zur
Glaubhaftmachung seien nicht berücksichtigt worden. In dem Schreiben des
Senatsvorsitzenden vom 10.01.2005, das seinem Postbevollmächtigten erst am 17.01.2005
zugegangen sei, sei keine Vorlagefrist aufgeführt gewesen. Die Ablehnung der
Terminsverlegung vom 18.01.2005 habe seinen Postbevollmächtigten erst am 22.01.2005
erreicht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Nach § 227 Abs. 1 AO können Steuern erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach
Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Erlassantrag aus
Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung (Beschluss des gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972,
603). Ermessensentscheidungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren dahingehend zu
überprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig
ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem
Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht ist (§ 102 FGO).
Im Streitfall ist die Ablehnung des begehrten Erlasses ermessensfehlerfrei zu Stande
gekommen.
1. Sachliche Billigkeitsgründe liegen nicht vor. Solche sind nach höchstrichterlicher
Finanzrechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen
des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu
30
31
32
33
34
35
entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten
Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die
Einziehung der Steuern den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht.
Zu Unrecht sieht der Kläger in der steuerlichen Ungleichbehandlung von
Arbeitslosenhilfeempfängern und Erwerbstätigen einen sachlichen Billigkeitsgrund. Der
Umstand, dass sich Verluste einer arbeitslosen Person mangels Einkünften im
Entstehungsjahr steuerlich nicht auswirken, rechtfertigt nicht den Erlass bestandskräftig
festgesetzter Steuern. § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) eröffnet die
Möglichkeit, nicht ausgeglichene Verluste zeitlich unbeschränkt in die Zukunft vor- und
zeitlich begrenzt in die Vergangenheit zurückzutragen. Dadurch können sich Verluste in
bestimmten Fallkonstellationen nicht auswirken. Da dies den Wertungen des Gesetzgebers
nicht widerspricht, liegt ein sachlicher Billigkeitsgrund nicht vor.
2. Im Streitfall fehlt es auch an persönlichen Billigkeitsgründen.
a) Persönliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder
persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das
ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt
vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (BFH-Beschluss vom
24.10.1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 258, m.w.N.). Dies setzt voraus, dass sich der
Billigkeitserlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen konkret auswirken
kann. Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt deshalb grundsätzlich weder
eine zinslose Stundung noch ein Steuererlass aus persönlichen Billigkeitsgründen in
Betracht (BFH-Beschluss vom 21.04.1999 VII B 347/89, BFH/NV 1999, 1440, m.w.N.).
b) So verhält es sich im Streitfall. Nach den Angaben des Klägers im Schreiben vom
04.04.2003 ist er hoch verschuldet und mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht in
der Lage, seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Aus diesem Grunde bezieht er – mit
kurzer Unterbrechung – seit 1991 Arbeitslosenhilfe. Es ist nicht erkennbar, dass der Erlass
der verbleibenden Steuerschulden in Höhe von 5.229,34 € (Stand 24.04.2003) seine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessert. Angesichts seiner hohen
Verschuldung käme der Erlass dieser Steuerforderungen nicht ihm, sondern anderen
Gläubigern zugute.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, ein Steuererlass ermögliche ihm die Aufnahme einer
neuen beruflichen Existenz, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn er trägt nicht
vor, welche konkreten beruflichen Chancen ihm auf Grund seiner Steuerschulden
entgangen sind bzw. entgehen werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27.09.2001 X R 134/98,
BStBl. II 2002, 176).
c) Auch die Behauptung des Klägers, einen Betrag von 4.118,50 € für eine erforderliche
Zahnbehandlung zu benötigen, rechtfertigt keinen Erlass aus persönlichen
Billigkeitsgründen. Zwar hat der Kläger einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr.
................ vorgelegt, der als Eigenanteil diese Summe ausweist. Ob der Kläger seinen
Erbanteil hierfür tatsächlich aufwenden wird, ist hingegen ungewiss. Dagegen spricht sein
Vortrag, das Erbe für eine bescheidene Altersvorsorge einsetzen zu wollen. Zudem geht
aus dem Heil- und Kostenplan, der Kronen und Brücken mit Metallkeramikverblendungen
vorsieht, nicht hervor, dass eine derartige Zahnbehandlung medizinisch tatsächlich
notwendig ist und nicht nur vom Kläger persönlich gewünscht wird. Einen solchen
Nachweis hat der Kläger auch nicht in anderer Art und Weise geführt, obwohl er im
ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 19.08.2004 auf diese Problematik
36
37
38
39
hingewiesen wurde. Schließlich hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass der
Sozialhilfeträger die Kosten für eine medizinisch notwendige Zahnbehandlung nicht
übernehmen wird. Auf die Leistungen des Sozialhilfeträgers muss sich der Kläger
verweisen lassen. Zwar kann in besonderen Fallgestaltungen eine zu einem Steuererlass
führende unbillige Härte zu bejahen sein, wenn der Steuerpflichtige ohne den Erlass
seinen notwendigen Lebensunterhalt, zu dem auch Krankheitskosten gehören,
vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestreiten kann und deshalb Sozialhilfe in
Anspruch nehmen müsste (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.1981 IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726).
Es kann dahinstehen, ob diese zu einem Gewinn aus einer Betriebsaufgabe ergangene
Rechtsprechung auf den Erlass von Steuern aus laufender Geschäftstätigkeit überhaupt
anwendbar ist. Denn durch diese Rechtsprechung soll verhindert werden, dass eine
Person auf Grund notwendiger Aufwendungen zum Sozialhilfeempfänger wird. Im Streitfall
bezieht der Kläger aber bereits seit 1991 Sozialleistungen in Form von Arbeitslosenhilfe.
Durch den Erlass der Steuern wird eine Sozialhilfebedürftigkeit daher nicht vermieden.
d) Persönliche Billigkeitsgründe ergeben sich auch nicht aus der Behauptung des Klägers,
er benötige das gepfändete Erbe um eine bescheidene Altersvorsorge aufzubauen. Nach
höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung ist älteren, nicht mehr erwerbsfähigen
Steuerpflichtigen wenigstens so viel von ihrem Vermögen belassen, dass sie damit für den
Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten können. In diesem
Zusammenhang kann es als brauchbare Erwägung angesehen werden, einer solchen
Person von ihrem Vermögen so viel zu belassen, dass sie in der Lage ist, eine
Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen eine Einmalprämie
abzuschließen, und zwar in einer Höhe, die ihr die Möglichkeit einer bescheidenen
Lebensführung gestattet (BFH-Urteil vom 29.04.1981 IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726).
Im Streitfall besitzt der Kläger kein Vermögen, das er zur Bildung einer bescheidenen
Altersversorgung einsetzen könnte. Dem Zahlungsanspruch i.H.v. 4.027,88 € nebst Zinsen
sind die nach seinen Angaben hohen sonstigen Schulden gegenzurechnen, weil das
Vermögen einer Person nicht nur aus einem Aktivposten besteht, sondern aus der
Saldierung aller positiven und negativen Vermögenswerte. Aber selbst wenn es sich bei
der Forderung gegen den Bruder um den einzigen Vermögensgegen-stand des Klägers
handelte, wäre dieser Betrag nicht ausreichend, dem Kläger für den Rest seines Lebens
eine bescheidene Lebensführung zu ermöglichen. Insbesondere hält der Senat es für
ausgeschlossen, dass er mit diesem Betrag eine Versicherung über sofort fällige
Leibrentenbezüge gegen Einmalprämie abschließen kann, die ihm ein Leben ohne
Sozialhilfe ermöglichen.
e) Auch das Begehrens des Klägers, den Steuerschulden den ihm nach § 10 Abs. 5 Nr. 3
ErbStG zustehenden Freibetrag für die Abwicklung des Nachlasses seiner Großmutter
"gegenzurechnen", rechtfertigt keinen Steuererlass. Der Freibetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3
ErbStG bewirkt lediglich, dass steuerpflichtige Erwerbe in Höhe von insgesamt 10.300,00 €
nicht der Erbschaftssteuer unterworfen werden. Er stellt keinen Zahlungsanspruch
gegenüber dem Fiskus dar, mit dem gegen Steuerforderungen aufgerechnet werden
könnte. Wäre Letzteres der Fall, würden die Steuern überdies erlöschen, so dass ein Erlass
nicht erforderlich wäre und aus diesem Grund nicht in Betracht käme.
f) Zu Recht hat der Beklagte auch den vollständigen Erlass der Säumniszuschläge
abgelehnt. Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung kann ein solcher gerechtfertigt
sein, wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf Festsetzung von Stundungszinsen
aus Billigkeitsgründen erfüllt sind oder im Zeitpunkt der Fälligkeit ein Erlass der
40
41
42
43
Hauptforderung gerechtfertigt gewesen wäre (BFH-Urteil vom 27.09.2001 X R 134/98,
a.a.O.). Das ist – wie oben dargestellt – zu verneinen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, bislang habe der Beklagte nur 24,57% statt 50%
der verwirkten Säumniszuschläge erlassen, verhilft das seiner Klage ebenfalls nicht zum
Erfolg. Der Beklagte hat die bis zur Antragstellung am 03.02.2003 entstandenen
Säumniszuschläge zur Hälfte erlassen. Das ergibt sich aus der Einspruchsentscheidung
vom ......2004 in der ausgeführt ist: "Deshalb sind Säumniszuschläge – wie im Streitfall
geschehen – regelmäßig nur zur Hälfte zu erlassen, wenn sie ihren Zweck als Druckmittel
verfehlen". Sofern der Beklagte die Höhe des hälftigen Erlasses im Ablehnungsbescheid
vom 11.02.2003 falsch berechnet haben sollte und deshalb im Erhebungskonto zuviel
Säumniszuschläge ausgewiesen sein sollten, rechtfertigt das nicht den erneuten Erlass
dieser Säumniszuschläge, sondern nur die Berichtigung des Erhebungskontos.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers führt der Umstand, dass die
Einkommensteuer 1987 bereits vollständig getilgt ist, weder zum Erlöschen der für diese
Steuerschuld entstandenen Säumniszuschläge noch zu einem Erlassanspruch wegen
sachlicher Billigkeitsgründe, weil bereits entstandene Säumniszuschläge von etwaigen
Steueränderungen oder Steuertilgungen unberührt bleiben (§ 240 Abs. 1 AO).
g
)
Klägers ausreichend gewürdigt. Als Billigkeitsgründe führte der Kläger im Wesentlichen
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an, mit denen sich der Beklagte
sowohl im ablehnenden Verwaltungsakt vom 11.12.2003 als auch in der
Einspruchsentscheidung vom 19.03.2003 auseinandergesetzt hat. In diesen
Entscheidungen ist zutreffend ausgeführt, dass die wirtschaftliche oder persönliche
Existenz des Klägers durch einen Steuererlass nicht verbessert wird. Ferner hat der
Beklagt ausgeführt, dass es dem Kläger bei seinem Erlassbegehren erkennbar um die
Freigabe des gepfändeten Erbes gehe. Durch die Bezugnahme auf die
Einspruchsentscheidung vom 19.03.2003, mit der die Einsprüche gegen die
Pfändungsverfügungen vom 04.12.2002 und 10.12.2002 bestandskräftig als unbegründet
zurückgewiesen wurden, hat er hinreichend deutlich und ermessensfehlerfrei zum
Ausdruck gebracht, dass dieses Begehren keinen Steuererlass rechtfertigt. Damit hat der
Beklagte in ausreichendem Maße die Interessen des Klägers an der Befreiung von seinen
Steuerschulden gegen die Interessen der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen
Einziehung der Steuern abgewogen.
II. 1. Den Antrag auf Terminsverlegung vom 06.01.2005 hat der Senatsvorsitzende zu
Recht abgelehnt. Der Kläger hat den im Schriftsatz vom 06.01.2005 geltend gemachten
Verhinderungsgrund trotz Aufforderung vom 10.01.2005 nicht glaubhaft gemacht. Hierzu
wäre er bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Lage gewesen, weil das an ihn
gerichtete Schreiben der Fachklinik für Psychogene Erkrankungen ......... vom 16.12.2004
datiert. Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, die Aufforderung zur Glaubhaftmachung
des Vorsitzenden vom 10.01.2005 sei erst am 17.01.2005 bei seinem Postbevollmächtigten
eingegangen ist. Zum einen wäre am 17.01.2005 noch ausreichend Zeit gewesen, eine
Kopie der Einweisung in die Rehabilitationseinrichtung als Glaubhaftmachung zu
übersenden. Zum anderen hat der Kläger im Schriftsatz vom 06.01.2005 selbst mitgeteilt,
dass Schriftverkehr nur an seine Postfachanschrift möglich sei. Wenn er trotz seines
Terminsverlegungsantrages für die bevorstehende mündliche Verhandlung nicht dafür
Sorge getragen hat, dass dieses Postfach zeitnah geleert wurde, kann er sich nicht auf die
verspätete Kenntnisnahme der Aufforderung zur Glaubhaftmachung berufen. Das gilt auch
44
45
46
für die Ablehnung der Terminsverlegung vom 18.01.2005, die den Postbevollmächtigten
nach Angaben des Klägers erst am 22.01.2005 erreicht haben soll. Solange der Kläger
keine Benachrichtigung über die Verlegung der mündlichen Verhandlung erhalten hat,
musste er davon ausgehen, dass sein Antrag abschlägig beschieden und die mündliche
Verhandlung stattfinden werde (Gräber/Koch, FGO 5. Auflage, § 91 Rz. 7 m.w.N.).
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie mit Schriftsatz vom 24.01.2005 beantragt,
kommt im Streitfall nicht in Betracht. Wiedereinsetzung ist nach § 56 Abs. 1 FGO bei
schuldloser Versäumung einer gesetzlichen Frist zu gewähren, wozu die mündliche
Verhandlung nicht gehört (vgl. Gräber/Koch, a.a.O. § 91a Rz. 16 m.w.N.). Auch eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 S. 2 FGO ist nicht möglich,
weil das Gericht das Urteil am 20.01.2005 verkündet hat und die Verhandlung nur bis zur
Urteilsverkündung wiedereröffnet werden kann (ders., ebd. § 93 Rz. 8).
Das Verfahren kann schließlich auch nicht nach § 134 FGO wiederaufgenommen werden,
weil das nur bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.