Urteil des FG Köln vom 04.12.2002

FG Köln: arbeitslohn, zuwendung des arbeitgebers, leistung des arbeitgebers, geldwerter vorteil, umlageverfahren, pensionskasse, satzung, dienstverhältnis, gegenleistung, genehmigung

Finanzgericht Köln, 5 V 5261/02
Datum:
04.12.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 V 5261/02
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde stattgegeben.
Gründe
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I.
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Die Antragstellerin ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie hat die
Aufgabe, den nicht beamteten Arbeitnehmern aus dem Bereich der ... , der ... und der ...
eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebendenversorgung nach den für Angestellte im
öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen zu gewähren. Beteiligte der Antragstellerin
sind die ..., verteilt über die gesamte Bundesrepublik. Auch die Antragstellerin selbst
beschäftigt Arbeitnehmer, die bei ihr versichert sind.
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Der öffentliche Dienst hat rückwirkend zum 01.01.2002 seine zusätzliche
Altersversorgung von einem Gesamtversorgungssystem auf ein beitragsorientiertes
Betriebsrentensystem umgestellt. Nach den Tarifverträgen regeln die Kassen ihre
Finanzierung eigenständig. Entsprechend den Möglichkeiten der einzelnen Kassen
kann die bisherige Umlagefinanzierung schrittweise durch eine kapitalgedeckte
Finanzierung abgelöst werden.
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Auch die Antragstellerin hat entsprechend dem öffentlichen Dienst rückwirkend zum
01.01.2002 das bisherige Umlage-Abschnittsdeckungsverfahren durch eine
kapitalgedeckte Beitragsfinanzierung abgelöst. Die entsprechende Satzungsänderung
ist durch die zuständige Vollversammlung am ... genehmigt worden, die Genehmigung
der zuständigen Aufsichtsbehörde steht zur Zeit noch aus. Ab dem 01.01.2002 werden
damit künftige Versicherungen nach dem Prinzip der inidividuellen Kapitaldeckung
geführt. Dies bedeutet, dass mit der Umstellung des Leistungsrechts von einer
Gesamtversorgung auf das Punktemodell zeitgleich die Finanzierung vollständig von
einem umlagefinanzierten Abschnittsdeckungsverfahren auf eine kapitalgedeckte
Beitragsfinanzierung umgestellt worden ist. Das Leistungsniveau für die neu
erwerbbaren Anrechte und Anwartschaften wurde im Vergleich zur
Gesamtversorgungszusage um ca. ... % abgesenkt. Die Systemumstellung bedingte die
Feststellung des Besitzstandes zum Umstellungsstichtag 01.01.2002. Der Vergleich des
ermittelten Besitzstandes mit dem vorhandenen Vermögen im Zeitpunkt der
Systemumstellung ergab eine Deckungslücke von ca. ... EUR. Zur Finanzierung dieser
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Deckungslücke wird bei der Antragstellerin zusätzlich ein sogenanntes Sanierungsgeld
erhoben (§ ... der geänderten Satzung vom ...). Danach wird das Sanierungsgeld jährlich
errechnet. Es beträgt ... % der Entgelte und ist hinsichtlich dieser
Berechnungsgrundlage zudem noch um das ...fache der ab 01.01.2002 zu zahlenden
Renten zu erweitern. Schuldner des Sanierungsgeldes sind die einzelnen ...
Arbeitgeber.
Die Antragstellerin führte ihre betriebliche Altersversorgung bis zum 31.12.2001 in
finanzierungstechnischer Hinsicht als Umlage-Abschnittsdeckungsverfahren durch. Sie
unterschied sich damit von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL)
als größte Kasse im öffentlichen Dienst lediglich darin, dass dort ein Deckungsabschnitt
von 5 Jahren mit einer Überhangszeit von 6 Monaten bestand, während bei der
Antragstellerin ein Deckungsabschnitt von ... Jahren mit ... Überhangsjahren für die
Umlagebemessung Grundlage war. Dieser Umstand führte dazu, dass die
versicherungsmathematischen Feststellungen insgesamt eine Kapitaldeckung
bezüglich der Gesamtheit der Rentenansprüche und Anwartschaften von weit mehr als
... % ergaben. Dementsprechend war bei der Antragstellerin die Umlage besonders
hoch bemessen. Diese Umlage wurde auch stets ordnungsgemäß lohnversteuert.
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das so genannte Sanierungsgeld
lohnsteuerpflichtig ist, d. h., ob es sich insoweit um steuerbaren Arbeitslohn handelt. Die
Antragstellerin vertritt die Auffassung, das Sanierungsgeld sei nicht lohnsteuerpflichtig.
Da das Sanierungsgeld erstmals im Laufe des Jahres 2003 von den ... Arbeitgebern zu
zahlen sein wird, und zwar nach vorheriger Festsetzung durch die Kasse der
Antragstellerin (vgl. § ... Abs. ... der Satzung vom ...), andererseits wegen der Vielzahl
der betroffenen Arbeitnehmer (bei der Antragstellerin sind ca. ... Arbeitnehmer
versichert), hat die Antragstellerin im Einvernehmen mit dem Antragsgegner mit der
Lohnsteueranmeldung für den Monat ... vom... eine Abschlagszahlung von ... EUR auf
das künftige Sanierungsgeld angemeldet und hierauf Lohnsteuer in Höhe von ...,- EUR
einbehalten und an den Antragsgegner abgeführt.
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Gegen die Lohnsteueranmeldung vom ... hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt,
über den noch nicht abschließend entschieden ist. Zugleich hat die Antragstellerin
Aussetzung der Vollziehung beantragt, die der Antragsgegner mit Bescheid vom ...
abgelehnt hat.
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Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz durch
das Gericht gem. § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur Begründung des
Aussetzungsbegehrens trägt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vor:
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Das von ihr, der Antragstellerin, als Arbeitgeberin an die Versorgungskasse gezahlte
Sanierungsgeld stelle für ihre Arbeitnehmer keinen Zufluss von steuerpflichtigem
Arbeitlohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Voraussetzung für die
Annahme von Arbeitslohn sei, dass bei dem Arbeitnehmer eine Einnahme zu
verzeichnen sei (objektive Bereicherung), die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werde (Veranlassungszusammenhang mit dem
Dienstverhältnis). Hieran fehle es jedoch im Streitfall, weil den Arbeitnehmern der
Antragstellerin nach objektiven Kriterien durch die Zahlung des Sanierungsgeldes kein
geldwerter Vorteil zugeflossen sei. Durch das Sanierungsgeld würden keine neuen
Leistungsansprüche der Arbeitnehmer begründet. Das Sanierungsgeld diene vielmehr
ausschließlich der Schließung einer umstellungsbedingten Deckungslücke. Im Streitfall
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sei der vor dem Umstellungsstichtag erhobene Umlagesatz nach
versicherungsmathematischen Grundsätzen so bemessen gewesen, dass die für den
Deckungsabschnitt zu entrichtende Umlage zusammen mit den Zuwendungen und
sonstigen Einnahmen voraussichtlich ausgereicht hätten, um die Ausgaben aus dem
Vermögen für den Deckungsabschnitt zu bestreiten. Damit aber stellten die
Zuschusszahlungen aufgrund der Neuordnung des Systems bei den betroffenen
Arbeitnehmern keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Die aufgrund der
vorgenommenen Systemumstellung notwendigen Zahlungen der Arbeitgeber führten
deswegen bei den Arbeitnehmern nicht zu einer zusätzlichen Bereicherung. Darüber
hinaus fehle es auch an dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen
Zahlung des Sanierungsgeldes und dem Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer. Die
Zahlung erfolge nicht als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen
Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer. Grund für die Zahlung sei allein die
Systemumstellung der Kasse und nicht die Leistungsbeziehung des Arbeitgebers zum
Arbeitnehmer. Ferner sei bei Leistungen des Arbeitgebers kraft öffentlich-rechtlicher
Verpflichtung kein steuerpflichtiger Arbeitslohn des Arbeitnehmers gegeben. Dies gelte
insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfe des Staates bei den von
diesem mit eigenen Mitteln geforderten Zielen erscheine und der Arbeitgeber zu ihr
aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sei. So lägen die Dinge im Streitfall. Die
... Zusatzversorgungskassen hätten den politischen und gesetzlichen Auftrag, eine dem
öffentlichen Dienst vergleichbare betriebliche Altersvorsorge zu gewährleisten.
Aufgrund der vom öffentlichen Dienst beschlossenen, von ihr, der Antragstellerin,
aufgrund ihrer Aufgabenstellung nachzuvollziehenden und nicht in ihrem
Einflussbereich liegenden Systemumstellung, sei sie gezwungen gewesen, die durch
die Systemumstellung entstandenen Deckungslücken durch zusätzliche Zuschüsse zu
schließen. Die Systemumstellung sei damit Ergebnis der Tatsache, dass der
Gesetzgeber die staatliche Rentenversorgung abgesenkt habe und gleichzeitig mit dem
Inkrafttreten des Altersvermögensgesetzes und des
Altersvermögensergänzungsgesetzes zum 01.01.2002 eine Erweiterung der
Durchführungswege der kapitalgedeckten, betrieblichen Altersversorgung
vorgenommen und die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen
Altersversorgung verändert habe und die Tarifvertragsparteien des öffentlichen
Dienstes, nähmlich Bund, Länder und Kommunen einerseits und die Gewerkschaften
andererseits, aufgrund dessen eine Systemumstellung vorgenommen hätten. Sie, die
Antragstellerin, hätte damit auf den staatlichen Rückzug aus der Altersvorsorge und der
Förderung der betrieblichen Altersvorsorge reagiert. Mit der Systemumstellung sei sie,
die Antragstellerin, ihrer vom Staat zugewiesenen ordnungspolitischen Funktion
nachgekommen und biete einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der
betrieblichen Altersvorsorge in der Bundesrepublik Deutschland. Den Zuwendungen
der ... Arbeitgeber an die Zusatzversorgungskasse komme damit kein
Entlohnungscharakter zu. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Auffassung vertrete, dass das von der VBL
erhobene Sanierungsgeld in Höhe von durchschnittlich 2 % des
zusatzversorgungspflichtigen Entgelts kein steuerbarer Arbeitslohn sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Antragschrift vom
23.09.2002 einschließlich der zahlreichen Anlagen sowie das Schreiben der
Antragstellerin vom 03.12.2002 Bezug genommen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Vollziehung der Lohnsteueranmeldung für den Monat ... vom ... bis zur
Entscheidung über die hiergegen eingelegten Einspruch auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner verbleibt dabei, dass es sich bei dem streitigen Sanierungsgeld um
steuerbaren Arbeitslohn handele. Der finanzielle Fehlbedarf der Antragstellerin
resultiere nicht allein aus der Schließung des alten Gesamtversorgungssystems,
sondern ergebe sich vorrangig aus dem Wechsel des Finanzierungssystems. Der bisher
als Umlage gezahlte Betrag werde lediglich aufgeteilt in einen Beitrag im Rahmen des
Kapitaldeckungsverfahrens zur Finanzierung der neuen Versorgungsanwartschaften (...
%) und einem Betrag zur Ausfinanzierung der alten Ansprüche und Anwartschaften (...
%). Die Zahlungen des Arbeitgebers, um den so genannten Altbestand vom
Umlageverfahren in das Kapitaldeckungsverfahren zu überführen, hätten damit
weiterhin den Charakter von Umlagezahlungen und seien wie bisher steuerbarer
Arbeitslohn. Zwar ergebe sich bei Schließung eines Umlagesystems systembedingt
typischerweise eine Deckungslücke. Daraus könne aber nicht gefolgt werden, dass
jegliche Zahlungen des Arbeitgebers nach Schließung eines solchen Systems als
Sanierungsgelder keinen Arbeitslohn darstellten und somit nicht der Lohnsteuer
unterlägen. "Steuerfreie" Sanierungsgelder könnten nur zusätzliche Zahlungen des
Arbeitgebers sein, die über die im Zeitpunkt der Schließung geltenden Umlagesätze
und den zum Erwerb der Neuanwartschaften vorgesehenen Beitragssatz hinausgingen.
Demgegenüber habe sich die Antragstellerin entschlossen, gleichzeitig mit der
Umstellung ihres Leistungssystems auch ihr Finanzierungssystem umzustellen. Auch
nach Umstellung des Versorgungssystems werde für den Altbestand kein über den
bisherigen Umlagesatz von ... % hinausgehender Zuschuss vom Arbeitgeber geleistet.
Vielmehr werde die bisherige Umlage in der Größenordnung des kapitalgedeckten
Beitrages für die neuen Versorgungsanwartschaften zurückgefahren. Bei den
Zahlungen des Arbeitgebers zur vollständigen Ausfinanzierung des so genannten
Altbestandes handele es sich damit nur um den nach Abzug des Beitrags zur
Finanzierung der Neuanwartschaften verbleibenden bisherigen Umlagebetrag. Dies
spiegele sich auch in der Tatsache wieder, dass die Fortführung der Umlage in der
bisherigen Höhe ebenfalls ausgereicht hätte, um mittelfristig eine 100 %ige
Kapitaldeckung des gesamten Systems zu erreichen. Aus der unterschiedlichen
finanziellen Ausstattung bei der Antragstellerin und den Zusatzversorgungskassen des
öffentlichen Dienstes könne die Antragstellerin für ihre Auffassung nichts herleiten. Im
Gegenteil müsse der Antragstellerin vorgehalten werden, dass sie bereits heute eine
vollständige Kapitaldeckung haben könnte, wenn in der Vergangenheit noch höhere -
steuerpflichtige - Umlagen erhoben worden wären. Die Antragstellerin könne sich auch
nicht mit Erfolg darauf berufen, die Systemumstellung sei für die Arbeitnehmer auch
nicht dem Erwerb neuer Ansprüche verbunden. Charakteristisch für das
Umlageverfahren sei, dass die für die aktiven Arbeitnehmer erbrachten Einzahlungen
nicht für deren spätere Versorgung angespart, sondern unmittelbar zu einer
Finanzierung der Versorgungsleistungen der ehemaligen Arbeitnehmer verwendet
würden. Damit sei die Höhe der für die aktiven Arbeitnehmer zu leistenden Umlagen
nicht abhängig von der Höhe ihrer erworbenen Anwartschaften, sondern von der Höhe
der im Deckungsabschnitt aufzubringenden Versorgungsleistungen, der Anzahl der
aktiven Pflichtversicherten etc. Systembedingt seien damit beim Umlageverfahren die
als Arbeitslohn zu versteuernden Zahlungen und die erworbenen
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Versorgungsansprüche nicht deckungsgleich. Dementsprechend hätte sowohl der
Bundesfinanzhof (BFH) als auch das Bundesverfassungsgericht die Umlagezahlungen
stets als steuerpflichtigen Arbeitslohn der aktiven Arbeitnehmer behandelt. Der
Antragstellerin könne auch nicht dahingehend gefolgt werden, im Streitfall handele es
sich um die bloße Schließung einer trotz ausreichender Umlagefinanzierung
bestehenden Deckungslücke. Umlagezahlungen seien nach den Maßstäben eines
kapitalgedeckten Systems in aller Regel nicht ausreichend bemessen. Gerade deshalb
ergebe sich ja bei Schließung auch eine Deckungslücke. Die Deckungslücke bei
Austritt aus dem Umlageverfahren sei ebenso wie die Inkongruenz zwischen den
Einzahlungen und den Versorgungsbezügen des einzelnen Arbeitnehmers im
laufenden Umlageverfahren die systemimmanente Folge daraus, dass die
Umlagezahlungen häufig über längere Zeiträume - nach dem Maßstab eines
kapitalgedeckten Systems - nicht ausreichend seien.
II.
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Der Antrag ist begründet.
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Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Finanzgericht die
Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind
anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen
Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden
Umständen gewichtige gegen seine Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten,
die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder
Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des
BFH, vgl. z. B. Beschluss vom 24.02.2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298). Ist die
Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen
Beschlussverfahren nicht abschließend zu entscheiden. Es ist überdies nicht
erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl.
Beschluss vom 23.07.1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684). Ausgehend von diesen
Rechtsgrundsätzen bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
streitigen Lohnsteueranmeldung. Denn bei der gebotenen summarischen Prüfung ist
davon auszugehen, dass es sich bei dem streitigen Sanierungsgeld nicht um
steuerbaren Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) handelt.
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Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
u. a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die
für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Zum
Arbeitslohn gehören auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer
oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der
Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung), wenn der
Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung erwirbt (§ 2
Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -). Steht dem durch die
Versicherung begünstigem Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch gegen die
Pensionskasse auf Leistung zu, fließen ihm durch die Zuwendung des Arbeitgebers an
die Pensionskasse Leistungen aus dem Dienstverhältnis zu. Es liegt wirtschaftlich so,
als hätte der Arbeitgeber die Zahlungen an den Arbeitnehmer und dieser sie an die
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Pensionskasse geleistet (vgl. BFH-Urteile vom 12.09.2001 VI R 154/99, BStBl II 2002,
22 und vom 15.07.1977 VI R 109/74, BStBl II 1977, 761). Nach der Rechtsprechung des
BFH sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, dass der
Vorteil für die Beschäftigung gewährt werden muss, dann als erfüllt anzusehen, wenn
der geldwerte Vorteil (§ 8 Abs. 1 EStG) durch das individuelle Dienstverhältnis
veranlasst worden ist. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist
gegeben, wenn sich die Einnahme des Arbeitnehmers im weitesten Sinne als
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des
Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH-Urteile vom 30.05.2001 VI R 159/99, BStBl II 2001, 815
und vom 25.05.1992 VI R 18/90, BStBl II 1993, 45).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen, die sich der erkennende Senat zu eigen
macht, bestehen im Streitfall bei der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche
Zweifel an der Auffassung des Antragsgegners, bei dem streitigen Sanierungsgeld
handele es sich um steuerbaren Arbeitslohn der Arbeitnehmer der Antragstellerin.
21
1.
eines geldwerten Vorteils der Arbeitnehmer der Antragstellerin. Denn bei dem streitigen
Sanierungsgeld handelt es sich nach § ... Abs. ... der Satzung vom ... um eine
Pauschalzuweisung der Antragstellerin als Arbeitgeber an die Zusatzversorgungskasse.
Zwar können Zahlungen eines Arbeitgebers auch in Form einer Pauschalzuweisung
Arbeitslohn der von dieser Zuwendung begünstigten Arbeitnehmer sein. Voraussetzung
hierfür ist aber, dass die Zuwendung zu einem geldwerten Vorteil eines bestimmbaren
Kreises aktiver oder ehemaliger Arbeitnehmer führt (BFH-Urteil vom 07.07.1972 VI R
116/69, BStBl II 1972, 890). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Zahlung des
pauschalen Sanierungsgeldes mit einer weitergehenden Sicherstellung der
Rentenansprüche der Arbeitnehmer der Antragstellerin verbunden wäre. An der
Annahme einer weitergehenden Sicherstellung der Rentenansprüche der Arbeitnehmer
der Antragstellerin durch die Zahlung des streitigen Sanierungsgeldes bestehen jedoch
bei überschlägiger Prüfung erhebliche Zweifel. Die Antragstellerin hat hierzu
vorgetragen, dass die Zahlung des Sanierungsgelds zu keiner Besserstellung der
Rentenansprüche der Arbeitnehmer führt. Insbesondere ist mit der Zahlung des
Sanierungsgeldes keine Erhöhung der Rentenansprüche der Arbeitnehmer verbunden.
Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Mit der Umstellung des bislang praktizierten
Umlageabschnittsdeckungsverfahrens auf die kapitalgedeckte Beitragsfinanzierung ist
die Absenkung des Leistungsniveaus für die neuerwerbbaren Anrechte und
Anwartschaften der Arbeitnehmer um ca. ... % verbunden. Es kommt hinzu, dass bei der
Antragstellerin vor der Systemumstellung ein Deckungsabschnitt von ... Jahren mit ...
Überhangsjahren für die Umlagebemessung Grundlage war. Damit dürfte die Zahlung
des Sanierungsgeldes nicht auf einer fehlenden versicherungsmathematischen
Kalkulation der Beiträge zu der Zusatzversorgungskasse beruhen. Hierfür spricht
insbesondere der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin nach den
eingeholten versicherungsmathematischen Feststellungen zum Umstellungsstichtag
insgesamt eine Kapitaldeckung bezüglich der Gesamtheit der Rentenansprüche und
Anwartschaften von weit über ... % vorhanden gewesen sein soll. Der Antragsgegner
geht sogar von einer Kapitaldeckung des so genannten Altbestandes zum
Umstellungsstichtag von rund ... bis ... % aus. Insoweit kann auch nicht unberücksichtigt
bleiben, dass nach den Ausführungen des Antragsgegners die Auskunft des von der
Antragstellerin beauftragten Versicherungsmathematikers ergeben haben soll, dass
eine Fortführung der Umlage in der bisherigen Höhe, bedingt durch die Einschnitte auf
der Leistungsseite, ebenfalls dazu geführt hätte, dass in einigen Jahren eine 100 %ige
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Kapitaldeckung des Systems erreicht worden wäre. Wäre jedoch eine sofortige
vollständige Ausfinanzierung des so genannten Altbestands nicht erforderlich gewesen,
so kann das Sanierungsgeld nicht zu einer weitergehenden Sicherstellung der
Rentenansprüche der Arbeitnehmer der Antragstellerin geführt haben.
1. Ist danach im Streitfall bereits die Annahme eines geldwerten Vorteils ernstlich
zweifelhaft, so kommt hinzu, dass nach Auffassung des Senats hinsichtlich des
Erfordernisses des Zuflusses eines geldwerten Vorteils ernstliche Zweifel
bestehen. Zwar fließt den Arbeitnehmern bei Leistungen des Arbeitgebers an eine
betriebliche Pensionskasse grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Beitragszahlung
des Arbeitgebers Arbeitslohn zu, weil der Arbeitnehmer durch diesen Beitrag
einen eigenen Rechtsanspruch gegen die Pensionskasse erwirbt (vgl. BFH-Urteil
vom 12.09.2001 VI R 154/99, BStBl II 2002, 22). Damit wäre grundsätzlich von
einem Zufluss bei den Arbeitnehmern der Antragstellerin durch die streitige
Zahlung auszugehen. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich im
Streitfall um eine Abschlagszahlung auf ein künftiges Sanierungsgeld handelt.
Denn nach § ... Abs. ... der Satzung vom ... ist das Sanierungsgeld erst nach
Abschluss der Jahresabrechnung für das vorangegangene Kalenderjahr zu
erheben und durch gesonderten Bescheid festzusetzen. Die entsprechende
Satzungsänderung ist zwar nach den Ausführungen der Antragstellerin durch den
Verwaltungsrat der Antragstellerin am ... beschlossen und von der
Vollversammlung am ... genehmigt worden. Dennoch hat die Satzungsänderung
damit noch keine Rechtsgültigkeit erlangt. Denn Satzungsänderungen bedürfen
gemäß § ... Abs. ... des Errichtungsgesetzes der Antragstellerin vom ... der
Genehmigung durch die staatliche Aufsichtsbehörde (hier: Staatskanzlei des
Landes NRW). Diese Genehmigung durch die staatliche Aufsichtsbehörde sowie
die entsprechende Veröffentlichung der Satzung im Amtsblatt des A. liegen zur
Zeit noch nicht vor. Fehlt es jedoch zur Zeit noch an der erforderlichen
Genehmigung der Satzungsänderung durch die staatliche Aufsichtsbehörde, so
können Zahlungen im Vorgriff auf die Satzungsänderung jedenfalls nicht zu
entsprechenden Rechtsansprüchen der Arbeitnehmer der Antragstellerin geführt
und damit einen Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG begründet haben.
23
3.
Sanierungsgeld stelle eine Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft der bei der Antragstellerin in dem Monat ... beschäftigten Arbeitnehmer dar.
Nach der Rechtsprechung des BFH erweist sich eine Leistung des Arbeitgebers, die
dem Arbeitnehmer zugute kommt, dann nicht mehr als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft im weitesten Sinne, wenn der Arbeitgeber zu ihr
aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, mit denen der Gesetzgeber
sozialpolitische Zwecke auf eine Weise verfolgt, die den Arbeitgeber letztlich nur als
Erfüllungsgehilfen des Staates bei den von diesem mit eigenen Mitteln geforderten
Zielen erscheinen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 25.05.1992 VI R 18/90, BStBl II 1993, 45).
Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber zu der Leistung aufgrund von gesetzlichen
Vorschriften verpflichtet ist, mit dem der Gesetzgeber ordnungs- und verkehrspolitische
Zwecke verfolgt, und diese mit eigenen Mitteln fördert (vgl. BFH-Urteil vom 30.05.2001
VI R 159/99, BStBl II 2001, 815). Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist davon
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auszugehen, dass der Streitfall gleichgelagert ist. - Die Antragstellerin hat als ...
Zusatzversorgungskasse den politischen und gesetzlichen Auftrag, eine dem
öffentlichen Dienst vergleichbare betriebliche Altersvorsorge zu gewährleisten. Mit der
streitigen Systemumstellung reagiert die Antragstellerin darauf, dass der Gesetzgeber
die staatliche Rentenversorgung abgesenkt hat und gleichzeitig mit Inkrafttreten des
Altersvermögensgesetzes und des Altersvermögensergänzungsgesetzes zum
01.01.2002 eine Erweiterung der Durchführungswege der kapitalgedeckten,
betrieblichen Altersvorsorge vorgenommen und die steuerrechtlichen
Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung verändert hat und
dementsprechend die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes aufgrund dessen
eine Systemumstellung vorgenommen haben. Für die Systemumstellung ist damit der
staatliche Rückzug aus der Altersvorsorge und der Förderung der betrieblichen
Altersvorsorge maßgebend. Die Systemumstellung ist damit politisch gewollt und
veranlasst. Die Beibehaltung des bisherigen Umlagedeckungsverfahrens wäre
gegenüber der Reform der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst nicht zu
rechtfertigen gewesen.
4.
Annahme des Antragsgegners, bei dem streitigen Sanierungsgeld handele es sich um
steuerbaren Arbeitslohn, so kann der Senat dahinstehen lassen, ob die
Finanzverwaltung - wie von der Antragstellerin vorgetragen - hinsichtlich der
steuerlichen Behandlung des Sanierungsgeldes bei der VBL tatsächlich eine andere
Rechtsauffassung vertritt und dies einen beachtlichen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1
des Grundgesetzes begründen könnte.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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