Urteil des FG Köln vom 30.10.2002

FG Köln: unternehmen, zusammenrechnung, doppelbelastung, kapitalgesellschaft, hinzurechnung, reserven, stillen, kaufpreis, gewinnausschüttung, einfluss

Finanzgericht Köln, 4 K 5914/97
Datum:
30.10.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 5914/97
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde teilweise stattgegeben.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer AG. Gegenstand des
Unternehmens ist die Beteiligung an Unternehmen im In- und Ausland.
2
Im Streitjahr war die Klägerin u.a. unmittelbar und mehrheitlich an der B
Lebensversicherung AG (B-AG), der C-Versicherung AG (C-AG), der D-
Krankenversicherung AG (D-AG) und der U-Versicherungs-AG (U-AG) beteiligt.
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Die Unternehmen sind Organgesellschaften des gewerbesteuerlichen Organkreises der
Klägerin.
4
Diese Unternehmen waren ihrerseits wieder zu 64,15 v.H. an dem Grundkapital der E-
AG beteiligt und zwar die B-AG zu 41,15 v.H., die C-AG zu 13 v.H., die D-AG zu 5 v.H.
und die U-AG zu 5 v. H.
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Mit Verträgen vom 14./18. und 19.12.1991 erwarb die Klägerin von den Konzerntöchtern
B-AG, C-AG, D-AG und U-AG deren gesamten Beteiligungen (= 64,15 v.H. bzw. nominal
19.245.000,-- DM) an der E mit Wirkung vom 31.12.1991, 24.00 Uhr zum Kaufpreis von
insgesamt 187.000.000,-- DM.
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Zusätzlich hat die Klägerin zum 06.12.1991 4 v.H. der Anteile am Grundkapital der E
von der außerhalb des Konzerns stehenden Schutzgemeinschaft S mit
Dividendenberechtigung ab dem 01.01.1991 zum Kaufpreis von 10.160.640,-- DM
erworben.
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Die E hatte vorgesehen - neben dem im Jahre 1991 erwirtschafteten Gewinn - weitere
Gewinnrücklagen aus den Vorjahren in Höhe von insgesamt 86.200.000,-- DM
auszuschütten. Der auf die Klägerin entfallende Gewinnanspruch (64,15 v.H. und 4 v.H.
von 150.000.000,-- DM zzgl. Körperschaftssteuergutschrift) in Höhe von 159.726.562,50
DM erfaßte die Klägerin in ihrem Jahresabschluß zum 31.12.1991. Dieser
Beteiligungsertrag bedingte aber gleichzeitig eine gleich hohe ausschüttungsbedingte
Teilwertabschreibung auf den Buchwert der Anteile an der E.
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Durch die Veräußerung ihrer jeweiligen Beteiligungen an der E erzielten die
veräußernden Organgesellschaften B-AG, C-AG, D-AG und U-AG insgesamt einen
Veräußerungsgewinn in Höhe von 122.567.083,-- DM. Dieser Veräußerungsgewinn
unterlag in voller Höhe der Körperschaft- und der Gewerbeertragsteuer.
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In der Gewerbesteuererklärung 1991 kürzte die Klägerin den Gewerbeertrag um den
Gewinnanspruch aus der E - Beteiligung in Höhe von 159.726.562,-- DM gem. § 9 Nr. 2
a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Den Hinzurechnungsbetrag nach § 8 Nr. 10
GewStG setzte sie hierin nicht in Höhe von 159.726.562 DM an, sondern kürzte diesen
um die bei den Organgesellschaften realisierten Veräußerungsgewinne aus der E -
Beteiligung in Höhe von insgesamt 122.567.083,-- DM auf 37.159.479,-- DM.
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Dem folgte der Beklagte nicht und erließ am 22.2.1993 einen Bescheid über die
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991. Darin sind
159.726.562,-- DM dem Gewerbeertrag wieder hinzugerechnet worden.
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Dieser Bescheid - gegen den sich die Klägerin mit Einspruch wehrte - ist in der
Folgezeit noch mehrfach - aus anderen Gründen - geändert worden, zuletzt vor der
Einspruchsentscheidung mit Bescheid vom 09.05.1997.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der
vorliegenden Klage. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 GewStG sei nur in Höhe von
37.159.479,-- DM (=159.726.562 DM abzüglich 122.567.083,-- DM) vorzunehmen. Die
von der Klägerin begehrte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2
GewStG sei gerechtfertigt, da es andernfalls zu einer Doppelerfassung im Organkreis
kommen würde. Die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu korrigierende
Doppelerfassung trete dadurch ein, dass das auf Seiten der E vorhandene
Ertragspotenzial, welches die in Rede stehenden Veräußerungsgewinne ausmache,
zugleich, nämlich auch in 1991, der Klägerin in Form von Gewinnausschüttungen
buchmäßig zugerechnet worden sei und bereits hierüber den der Klägerin - als
Organträger - zuzurechnenden Gewerbeertrag (des Organkreises) gemehrt habe. Dass
eine Kürzung des Gewerbeertrages um 122.567.083,00 DM erfolgen müsse, werde
deutlich, wenn man Folgendes berücksichtige: Wären die Gewinnrücklagen und das
Jahresergebnis 1991 der E zunächst an die Organgesellschaften und von diesen an die
Klägerin ausgeschüttet worden und hätten die Organgesellschaften dann ihre bereits
um das Ertragspotenzial "entleerten" E-Anteile an die Klägerin veräußert - zu dem
entsprechend verringerten Kaufpreis -, wäre die vorliegend gerügte Doppelerfassung
des aus den E-Anteilen resultierenden Ertragspotenzials im Organkreis unzweifelhaft
nicht eingetreten. Die gewerbeertragsteuerliche Behandlung könne jedoch nicht anders
ausfallen, wenn die in den E-Anteilen "gespeicherten" Erträge an den Organträger
ausgekehrt würden, erst nachdem die um das entsprechende Ertragspotential noch
"angereicherten" E-Anteile von den Organgesellschaften an den Organträger veräußert
worden seien. In beiden Fällen gehe es um die gewerbeertragsteuerliche Erfassung ein
und desselben im Organkreis angefallenen (realisierten) Ertragspotenzials, welches -
systembedingt - auch nur einmal erfasst werden dürfe. Drohe - wie vorliegend - eine
Doppelerfassung, sei diese - mangels anderweitig einschlägiger ausdrücklicher
Kürzungsvorschrift - über § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu korrigieren.
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Zudem wendet sich die Klägerin gegen die vom Beklagten versagte Kürzung nach § 9
Nr. 2 a i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG bezüglich der von der D-AG im
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Veranlagungszeitraum 1991 für 1990 vereinnahmten Gewinnausschüttungen der E in
Höhe von 562.500,00 DM. Im Hinblick auf die vom Organkreis der Klägerin gehaltene
Gesamtbeteiligungsquote von 64,15 %, die die Mindestbeteiligungsquote des § 9 Nr. 2 a
GewStG übersteige, sei auch der Gewerbeertrag der D-AG bezüglich der
vereinnahmten E-Ausschüttung gem. § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzen. Die Bedeutung des
§ 9 Nr. 2 a GewStG liege in der Vermeidung der gewerbeertragsteuerlichen
Doppelbelastung, die bei den in § 9 Nr. 2 a GewStG genannten Gewinnanteilen ohne
Kürzung bei den Anteilsinhabern eintreten würde. Bei der Zielsetzung der Vorschrift
hätte es eigentlich nahe gelegen, die Kürzung um Gewinne aus Anteilen an
Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung zuzulassen, wie das
nach § 9 Nr. 2 GewStG für Anteile am Gewinn aus Personengesellschaften der Fall sei.
Die Ausgangsüberlegung, nämlich die Beseitigung der Doppelbelastung, gelte auch für
niedrigere Beteiligungen. Auf Grund der historisch gewachsenen Bindung an die
Körperschaftsteuer habe der Gesetzgeber jedoch die Vermeidung der Doppelbelastung
bei Körperschaften auf sog. "Schachtelbeteiligungen" beschränkt, d. h. auf Anteile, die
in der Regel als Beteiligungen längerfristig gehalten würden und unternehmerischen
Einfluss garantierten. Demgegenüber stehe die einzelne Aktie, die ohne quotenmäßige
oder mengenmäßige Zusammenführung keinen direkten Einfluss auf das Unternehmen
und damit auf die unternehmerische Führung der Kapitalgesellschaft erlaube.
Voraussetzung für das Vorliegen eines gewerbesteuerlichen Organkreises sei die
finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in
das Unternehmen des Organträgers. Hierdurch werde sichergestellt, dass der Wille des
Organträgers im Unternehmen der Organgesellschaft durchgesetzt werde. Damit erhalte
die einzelne Aktie im gewerbesteuerlichen Organkreis eine andere Qualität als
außerhalb des gewerbesteuerlichen Organkreises. Im faktischen oder durch
Unternehmensverträge geprägten (Vertrags-) Konzern habe die Konzernmutter die
unternehmerische Führung. Die einzelnen Beteiligungen der Konzerngesellschaften
würden zielgerichtet zur unternehmerischen Führung der Beteiligungsgesellschaft
konzentriert. Somit herrschten im gewerbesteuerlichen Organkreis keine anderen
Verhältnisse hinsichtlich der zwar auf die Organgesellschaften verteilten, aber
insgesamt die Mindestbeteiligungsquote erreichenden Beteiligung als bei einer direkten
Beteiligung nur einer Kapitalgesellschaft in Höhe der Mindestbeteiligungsquote. Die D-
AG hätte die Gewinnanteile der nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft E
bei der Ermittlung ihres Gewinns angesetzt. Für die Beurteilung, ob die
Beteiligungsquote von mindestens 10 v.H. vorliege, sei auf den Beteiligungsumfang des
gesamten Organkreises der Klägerin abzustellen. Die Voraussetzungen für die
Anwendung des § 9 Nr. 2 a GewStG lägen demnach vor. Aus dem Gewerbeertrag des
Organkreises seien hiernach die von der D-AG vereinnahmten E-Dividenden
auszusondern. Im Ergebnis führe dies zu einer Erhöhung des bislang festgestellten
vortragsfähigen Gewerbeverlustes des Organkreises um 562.500,-- DM. Die
Zusammenrechnung der den einzelnen Gliedern eines Organkreises gehörenden
Beteiligung widerspreche weder dem Wortlaut von § 9 Nr. 2 a GewStG noch dem Sinn
und Zweck der Vorschrift, eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung, die bei den dort
genannten Gewinnanteilen ohne Kürzung beim Anteilsinhaber eintreten würde, zu
vermeiden. Der Zweck des Gesetzes, der auf das Engagement der Muttergesellschaft
an den beteiligten Gesellschaften abstelle, spreche dafür, eine Zusammenrechnung
zuzulassen. Übersteige daher die Beteiligungsquote - auch durch Zusammenrechnung
mehrerer Beteiligungsanteile - die nach § 9 Nr. 2 a GewStG erforderliche
Beteiligungsquote von 10 v. H., so sei eine Kürzung nach dieser Vorschrift zu gewähren.
Wenn der Beklagte argumentiere, dass die E nicht zum Organkreis der Klägerin gehöre,
so ergebe sich aus diesem Umstand nichts anderes. Denn die Zugehörigkeit dieser
Gesellschaft zum Organkreis der Klägerin sei für die im vorliegenden Streitfall
entscheidende Frage der Berechnung der Beteiligungsquote in Höhe von 10 v. H.
gemäß § 9 Nr. 2 a GewStG nicht maßgebend. Im Übrigen werde auf das Urteil des
Bundesfinanzhofes (BFH) vom 17. Mai 2000 I R 31/99 und die Verfügung der OFD
Hannover vom 15. Juli 2002 verwiesen, wonach für die Inanspruchnahme der
Kürzungen auf Grund der gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien jegliche Form der
Beteiligung in dem gesetzlich bestimmten Umfang von 1/10 genüge.
Die Klägerin beantragt,
15
den Bescheid auf den 31.12.1991 über die gesonderte Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlust vom 09.05.1997 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 01.07.1997 abzuändern und den vortragsfähigen
Verlust auf 365.964.216,-- DM festzustellen,
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hilfsweise,
17
die Revision zuzulassen.
18
Der Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
hilfsweise,
21
die Revision zuzulassen.
22
Entgegen der Auffassung der Klägerin komme keine Korrektur nach § 2 Abs. 2 Satz 2
GewStG in Betracht. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteile des
BFH vom 26. Januar 1972 I R 171/68, BStBl II 1972, 358 und vom 6. November 1985 I R
56/82, BStBl II 1986, 73) seien die sich bei der Zusammenrechnung der selbständig
ermittelten Gewerbeerträge der Organgesellschaften ergebenden doppelten
Belastungen oder doppelten Entlastungen auszuscheiden. Hierbei würden nur solche
Beträge abgesetzt oder hinzugerechnet, die eine doppelte Erfassung oder völlige
Befreiung des gleichen Gewerbeertrages bedeuten würden. Dies wäre der Fall, wenn
eine Organgesellschaft Gewinne der Gewerbesteuer unterworfen und thesauriert hätte
und diese Beträge bei einer Veräußerung der Beteiligung durch den Organträger in
Form eines Veräußerungsgewinnes wieder in Erscheinung getreten wären. Diese
Korrektur erfolge rein rechnerisch und beziehe sich ausschließlich auf die
Gewerbeerträge, nicht jedoch auf einzelne Geschäftsvorfälle, die zu den
Gewerbeerträgen geführt hätten. Es sei also zu überprüfen, welche Gewerbeerträge
bereits im Organkreis versteuert worden seien, die im Veräußerungsgewinn enthalten
seien. Nur solche Beträge würden nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ausgeschieden (vgl.
Erlass FinMin. NRW vom 14.03.1989 - G 1422 - 59 - VB 4, FR 1989, 347). Im Streitfall
liege eine solche Doppelbesteuerung des Gewerbeertrages im Organkreis nicht vor.
Denn zum einen sei der Veräußerungsgewinn nicht mit der hinzuzurechnenden
Teilwertabschreibung identisch, und zum anderen beruhe diese Abschreibung nicht auf
einer Ausschüttung der Organgesellschaften B-AG, C-AG, D-AG und U-AG, sondern auf
einer Ausschüttung einer im Streitjahr nicht zum Organkreis gehörenden Gesellschaft.
Die im Streitfall vorgenommene Hinzurechnung müsse allein als Gegenposten für den
steuerfreien Schachtelertrag verstanden werden. Eine Zusammenrechnung aller
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inländischen Beteiligungen aller Gesellschaften im Organkreis für die Berechnung der
Grenze nach § 9 Nr. 2a GewStG komme nicht in Betracht. Insoweit werde auch auf das
Urteil des BFH vom 21. August 1996 I R 186/94, BStBl II 1997, 434 hingewiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nur zum Teil begründet.
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Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin eine Kürzung der Summe des Gewinns und
der Hinzurechnungen um die Gewinne aus den Anteilen der D-AG an der E gem. § 9 Nr.
2 a GewStG begehrt.
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§ 9 Nr. 2a GewStG sieht eine Kürzung der Summe des Gewinns und der
Hinzurechnungen um Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen
Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 GewStG vor, an der das Unternehmen zu Beginn
des Erhebungszeitraums mit mindestens einem Zehntel am Grund- oder Stammkapital
beteiligt ist, wenn die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG)
angesetzt worden sind.
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Die Voraussetzungen einer Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 2 a GewStG sind
erfüllt. Die D-AG ist selbst zwar nur zu 5 % unmittelbar an der E beteiligt, so dass das für
die Besteuerung der D-AG zuständige Finanzamt zu Recht keine Kürzung des
Gewerbeertrages gem § 9 Nr. 2 a vorgenommen hat. Da aber die D-AG, die B-AG , die
C-AG und die U-AG aufgrund ihrer Eigenschaft als Organgesellschaften als
Betriebsstätten der Klägerin gelten (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), ist die Klägerin an der E
unmittelbar (vgl. hierzu auch Urteil des BFH vom 21. August 1996 I R 186/94, BStBl. II
1997, 434(435)) insgesamt zu 64,15 % beteiligt. Bei unmittelbaren Beteiligungen ist
nach Auffassung des erkennenden Senates nämlich eine zusammenrechnende
Beurteilung im Rahmen der Kürzungsvorschriften vorzunehmen. Da sich bei einer
Zusammenrechnung eine Beteiligung von mehr als 10% ergibt, ist eine Kürzung bei der
Klägerin gem. § 9 Nr. 2 a GewStG auch bezüglich der Gewinne des 5 % -igen Anteils
der D-AG an der E vorzunehmen.
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Die Klage ist aber unbegründet, soweit die Klägerin eine Erhöhung des vortragsfähigen
Verlustes um 122.567.083,-- DM begehrt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass insoweit
eine unzulässige Doppelerfassung erfolge. Dies ist indes nicht der Fall.
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Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes
inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, dass die Voraussetzungen
des § 14 Nrn. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt sind, als
Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche
Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die
Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches
Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich
bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder
eingeschränkte Einheitstheorie; siehe zur insoweit ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs --BFH-- Urteile vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BStBl II 1972, 582;
vom 6. November 1985 I R 56/82, BStBl II 1986, 73; vom 23. Januar 1992 XI R 47/89,
BStBl II 1992, 630; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BStBl II 1995, 794; vom 25. Oktober
1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504; vom 18. September 1996 I R 44/95, BStBl II 1997,
181; vom 22. April 1998 I R 109/97, BStBl II 1998, 748 und vom 30. Januar 2002 I R
30
73/01, BFH/NV 2002, 994). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche
Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem
Organträger zugerechnet wird (vgl. Urteil des BFH vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BStBl
II 1990, 916). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum
Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe - das sind die Gewerbebetriebe des
Organträgers und der Organgesellschaften - allein gegenüber dem Organträger
festzusetzen.
Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages nach dem Gewerbeertrag
maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die getrennt
ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en)
zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung
etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen
Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt,
sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen
der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu
bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen.
Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG (vgl. Urteile des BFH
vom 6. November 1985 I R 56/82, BStBl II 1986, 73; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93,
BStBl II 1995, 794; vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504; vom 18.
September 1996 I R 44/95, BStBl II 1997, 181, vom 22. April 1998 I R 109/97, BStBl II
1998, 748; vom 28. Oktober 1999 I R 111/97, BFH/NV 2000, 896, vom 28. Oktober 1999
I R 79/98, BFH/NV 2000, 745 und vom 30. Januar 2002 I R 73/01, BFH/NV 2002, 994).
31
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Gewinnminderung infolge der
ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen auf die E Beteiligung bei der
Ermittlung des Gewerbeertrages der Klägerin durch eine entsprechende Hinzurechnung
- und nicht nur um eine um die Veräußerungsgewinne geminderte Hinzurechnung - zu
neutralisieren.
32
Die Teilwertabschreibung ist nämlich nicht die notwendige Konsequenz der Aufdeckung
der stillen Reserven und der gewerbeertragsteuerlichen Erfassung der
Veräußerungsgewinne bei den Organgesellschaften B-AG, C-AG, D-AG und U-AG
durch den Verkauf der Anteile an der E an die Klägerin, sondern der
Gewinnausschüttung der E. Entscheidend für die Teilwertabschreibung und damit auch
für die Hinzurechnung ist die Gewinnausschüttung, nicht der Veräußerungsvorgang. Die
durch die Veräußerung angefallenen Gewinne können daher den
Hinzurechnungsbetrag nicht mindern. Die Klägerin versucht hier, eine unzulässige und
nicht nachvollziehbare Verbindung herzustellen.
33
Zu einer Doppelbelastung des Veräußerungsgewinns mit Gewerbesteuer ist es im
Streitfall nicht gekommen. Die den Veräußerungsgewinn ausmachenden stillen
Reserven beruhen auf angesammelten Gewinnen der E aus einer Zeit, als diese auf
jeden Fall nicht zum gewerbesteuerlichen Organkreis der Klägerin gehörte. Das
GewStG enthält keine Regelung, die eine "Doppelbelastung" des Ertrags aus der
Auflösung stiller Reserven - einmal bei einer nicht zum Organkreis gehörenden
Gesellschaft und ein anderes Mal bei der Organträgerin - verbietet (vgl. Urteil des BFH
vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BStBl. II 1994, 768).
34
Das von der Klägerin erstrebte Ergebnis lässt sich ebenso wenig auf die Besonderheit
stützen, dass es sich bei der im Streitfall in Rede stehenden Veräußerung der Anteile an
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der E nicht um eine solche an einen Dritten, sondern um eine solche innerhalb des
Organkreises handelt. Der BFH hat ebenfalls in seinem Urteil vom 2. Februar 1994 I R
10/93, BStBl II 1994, 768 herausgestellt, dass dies keinen Unterschied macht.
Auch das BFH- Urteil vom 30. Januar 2002 (I R 73/01, BFH/NV 2002, 994)steht dieser
Beurteilung nicht entgegen. Der Umstand, dass es sich bei der Ausschüttung in jenem
Urteilsfall um eine solche von Gewinnen aus vororganschaftlicher Zeit handelte, führte
dort nur deshalb zu einem abweichenden Ergebnis, weil § 8 Nr. 10 GewStG i.d.F. des
Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 noch nicht anwendbar war. Dies ist im
Streitfall anders.
36
Entscheidungsunerheblich ist auch, dass die Veräußerungsgewinne wohl nicht
angefallen wären, wenn die Ausschüttung der E nicht an die Klägerin, sondern an die
Organgesellschaften B-AG, C-AG, D-AG und U-AG erfolgt und erst danach die
Veräußerung an die Klägerin vorgenommen wäre. Die Klägerin und ihre
Organgesellschaften haben nämlich nicht diese, sondern eine andere Gestaltung
gewählt, so dass der Senat auch nicht darüber zu entscheiden hatte, ob durch diese
Gestaltungsmöglichkeit die Aufdeckung der stillen Reserven hätte vermieden werden
können.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, da das Obsiegen der
Klägerin nur von untergeordneter Bedeutung ist.
38
Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO).
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