Urteil des FG Köln vom 31.08.2009

FG Köln (ehemann, erlöschen des anspruchs, konto, zahlung, auszahlung, grund, rechtliches gehör, gesetzliche vermutung, verhältnis, umbuchung)

Finanzgericht Köln, 11 K 4162/07
Datum:
31.08.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 4162/07
Rechtskraft:
VII R 46/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist als Oberregierungsrätin im öffentlichen Dienst tätig. Sie erzielte in den
Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen sowie aus
Vermietung und Verpachtung. Der Ehemann der Klägerin ist von Beruf Notar. Er erzielte
in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sowie ebenfalls aus
Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Die Eheleute leben derzeit
getrennt.
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Für die Streitjahre (1996 bis 1998) wurden zunächst Zusammenveranlagungen für die
Klägerin und für ihren Ehemann durchgeführt. Nach einer Außenprüfung ergingen
geänderte Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre (Bescheide vom
18.5.2006). Aufgrund dieser Änderungen ergaben sich durch Anrechnung von
Steuerabzugsbeträgen Erstattungen für die Streitjahre in Höhe von insgesamt ... €.
Dieser Betrag wurde auf das Konto ... bei der Kreissparkasse A ausgezahlt. Hierbei
handelte es sich um ein Konto des Klägers. In den Einkommensteuererklärungen,
zuletzt für das Jahr 2000 (eingegangen beim Beklagten im Juli 2002), hatten die
Eheleute diese Kontoverbindung angegeben.
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Die Eheleute legten gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Während des
Einspruchsverfahrens beantragten sie die getrennte Veranlagung. Darauf hob der
Beklagte die Zusammenveranlagungsbescheide am 23.03.2007 auf und veranlagte die
Klägerin und ihren Ehemann unter dem gleichen Datum getrennt.
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Ebenfalls am 23.03.2007 erließ der Beklagte jeweils drei Rückforderungsbescheide
über die für die Streitjahre erstatteten Steuerbeträge gemäß § 37 Abs. 2 AO gegen die
Klägerin sowie gegen den Ehemann als Gesamtschuldner i.H.v. jeweils insgesamt ... €.
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Zur Begründung führte er aus, die Erstattung sei unberechtigt, weil die
Einkommensteuerbescheide vom 18.05.2006 mit Bescheid vom 23.03.2007 aufgehoben
worden seien. Der zu Unrecht erstattete Betrag werde nach § 218 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §
37 Abs. 2 AO zurück gefordert.
Die Klägerin sowie ihr Ehemann legten gegen die Rückforderungsbescheide Einspruch
ein. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die
Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben seien, da der Beklagte gegenüber ihr
nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet habe und sie daher nicht
Leistungsempfängerin im Sinne von § 37 Abs. 2 AO sei.
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Die Einsprüche führten zu Abänderungen der Bescheide. In den
Einspruchsentscheidungen teilte der Beklagte nunmehr die Rückforderungsbeträge
zwischen den Eheleuten aufgrund der sich nach dem materiellen Steuerrecht
ergebenden Erstattungsberechtigung, d.h. nach dem Verhältnis der auf die Ehegatten
entfallenden Steuerabzugsbeträgen auf. Einen entsprechenden Hinweis hatte er zuvor
nicht erteilt. Auf die Klägerin entfielen hiernach für die drei Streitjahre
Rückforderungsbeträge von insgesamt ... €. Auf den Inhalt der gegen die Klägerin
ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 wird Bezug genommen. Die
genaue Berechnung der Aufteilung der Rückforderungsbeträge ergibt sich aus der
Rechtsbehelfsakte zur Rückforderung.
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Am 08.05.2007 hatte der Beklagte einen großen Teil der Rückforderungsbeträge laut
den Bescheiden vom 23.03.2007 mit einem Umsatzsteuerguthaben 1/2006 des
Ehemanns der Klägerin im Wege der Umbuchung verrechnet. Diese Umbuchung
machte er nach Ergehen der Einspruchsentscheidungen vom 11.10.2007 gegenüber
der Klägerin und gegenüber ihrem Ehemann rückgängig. Stattdessen nahm er am
13.11.2007 eine erneute Umbuchung des Umsatzsteuerguthabens des Ehemanns auf
die nach dem Ergebnis der Einspruchsentscheidung auf den Ehemann der Klägerin
entfallenden Rückforderungsbeträge vor. Die sich nach der Einspruchsentscheidung
vom 11.10.2007 ergebenden Rückforderungsbeträge gegenüber der Klägerin i.H.v. ... €
verrechnete der Beklagte vollständig mit den Guthaben der Klägerin aus der getrennten
Einkommensteuerveranlagung 1996 – 1998 durch Umbuchung (siehe Schreiben des
Beklagten vom 15.11.2007, Bl. 121 f. der GA). Eine durch die Umbuchung erfolgte
Tilgung war weder in der Einspruchsentscheidung gegenüber dem Ehemann noch
gegenüber der Klägerin berücksichtigt worden.
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Mit der gegen die Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 gerichteten Klage trägt die
Klägerin im Wesentlichen folgendes vor:
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In den Einkommensteuererklärungen sei als Konto für etwaige Erstattungen das
Geschäftskonto ihres Ehemanns angegeben worden. Dabei handele es sich lediglich
um die Angabe einer Zahlstelle. Da zwischen der Abgabe der ursprünglichen
Steuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 und der Auszahlung des
Steuerguthabens auf Grund der geänderten Steuerbescheide vom 18.5.2006 eine
ungewöhnlich lange Zeitspanne gewesen sei, habe der Beklagte vor Auszahlung der
Steuerguthaben die Kontenverbindung überprüfen müssen. Mit dem Erlass der
Erstbescheide für die Streitjahre sei die Zahlstelle zudem schon verbraucht gewesen.
Sie hätten die Kontoverbindung zwar bei der Steuererklärung 2000 ebenfalls verwendet.
Dies sei aber auch schon zu lange her gewesen, als dass der Beklagte diese
Kontoverbindung ohne weitere Überprüfung habe benutzen dürfen. Von der Zahlung der
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Einkommensteuererstattung Ende Mai 2006 sei sie auch vollkommen überrascht
worden. Sie habe zum einen nicht mit geänderten Steuerbescheiden rechnen müssen,
da die Betriebsprüfung nur gegen ihren Ehemann angeordnet gewesen sei. Sie habe
keine Veranlassung zu der Annahme gehabt, dass gegenüber ihrer Person die
Bescheide geändert würden. Zum anderen habe sie die geänderten Bescheide auch
erst zu einem späteren Zeitpunkt von ihrem Steuerberater erhalten. Richtig wäre es
nach Auffassung der Klägerin gewesen, die Bescheide zu erlassen und die Auszahlung
zunächst nur anzukündigen, so dass Gelegenheit gewesen wäre, die Auszahlung zu
verhindern. Der Beklagte habe auch die Möglichkeit gehabt, vor der Änderung der
Einkommensteuerbescheide einen Aufteilungsbescheid zu erlassen, so dass sie ihre
Interessen hätte wahren und ein eigenes Konto hätte angeben können. Schließlich sei
nachweislich weitgehend Lohnsteuer zu erstatten gewesen, die ausschließlich von ihr
gezahlt worden sei und die dann ohne vorherige Ankündigung auf das alleinige Konto
ihres Ehemannes überwiesen worden sei, für das sie keine Kontovollmacht besessen
habe. Auch deshalb sei der Beklagte vor der Auszahlung zur Überprüfung verpflichtet
gewesen, ob das angegebene Konto noch zutreffend gewesen sei.
Die Einspruchsentscheidung sei aus einem weiteren Grund rechtswidrig und deshalb
aufzuheben. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einer teilschuldnerischen Haftung aus.
Denn ihr Ehemann sei allein Leistungsempfänger nach § 37 Abs. 2 AO.
Leistungsempfänger im Sinne dieser Vorschrift sei nicht der materiell Berechtigte eines
Erstattungsanspruchs, sondern nur derjenige, an den der Beklagte tatsächlich gezahlt
habe – es sei denn, die Leistung könne dem materiell Berechtigten zugerechnet
werden. Diese Auslegung werde auch durch den Wortlaut der Vorschrift unterstützt. Ihr
Ehemann sei unstreitig der tatsächliche Leistungsempfänger. Die Leistung könne ihr
gegenüber auch nicht zugerechnet werden, da der Beklagte bei der Auszahlung auf
Grund der unterlassenen Überprüfung der Gültigkeit der Konto-Verbindung grob
fahrlässig gehandelt habe. Überdies sei § 37 Abs. 2 AO dem zivilrechtlichen
Bereicherungsanspruch nachgebildet. Bereicherter Leistungsempfänger sei ihr
Ehemann. Sie könne auch nicht im Wege eines zivilrechtlichen
Bereicherungsanspruchs Rückgriff bei ihm nehmen. Die hier in Betracht kommende
sogenannte Eingriffskondiktion greife nicht durch, da die im Verhältnis zum Beklagten
bestehende Leistungsbeziehung vorrangig sei.
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Auch mit der Regelung des § 36 Abs. 4 S. 3 EStG sei ein Rückforderungsanspruch
gegenüber ihr nicht zu begründen. Diese Vorschrift greife nicht ein, da keine
"bestandskräftige gemeinsame Veranlagung" vorliege. Daher sei der vorliegende Fall
auch mit demjenigen, der der Entscheidung des Finanzgerichts Nürnberg vom
31.07.2008 zu Grunde liege, nicht vergleichbar (FG Nürnberg, Urteil v. 31.07.2009, VI
439/2005, EFG 2009, 538, nrkr., Az. des BFH: VII R 37/08). Die gemeinsame
Veranlagung mit ihrem Ehemann sei nicht bestandskräftig geworden, da sie dagegen
fristgerecht Einspruch eingelegt habe. Überdies regele § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG die
Erfüllungswirkung einer Steuererstattung und betreffe nicht den Fall der Rückforderung
einer rechtsgrundlos erfolgten Steuererstattung. Der Erstattungsanspruch nach § 37
Abs. 2 EStG enthalte keine entsprechende Regelung.
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Die Einspruchsentscheidung sei schließlich auch deshalb aufzuheben, weil der
Rückforderungsanspruch des Beklagten erloschen sei. Denn er habe während des
Einspruchsverfahrens eine Aufrechnung vorgenommen, die nach § 226 Abs. 1 AO i. V.
m. § 389 BGB zum Erlöschen des Anspruchs auf Rückerstattung geführt habe. Zwar sei
mit Forderungen ihres Ehemannes aufgerechnet worden. Dies komme ihr aber wegen
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der vom Beklagten ursprünglich angenommenen Gesamtschuldnerschaft (§ 44 Abs. 2
AO) zu Gute. Bei der Verrechnung handele sich um einen Verwaltungsakt, der
bestandskräftig geworden sei. Im Übrigen habe der Umstand der Verrechnung in der
Einspruchsentscheidung Berücksichtigung finden müssen. Indem der Beklagte in der
Einspruchsentscheidung den Vorgang auf eine völlig neue Grundlage gestellt und die
Verrechnung nicht berücksichtigt habe, ohne sie zuvor anzuhören, habe der Beklagte ihr
schließlich nicht in ausreichendem Umfang rechtliches Gehör gewährt.
Die Klägerin beantragt,
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1. die Rückforderungsbescheide vom 23.03.2007 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 aufzuheben,
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2. hilfsweise, den Beklagten anzuweisen, die Rückforderungsbescheide in der
Fassung der Einspruchsentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Finanzgerichts neu zu fassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt unter Berufung auf die Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 vor, nach
Durchführung der Betriebsprüfung seien am 18.05.2006 nach § 164 Abs. 2 AO
geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1998 erlassen worden.
Die Einkommensteuer sei jeweils auf 0,00 € festgesetzt worden. Es sei eine
Zusammenveranlagung der Ehegatten erfolgt. Die Steuerbescheide seien dem
damaligen Berater als Empfangsbevollmächtigten der Eheleute bekannt gegeben
worden. Die aus den Berichtigungsveranlagungen resultierenden Erstattungsansprüche
seien dem Konto des Ehemanns der Klägerin bei der Kreissparkasse A am 24.05.2006
gut geschrieben worden. Da sich aus den Steuerbescheiden Erstattungen ergeben
hätten, sei eine Aufteilung von Steuerschulden im Sinne der § 268 ff. AO weder möglich
noch beantragt gewesen. Das Konto sei seitens der Eheleute über viele Jahre hinweg -
zuletzt mit der Steuererklärung 2000 - benannt und so gespeichert worden. Eine
Änderung der Kontoverbindung sei weder von der Klägerin noch von ihrem Ehemann
mitgeteilt worden. Ergebe sich nach einer Zusammenveranlagung und Abrechnung mit
Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen ein Überschuss zugunsten der
Steuerpflichtigen, so werde dieser nach Bekanntgabe des Steuerbescheides ausbezahlt
(§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) stehe bei zusammenveranlagten Eheleuten der Erstattungsanspruch demjenigen
Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das Finanzamt gezahlt habe bzw. auf
dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirke
aber bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt worden seien, die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den
anderen Ehegatten. Diese Vorschrift gehe von der Annahme aus, dass bei einer
intakten Ehe die Steuererstattung an einen Ehegatten von dem anderen Ehegatten
gebilligt werde. Erkenntnisse, dass die Klägerin nicht mit dieser Verfahrensweise
einverstanden gewesen sei, hätten dem Finanzamt im Zeitpunkt der Erstattung nicht
vorgelegen.
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Nachdem die Klägerin und später auch ihr Ehemann im Rechtsbehelfsverfahren die
getrennte Veranlagung für die Streitjahre beantragt habe, habe der Beklagte die
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Bescheide über die Zusammenveranlagung mit Datum vom 23.03.2007 aufgehoben
und Rückforderungsbescheide gleichen Inhalts gegenüber beiden Ehegatten gemäß
§ 218 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO erlassen. Über die hiergegen gerichteten
Einsprüche sei mit separaten Einspruchsentscheidungen für die Klägerin und deren
Ehemann vom 11.10.2007 entschieden worden. Mit den Einspruchsentscheidungen sei
die Aufteilung der zurückgeforderten Steuerbeträge aufgrund der gegebenen
Teilschuldnerschaft erfolgt. Insoweit werde auf die Einspruchsentscheidung vom
11.10.2007 verwiesen.
Der öffentlich-rechtliche Rückforderungsanspruch sei in § 37 Abs. 2 AO eigenständig
geregelt. Die Vorschriften über die bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsansprüche
könnten weder unmittelbar noch analog angewendet werden. Als Leistungsempfänger
im Sinne dieser Vorschrift sei nicht der Zahlungsempfänger, sondern der nach
materiellem Steuerrecht Erstattungsberechtigte anzusehen (ständige Rechtsprechung
des BFH, vgl. BFH-Urteil v. 30.08.2005, VII R 64/04, BStBl. II 2006, 353). Bei
Überzahlung von Lohnsteuer sei derjenige Ehegatte, für den die Lohnsteuer abgeführt
wurde, erstattungsberechtigt. Sei für beide Ehegatten Lohnsteuer abgeführt worden,
bestimme sich die Höhe des materiellen Erstattungsanspruchs jedes Ehegatten nach
dem Verhältnis der bei den Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge. Das
gleiche gelte für einbehaltene Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer und
Zinsabschlagsteuer. Schließlich sei nicht zu berücksichtigen, in der Person welches
Ehegatten der Steuerermäßigungstatbestand verwirklicht worden sei, der im Rahmen
des Veranlagungsverfahrens zu der Steuererstattung geführt habe (BStBl. II 1983, 162;
BStBl. II 1991, 47; BFH/NV 2001, 293).
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Die Rückforderungsbeträge laut Einspruchsentscheidung vom 11.10.2007 seien durch
Umbuchungen am 15.11.2007 getilgt worden.
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Auf das anhängige Verfahren vor dem Finanzgericht Köln Az.: 11 K 4228/07 (Herr B)
werde hingewiesen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Entscheidungsgründe
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1. Eine Beiladung des Ehemanns der Klägerin kam nicht in Betracht. Die
Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gem. § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor.
Ebenso wie bei der getrennten Veranlagung von Ehegatten ergehen Bescheide im
Erhebungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO für jeden Ehegatten gesondert, auch wenn
mit ihnen über die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen
entschieden wird und eine Zusammenveranlagung vorausgegangen ist (vgl. BFH-
Beschluss vom 11.01.1994, VII B 100/93, BStBl. II 1994, 405).
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2. Die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
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a) Der Beklagte hat die Rückforderungsbescheide zutreffend auf § 37 Abs. 2, § 218 Abs.
2 Satz 2 AO gestützt. Der Erlass eines vorgeschalteten Aufteilungsbescheides – vor der
Durchführung der Erstattung auf Grund der Zusammenveranlagungsbescheide – war
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nicht notwendig, und zwar schon deshalb, weil die §§ 268 ff. AO nur die Aufteilung von
Steuerschulden vorsehen.
b) Es liegt auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 365 i.V.m. § 91 AO) vor.
Denn nach § 91 AO ist das Finanzamt nur verpflichtet, dem Steuerpflichtigen
Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu
gewähren. Ferner kann eine unterbliebene Anhörung im finanzgerichtlichen Verfahren
nachgeholt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 126 Abs. 2 AO).
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c) Die Rückforderungsbescheide sind auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig.
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Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat
derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den
Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten
Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder
Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 AO).
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Die zunächst ergangenen Zusammenveranlagungsbescheide zur Einkommensteuer
1996 - 1998 haben auf Grund der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen zu einer
Erstattung geführt. Der Rechtsgrund für die Erstattung ist nach Aufhebung der
Zusammenveranlagungsbescheide entfallen. Der Beklagte geht zutreffend davon aus,
dass die Person des Leistungsempfängers und damit die Verpflichtung zur Rückzahlung
des ohne Rechtsgrund geleisteten Betrages sich nach der materiell-rechtlichen
Erstattungsberechtigung richtet. Diese stand aber in dem vom Beklagten ermittelten
Umfang der Klägerin zu.
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Bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten steht ein etwaiger
Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das
Finanzamt gezahlt hat bzw. auf dessen Rechnung die Zahlung erfolgt ist, wobei es nicht
allein entscheidend ist, welcher Ehegatte den Zahlungsvorgang tatsächlich bewirkt hat,
weil im Rahmen einer bestehenden Ehe als Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft es
oft von Zufälligkeiten wie der Aufgabenverteilung und der Zeiteinteilung der Ehegatten
abhängt, welcher von ihnen die Zahlung der Einkommensteuer durch Bareinzahlung
oder Überweisung vom eigenen oder gemeinsamen Bankkonto tatsächlich besorgt.
Solange die Ehe besteht und intakt ist, entspricht es deshalb natürlicher
Betrachtungsweise und der regelmäßigen Absicht der Ehegatten, dass derjenige, der
die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, nicht nur sich selbst, sondern
auch den anderen Ehegatten von seiner Steuerschuld befreien will. Soweit also
Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten
fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für Rechnung
beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass
beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag
ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 25.07.1989, VII R
118/87, BStBl. II 1990, 41; BFH-Urteil vom 15.11.2005, VII R 16/05, BStBl. II 2006, 453;
BFH-Beschluss vom 16.05.2008, VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; BFH-Urteil vom
30.09.2008, VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38).
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Betrifft dagegen die Erstattung Steuern, welche im Wege des Steuerabzugs vom
Arbeitslohn eines Ehepartners einbehalten worden sind, steht fest, dass die Steuern für
Rechnung dieses Arbeitnehmers abgeführt worden sind (vgl. nur BFH-Urteil vom
18.09.1990, VII R 99/89, BStBl. II 1991, 47; BFH-Beschluss vom 29.10.2007, VII B 4/07,
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BFH/NV 2008, 330 m.w.N.; Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO, Tz. 82).
Die Ehegatten sind keine Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs.
2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 02.02.1995, VII R 105/04, BFH/NV 1995, 781; BFH-
Beschluss vom 14.12.2007, III B 102/06, BFH/NV 2008, 526; FG Nürnberg, Urteil v.
31.07.2008, VI 439/2005, EFG 2009, 538).
36
Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, stand der ursprüngliche
Erstattungsbetrag auf Grund der Zusammenveranlagungsbescheide im Verhältnis der
jeweils geleisteten Steuerabzugsbeträge den Ehegatten anteilig zu.
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Da Erstattungs- und Rückforderungsanspruch lediglich unterschiedliche Richtungen
des einheitlichen Anspruchs aus § 37 Abs. 2 AO kennzeichnen, gelten vorstehende
Rechtsgrundsätze gleichermaßen für den Rückforderungsanspruch (FG Nürnberg, Urteil
v. 31.07.2008, VI 439/2005, EFG 2009, 538; Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO, Tz. 109).
Dem entspricht die vom Beklagten vorgenommene Zuordnung der Rückforderung
gegen die Ehegatten. Im Ergebnis waren die Ehegatten somit anteilig im Verhältnis der
für sie einbehaltenen Abzugssteuern Erstattungsberechtigte und - nach ersatzloser
Aufhebung der Zusammenveranlagungsbescheide und damit Wegfall der
Rechtsgrundlage für die Steuererstattungsansprüche - im gleichen (anteiligen)
Verhältnis Schuldner der Rückforderungsbeträge.
38
Ein anderes Ergebnis ist nicht daraus herzuleiten, dass der Beklagte den
Erstattungsbetrag auf ein Bankkonto des Ehemanns der Klägerin überwiesen hat. Zu
dieser Vorgehensweise war der Beklagte nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG berechtigt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert dieser Umstand nichts an der aus der
ursprünglichen Erstattungsberechtigung sich spiegelbildlich ergebenden
Rückzahlungsverpflichtung.
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Die Vorschrift sieht vor, dass bei nach §§ 26, 26 b EStG zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Ehegatten die Auszahlung eines nach § 36 Abs. 4 Satz 2
EStG sich ergebenden Überschusses an einen Ehegatten auch für und gegen den
anderen Ehegatten wirkt. Sie hat lediglich die Bedeutung eines besonderen
Schuldbefreiungstatbestandes, der dazu führt, dass die Finanzbehörde von ihrer
Zahlungspflicht unabhängig von den Ausgleichspflichten der Ehegatten im
Innenverhältnis frei wird, wenn sie an einen der beiden Ehegatten gezahlt hat. Die
Bestimmung besagt nur, dass das Finanzamt befugt ist, nach seiner Wahl an den einen
oder den anderen Ehegatten auszuzahlen; sie regelt aber nicht, welcher der Ehegatten
die Auszahlung des Erstattungsbetrags fordern darf. § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG begründet
keine Gesamtgläubigerschaft der Ehegatten (BFH-Urteil vom 25.07.1989, VII R 118/87,
BStBl. II 1990, 41; BFH-Urteil vom 08.01.1991, VII R 18/90, BStBl. II 1991, 442; BFH-
Urteil vom 02.02.1995, VII R 105/94, BFH/NV 1995, 781; BFH-Beschluss vom
10.07.2008, VII B 194/07, BFH/NV 2008, 1802). Die Zahlung an einen Ehegatten kann
mithin zwar nicht, wie im Falle der Gesamtgläubigerschaft, ohne weiteres als Leistung
auch an den anderen Ehegatten angesehen werden (BFH-Urteil vom 02.02.1995, VII R
105/94, BFH/NV 1995, 781). In dem Fall aber, dass beide Ehegatten
erstattungsberechtigt sind, liegen im Umfang der jeweiligen Berechtigung Leistungen an
beide Ehegatten vor.
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Der Beklagte war auch in tatsächlicher Hinsicht befugt, den sich nach der
Zusammenveranlagung ergebenden Erstattungsbetrag auf das Konto des Klägers bei
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der Kreissparkasse A mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber beiden Ehegatten zu
überweisen. Denn dieses Konto war in den Einkommensteuererklärungen bis 2000
angegeben. Damit war die widerlegbare gesetzliche Vermutung einer
Einziehungsvollmacht verbunden (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2007, III B 102/06,
BFH/NV 2008, 526). Anhaltspunkte dafür, dass die hierin liegende Anweisung
widerrufen worden wäre oder keinen Bestand mehr hätte, liegen nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind schließlich die Rückforderungsbescheide in
Gestalt der Einspruchsentscheidung auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte
während des Einspruchsverfahrens gegen Forderungen des Ehemanns der Klägerin
aufgerechnet und dies in der Einspruchsentscheidung gegenüber der Klägerin nicht
ausdrücklich berücksichtigt hat. Dies folgt schon daraus, dass die
Rückforderungsansprüche gegenüber der Klägerin auch nicht teilweise auf Grund der
Verrechnung erloschen sind:
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Die Voraussetzungen von § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB lagen nicht vor, da die
beteiligten Parteien nicht identisch waren, d.h. das Merkmal der "Gegenseitigkeit" nicht
vorlag (§ 387 BGB). Der Beklagte hat gegenüber einer Forderung des Ehemanns der
Klägerin (Umsatzsteuerguthaben 01/2006) aufgerechnet. Dadurch hätte die Forderung
gegenüber der Klägerin nur dann erlöschen können, wenn sie und ihr Ehemann
hinsichtlich der Rückforderungsbeträge Gesamtschuldner gewesen wären, § 44 Abs. 2
Satz 2 AO. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann sind im
Verhältnis der für sie einbehaltenen Abzugssteuern Teilschuldner der
Rückforderungsbeträge. Daran ändert im Ergebnis auch der Umstand nichts, dass der
Beklagte bei Erlass der Rückforderungsbescheide am 23.03.2007 und der Umbuchung
am 08.05.2007 noch irrtümlicherweise von einer Gesamtschuldnerschaft der Eheleute
ausgegangen ist. Denn eine Aufrechnung durch den Beklagten ist nur dann wirksam,
wenn die Gegenforderung (d.h. hier die Forderung des Beklagten auf Rückerstattung)
materiell-rechtlich besteht, was im Falle der Anfechtung der dieser Forderung zu Grunde
liegenden Verwaltungsakte (hier Rückforderungsbescheide vom 23.03.2007) erst
feststeht, wenn die Anfechtungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind (BFH-Urteil
vom 04.05.1993, VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285; vgl. auch BFH-Urteil vom 15.06.1999,
VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46). Die Rückforderungsbescheide waren Gegenstand des
Einspruchsverfahrens, so dass die Voraussetzung des materiell-rechtlichen Bestehens
nicht vorlag. Im Übrigen hat der Beklagte die ursprünglichen Rückforderungsbescheide
vom 23.03.2007, die eine Gesamtschuldnerschaft der Eheleute vorsahen, zutreffend in
der Einspruchsentscheidung durch Rückforderungsbescheide in Teilschuldnerschaft
ersetzt.
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Da die vom Beklagten erfolgte Umbuchung nicht wirksam werden konnte und der
Beklagte diese im Zusammenhang mit der Einspruchsentscheidung wieder rückgängig
gemacht hat, ist schließlich auch die fehlende ausdrückliche Berücksichtigung in der
Einspruchsentscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht rechtsfehlerhaft.
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Der Klage muss somit in sachlicher Hinsicht der Erfolg versagt bleiben.
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3. Die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ist unzulässig. Dem
Verpflichtungsantrag auf Reduzierung der Rückerstattungsbeträge kommt gegenüber
dem Anfechtungsantrag keine eigene Bedeutung zu.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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5. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die hier
entscheidungserhebliche Rechtsfrage Gegenstand des beim BFH unter dem Az. VII R
37/08 anhängigen Verfahrens ist.
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