Urteil des FG Köln vom 24.08.2005

FG Köln (verhältnis zu, gats, richtlinie, wto, tschechien, egv, eugh, bilaterale verträge, inland, unternehmer)

Finanzgericht Köln, 2 K 3126/04
Datum:
24.08.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 K 3126/04
Tenor:
Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November
1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Um-satzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG) einschränkend
dahingehend auszulegen, dass die dort den Mitgliedstaaten
eingeräumte Möglichkeit, die Mehrwertsteu-ererstattung von der
Gewährung vergleichbarer Vorteile im Bereich der Um-satzsteuern
durch Drittländer abhängig zu machen, sich nicht auf solche Staa-ten
bezieht, die sich als Vertragsparteien des General Agreement on Trade
in Services –GATS— (BGBl. II 1994, 1473, 1643) auf dessen
Meistbegünsti-gungsklausel (Art. II Abs. 1 GATS) berufen können ?
Gründe
1
I.
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Die Klägerin ist ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen.
Unternehmensgegenstand ist die Flugsicherung im tschechischen Luftraum,
insbesondere die Navigation der Maschinen diverser Fluggesellschaften beim Überflug
über tschechisches Staatsgebiet bzw. bei dort vorgenommenen Starts und Landungen.
Zusätzlich bietet die Klägerin Flugtrainings an, die ausschließlich in Tschechien
durchgeführt werden.
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Mit beim Beklagten am 7. Juli 2003 eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin im
Rahmen eines Verfahrens nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V. mit
§§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) und unter Beifügung der
Rechnungen sowie einer tschechischen Unternehmerbescheinigung im Original die
Vergütung von Vorsteuern in Höhe von € 29 013,60 für den Zeitraum 01-12/2002
(Vergütungszeitraum). Die Vorsteuern waren für in Deutschland bezogene Trainings am
Flugsimulator (Fa. A,B) bzw. Schulungen (Fa: A,B und C,D) angefallen.
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Mit Bescheid vom 12. Februar 2004 lehnte der Beklagte den Antrag allerdings mit der
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Begründung ab, dass die Klägerin mangels Gegenseitigkeit i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6
UStG nicht berechtigt sei am Vergütungsverfahren teilzunehmen.
Mit Einspruch vom 4. März 2004 führte die Klägerin dagegen an, sie erfülle trotz der
fehlenden Gegenseitigkeit deshalb die Voraussetzungen des Vergütungsverfahrens,
weil sie Leistungen an deutsche Kunden erbracht habe, für die der jeweilige
Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schulde. Zum Nachweis fügte sie an
deutsche Kunden gerichtete Ausgangsrechnungen über Start- und Landegebühren bzw.
Flugtrainings bei. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004, der Klägerin
ausweislich ihrer eigenen Einlassung zugegangen am 5. Mai 2004, wies der Beklagte
den Einspruch mangels Gegenseitigkeit als unbegründet zurück.
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Gegen den Ablehnungsbescheid vom 12. Februar 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 hat die Klägerin am 28. Mai 2004, bei
Gericht eingegangen am 4. Juni 2004, Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt
begründet: Sie, die Klägerin, könne die Ausnahmeregelung des § 13b UStG in
Anspruch nehmen, weil sie für deutsche Abnehmer Dienste im Bereich des Luftverkehrs
geleistet habe. Das ergebe sich auch daraus, dass ihre Radaranlagen den
tschechischen Grenzbereich überschritten. Auf die echte Erdgrenze könne es insoweit
nicht ankommen.
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Der Beklagte entgegnet, dass zwar im Hinblick auf den verspäteten Vergütungsantrag
die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen vorlägen. Es mangele aber an der
Gegenseitigkeit i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, weil Tschechien für den
Vergütungszeitraum nicht im sog. Drittstaatenverzeichnis aufgenommen sei. Es liege
auch kein Fall des § 13b UStG vor, weil keine Leistungen im Inland erbracht worden
seien. Nach § 3a Abs. 1 UStG seien die Navigations- bzw. Trainingsleistungen in
Tschechien steuerbar und es komme eine Verlagerung des Leistungsortes nicht in
Betracht.
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II.
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1. Der Senat setzt das Streitverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die im Tenor genannte Frage zur Vorab-
entscheidung vor.
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2. Die Anrufung des EuGH ist gemäß Art. 234 EGV geboten, weil die Auslegung des Art.
2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 86/560/EWG; im Folgenden: Dreizehnte Richtlinie) in
entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist.
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a) Der Beklagte geht zunächst zu Recht davon aus, dass der Klägerin hinsichtlich ihres
verfristeten Vergütungsantrags vom 7. Juli 2003 Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 1
Satz 1 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977) zu gewähren ist. Die Klägerin hat durch im
Rahmen des Klageverfahrens erfolgte Beibringung eines tschechischen
Einlieferungsbeleges nachgewiesen, dass sie den Vergütungsantrag bereits am 25.
Juni 2003 und damit noch deutlich vor Ablauf der Antragsfrist der tschechischen Post
übergeben hat. Sie konnte davon ausgehen, dass auch im grenzüberschreitenden
Postverkehr die Sendung bis zum Ablauf des 30. Juni 2003 den Beklagten erreichen
würde. Dass ergibt sich auch daraus, dass die tschechische Post die Sendung bereits
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am 27. Juni 2003 der Deutschen Post AG übergeben hat.
b) Die Klägerin kann die von ihr beantragte Vergütung von Vorsteuer nach nationalem
Recht aber deshalb nicht verlangen, weil ihr Vergütungsantrag nicht alle in § 18 Abs. 9
UStG i.V. mit §§ 51 ff. UStDV genannten Voraussetzungen erfüllt.
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aa) Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen setzt danach zunächst voraus, dass dem im
Ausland ansässigen Unternehmer in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen
Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, berechnet worden ist (vgl.
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Wenn und soweit diese Steuer als Vorsteuer
abzuziehen ist (vgl. § 15 Abs. 2 bis 4 UStG), wird sie abweichend von § 16 und § 18
Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren (Vorsteuer-Vergütungsverfahren)
nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 60 und 61 UStDV vergütet. Zur Überzeugung des
Senats steht dabei fest, dass die Klägerin in Tschechien ansässig ist und ihr die in der
Anlage zum Vergütungsantrag vom 7. Juli 2003 aufgeführten Lieferungen und
Leistungen, welche sie für ihr Unternehmen bezogen hat, auch berechnet worden sind.
Sie hat auch nach Maßgabe des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG die entsprechenden
Rechnungen ihrem Vergütungsantrag im Original beigefügt und eine den Vorgaben des
§ 61 Abs. 3 UStDV entsprechende Unternehmerbescheinigung beigebracht. Ferner hat
sie nach den Feststellungen des Senats während des Vergütungszeitraums im Inland
(Erhebungsgebiet) keine Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 5 UStG ausgeführt
(§ 18 Abs. 9 UStG, § 59 Abs. 1 Nr. 1 UStDV).
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bb) Zur Überzeugung des Senats steht weiterhin fest, dass die Klägerin ausschließlich
für den tschechischen Luftraum Navigationsleistungen erbracht und zusätzlich in
Tschechien Flugtrainings durchgeführt hat. Für beide Leistungen liegt der Leistungs-ort
in Tschechien, weil nach der einschlägigen Vorschrift des § 3a Abs. 1 UStG sonstige
Leistungen –vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen §§ 3b und 3f UStG-- an dem Ort
als ausgeführt gelten, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
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cc) Die gegenüber der Klägerin abgerechneten Steuern sind schließlich auch als
Vorsteuerbeträge abziehbar (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG), weil die Klägerin die
Steuern selber schuldete (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87,
Genius Holding, EuGHE 1989, 4227; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH--vom 2. April
1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695). Dies folgt daraus, dass die dem
Vergütungsantrag zugrunde liegenden und von der Klägerin bezogenen Leistungen im
Inland steuerbar und steuerpflichtig waren. Auch insoweit handelte es sich um der
Regelung des § 3a Abs. 1 UStG unterfallende sonstige Leistungen in Form von
Dienstleistungen im Flugsimulator bzw. Schulungen, welche in Deutschland erbracht
wurden.
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dd) Entgegen der Annahme der Klägerin liegt auch kein Fall des § 13b UStG, in dem die
jeweiligen Leistungsempfänger Steuerschuldner wären, vor, weil die Klägerin keine im
Inland steuerpflichtigen Umsätze erbracht hat. Für den maßgeblichen Leistungsort i.S.
des § 3a Abs. 1 UStG kommt es alleine auf die Frage an, von wo aus der Unternehmer
sein Unternehmen betreibt. Darauf, ob im Bereich von Flugsicherungsleistungen ggfls.
auch jenseits der Landesgrenzen belegener Luftraum mitüberwacht wird, kommt es
danach nicht an. Letzteres ergibt sich letztlich auch schon daraus, dass die Klägerin
Leistungsentgelte nur für die Überwachung des tschechischen Luftraums abgerechnet
hat.
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ee) Die Vorsteuervergütung scheitert nach nationalem Recht aber an § 18 Abs. 9 Satz 6
UStG.
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aaa) Die Vorschrift lautet wie folgt:
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§ 18 Abs. 9 Satz 6 UStG:
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"Einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird die
Vorsteuer nur vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat,
keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im
Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird."
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bbb) Tschechien erhob im Vergütungszeitraum zwar eine Umsatzsteuer, es gewährte
aber zu dieser Zeit inländischen Unternehmern keine Vorsteuervergütung (vgl.
Schreiben des Bundesministers der Finanzen –BMF-- vom 13. Februar 2002, BStBl. I
2002, 270, dort Anlage 2; auch Kraeusel in Reiss/Kraeusel/Langer,
Umsatzsteuergesetz, § 18 UStG Rz. 677.3). Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob
die vorgenannte Aufstellung des BMF verbindlich ist (so Kraeusel, a.a.O., § 18 UStG Rz.
677.1) oder ob es sich um eine uneingeschränkt justiziable Behauptung handelt (so
Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 18 UStG Rz. 876.1), da die
Nichtgewährung einer entsprechenden Vorsteuervergütung an Deutsche zur
Überzeugung des Senats feststeht.
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c) Die hier streitentscheidende Vorschrift des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG beruht allerdings
auf den Vorgaben des Art. 2 Abs. 2 der der Dreizehnten Richtlinie und es ist aus Sicht
des Senates zweifelhaft, ob sie damit in Einklang zu bringen ist.
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aa) Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie lautet:
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Art. 2 Abs. 2:
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"Die Mitgliedstaaten können die Erstattung nach Absatz 1 von der Gewährung
vergleichbarer Vorteile im Bereich der Umsatzsteuern durch die Drittländer abhängig
machen."
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bb) Der Senat hat zwar keine Zweifel daran, dass § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG den
Vorgaben des reinen Wortlauts des Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie entspricht
(vgl. bereits Senatsurteil vom 16. Februar 2001 2 K 4913/98, EFG 2001, 789; ebenso
Stadie, a.a.O., § 18 UStG Rz. 876). Er schließt sich allerdings den bereits vom BFH im
Urteil vom 10. April 2003 (V R 35/01, BFHE 202, 187, BStBl II 2003, 782) geäußerten
Zweifeln an, wonach Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie ggfls. im Verhältnis zu
Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) und damit Vertragsparteien des
GATS (BGBl II 1994, 1473, 1643) nach Maßgabe der in Art. II Abs. 1 GATS geregelten
Meistbegünstigungsklausel einengend ausgelegt werden muss. Insoweit wird nämlich
vertreten, dass sich die in Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie eröffnete Möglichkeit,
die Vorsteuervergütung von einem Gegenseitigkeitserfordernis abhängig zu machen,
wegen Art. II Abs. 1 GATS nicht auf WTO-Mitgliedstaaten beziehen darf (so Keil, IStR
1996, 561, 563; dagegen Stadie, a.a.O., § 18 UStG Rz. 876; offen gelassen bei
Kraeusel, a.a.O., § 18 UStG Rz. 677.5; Schlienkamp, UR 1997, 79, 82).
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aaa) Der Wortlaut des Art. II Abs. 1 GATS lautet:
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Art. II Abs. 1
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"Jedes Mitglied gewährt hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses
Übereinkommen fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines
anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger
günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen und
Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt."
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bbb) Angesichts der Tatsache, dass Tschechien wie auch die Europäischen
Gemeinschaften seit dem 1. Januar 1995 Mitgliedstaaten der WTO und damit
Vertragspartner des GATS sind, kommt es auch im Streitfall auf die vorgenannte Frage
der Auslegung der Dreizehnten Richtlinie, für die alleine der EuGH zuständig ist
(ebenso bereits BFH im Urteil vom 10. April 2003 in BFHE 202, 187, BStBl II 2003, 782),
an. Die die Vorlage rechtfertigenden Zweifel ergeben sich dabei aus folgenden
Überlegungen:
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(1) Beim GATS handelt es sich um ein rein völkerrechtliches Abkommen, das nur
zwischen den Mitgliedern Rechte und Pflichten begründet (vgl. BFH-Beschluss vom 17.
November 2004 I R 75/01, BFH/NV 2005, 690 mwN). Deshalb sind Verstöße gegen das
GATS grundsätzlich alleine nach der im Rahmen der WTO getroffenen Vereinbarung
über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (BGBl. II 1994, 1749) zu
behandeln, welche ausschließlich den Mitgliedstaaten der WTO offen steht (vgl. Keil,
IStR 1996, 561, 564). Gemeinschaftsrechtliche Massnahmen sind danach nicht am
Massstab des WTO-Rechts zu messen (vgl. EuGH-Urteil vom 13. September 2001 Rs.
C-89/99, Schieving-Nijstad vof u.a., EuGHE I 2001, 5851; EuGH-Beschluss vom 2. Mai
2001 Rs. C-307/99, OGT Fruchthandelsgesellschaft, EuGHE I 2001, 3159).
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(2) Das bedeutet allerdings nicht, dass die Europäischen Gemeinschaften und ihre
Organe vor dem Beitritt zur WTO erlassene Rechtsakte des sekundären
Gemeinschaftsrechts (hier: die Dreizehnte Richtlinie) nicht GATS-konform auslegen und
anwenden müssten. Immerhin sind nach Art. 300 Abs. 7 EGV, auf den Art. 133 Abs. 3
EGV ausdrücklich verweist, die nach diesem Artikel geschlossenen Abkommen –wie
das GATS-- für die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich und
bilden sie einen integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung (vgl.
Nettesheim/Duvigneau in Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 133 EGV Rz. 42). Zwar stellt
nach Auffassung des EuGH das WTO-Recht gegenüber sonstigen völkerrechtlichen
Abkommen, die dem sekundären Gemeinschaftsrecht unmittelbar vorgehen, einen
"Sonderfall" dar, der in den Besonderheiten der WTO-Mechanismen
(Streitbeilegungsverfahren, Praxis der Handelspartner der Europäischen
Gemeinschaften, Ausführungen in der letzten Begründungserwägung des
Ratsbeschlusses zur Annahme des WTO-Abkommens 94/800/EG vom 22. Dezember
1994, Abl.EG Nr. L 336 S. 1 ff.) begründet liegt (vgl. Mögele in Streinz, a.a.O., Art. 300
EGV Rz. 84 mwN). Es erscheint aber zumindest möglich und ist vom EuGH auch noch
nicht abschließend geklärt, dass sekundäres Gemeinschaftsrecht WTO-rechtskonform
ausgelegt werden kann und muss.
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ccc) Die Europäischen Gemeinschaften verzichten ihren Mitgliedstaaten gegenüber auf
das in Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie ermöglichte Gegenseitigkeitserfordernis.
Aus Sicht des erkennenden Senats ist es deshalb nicht zweifelhaft, dass auf der
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Grundlage des Art. II Abs. 1 GATS auch Tschechien auf einer Behandlung ohne
Gegenseitigkeitserfordernis bestehen kann. Dies ergibt sich auch daraus, dass in Art. II
Abs. 2 GATS ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen wurde,
meistbegünstigungsverletzende Massnahmen durch Aufnahme in die entsprechende
Abkommensanlage und unter den dort genannten Voraussetzungen vom
Anwendungsbereich des Art. II Abs. 1 GATS auszunehmen. Ein entsprechender
Vorbehalt für Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie ist aber in das GATS nicht
aufgenommen worden.
ddd) Zwar wird vertreten, dass in völkerrechtlichen Verträgen vereinbarte
Meistbegünstigungsklauseln auch außerhalb der explizit geregelten Vorbehalte nicht
schrankenlos gelten dürften und ein sog. stillschweigender Vorbehalt möglich sei. Ein
solcher Vorbehalt soll danach nicht nur für die Zollunion existieren, sondern es seien die
stillschweigenden Vorbehalte auch auf die Bildung von Freihandelszonen, wie die
EWG, die EU und die EG auszuweiten (so ausdrücklich Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2004 14 A 1937/99, BRAK-Mitteilungen 2005,
44; bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG-- vom 5. April
2005 6 B 2/05, juris-Dok. WBRE410011825). Es ist insoweit aber darauf hinzuweisen,
dass die vorgenannte Einschränkung nur für bilaterale Verträge zwischen
Mitgliedstaaten vertreten wird (vgl. BVerwG-Urteil vom 29. April 1971 1 C 7.69,
Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 2, S. 8; Vedder in Grabitz/Hilf, EGV, Art. 234 Rz. 10;
Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 307 Rz. 6), während im Streitfall die Europäischen
Gemeinschaften gerade selbst Vertragspartei des multilateralen GATS geworden sind.
Die Europäischen Gemeinschaften bzw. der Beklagte können sich dann aber nicht auf
einen stillschweigenden Vorbehalt berufen.
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eee) Wäre Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie im Sinne der Vorlagefrage einengend
auszulegen, so würde § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG im Verhältnis zu Tschechien gegen
diese europarechtlichen Vorgaben verstoßen und dürfte im Streitfall nicht angewendet
werden. Dann wäre der Klage stattzugeben und die beantragte Vergütung zu gewähren.
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