Urteil des FG Köln vom 02.10.2009

FG Köln (bundesrepublik deutschland, unbeschränkte steuerpflicht, diplomatische und konsularische beziehungen, einkünfte, sitz im ausland, steuer vom einkommen, person, juristische person, deutschland, wohnsitz)

Finanzgericht Köln, 5 K 1023/06
Datum:
02.10.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1023/06
Tenor:
Der Haftungsbescheid vom 06.02.2006 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens bis zur mündlichen Verhandlung werden
der Klägerin und dem Beklagten je zur Hälfte auferlegt; die Kosten ab
der mündlichen Verhandlung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicher-
heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs
der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in
derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung (BP) gegen die
Klägerin ergangene Haftungsbescheid vom 06.02.2006 rechtmäßig ist.
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Soweit die Klägerin zunächst mit ihrer Klage auch die Änderung von
Lohnsteuervoranmeldungen sowie die Erstattung zu viel gezahlter Beträge beantragt
hatte, hat sie diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.
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Die Klägerin ist eine ... Stiftung des öffentlichen Rechts, die durch ... vom 00.00.0000
errichtet wurde. Im Gesetz war unter § 3 Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, dass die Möglichkeit
bestehe, dass das P Institut C der E e.V. übernommen werde. Die Übernahme erfolgte
durch Vertrag vom 00.00.0000. Die Klägerin wird nach den Feststellungen der BP zu
100% vom ...ministerium für ... finanziert. Gemäß § 11 des Errichtungsgesetzes
untersteht die Klägerin der Rechtsaufsicht des ...ministeriums für ... . Die Haushalts- und
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Wirtschaftsführung der Klägerin unterliegt der Prüfung durch den ...rechnungshof. Die
jährlichen Zuwendungen des Bundes an die Klägerin werden im ...haushalt
ausgewiesen. Nach § 12 des Errichtungsgesetzes werden auf die Beschäftigten der
Klägerin die Tarifverträge und sonstigen Bestimmungen für Arbeitnehmer des Bundes
angewandt.
Die Klägerin hatte in den Streitjahren den am P Institut in C tätigen Arbeitnehmern, Frau
H und Herrn S, Kindergeld ausgezahlt. H und S sind beide deutsche Staatsbürger. Sie
lebten in den Jahren 2003 bis 2005 mit ihren Familien in C. Einen Wohnsitz in
Deutschland hatten sie in diesem Zeitraum nicht. H ist alleinerziehend und hat vier
Kinder, S ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Ehefrau von S erzielte in den
Streitjahren keine Einkünfte. Die von der Klägerin zu zahlenden Gehälter wurden für H
auf ein Konto bei der Bank D überwiesen, die für S auf ein Konto bei der F Bank in L.
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Sowohl H als auch S wurden vom beklagten Finanzamt nach § 1 Abs. 3 des
Einkommen-steuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer veranlagt. Einsprüche
dagegen mit dem Ziel, nach § 1 Abs. 2 EStG veranlagt zu werden, waren unter Hinweis
auf die nicht differierende Steuerhöhe erfolglos.
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Die Klägerin war in den Streitjahren davon ausgegangen, dass H und S
kindergeldberechtigt waren, sodass sie als gemäß § 72 Abs.1 Nr. 3 EStG berechtigte
Kindergeldkasse beiden Arbeitnehmern Kindergeld ausgezahlt und im Jahr 2003 bei
ihren Lohnsteueranmeldungen einbehalten hatte.
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Der Lohnsteueraußenprüfer hatte demgegenüber die Rechtmäßigkeit der Zahlungen
seitens der Klägerin laut Tz. 1 seines Berichtes vom 20.12.2005 verneint und wie folgt
begründet: Nach § 62 Abs. 1 EStG könne Kindergeld nur gezahlt werden, wenn ein
inländischer Wohnsitz oder ein Wohnsitz in einem EU/EWR Mitgliedstaat vorliege.
Sofern der Wohnsitz in einem Nicht-EU/EWR Mitgliedsstaat liege, könne Kindergeld nur
gezahlt werden, wenn die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG
gegeben sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien bei den Beschäftigten des P
Instituts nicht erfüllt, da die beschränkte Einkommensteuerpflicht im ... nicht
nachgewiesen worden sei. Trotz mehrfacher Aufforderungen sei keine Bescheinigung
der ... Steuerbehörde über die Einkommensteuerpflicht der Beschäftigten des P
Institutes im ... eingereicht worden. - Wegen weiterer Ausführungen des Prüfers wird auf
den bei den Akten befindlichen BP-Bericht verwiesen.
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Dementsprechend erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin am 06.02.2006 einen
Haftungsbescheid, der zum einen die Rückforderung von Kindergeld enthält, das in
2003 an die Arbeitnehmer H und S i.H.v. insgesamt ... € (an H für drei Kinder sechs
Monate lang = ... €, an S für drei Kinder sechs Monate lang = ... €) ausgezahlt und bei
den Lohnsteueranmeldungen abgezogen worden war. Zudem enthält der
Haftungsbescheid Lohnsteuern sowie Solidaritätszuschlag auf sämtliche in 2003 bis
2005 - nach Auffassung des Beklagten zu Unrecht - geleistete Kindergeldzahlungen, die
den Arbeitnehmern H und S zugeflossen sind und vom Beklagten als unversteuerter
Lohn behandelt wurden. Kindergeldzahlungen an H und S erfolgten nach den
Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2003 jeweils sechs Monate mit
insgesamt ... €, im Jahr 2004 jeweils zwölf Monate mit insgesamt ... €, in 2005 jeweils
zehn Monate mit insgesamt ... €. Die Zahlungen in 2003 bis 2005 führten bei H zu einem
Bruttobezug von insgesamt ... € (... €, ... €, ... €), bei S von insgesamt ... € (... €, ... €, ... €),
was zu einer Nachforderung des Beklagten von
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von insgesamt ... € und ... € führte.
Die Klägerin hat gegen den Haftungsbescheid im Anschluss an die BP am 06.02.2006
Sprungklage erhoben, der der Beklagte zugestimmt hat.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Arbeitnehmer H und S seien erweitert
unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG. Soweit der
Beklagte dies verneine unter Hinweis auf das Fehlen einer schriftlichen Bestätigung der
libanesischen Steuerbehörden darüber, ob die deutschen Beschäftigten des P Institutes
im ... zu einer der deutschen beschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren
Einkommensteuer herangezogen werden, könne dem nicht gefolgt werden. Die Vorlage
einer Bescheinigung der zuständigen Behörde sei in § 1 Abs. 2 EStG, anders als in § 1
Abs. 3 EStG, nicht vorgesehen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die
Frage vielmehr anhand der Vorschriften des maßgebenden ausländischen Steuerrechts
zu beantworten.
die deutsche beschränkte Einkommensteuerpflicht charakterisierenden Merkmale
vorlägen. Entscheidend sei daher nur, ob nur inländische Einkünfte und die
Nichtberücksichtigung persönlicher Verhältnisse erfolge. Aus der dem Beklagten
vorgelegten Übersetzung des ... Einkommensteuergesetzes ergebe sich, dass im ...
nicht das Welteinkommensprinzip gelte, sondern lediglich inländische Einkünfte der
Besteuerung unterlägen. Außerdem sei die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse
mit Ausnahme einer pauschalen Berücksichtigung der Kinder nicht vorgesehen. Diese
Rechtsauffassung werde auch von der ... Rechtsanwältin T in ihrem Schreiben vom
23.07.2003 bestätigt. Das Ziel der Einschränkung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG, nämlich
die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse in doppelter Form zu vermeiden, sei
somit für die im ... tätigen Beschäftigten des P Instituts in C gewährleistet. Diese
Einschätzung werde auch von der deutschen Botschaft in C geteilt. Diese habe am
08.10.2004 zur Vorlage bei den zuständigen Steuerbehörden und nach Rücksprache
mit dem Vertrauensanwalt der Botschaft bestätigt, dass die beim P Institut in C nach
BAT beschäftigten Kräfte im ... einer der deutschen beschränkten
Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Besteuerung unterlägen. Im Übrigen gelte für
den Mitarbeiter S, dass er Diplomatenstatus habe. Diplomaten und Kosularangehörige
seien nach dem Völkerrecht grundsätzlich von der Einkommensteuerpflicht befreit,
sofern sie nicht im Empfangsstaat ansässig seien. Dies ergebe sich aus der Wiener
Übereinkunft über diplomatische und konsularische Beziehungen vom 18.04.1961
(WÜD). Dort sei in Artikel 34 eine weitgehende Steuerbefreiung von der
Einkommensteuer angeordnet. Gemäß Artikel 37 Abs. 2 WÜD genießen auch die
Mitglieder des technischen Personals die für Diplomaten geltenden Privilegien,
einschließlich der in Artikel 34 angeordneten Einkommensteuerbefreiung. Der Status
als Mitglied des technischen Personals der Botschaft sei durch die deutsche Botschaft
mit Schreiben vom 08.10.2004 ausdrücklich bestätigt worden. Dementsprechend habe
die Klägerin an H und S Kindergeld auszahlen müssen. Die Klägerin habe gemäß § 72
Abs. 7 Satz 2 EStG zutreffend das ausgezahlte Kindergeld von der abzuführenden
Lohnsteuer einbehalten. Soweit die Klägerin es in den Jahren 2004 und 2005
unterlassen habe, das Kindergeld wegen der Streitigkeiten mit dem Beklagten
einzubehalten, habe sie gegenüber dem Beklagten nunmehr einen Anspruch auf
Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Im Übrigen habe sie, die
Klägerin, an Frau H im Jahre 2005 lediglich für drei Monate Kindergeld gezahlt,
insgesamt also nur ... € und nicht, wie von der Lohnsteueraußenprüfung festgestellt und
vom Beklagten im Haftungsbescheid erfasst, ... €. Es sei nicht nachvollziehbar, warum
der Prüfer, obwohl ihm seinerzeit die Fehlerhaftigkeit seiner Feststellung insoweit
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mitgeteilt worden sei, dies nicht umgesetzt habe.
Die Klägerin beantragt,
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den Haftungsbescheid vom 06.02.2006 aufzuheben,
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Der Beklagte beantragt,
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Klageabweisung.
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Unter Berücksichtigung der vorgelegten Gehaltsabrechnung reduziere sich die
Haftungsschuld nach "kursorischer" Berechnung auf ... € und der Soli-Zuschlag auf ... €.
Im Übrigen bleibe er bei seiner Rechtsauffassung, dass eine Kindergeldberechtigung
unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 2 EStG nicht bestehe. Aus den vorgelegten
Auszügen des libanesischen Einkommensteuergesetzes ergebe sich, dass jede im ...
ansässige Person dort unbeschränkt steuerpflichtig sei. Die unbeschränkte Steuerpflicht
erstrecke sich jedoch nur auf inländische Einkünfte, was aber für die Anwendung des §
1 Abs. 2 EStG nicht ausreiche. Insoweit werde auf den Kommentar zum EStG von
Schmidt zu § 1 Anm. 36 verwiesen.
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Dem Gericht wurde von der Klägerin ein Auszug aus dem ... Einkommensteuergesetz
vorgelegt, übersetzt durch den vereidigten Übersetzer K, bei ... Gerichten und dem ...
Finanzministerium zugelassener vereidigter absolventer Rechnungsprüfer. Die
Übersetzung lautet wie folgt:
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Teil 1, § 10: Laut Bestimmungen des § 3 dieses Gesetzes wird jede natürliche oder
moralische Person, egal ob sie ... oder ausländisch ist, als ansässig im ... erklärt, die im
... einen Wohnsitz einen Sitz oder einen Betrieb oder ein Geschäft besitzt, in dem er
seinen Beruf ausübt.
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§ 11: Die Steuerzahler, die im Ausland Betriebe oder Vertretungen oder Zweigstellen
etc. besitzen, deren Buchführung mit der Buchführung im ... zusammengeschlossen
sind, müssen durch ihre Erklärung über den realen Gewinn oder die gesamten Einkünfte
den erzielten Gewinn oder die gesamten im ... erzielten Einkünfte - abgesehen vom
Ausland - aufweisen und alle nötigen Beweismittel an diese Erklärung zusammenlegen.
Hat ein Betrieb mit dem Sitz im Ausland Vertretungen und Zweigstellen in ..., so muss er
eine getrennte Buchführung ausführen, in die Ergebnisse all seiner Geschäfte in ...
eingetragen werden.
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Kapitel 1: Die steuerpflichtigen Geschäfte und Berufe
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§ 3: Einkommensteuer werden im Namen der natürlichen oder moralischen auf dem ...
Territorium oder im Ausland wohnhaften Personen über die gesamten im ... erzielten
Gewinne erhoben.
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Kapitel 4: Steuerrechnung
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§ 31: Er wurde abgeändert und am 23.07.1999 durch den folgenden Text ersetzt:
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Die Steuer über den realen oder pauschal bestimmten Gewinn werden erhoben,
nachdem ein Betrag i.H.v. 7.500.000,00 ... Pfund für jede natürliche Person abgezogen
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wird und davon abgezogen werden zusätzlich auch ein Betrag i.H.v. 2.500.000,00 ...
Pfund für den verheirateten Steuerzahler und von 500.000,00 ... Pfund für jedes legale
unter seiner Sorge noch stehende Kind unter folgenden Bedingungen ......
§ 58 ..... Der Steuersatz wurde auf folgende Weise bestimmt: .......
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§ 59 ..... Die Einkommensteile, die der Steuer und der Herabsetzung aus dem
Grundbetrag unterliegen, werden entsprechend der Arbeitsdauer geteilt und zwar für die
Zeit, für die ein Entgelt einkassiert wurde, wobei der Monat mit dreißig Tagen gerechnet
werden muss.
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Teil 2: Steuer über Gehälter, Löhne und Pensionierungsgehälter
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Kapitel 1 Steuerpflichtige Personen und Einkünfte
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§ 46: Die Steuer umfasst die öffentlichen und privaten Gehälter, Löhne, Vergütungen,
Pensionierungsgehälter und lebenslange Renten, die auf dem ... Territorium zu zahlen
sind durch:
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1. eine allgemeine Kasse an jede Person, die sich im ... oder im Ausland aufhält,
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2. eine private Kasse an jede Peron, die sich im Ausland aufhält, für eine im ...
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durchgeführte Dienstleistung.
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Das Gericht hatte eine übersetzte Fassung des ... Einkommensteuergesetzes beim
Bundesfinanzministerium und beim auswärtigen Amt in Berlin angefordert. Daraufhin
wurde dem Gericht durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in C die Kopie
des ... Einkommensteuergesetzes in arabischer Sprachfassung vorgelegt. Ein
vollständig übersetztes Exemplar konnte nicht übersandt werden, da die
angeschriebenen staatlichen Einrichtungen unter Berücksichtigung fehlender bilateraler
Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und dem ..., insbesondere mangels eines
Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), keinen Bedarf insoweit haben.
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Der Beklagte hat auf die vollständige Übersetzung der arabischen Fassung
ausdrücklich verzichtet.
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Entscheidungsgründe:
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Die auf Aufhebung des Haftungsbescheides vom 06.02.2006 gerichtete
Anfechtungsklage ist ohne Vorverfahren im Sinne des § 44 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) als Sprungklage zulässig, da der Beklagte gemäß § 45
Abs. 1 FGO zugestimmt hat.
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Die Klage auf Aufhebung des Haftungsbescheides ist auch begründet.
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Da H und S das an sie gezahlte Kindergeld zu Recht erhalten haben, ist sowohl die
Rückforderung des von der Klägerin in 2003 gezahlten und bei der
Lohnsteueranmeldung gemäß § 72 Abs. 7 Satz 2 EStG verrechneten Kindergeldes als
auch die Versteuerung des gezahlten Kindergeldes für 2003 bis 2005 als Arbeitslohn
rechtswidrig.
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Ein Anspruch der H und des S auf Kindergeld bestand in den Jahren 2003 bis 2005
gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, § 32 Abs. 1 Nr. 1 ,§ 1
Abs. 2 Nr. 2a EStG. H und S sind deutsche Staatsangehörige ohne Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Beide haben Kinder, die unstreitig die
Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen. Obwohl die Kinder - ebenso wie
ihre Eltern H und S - in den Streitjahren im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hatten, besteht für diesen Zeitraum ein Anspruch der Eltern auf
Kindergeld, da diese gemäß § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
waren.
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Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG ist, bis auf die Frage der
beschränkten Steuerpflicht von H und S im ..., unstreitig. H und S standen im streitigen
Zeitraum zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem
Dienstverhältnis und erhielten hierfür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen
Kasse. Zwar bestand zunächst ein Dienstverhältnis zwischen H und S und dem P
Institut C. Durch Vertrag vom 00.00.000 hat jedoch die Klägerin das Institut übernommen
und ist damit auch in die bestehenden Arbeitsverhältnisse mit H und S eingetreten. Die
Klägerin ist eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts, die durch
...gesetz vom 00.00.0000 gegründet wurde. Sie erhält gemäß § 3 Abs. 4 des
Errichtungsgesetzes zur Erfüllung des Stiftungszwecks Zuwendungen des Bundes nach
Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes, sodass deren Arbeitnehmer H und S ihre
Gehälter aus einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen haben. Dementsprechend
sind die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 2
Nr. 2 EStG grundsätzlich erfüllt.
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Der Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 EStG steht Satz 2 der Vorschrift nicht entgegen.
Danach ist unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person auch anzunehmen,
wenn diese in dem Staat, in dem sie einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen
Aufenthalt hat, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen
Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird. Bezogen auf den Streitfall
bedeutet dies, dass H und S nur dann gemäß § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig waren, wenn sie in den Streitjahren im ... in dem Umfang zur
Einkommensteuer herangezogen wurden, der dem der deutschen beschränkten
Einkommensteuerpflicht ähnlich ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfalle erfüllt.
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Diese Entscheidung konnte das Gericht - entgegen der Auffassung des Beklagten -
ohne Vorlage einer diesbezüglichen Bescheinigung ... Finanzbehörden treffen. Das
Bestehen einer der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Einkommensteuer
im ... war vielmehr vom Gericht unter Berücksichtigung des ...
Einkommensteuergesetzes (EStG Li) und durch Vergleiche desselben mit der Vorschrift
des § 49 EStG festzustellen. Nicht zu prüfen war dabei, ob H und S im ... - mit dem die
Bundesrepublik kein DBA hat (vgl. Anlage zum Schreiben des
Bundesfinanzministeriums vom 22.01.2009, Übersicht über den Stand der DBA und der
Doppelbesteuerungsverhandlungen am 01.01.2009, BStBl I 2009, 357) - tatsächlich zur
... Einkommensteuer herangezogen wurden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofes -BFH-
vom 09.10.1985 I R 271, 81, BFHE 145, 44 und vom 22.02.2006 I R 60/05, BStBl II
2007, 106).
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Dies berücksichtigend gilt im Streitfall Folgendes:
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Im Unterschied zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 1 bis
Abs. 3 EStG deutschen Rechts, wonach in der Bundesrepublik Deutschland das
Welteinkommen der Besteuerung unterliegt, soweit nicht ein zur Freistellung oder
Anrechnung führendes Doppelbesteuerungsabkommen besteht (vgl. hierzu
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Auflage, 5.63, 5.98, 5.99; Schmidt,
Kommentar zum EStG, 28. Auflage, § 2 Anm. 4; Gosch in Kirchhof, Kommentar zum
EStG, 8. Auflage, § 1 Anm. 1), erfasst die beschränkte Einkommensteuerpflicht einer
natürlichen Person gemäß § 1 Abs. 4 EStG nur die in § 49 EStG genannten Einkünfte.
Da der deutschen beschränkten Einkommensteuerpflicht das Territorialprinzip zugrunde
liegt, sind die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung hier auf inländische Einkünfte
beschränkt, wobei persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend
unberücksichtigt bleiben (vgl. Schaumburg a.a.O., 5.116; Gosch a.a.O., § 1 Anm. 45;
Stapperfend in Herrmann, Heuer, Raupach, Kommentar zum EStG, 1 Anm. 336, 345).
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Dem EStG liegt das Territorialprinzip als allgemeiner Grundsatz zugrunde. So ergibt
sich aus § 3 i.V.m. § 11 dieses Gesetzes, dass nur "im ... erzielte" und in der
diesbezüglich getrennten Buchführung erfasste Gewinne der Einkommensteuer
unterliegen, unabhängig davon, ob die Gewinne von einer auf ... Territorium oder im
Ausland wohnhaften Person erzielt werden. Grundvoraussetzung für die Besteuerung
der in § 46 EStG Li genannten Gehälter, Löhne etc., also von Einkünften aus
nichtselbständiger Tätigkeit, ist die "Zahlung auf ... Territorium", was nach der 1.
Fallalternative immer dann ausreicht, wenn aus einer allgemeinen Kasse zu zahlen ist,
während nach der 2. Fallalternative die - im Streitfalle nicht gegebene - Zahlung aus
einer privaten Kasse, aber nur für eine "im ... durchgeführte Dienstleistung" erfolgen
muss. Der in der 1. Alternative gebrauchte Begriff "allgemeine Kasse" ist in Abgrenzung
zur 2. Alternative (private Kasse) als Kasse der Allgemeinheit oder öffentliche Kasse zu
verstehen und zwar - aus Sicht des ... - als inländische, da nur diesbezügliche Gelder
"auf ... Territorium" zu zahlen sind. Zahlungen von ausländischen öffentlichen Kassen -
wie auch die der Klägerin - sind nicht unter § 46, 1. Alternative EStG zu subsumieren.
Deren Zahlungsverpflichtungen bestehen in der Bundesrepublik Deutschland und sind
dort "zu zahlen", wie es im Falle von H und S auch geschehen ist.
45
Hieraus folgt, dass im ... nur Einkünfte mit unmittelbarem Inlandsbezug der
Einkommensteuer unterliegen. Es gilt also dort nicht das Welteinkommensprinzip,
sondern das Territorialprinzip, dem die beschränkte Steuerpflicht nach deutschem
Einkommensteuerrecht folgt. Der Umstand, dass das Territorialprinzip im ... nicht - wie in
der Bundesrepublik Deutschland - als besondere Art der Besteuerung, sondern als
allgemeines Besteuerungsprinzip gilt, steht der Feststellung, dass H und S in den
Jahren 2003 bis 2005 im ... im Sinne des deutschen EStG nur beschränkt
einkommensteuerpflichtig waren, nicht entgegen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2
EStG lässt eine entsprechende einschränkende Auslegung nicht zu.
46
Bestätigt wird die Rechtsauffassung des erkennenden Senats auch durch die Auskunft
der deutschen Botschaft vom 08.10.2004, sowie der der ... Rechtsanwältin T.
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Der Annahme einer im ... bestehenden Einkommensteuerpflicht, die der deutschen
beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlich ist, steht nach den vorangegangenen
Ausführungen nicht entgegen, dass die Besteuerung des "real oder pauschal
bestimmten Gewinns" gemäß § 31 EStG einen Abzug vom gesamten "Gewinn" vorsieht,
je nach Personenstand und Anzahl der Kinder in unterschiedlicher Höhe. Denn die hier
maßgebliche Definition der deutschen beschränkten Steuerpflicht orientiert sich - wie
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dargestellt - an § 49 EStG, das heißt, lediglich daran, ob nur inländische Einkünfte
besteuert werden. Nur dann, wenn Art und Umfang der bei der ... Besteuerung
inländischer Einkünfte gewährter Freigrenzen oder Freibeträge den
personenbezogenen Steuervorteilen eines in der Bundesrepublik Deutschland
unbeschränkt Steuerpflichtigen entsprächen, im Übrigen Abzüge für Sonderausgaben
steuermindernd zu berücksichtigen wären, stellte sich die Frage, ob eine mögliche
Besteuerung von H und S im ... noch im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG der beschränkten
Einkommensbesteuerung in Deutschland "ähnlich" ist. Die in § 3 EStG normierten,
durch § 59 EStG Li auf die tatsächliche Arbeitszeit begrenzten, Besteuerungsvorteile
erfüllen diese Anforderungen offensichtlich nicht.
Damit waren H und S als gemäß § 1 Abs. 2 EStG in Deutschland unbeschränkt
einkommen-steuerpflichtige Personen kindergeldberechtigt.
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Die Frage, ob S nach dem WÜD im ... einer Einkommensteuer unterlag, konnte mangels
Entscheidungserheblichkeit unbeantwortet bleiben. Der Hinweis des Beklagten auf die
Kommentierung von Schmidt ist unbeachtlich, da dort auf ein Urteil des BFH verwiesen
wird, das unter Bezugnahme auf das DBA Frankreich, also zu einem mit dem Streitfall
nicht vergleichbaren, Sachverhalt ergangen ist.
50
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Zahlungen von Kindergeld an H und S zu
Recht erfolgten. Soweit die Klägerin das Kindergeld bei ihren Lohnsteueranmeldungen
in 2003 gemäß § 72 Abs. 7 EStG in Abzug gebracht hatte, war dies rechtmäßig, sodass
diese Beträge nicht vom Beklagten zurückgefordert werden durften. Da die Zahlungen
seitens der Klägerin in den Jahren 2003 bis 2005 als Kindergeldzahlungen zu
behandeln waren, war deren Besteuerung als Arbeitslohn rechtswidrig, sodass die
Nachforderung von Lohnsteuern und Solidaritätszuschlag hierauf rechtswidrig war.
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Der Haftungsbescheid ist daher insgesamt rechtswidrig und war aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs.2 und § 135 Abs. 1 FGO.
53
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO
i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 der Zivilprozessordnung.
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