Urteil des FG Köln vom 24.04.2008

FG Köln: einkünfte, vorläufige einstellung, hauptsache, gesellschafter, klagebegehren, anfang, verpachtung, sanierungsgewinn, personengesellschaft, abhängigkeit

Finanzgericht Köln, 6 K 1864/04
Datum:
24.04.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1864/04
Rechtskraft:
IV B 88/08, IV R 32/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache durch einen Änderungsbescheid
erledigt ist, der antragsgemäß keinen Veräußerungsgewinn der Klägerin mehr feststellt,
oder ob noch über die Höhe ihrer laufenden Einkünfte zu entscheiden ist.
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1988 erwarben die Eheleute A und B sowie Herr C als Miteigentümer zu je 1/3 von den
Eheleuten D das bebaute Grundstück X in ... und gründeten in der Rechtsform einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Klägerin. Diese bot unter dem Namen "X GbR"
Fortbildungsveranstaltungen an, die von den Gesellschaftern durchgeführt wurden. Die
Eheleute A +B sind beide ..., Herr C ist ... . Um die Kosten für Erwerb und Umbau des
Objekts von zusammen rund 2,5 Mio. DM zu finanzieren, vereinbarten die Gesellschafter
mit den Eheleuten D für einen Teil des Kaufpreises 1.500 DM monatliche Ratenzahlung
und nahmen bei der Volksbank ..... mehrere Darlehen auf.
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Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellte die Klägerin 1995 den Tagungsbetrieb
ein und verpachtete das Objekt an die (W) GmbH für gastronomische Einrichtungen aus
... . Dem Beklagten teilte die Klägerin seinerzeit mit, sie erkläre keine Betriebsaufgabe
und behalte die Gewinnermittlungsart – Betriebsvermögensvergleich – bei. Die
einzelnen Gesellschafter setzten die Fortbildungen teilweise in Eigenregie fort. Frau A
wurde vom Verein für ... (V...) in ... angestellt. Sie führt Kommunikationsseminare durch
und bietet Insolvenzberatungen an. Herr B nahm eine selbständige Tätigkeit als
Berufsbetreuer auf. Herr C erhielt beim Land Nordrhein-Westfalen eine Tätigkeit als
Lehrer und arbeitet außerdem als freier Journalist.
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Ebenfalls 1995 beantragten die Volksbank und die Eheleute D Zwangsverwaltung und
Zwangsversteigerung des Grundstückes. Die Verfahren dauerten mehrere Jahre, da die
beiden Gläubiger wiederholt die vorläufige Einstellung des
Zwangsversteigerungsverfahrens beantragten. Wegen der Einzelheiten wird auf die
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beigezogene Akte des AG ... ..... verwiesen.
Die W-GmbH zahlte die Pacht von Anfang an nur teilweise und seit März 1996
überhaupt nicht mehr. Sie gab das Tagungshotel Ende September 1997 zurück, das bis
Anfang 1998 leer stand. Ein danach von der Klägerin mit den Eheleuten E
abgeschlossener Pachtvertrag wurde nur etwa ein halbes Jahr vollzogen, weil Herr E im
Herbst 1998 überraschend starb. Nachfolgende Versuche der Klägerin mit dem Ziel
einer längerfristigen Verpachtung verliefen ergebnislos.
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Mit Schreiben vom 24. November 1998 bat die Volksbank das Amtsgericht ... um
Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Im zweiten Halbjahr 1999 stellte die
Klägerin das Objekt der Firma F für fünf Tage für Dreharbeiten zur Verfügung und erhielt
dafür insgesamt 7.500 DM Einnahmen. Am 21. Oktober 1999 wurde das Grundstück
schließlich für 1,4 Mio. DM einer fremden – GbR zugeschlagen und der Erlös im
Verteilungstermin am 15. Dezember 1999 der Volksbank ausgezahlt.
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Gemäß der Aufgabeschlussbilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1999 vom 19.
September 2001 blieben rund 2,6 Mio. DM Schulden übrig, davon gegenüber der
Volksbank rund 900.000 DM und gegenüber den Eheleuten D etwa 1 Mio. DM. Die
Klägerin ermittelte für 1999 einen laufenden Verlust von 325.091 DM und in der
Aufgabeschlussbilanz einen Verlust von 497.901 DM.
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Zur Vermeidung der persönlichen Insolvenz erbrachten die Gesellschafter laufend
weitere Zahlungen an ihre Gläubiger. Unter dem 21. November 2000 unterbreitete die
Klägerin den beiden Hauptgläubigern jeweils ein schriftliches Angebot zum Abschluss
einer Vergleichsvereinbarung, in der sie versprach, bis Ende Januar/Mitte Februar 2002
jeweils einen bestimmten Betrag zu zahlen, wobei im Gegenzug mit dieser Zahlung alle
bestehenden Ansprüche im Wege des Verzichtes abgegolten sein sollten. Nach
Verhandlungen stimmten die Volksbank und die Eheleute D im Januar 2002 schließlich
zu und die Klägerin erbrachte die versprochenen Zahlungen.
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Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Klägerin aus
Gewerbebetrieb für 1999 folgte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 26. Oktober
2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Wesentlichen der Erklärung der GbR. Er
berücksichtigte über den erklärten laufenden Verlust hinaus weitere 5.322 DM,
insgesamt also 330.413 DM. Dabei handelte es sich um die Nettobeträge aus
Rechnungen des steuerlichen Beraters der Klägerin für die Anfertigung der
Feststellungserklärungen 1997 und 2000 sowie der Rechtsanwältin Fischer für Anfang
1999 an die Klägerin erbrachte Beratungsleistungen. Wegen der Einzelheiten wird auf
den Aktenvermerk des Beklagten vom 23. Oktober 2001 und die Belege für 2000 Bezug
genommen. Außerdem nahm er an, dass die Versteigerung am 21. Oktober 1999 als
Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln sei und legte
dafür im Wesentlichen den Verlust aus der Aufgabeschlussbilanz zugrunde. In den
Erläuterungen zum Bescheid für 1999 wies der Beklagte darauf hin, dass sich der
Veräußerungsgewinn ändere, sobald Verbindlichkeiten erlassen würden und forderte zu
entsprechenden Anzeigen auf.
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Nach späterer Überprüfung vertrat der Beklagte dann die Auffassung, dass sich
aufgrund des späteren Erlasses der Verbindlichkeiten durch die Volksbank und der
Eheleute D per Saldo für die Klägerin rückwirkend im Jahr 1999 ein
Veräußerungsgewinn ergeben habe und stellte diesen unter Aufhebung des
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Vorbehaltes der Nachprüfung durch Bescheid vom 15. März 2004 mit 1.199.579,26 DM
fest. Diesen Betrag hatte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin dadurch ermittelt,
dass er den tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens – Veräußerungserlös des
Grundstückes und die nach dem Erlass verbleibenden Verbindlichkeiten – dem
niedrigeren Buchwert des Betriebsvermögens gegenüber gestellt hatte. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 3. Februar 2003 Bezug genommen. Die
Feststellung des laufenden Verlustes für 1999 von 330.412,94 DM ließ der Beklagte
unverändert. Im Bescheid erscheint unter der Überschrift "Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen" zunächst die Feststellung von Einkünften aus
Gewerbebetrieb von 869.166,32 DM. Danach wird die Zusammensetzung der Einkünfte
in laufende Einkünfte (nach Quote verteilt) und Veräußerungsgewinne ausgewiesen. Es
folgt der Satz, dass der Betrieb am 21.10.1999 aufgegeben/veräußert worden sei. Unter
der Überschrift "Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen" werden die Einkünfte -
gesamt, davon laufende, Veräußerungsgewinne – den drei Gesellschaftern
zugerechnet.
Die Klägerin hat am 6. April 2004 durch den Prozessbevollmächtigten mit Zustimmung
des Beklagten Sprungklage erhoben und beantragt, in dem vorgenannten Bescheid
einen Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen, hilfsweise gemäß § 163 Satz 1
AO von dem Veräußerungsgewinn 1.040.028 DM bei der Feststellung unberücksichtigt
zu lassen und mithin nur 159.549 DM als Veräußerungsgewinn festzustellen. Mit
Schriftsatz vom 16. Dezember 2004 hat die Klägerin die Klage dahin erweitert, dass der
Beklagte verpflichtet werde, nach § 163 AO aufgrund sachlicher Unbilligkeit gemäß dem
BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) einen Sanierungsgewinn in
Höhe von insgesamt 1.776.279 DM festzustellen. In dem Schreiben nimmt das BMF zu
der Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen nach der 1997 beschlossenen
Abschaffung der Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne aus § 3 Nr. 66 EStG eine
Steuerstundung oder ein Steuererlass in Betracht komme, wenn einem Unternehmen
zum Zweck der Sanierung Schulden erlassen werden.
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Zur Begründung ihrer Anträge hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Feststellung
eines Veräußerungsgewinns für 1999 bereits deshalb nicht rechtens sei, weil sie den
Betrieb bereits in 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort ein Betriebsaufgabegewinn
verwirklicht worden sei. In 1998 sei der letzte Versuch einer Verpachtung gescheitert.
Jedenfalls sei der vom Beklagten für 1999 ermittelte Veräußerungsgewinn aus
Rechtsgründen auf 865.665 DM herabzusetzen. Die Feststellung eines
Veräußerungsgewinnes von über 159.549 DM sei aus persönlichen und sachlichen
Gründen unbillig, da ein Sanierungsgewinn vorliege.
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Der Beklagte hat sich der Auffassung der Klägerin angeschlossen, dass der
Gewerbebetrieb bereits 1998 – nämlich mit dem Antrag der Volksbank vom 24.
November 1998 auf Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens – aufgegeben
worden sei. Ferner hat er angenommen, dass dies zu einer neuen rechtlichen
Beurteilung der bisher berücksichtigten laufenden Einkünfte führe. Sie seien als
nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin den Abfluss nachweise.
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Am 4. April 2005 hat der Beklagte - in eigener Zuständigkeit und ohne entsprechenden
Hinweis des Senates - den Bescheid für 1999 insgesamt geändert. Unter Hinweis auf §
172 Abs. 1 Nr. 2 a AO hat er den Veräußerungsgewinn mit 0 DM festgestellt. Gestützt
auf § 174 AO hat er außerdem die laufenden Einkünfte nunmehr mit 0 DM festgestellt. In
den Erläuterungen heißt es, dass aufgrund der nachgewiesenen Betriebsaufgabe zum
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24. November 1998 für 1999 kein Veräußerungsgewinn mehr anzusetzen sei. Die
Feststellung der laufenden bzw. nachträglichen Einkünfte beruhe auf einer Schätzung,
da die Klägerin keine weitere Nachweise vorgelegt habe.
Die Klägerin meint, dass infolge der Aufhebung des für das Jahr 1999 festgestellten
Veräußerungsgewinns das Klageverfahren in der Hauptsache erledigt sei. Es habe sich
nämlich nicht gegen den Bescheid insgesamt, sondern nur gegen die inzwischen
aufgehobene Feststellung des Veräußerungsgewinns gerichtet. Mangels Anfechtung
der Feststellung der laufenden Einkünfte könne insoweit der Änderungsbescheid nicht
nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens werden. Sofern der Senat davon
ausgehe, dass nach dem Änderungsbescheid im vorliegenden Verfahren nunmehr über
die laufenden Einkünfte zu entscheiden sei, halte sie auch diese Änderung für
rechtswidrig. Mangels Anfechtung sei die Feststellung der laufenden Einkünfte
bestandskräftig geworden. Eine Korrekturvorschrift sei nicht einschlägig. Der vom
Beklagten angewandte § 174 Abs. 4 AO erlaube nur die Korrektur anderer
Steuerverwaltungsakte als des angefochtenen Verwaltungsaktes. Eine Anwendung auf
ein und denselben Gewinnfeststellungsbescheid scheide aus. Außerdem setze § 174
Abs. 4 AO einen Widerstreit in dem Sinne voraus, dass die Änderung einer gesondert
festgestellten Besteuerungsgrundlage sich zwangsläufig auf andere festgestellte
Besteuerungsgrundlagen auswirke. So liege der Streitfall nicht. Der Steuerpflichtige
habe ein Wahlrecht, ob er nachträgliche gewerbliche Einkünfte durch
Überschussrechnung oder mittels Bestandsvergleich ermittele. Danach könne sie, die
Klägerin, die strittigen Aufwendungen ohne den Nachweis des Abflusses geltend
machen. Letzteres gelte erst recht, wenn der Betrieb - entgegen der Auffassung des
Beklagten - nicht bereits in 1998, sondern erst im Streitjahr aufgegeben worden sei. Der
Beklagte habe für das Jahr 1999 – ebenso wie für 2000 - einen negativen
Feststellungsbescheid erlassen müssen. Über die nachträglichen Einkünfte sei bei der
Veranlagung der Gesellschafter zur Einkommensteuer zu entscheiden.
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Die Klägerin beantragt, festzustellen, das der Rechtsstreit in der Hauptsache
erledigt ist, hilfsweise den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 4. April 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 insoweit zu ändern, als laufende
Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus § 15 EStG mit einem Verlust von 330.412,94 DM
berücksichtigt werden, hilfsweise, die vorgenannten Verwaltungsentscheidungen
aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, einen negativen
Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen, im Unterliegensfall die Revision
zuzulassen.
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Der Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung und beantragt, die Klage
abzuweisen.
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Er trägt vor: Dem Rechtsstreit liege ein einheitlicher Feststellungsbescheid über zwei
verschiedene Besteuerungsgrundlagen zugrunde. Auf den Umfang des ursprünglichen
Klageantrages komme es deshalb nicht an. Der Änderungsbescheid werde insgesamt
zum Gegenstand des laufenden Klageverfahrens, da § 68 Satz 2 FGO ausdrücklich
einen Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ausschließe. Die neu aufgeworfene
materielle Rechtsfrage der nachträglichen Einkünfte müsse in dem anhängigen
Klageverfahren entschieden werden, da ansonsten die mit der Vorschrift bezweckte
Vereinfachung, Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens nicht mehr erreicht
werde.
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Der Feststellungsbescheid habe hinsichtlich der laufenden Einkünfte nach § 174 Abs. 4
AO geändert werden dürfen. Die Vorschrift greife ein, weil infolge des Wegfalls des
Veräußerungsgewinns die erklärten laufenden Einkünfte nunmehr als nachträgliche
Einkünfte zu behandeln seien und für deren Ermittlung nicht mehr § 4 Abs. 1 EStG,
sondern § 4 Abs. 3 EStG gelte.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage hat mit keinem der gestellten Anträge Erfolg.
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I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ergibt sich aus § 41 Abs. 1 FGO. Das
Feststellungsbegehren betrifft das Bestehen des prozessualen Rechtsverhältnisses
zwischen der Klägerin und dem Beklagten, das durch die vorliegende Klage mit dem
Begehren, keinen Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen, entstanden ist und sich in
der Hauptsache durch den Änderungsbescheid nach Auffassung der Klägerin
insgesamt erledigt hat. Ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat die
Klägerin im Hinblick auf die Kosten des Verfahrens. Über diese kann das Gericht nicht
durch Beschluss nach § 138 Abs. 1 FGO entscheiden, wenn – wie hier der Beklagte –
einer der Beteiligten der Erledigung der Hauptsache widerspricht (vgl. § 91a Abs. 1 Satz
1 ZPO, § 155 FGO und BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 1968 V B 46/67, BStBl II
1968, 413 und vom 4. Juli 1986 VII B 134/85, BStBl II 1986, 752). In solchen Fällen kann
ein Kläger von seinem ursprünglichen Sachantrag zum Antrag auf Feststellung der
Erledigung übergehen, ohne dass eine Klageänderung vorliegt (vgl. § 264 Nr. 2 ZPO,
§§ 155, 67 FGO).
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2. Der Senat geht mit der ständigen Rechtsprechung des BFH davon aus, dass über
eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers prozessual nur entschieden werden
kann, wenn die ursprünglich erhobene Klage zulässig gewesen ist (BFH-Beschluss
vom 27. März 2000 III S 6/99, BFH/NV 2000, 1129 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier
erfüllt.
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a) Die gegen den Bescheid vom 15. März 2004 unmittelbar erhobene Klage ist nach §
45 Abs. 1 Satz 1 FGO als Sprungklage ohne Vorverfahren zulässig, weil ihr der
Beklagte innerhalb eines Monates nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht
gegenüber zugestimmt hat.
26
b) Die Klagebefugnis der Klägerin gegenüber dem vorgenannten Bescheid über die
einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen folgt aus § 48
Abs. 1 Nr. 2 FGO. Diese Vorschrift gilt auch für eine Personengesellschaft in Liquidation
bis zur Vollbeendigung (BFH-Urteil vom 12. April 2007 IV B 69/05, BFH/NV 2007 1923).
In dieser Phase befindet sich die Klägerin. Sie ist nach § 726 BGB aufgelöst, weil der
vereinbarte Zweck unmöglich geworden ist. Der Zweck der Klägerin bestand in Betrieb
bzw. Verpachtung des Hauses X und dies ist mit der Versteigerung des Grundstückes
am 21. Oktober 1999 unmöglich geworden. Der Senat geht mit den Beteiligten davon
aus, dass die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung nach den §§ 730 ff. BGB
derzeit noch nicht beendet ist. Vertreten wird die Klägerin in diesem Liquidationsstadium
durch die ehemaligen Gesellschafter gemeinschaftlich (§§ 714, 730 Abs. 2 Satz 2 BGB).
27
3. Der Rechtsstreit ist nicht in der Hauptsache erledigt.
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Bei einem Klageverfahren ist die Hauptsache erledigt, wenn das Klagebegehren infolge
eines zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisses objektiv gegenstandslos geworden ist
(BFH-Beschluss vom 3. April 2000 I B 68/99, BFH/NV 2000, 1226). Das ist hier nicht der
Fall.
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a) Das Klagebegehren umfasste von Anfang an die im Bescheid vom 15. April 2004
durchgeführte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 869.166,32
DM für das Jahr 1999 insgesamt, bestehend aus dem laufenden Verlust von 330.412,94
DM und dem Veräußerungsgewinn von 1.199.579,26 DM. Dieses Klagebegehren ist
durch den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 mit einer Feststellung von 0 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb – laufender Verlust und Veräußerungsgewinn beide 0
DM - nicht gegenstandslos geworden. Gegen diese Feststellung der Einkünfte in der
Summe wendet sich nach wie vor auch die Klägerin.
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b) Das Klagebegehren, dessen Gegenstand die Klage nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO
bezeichnen muss, ist nicht identisch mit einem bestimmten Antrag, der gemäß § 65 Abs.
1 Satz 2 FGO nur ein Sollerfordernis darstellt. Der Unterschied wird auch in § 96 Abs. 1
Satz 2 FGO deutlich. Danach darf das Gericht über das Klagebegehren nicht
hinausgehen, es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das verkennt die
Klägerin, soweit sie einwendet, nur die Aufhebung des Veräußerungsgewinns beantragt
zu haben.
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Bei einer Anfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1, 100 Abs. 2 FGO) wie im Streitfall wird der
Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet, indem der Kläger darlegt, ob das Gericht
den Verwaltungsakt aufheben oder - in hinreichend bestimmtem Umfang - ändern soll
(vgl. BFH-Beschluss vom 16. August 2005 XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239). Dazu
muss das Gericht in entsprechender Anwendung von § 133 BGB im Wege der
Auslegung den wirklichen Willen des Klägers erforschen und darf nicht beim
buchstäblichen Text der Klageschrift stehen bleiben. Deshalb spielt es keine Rolle,
dass die Klägerin dort auf den laufenden Gewinn nicht eingegangen ist.
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Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
einkommensteuerpflichtigen Einkünften mehrerer Personen nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2,
180 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a AO enthält eine Zusammenfassung einzelner
Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen. Der Bescheid muss nicht notwendig
insgesamt angefochten werden. Nach §§ 157 Abs. 2, 179 Abs. 1 AO können auch die
Besteuerungsgrundlagen jeweils einzeln angefochten werden, was zu einer
Teilbestandskraft führen kann. Das gilt allerdings nur, wenn eine
Besteuerungsgrundlage eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig ist. Daran fehlt
es, wenn eine Besteuerungsgrundlage mit einer anderen in einem Verhältnis
gegenseitiger Abhängigkeit steht und deshalb die Änderung der einen zwangsläufig
Auswirkung auf die andere hat. In diesem Fall erstreckt sich die Anfechtung immer auf
beide Besteuerungsgrundlagen und eine Teilbestandskraft ist ausgeschlossen (Brandis
in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 180 Rn. 11 m.w.N.).
33
Für das im Streitfall interessierende Verhältnis von laufendem Gewinn und
Gesamtgewinn hat der BFH entschieden, dass eine Teilbestandskraft möglich ist, wenn
die Höhe des gesamten Gewinns feststeht und nur um die Qualifizierung als laufender
Gewinn oder Veräußerungsgewinn gestritten wird (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2000
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VIII R 21/00, BStBl II 2003, 194). Ist dagegen die Höhe von laufendem Gewinn und
Veräußerungsgewinn untrennbar miteinander verbunden, schließt die Anfechtung des
Veräußerungsgewinns die des laufenden Gewinns ein. Im Urteil vom 8. Juni 2000 (IV R
65/99, BStBl II 2001, 89) hat der BFH entschieden, dass die Anfechtung des
Aufgabegewinns für ein bestimmtes Streitjahr durch den dortigen Kläger mit der
Begründung, der Betrieb sei bereits im Vorjahr aufgegeben worden, nicht isoliert von
den Feststellungen des laufenden Gewinns für das Streitjahr anfechtbar sei. So liegt
auch der vorliegende Sachverhalt. Die Klägerin hat die Feststellung des
Veräußerungsgewinns für 1999 im Bescheid vom 15. März 2004 in erster Linie darauf
gestützt, dass sie ihren Betrieb bereits 1998 aufgegeben habe und allenfalls dort der
Betriebsaufgabegewinn verwirklicht worden sei. Ist nach dem zitierten BFH-Urteil – dem
der Senat folgt - deshalb die isolierte Anfechtung des Veräußerungsgewinns 1999
rechtlich nicht möglich, entspricht es dem wirklichen Willen der Klägerin, die Anfechtung
mit der Klage auf den laufenden Gewinn zu erstrecken. Nur auf diesem Weg kann der
Senat seine Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllen, der Klägerin Schutz
gegen eine etwaige Rechtsverletzung durch den Beklagten zu gewähren.
II. Der zulässige erste Hilfsantrag, einen laufenden Verlust von 330.412,94 DM zu
berücksichtigen, ist nicht begründet.
35
1. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der ursprünglich festgestellte laufende
Verlust müsse schon deshalb berücksichtigt werden, weil der Beklagte
verfahrensrechtlich zur Änderung des Bescheides nicht berechtigt gewesen sei, da die
Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO nicht vorgelegen hätten.
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Einer Änderungsvorschrift bedurfte es nicht, weil die ursprüngliche Feststellung des
laufenden Gewinns – wie ausgeführt - nicht bestandskräftig geworden ist, da mit der
vorliegenden Klage der Bescheid vom 15. März 2004 insgesamt angefochten wurde. In
dem bereits zitierten Urteil vom 8. Juni 2000 (IV R 65/99, BStBl II 2001, 89 unter 2 c) hat
der BFH ausgeführt, dass "das FG selbst die Konsequenzen aus der Verneinung eines
Aufgabegewinnes hätte ziehen müssen, indem es den laufenden Gewinn erhöhte", statt
dass es "in seinem Urteil ausdrücklich dem FA anheim stellte, im Wege einer Änderung
nach § 174 Abs. 4 AO die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen festzustellen".
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Aus der Erhöhung des laufenden Gewinns ergibt sich im Streitfall kein Verstoß gegen
das vom BFH angesprochene Verböserungsverbot (§ 96 FGO), wenn berücksichtigt
wird, dass der Veräußerungsgewinn einem begünstigten Steuersatz unterlegen hätte.
Geht man davon aus, dass bei Feststellungen nach § 180 AO die steuerliche
Auswirkung pauschal mit 25% angesetzt wird, bewirkt die Streichung des laufenden
Verlustes von 330.412,94 DM eine Einkommensteuererhöhung von 82.603 DM. Der
Wegfall des Veräußerungsgewinns führt bei Annahme des halben Steuersatzes zu
einer Einkommensteuerminderung von 149.947,41 DM. Eine Verböserung tritt
deswegen nicht ein. Die Herabsetzung der Einkünfte auf insgesamt 0 DM stellt eine
teilweise Abhilfe dar, die der Beklagte nach §§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, 181
Abs. 1 Satz 1 AO ohne weiteres durchführen durfte.
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2. Der von der Klägerin geltend gemachte laufende Verlust kann nicht berücksichtigt
werden.
39
a) Für die Gewinnermittlung der Klägerin in 1999 gilt – wie der Beklagte zurecht
angenommen hat – die Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Der
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Senat folgt in dieser Frage der Rechtsprechung des BFH, die davon ausgeht, dass mit
dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe die Pflicht und das Recht zu Buchführung und
Bilanzierung gemäß §§ 238 ff. HGB, §§ 140, 141 AO entfallen und deshalb die
nachträglichen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15, 24 Nr. 2 EStG) gemäß § 4 Abs. 3
EStG ermittelt werden müssen (BFH-Urteil vom 22. Februar 1978 I R 137/74, BFHE 125,
42, BStBl II 1978, 430 und Beschluss vom 26. März 1991 VIII R 315/84, BFHE 166, 7;
BStBl II 1992, 472). Von diesem Grundsatz abzuweichen sieht der Senat keinen Anlass
(offengelassen wird die Frage in den BFH-Urteilen vom 6. März 1997 IV R 47/95, BStBl
II 1997, 509 und vom 22. September 1999 XI R 46/98, BStBl II 2000, 120; vgl. auch
Schießl, FR 2007, 136 m.w.N.).
b) Dass die Einkünfte des Jahres 1999 nachträgliche Einkünfte nach § 24 Nr. 2 EStG
sind, folgt aus dem bestandskräftig gewordenen Feststellungsbescheid für 1998 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006. In diesem Bescheid ist unter
anderem die Feststellung enthalten, dass die Klägerin den Betrieb im Jahr 1998
aufgegeben habe, nämlich am 24. November 1988 anlässlich des Schreibens der
Volksbank, in dem sie die Fortsetzung der Zwangsversteigerung beantragt hat. Die
Besteuerungsgrundlage der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) ist im Sinne von
§§ 157 Abs. 2, 179 Abs. 1 AO eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig und steht
mit keiner anderen in einem Verhältnis innerer Abhängigkeit. Eine erneute Prüfung der
Betriebsaufgabe im Rahmen der Feststellungsbescheide für die nachfolgenden Jahre
kommt nicht in Betracht.
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c) Der Beklagte hat die nachträglichen gewerblichen Einkünfte der Klägerin im Jahr
1999 auf 0 DM (§§ 162 AO, 181 AO) geschätzt. Der Senat sieht keinen Grund für eine
davon abweichende Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Besteuerungsgrundlagen
können nicht berechnet werden. Die Klägerin hat den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG
ermittelt, obwohl sie eine Einnahme-Überschussrechnung hätte vorlegen müssen. Sie
ist insbesondere der Aufforderung aus dem Erörterungstermin nicht nachgekommen,
dem Gericht nachzuweisen, dass die im Kontennachweis aufgelisteten Aufwendungen
tatsächlich als Betriebsausgaben abgeflossen sind (§§ 4 Abs. 4, 11 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Da gemäß dem Kontennachweis auch Einnahmen erzielt worden sind, steht nicht fest,
ob es im Jahr 1999 überhaupt zu einem Verlust gekommen ist. Die von der Klägerin
erwähnten laufenden Zahlungen an die Eheleute D reichen dafür nicht aus.
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III. Der zulässige zweite Hilfsantrag ist unbegründet.
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Die Aufhebung des Feststellungsbescheides für 1999 vom 4. Mai 2005 ist nicht möglich.
Der Beklagte hat die Einkünfte der Klägerin für das Streitjahr zu Recht einheitlich und
gesondert festgestellt. Nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO
werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte festgestellt, wenn an den Einkünften
mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind.
Diese Feststellung ist bei einer Personengesellschaft auch für die Zeit über ihre
Auflösung hinaus bis ihrer zu Vollbeendigung erforderlich (vgl. etwa BFH-Urteil vom 13.
Februar 1996 VIII R 18/92, BStBl II 1996, 291).
44
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
45
V. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil dafür kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 FGO
ersichtlich ist.
46