Urteil des FG Köln vom 12.03.2009

FG Köln: gleichheit im unrecht, organisation, südafrika, au pair, berufsausbildung, akte, praktikum, anerkennung, stadt, zdg

Finanzgericht Köln, 10 K 4227/08
Datum:
12.03.2009
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 4227/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin das Kindergeld für ihre im Juni 1989
geborene Tochter T zusteht.
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T erwarb im Juni 2008 die allgemeine Hochschulreife. Das Kindergeld wurde der
Klägerin gemäß der eingereichten Schulbescheinigung bis einschließlich Juli 2008
ausgezahlt.
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T beabsichtigte, ein sozialpädagogisches Studium aufzunehmen. Voraussetzung für
den Bachelor-Studiengang soziale Arbeit an der KFH in O ist ein dreimonatiges
Vorpraktikum im sozialen Bereich (Kindergeld-Akte, Bl. 74, 106). Das Praktikum kann in
sozialen Diensten und Einrichtungen von anerkannten oder ihnen gleichgestellten
Trägern im Sozialwesen absolviert werden, sofern der Einsatz im sozialen Bereich und
die Anleitung durch eine Fachkraft sichergestellt sind. Im Ausland erworbene Praktika
sind nach Abs. 3 der Regelung zu berücksichtigen, wenn sie allgemein anerkannt sind
oder ihre Gleichwertigkeit durch das Ministerium für Innovationen, Wissenschaft,
Forschung und Technologie des Landes NRW festgestellt worden ist.
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Bereits im Mai 2008 (Kindergeld-Akte, Bl. 76) schloss T mit der Organisation "N" mit Sitz
in der Stadt L eine Vereinbarung, in der sich T verpflichtete, in der Zeit vom 28. Juli 2008
bis zum 15. April 2009 im Rahmen eines 9-monatigen Volontariats in einem Kinderheim
in Südafrika zu arbeiten. Gemäß Bescheinigung der Organisation N vom 5. Juni 2008
(Kindergeld-Akte, Bl. 67) erhält T für diese Tätigkeit kein Taschengeld. Bei der
Organisation N handelt es sich nach deren Internetseite (...) um eine private Agentur, die
in erster Linie Au-pair-Aufenthalte vermittelt. Die Bescheinigung war ausdrücklich nicht
als eine solche über die Leistung eines freiwilligen sozialen Jahres bezeichnet, sondern
mit "Freiwilligen-Arbeit in Südafrika; Volontär im sozialen Bereich". Danach sollte T
während ihres Aufenthalts für Ihren weiteren beruflichen Werdegang wichtige
Erfahrungen sammeln. Nähere Angaben sollten sich aus dem Einladungsschreiben des
Projekts ergeben, welches allerdings nicht vorgelegt wurde. Wegen der von N zu
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Projekts ergeben, welches allerdings nicht vorgelegt wurde. Wegen der von N zu
erbringenden bzw. erbrachten Leistungen wird auf die Angaben auf der Internet-Seite
genommen.
Bei der Entsendeorganisation "N" handelt es sich unstreitig nicht um einen behördlich
zugelassenen Träger eines freiwilligen sozialen Jahres, und zwar weder i.S. des
Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008 noch i.S. des
Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres vom 15. Juli 2002. Dies hat
auch auch die Klägerin selbst mit E-Mail vom 21. August 2008 ausgeführt (Kindergeld-
Akte, Bl. 81), nachdem die Beklagte einen Nachweis der Anerkennung von "N" als
Entsendeorganisationen durch das BMZ gefordert hatte. Ebenso wenig ist die
Organisation "N" allgemein anerkannt oder ihre Gleichwertigkeit durch das Ministerium
für Innovationen, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW
festgestellt worden i.S. des Abs. 3 der Richtlinie der KFH des Landes NRW.
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Bereits Mitte Juli 2008 beantragte die Klägerin die Fortzahlung des Kindergeldes. T
wolle das von ihr geplante Studium mit einem "freiwilligen sozialen Jahr" vorbereiten.
Nach der Rückkehr aus Südafrika werde sich ein dreimonatiges Praktikum in einem
Altenpflegeheim in der Stadt P anschließen (Kindergeld-Akte, Bl. 73). Eine
Bescheinigung des Seniorenstifts der Stadt P über die Aufnahme des Praktikums nach
der Rückkehr aus Südafrika liegt vor (Kindergeld-Akte, Bl. 85).
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Mit dem Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 1. September 2008 machte die
Klägerin geltend, die Tätigkeit von T in dem Waisenhaus in Südafrika diene der
Vorbereitung des sozialpädagogischen Studiums; es handle sich damit um eine
praktische Tätigkeit, die selbst eine Maßnahme der Berufsausbildung darstelle. Das
Vorpraktikum sei Voraussetzung für den Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit an der
KFH in NRW. T erhalte kein Geld für ihre Tätigkeit und trage die ihr entstehenden
Kosten selbst. Die Entsendeorganisation "N" erfülle dieselben Voraussetzungen wie
anerkannte Entsendeorganisationen, so dass jedenfalls die Voraussetzungen eines
freiwilligen sozialen Jahres vorlägen. Die Organisation "N" habe mitgeteilt, dass 60%
der durch ihre Organisation vermittelten Volontäre Kindergeld bezögen. Stelle man
daneben auf den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "Weltwärts" ab, könne es
nicht darauf ankommen, ob die Entsendeorganisationen vom BMZ anerkannt sei oder
nicht. Entscheidend sei, dass die Organisation "N" dieselben Voraussetzungen erfülle
wie andere anerkannte Entsendeorganisationen.
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Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Beklagte in der
Einspruchsentscheidung vom 11. November 2008 aus: Die Zeit in Südafrika könne nicht
als freiwilliges soziales Jahr berücksichtigt werden, weil der Freiwilligendienst nicht auf
einer Vereinbarung mit einer anerkannten Entsendeorganisation beruhe. Es handle sich
auch nicht um eine Maßnahme der Berufsausbildung, weil diese Maßnahme nicht
Voraussetzung für die Aufnahme des Studiengangs sei. Nach der Studienordnung sei
lediglich das dreimonatige Praktikum im Anschluss an die Zeit in Südafrika in der Zeit
von Mai bis Juli 2009 in der Stadt P erforderlich.
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Mit der Klage hält die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Vorverfahren an
ihrem Begehren fest. Das Kindergeld sei bereits unter dem Gesichtspunkt der
Berufsausbildung zu gewähren. Das Auslandspraktikum von T und ebenso das
dreimonatige Praktikum im Altenpflegeheim seien Voraussetzung für die Aufnahme des
Studiums. Beide Praktika dienten den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und
Erfahrungen, die als Grundlagen für das sozialpädagogische Studium erforderlich seien.
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Jedenfalls leiste T ein freiwilliges soziales Jahr ab und sei deshalb für das Kindergeld
zu berücksichtigen. Der von der Familienkasse in Bezug genommene Newsletter sei
nicht maßgeblich. Außerdem habe die Familienkasse gegen ihre Informationspflicht
verstossen. Wäre die Klägerin richtig informiert worden, hätte T die
Entsendevereinbarung mit einer anderen - anerkannten - Organisation abgeschlossen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom
1. September 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2008 zu
verpflichten, das Kindergeld für T für die Monate ab August 2008 bis April 2009 zu
gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte bezieht sich auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Das Kindergeld für T für die Monate August des April 2009 konnte mangels
Anerkennung der Entsendeorganisation "N" nicht für ein Kind im Rahmen eines
freiwilligen sozialen Jahres gewährt werden.
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a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in der für die streitbefangenen Monate
ab August 2008 gültigen Fassung wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat,
u.a. dann berücksichtigt, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des
Jugendfreiwilligendienstegesetzes vom 16. Mai 2008 (BGBl. I 2008, S. 842 - JFDG -)
oder einen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1719/2006/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Einführung des
Programms "Jugend in Aktion" (ABl. EU Nr. L 327 S. 30) oder einen anderen Dienst im
Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG) oder einen
entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" im Sinne der Richtlinie des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vom 1.
August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leistet.
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b) Im Streitfall erfüllt der Freiwilligendienst von T in dem Waisenhaus in Südafrika diese
Voraussetzungen nicht.
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aa) Zwar ist die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres gemäß § 6 JFDG nach wie
vor auch im Ausland möglich, erforderlich ist jedoch nach Abs. 2 der Vorschrift die
Begleitung der Maßnahme durch einen gemäß § 10 JFDG zugelassenen Träger.
Bereits § 1 Abs. 1 JFDG verlangt für die Förderbarkeit eines Jugendfreiwilligendienstes
neben der nach wie vor erforderlichen Unentgeltlichkeit (zulässig sind nur Unterkunft
und Verpflegung sowie ein angemessenes Taschengeld), dass der Dienst von einem
nach § 10 JFDG zugelassenen Träger durchgeführt wird. Neben den dort bereits
gesetzlich zugelassenen Trägern kann die zuständige Landesbehörde weitere Träger
eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland unter den Voraussetzungen des Abs. 3
zulassen.
19
Im Streitfall fehlt es unstreitig an der danach erforderlichen Zulassung. Deshalb kann der
Dienst von T - unabhängig von den möglicherweise durchaus ehrenvollen
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Vorstellungen des Kindes bei der Vereinbarung mit der Entsendeorganisation (§ 11
JFDG) - auch für die Gewährung von Kindergeld nicht als förderungswürdig angesehen
werden. Denn bei den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in Bezug
genommenen Vorschriften des JFDG handelt es sich nicht um eine bloße
Rechtsfolgenverweisung, die eine Zulassung der Entsendeorganisation für die
Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland durch die zuständige
Landesbehörde entbehrlich machen würde. Es handelt sich vielmehr um eine
Rechtsgrundverweisung mit der Folge, dass alle Voraussetzungen des JFDG, also auch
das Erfordernis der Zulassung, erfüllt sein müssen, um die Kindergeldberechtigung zu
begründen (vgl. zur bis Juni 2008 gültigen Rechtslage nach dem Gesetz zur Förderung
des freiwilligen sozialen Jahres - FSJG - FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.
November 2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, Niedersächsisches FG,
Urteile vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03, DStRE 2007, 750, vom 27. August 2007 16
K 359/06, EFG 2008, 225, FG München Urteil vom 26. September 2007 10 K 3094/06,
EFG 2008, 304, FG Münster, Urteil vom 24. Oktober 2006 6 K 1734/05 Kg, EFG 2007,
1610, FG Hessen, Urteil vom 31. Oktober 2005 12 K 863/04, Juris; ferner BFH-
Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718).
Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Neuregelung. Die
Gesetzesänderung hat ihre Grundlage in einem Beschluss des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aus dem Jahr 2007, mit dem
"Weltwärts"-Programm einen geförderten Freiwilligendienst in Entwicklungsländern
einzuführen, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen in einem
Entwicklunsgland zu sammeln, mit dem Ziel, Verständins und Engagement für die Welt
zu fördern. Mit dem Erfordernis der Zulassung des Trägers soll sichergestellt werden,
dass die Entsendeorganisation fachlich, personell und organisatorisch in der Lage ist,
die in der "Weltwärts"-Richtlinie festgelegten Qualitätsstandards zu erfüllen.
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bb) Auch eine Berücksichtigung von T im Rahmen eines entwicklungspolitischen
Freiwilligendienstes "Weltwärts" ist nicht möglich. Die ab Juli 2008 gültige Neufassung
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sieht über die Berücksichtigung im Rahmen
eines freiwilligen sozialen Jahres hinaus eine zusätzliche Berücksichtigung von Kindern
im Rahmen eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes "Weltwärts" im Sinne
der Richtlinie des BMZ vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) vor, auch ohne dass
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des JFDG vorliegt. Abschn. 8 dieser "Weltwärts"-
Richtlinie macht dies jedoch von einer Anerkennung von Entsendeorganisationen durch
das BMZ nach der Vorprüfung durch das "Weltwärts"-Sekretariat abhängig, die in einem
"schlanken Antragsverfahren" vorgesehen ist. Jede Entsendeorganisationen kann zu
diesem Zweck einen Antrag beim BMZ stellen. Unstreitig liegt im Streitfall eine solche
Anerkennung nicht vor. Auch eine Aussetzung des Verfahrens war nicht geboten, weil
sich weder auf der Internetseite Anhaltspunkte für einen entsprechenden Antrag der
Entsendeorganisation "N" finden noch die Klägerin die Stellung eines solchen Antrags
durch "N" vorgetragen hat. Auf der Internetseite von "N" findet sich lediglich der Hinweis,
dass für die Durchführung des "Weltwärts"-Programms auch private Träger und
Nichtregierungsorganisationen eingesetzt eingesetzt werden. Als solche Organisation
wird dort etwa der "B - e.V." genannt, nicht aber "N" selbst. Für Zwecke der
Kindergeldfestsetzung können jedoch nur solche Freiwilligendienste berücksichtigt
werden, die mit anerkannten Entsendeorganisationen vereinbart wurden.
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cc) Eine analoge Anwendung der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG
ist ebenfalls nicht möglich, weil es an der dazu erforderlichen Gesetzeslücke fehlt. Denn
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die ausdrücklichen Bezugnahmen auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des JFDG
und des Beschlusses Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 15. November 2006 zur Einführung des Programms "Jugend in Aktion" (ABl. EU Nr.
L 327 S. 30) sowie des § 14 b ZDG oder der Richtlinie des BMZ vom 1. August 2007
(BAnz. 2008 S. 1297) für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "Weltwärts"
machen deutlich, dass Sachverhaltskonstellationen, in denen - wie im Streitfall - die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bezugsnormen nicht erfüllt sind, nach dem
Willen des Gesetzgebers keinen Anspruch auf Kindergeld auslösen sollen. Es
entspricht daher gerade dem gesetzgeberischen Willen, für Freiwilligenprogramme, die
die Voraussetzungen dieser in Bezug genommenen Gesetze bzw. Normen nicht
erfüllen, die kindergeldrechtliche Förderung zu versagen (vgl. FG Baden-Württemberg,
Urteil vom 26. November 2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, betreffend die
Regelungen nach dem FSJG).
Das Fehlen einer Gesetzeslücke wird auch dadurch bestätigt, dass der BFH bereits im
Jahr 2005 eine Nichtzulassungsbeschwerde für unbegründet gehalten hat, mit der der
Beschwerdeführer die Zulassung der Revision erstreiten wollte, nachdem das FG einen
Berücksichtigungstatbestand wegen Nichtanerkennung der Entsendeorganisation für
ein Kind abgelehnt hatte, das vor Aufnahme einer sozialpädagogischen Ausbildung
unentgeltlich in einem Waisenhaus im Ausland arbeitete (BFH-Beschluss vom 29.
November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718 auf die Nichtzulassungsbeschwerde
gegen das Urteil des Hessischen FG vom 13. Januar 2005 3 K 2664/04, DStRE 2005,
1006). Auch der Umstand, dass im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde eine
Bescheinigung vorgelegt worden war, nach der die Organisation zwischenzeitlich als
Träger eines "Anderen Dienstes im Ausland" i.S. des § 14b Abs. 1 und 3 des ZDG
anerkannt war, änderte daran nichts.
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dd) Die Klägerin kann schließlich auch aus dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1
GG keinen Kindergeldanspruch herleiten. Selbst wenn ihr Vortrag, dass für 60 % der mit
N reisenden Kinder Kindergeld gewährt werde, zutreffen sollte, könnte ihr gegenüber
kein Kindergeld festgesetzt werden. Denn Verwaltungen und Gerichte sind selbst dann
nicht befugt, ein Gesetz allgemein oder im Einzelfall zu suspendieren, wenn eine Norm
in zahlreichen Fällen nicht befolgt wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86,
BFHE 156, 543; BStBl II 1989, 836). Art. 3 Abs. 1 GG fordert lediglich Gleichheit vor dem
Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Unrecht kann es dagegen nicht
geben (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 1967 1 BVR 176/65,
BVerfGE 21, 245; ebenso bereits FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November
2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, betreffend die Regelungen nach dem
FSJG).
25
2. Der Freiwilligendienst von T in den Monate August bis April 2009 erfüllte schließlich
auch nicht den Berücksichtigungstatbestand der Berufsausbildung.
26
a) Der Berücksichtigungstatbestand "für einen Beruf ausgebildet" i.S. von § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG umfasst nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des
BFH alle auf den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen gerichteten
Maßnahmen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet
sind, unabhängig davon, ob sie in einer Studien- oder Ausbildungsordnung
vorgeschrieben sind. Dabei steht den Eltern und dem Kind von Verfassungs wegen ein
weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung zu. Vor dem
Hintergrund der Grenze schädlicher Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 ff.
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EStG ist es auch nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme Zeit und
Arbeitskraft des Kindes in überwiegendem Umfang in Anspruch nimmt (BFH-Urteil vom
19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 und VI R
143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 29.
November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718).
Allerdings ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird",
dass hierunter nicht jeder Auslandsaufenthalt zu fassen ist, der zu einer Verbesserung
der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt. Der Erwerb der
Fremdsprachenkenntnisse kann nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen;
vielmehr müssen Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten
Stelle vorgegeben werden. Sprachaufenthalte im Ausland können deshalb nur dann als
Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der
Berufsausbildung verbunden (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder
von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit
Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-
)Ausbildung rechtfertigt. Letzteres wird regelmäßig nur dann angenommen, wenn der
theoretisch-systematisch Sprachunterricht mindestens 10 Unterrichtsstunden
wöchentlich umfasst. Bildungsmaßnahmen in einem Umfang von weniger als 10
Unterrichtsstunden wöchentlich wurden nur anerkannt, wenn sie der üblichen
Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dienen und das Kind den
Prüfungsabschluss anstrebt (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107,
BStBl II 1999, 710: 6 Unterrichtsstunden als Grenzfall; ferner BFH-Urteil vom 19.
Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469, nach welchem ein
Geschichtskurs im Umfang von 2 1/2 Zeitstunden je Woche diese Anforderungen weder
in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht erfüllt; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 31.
August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256).
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b) Im Streitfall konnte der Freiwilligendienst von T danach nicht als Maßnahme der
Berufsausbildung anerkannt werden. Der Freiwilligendienst war zunächst nicht als
Voraussetzung für den Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit an der KFH in NRW
vorgeschrieben. Die notwendige Voraussetzung eines Vorpraktikum im sozialen
Bereich wird durch das dreimonatige Praktikum im Altenpflegeheim erfüllt, welches T im
Anschluss an den Freiwilligendienst im Ausland ableisten will. Nach den
Studienrichtlinien der KFH bestehen sogar erhebliche Zweifel, ob ein Freiwilligendienst
im Ausland über eine nicht anerkannte Entsendeorganisation überhaupt
berücksichtigungsfähig wäre. Daran ändert sich weder etwas dadurch, dass der
Freiwilligendienst möglicherweise förderlich für das geplante sozialpädagogische
Studium von T war, noch dadurch, dass T die Entsendevereinbarung möglicherweise
mit einer anderen - anerkannten - Organisation abgeschlossen hätte, wenn die
Nichtanerkennung von "N" ihr oder ihren Eltern bekannt gewesen wäre.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil ähnliche
Sachverhaltskonstellationen in dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren III R
61/06 gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03
für die in Großbritannien ansässige Wohlfahrtorganisation "M" und im Verfahren III R
33/07 gegen das Urteil des FG Münster vom 24. Oktober 2006 6 K 1734/05 Kg (EFG
2007, 1610) zu entscheiden sind.
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