Urteil des FG Köln vom 21.03.2002

FG Köln: leistung des arbeitgebers, arbeitslohn, geldwerter vorteil, ware, tarif, markt, vorteilsgewährung, dienstleistung, kirchensteuer, bereicherung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Köln, 15 K 5161/95
21.03.2002
Finanzgericht Köln
15. Senat
Urteil
15 K 5161/95
Anmerkung: Der Klage wurde teilweise stattgegeben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob durch die gegenüber Normaltarifen verbilligte
Gewährung von Versicherungsschutz durch die Klägerin und durch Konzernunternehmen
der Klägerin an deren Arbeitnehmer geldwerte Vorteile zu versteuern ist.
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen mit Hauptsitz in ..., beschäftigte im streitigen
Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 1993 ihre Außendienst-Mitarbeiter in ihrer
Betriebsstätte in ... .
In Deutschland sind Allbranchen-Versicherungsunternehmen verboten. Aus
übergeordneten ordnungspolitischen Gründen schreibt das deutsche
Versicherungsaufsichtsrecht vor, dass die drei Hauptsparten des Versicherungsgeschäfts
(Leben, Kranken, sowie Sach-, Schaden- und Unfall) nur durch eigenständige juristische
Personen betrieben werden dürfen. Infolge dessen ist das Versicherungsgeschäft des
Konzerns ... aufgeteilt. Neben der Klägerin besteht die X-AG und die Y-AG.
Die Klägerin räumte im streitigen Zeitraum ihren Arbeitnehmern aufgrund einer
Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung die Möglichkeit ein, sog.
Hausversicherungen abzuschließen. Dabei handelte es sich um Direktversicherungen im
Sinne des § 40 b EStG, wobei die Klägerin 2/3 der Beiträge übernahm.
Beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen räumte die Klägerin ihren Mitarbeitern
außerdem die Vorteile der sog. ... -Tarife ein. Diese sehen dieselben Beiträge vor wie
Normaltarife. Durch die Ansammlung bestimmter Beitragsteile, die versicherungstechnisch
mit 3. v. H. verzinst werden, ergibt sich allerdings eine höhere Leistung, die die Klägerin in
Abstimmung mit der Finanzverwaltung in Prozente der Beiträge (Tarifvorteile) umgerechnet
hat. In ihren Lohnsteueranmeldungen für die Jahre 1991 bis 1993 erfasste die Klägerin die
übernommenen 2/3 Anteile der Beiträge und die Tarifvorteile in der Weise, dass der nach §
8 Abs. 3 EStG steuerfreie Rabattfreibetrag zunächst um die Tarifvorteile vermindert und der
verbleibende Teil des Rabattfreibetrags mit dem übernommenen 2/3 -Anteil verrechnet
wurde. Der danach verbleibende Restbetrag wurde im Rahmen des § 40b EStG pauschal
versteuert.
Zwischen August 1993 und Dezember 1994 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-
Außenprüfung für den streitigen Zeitraum statt. Dabei stellte der Prüfer - soweit hier von
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Belang - fest, dass die Arbeitnehmer der Klägerin bei ihrer Betriebsstätte in ...
Anstellungsverträge bei der Z AG hätten. Für diese Angestellten bestehe die Möglichkeit,
bei ihrer Arbeitgeberin Lebensversicherungen und bei den übrigen Konzerngesellschaften
verschiedene Sachversicherungen verbilligt abzuschließen. Für die Bewertung der
verbilligten Sachbezüge aus den Lebensversicherungen sei die Vorschrift des § 8 Abs. 3
EStG anzuwenden. Geldwerte Vorteile, soweit sie den Rabattfreibetrag überschritten, seien
ordnungsgemäß versteuert worden. Soweit den Arbeitnehmern von anderen
Konzerngesellschaften für die dort abgeschlossenen Versicherungsverträge
Preisnachlässe gewährt worden seien, käme der Rabatt-Freibetrag des § 8 Abs. 3 EStG
hingegen nicht zur Anwendung. Eine Überprüfung habe zum Ergebnis geführt, dass die
steuerpflichtigen geldwerten Vorteile aus den Preisnachlässen der Konzerngesellschaften
bisher nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden seien. Die Nachversteuerung
erfolge nach § 40 Abs. 1 EStG. Hiervon ausgehend ermittelte der Prüfer - der Höhe nach im
Einvernehmen mit der Klägerin - die nachzuversteuernden Beträge pro Jahr mit ... DM, auf
die er einen gleichbleibenden Steuersatz von 46,8 v.H. anwandte. In der Lohnsteuer-
Außenprüfungsakte befindet sich hierzu ein Vermerk des Prüfers vom 8. November 1994,
wonach Herr ... von der Klägerin dabei sei, eine Auflistung derjenigen Arbeitnehmer zu
erstellen, die bei der .... Versicherungen abgeschlossen hätten. Herr ... bitte um 2 Tage Zeit,
um diese Vorbereitungsarbeiten für die Rabattversteuerung abschließen zu können. In
einem Vermerk über die abschließende Besprechung am 12. Dezember 1994 (Bl. 228 d.
A.) heißt es hierzu, die Arbeitgeberin habe ermitteln können, wieviele Arbeitnehmer die
jeweiligen einzelnen Sach- und Rechtsschutzversicherungen im Konzern abgeschlossen
hätten. Hierauf folgt die Zahl der Arbeitnehmer nach Versicherungssparten getrennt und die
Höhe des gewährten Rabatts. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Bericht
über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 2. Januar 1995 und auf den Vermerk zur
abschließenden Besprechung am 12. Dezember 1994 Bezug genommen
Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 10. Januar 1995 einen
Nachforderungsbescheid für 1995, mit dem er Lohnsteuer in Höhe von ... DM nebst
Lohnnebensteuern nachforderte. Zudem hob er den Vorbehalt der Nachprüfung für die
Lohnsteueranmeldungen 1/1990 bis 12/1993 auf.
Den hiergegen am 9. Februar 1995 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 4. August 1995 als unbegründet zurück.
Hierauf hat die Klägerin am 5. September 1995 die vorliegende Klage erhoben.
Mit der Klage hat die Klägerin zunächst u.a. geltend gemacht, dass sie in den
Lohnsteueranmeldungen für das Jahr 1990 das Verfahren zur Versteuerung der 2/3-Anteile
an den übernommenen Beiträgen bei den Hausversicherungen und zur Versteuerung der
Tarifvorteile unzutreffend - nämlich unter Nichtausnutzung des Freibetrages nach § 8 Abs.
3 EStG - angewandt habe. Deshalb sei die pauschale Lohnsteuer um ... DM und zudem die
pauschale Lohnkirchensteuer um ... DM vermindert zu berücksichtigen. Der Beklagte hat
dem - unter Verwahrung gegen die Kostenlast - mit geändertem Nachforderungsbescheid
vom 25. September 1996 entsprochen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24. Oktober
1996 gemäß § 68 FGO beantragt, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des
Klageverfahrens zu machen.
Die Klägerin macht geltend, sowohl hinsichtlich der verbilligten Überlassung von
Lebensversicherungen durch sie selbst als auch durch die Vergünstigungen bei den
Sachversicherungen ihrer Konzerngesellschaften handele es sich nicht um geldwerte
Vorteile im Sinne des § 8 Abs. 3 EStG. Denn die Vorschrift erfasse nur Arbeitslohn und
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diene allein der Bewertung. Sie erweitere aber nicht etwa den Begriff des Arbeitslohns über
dessen in § 8 Abs. 1 EStG definierten Inhalt hinaus. § 8 Abs. 3 EStG sei deshalb nur
anwendbar, wenn Arbeitslohn vorliege, d.h. wenn der Personalrabatt zu einer Bereicherung
des Arbeitnehmers führe und der Arbeitnehmer die Bezüge aufgrund seines
Dienstverhältnisses zur Abgeltung seiner erbrachten Leistungen erhalte. Eine solche
Bereicherung liege nicht vor, weil sie - die Klägerin - zu den hochpreisigen Versicherungen
gehöre und die Mitarbeiter trotz der Tarifvorteile für das in Anspruch genommene Produkt
immer noch mehr bezahlten als für vergleichbare Produkte von preiswerteren
Konkurrenzunternehmen.
Zur Konkretisierung der Hochpreisigkeit ihrer Produkte hat die Klägerseite mit Schriftsatz
vom 9. Januar 2001 die ihren Mitarbeitern von ihren Konzerngesellschaften eingeräumten
Konditionen in dem Bereich Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherungen, dem
Bereich Sachversicherung (Hausrat-, Glas-, und verbundene
Wohngebäudeversicherungen) und bei den von ihr eingeräumten Konditionen bei den
Lebensversicherungen mit den Tarifen ihrer Konkurrenten verglichen und hierzu Anlagen
eingereicht. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz nebst
Anlagen (Bl. 85 - 109 d. A.) Bezug genommen.
Wenn demgegenüber der BFH mit Urteil vom 30. Mai 2001 (VI R 123/00, BFH/NV 2001,
1482) entschieden habe, die Beurteilung eines geldwerten Vorteils habe allein anhand des
üblichen Endpreises für die konkrete Ware oder Dienstleistung zu erfolgen, seien diese
Grundsätze nicht ohne weiteres auf den Streitfall übertragbar. Denn hier habe sie
umfangreiches Zahlenmaterial aufbereitet, aus welchem sich eindeutig ergebe, dass sie zu
den hochpreisigen Versicherungen gehöre. Ein objektiver Betrachter sei deshalb ohne
weiteres in der Lage, einen geldwerten Vorteil abzulehnen, ohne dass es einer
Begrenzung der Sachaufklärung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip - wie vom BFH
angenommen - bedürfe. Deswegen spreche der BFH auch allein davon, es widerspräche
dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn der Arbeitgeber dazu verpflichtet wäre, den
üblichen Endpreis für die konkrete Ware ermitteln zu müssen. Hierzu müsse sie aber
berechtigt sein. Ihr Recht zur Verwertung der vorgelegten Unterlagen mache sie deswegen
ausdrücklich geltend. Dabei stütze sie sich auf Artikel 3 GG, weil der BFH in seiner
Entscheidung vom 17. Oktober 2001 (I R 103/00, DB 2001, 2474) umfangreiche
Ermittlungen zur Feststellung des "richtigen" Verrechnungspreises für erforderlich gehalten
habe und es letztlich bei der Frage der Vorteilszuwendung des Arbeitgebers an seine
Arbeitnehmer ebenfalls um die Feststellung des korrekten "Verrechnungspreises" gehe.
Die betroffenen Mitarbeiter erhielten die von ihr gewährten Tarifvorteile bei den
Lebensversicherungen auch nicht aufgrund des Arbeitsverhältnisses, sondern weil sie als
besondere Gruppe von Beitragszahlern angesehen werde, deren spezifische
Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Diese Gruppe werde als risikoarm, bestandsfest
(d.h. ohne große Fluktuationsraten) und als kostenarm angesehen, weil für sie kein
kostenintensiver Außendienst mit entsprechender Kundenbetreuung erforderlich und sie im
übrigen auch solvent sei. Sie gewähre derartige Tarifvorteile auch anderen Gruppen, etwa
im Rahmen der sogenannten ...tarife (...-Tarife) im Bereich der betrieblichen
Altersversorgung, wenn mindestens 10 Mitarbeiter einer Firma eine gleichartige
Versorgung erhielten und mindestens 90 % eines fest umschriebenen Personenkreises
versichert würden. Im ihrem Bestand befänden sich viele derartige Verträge, die ähnlich
den ...-Tarifen besondere Vergünstigungen vorsähen und deshalb preisgünstiger seien als
die anderen fremden Dritten angebotenen Normaltarife. Zusätzlich existierten ..., von denen
bereits eine große Anzahl von Unternehmen Gebrauch gemacht hätten.
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Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. September 2001 exemplarisch die
Gruppenversicherungsverträge mit der ... GmbH aus März 1991 und der ... GmbH aus
Oktober 1990 (Bl. 150-164 d.A.) und ... (Bl. 208f. d.A.) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird
Die Einräumung der Tarifvorteile geschehe zudem in ihrem ganz überwiegenden
eigenbetrieblichen Interesse. Als im Vergleich zu anderen Versicherungsunternehmen
hochpreisiger Anbieter habe sie nämlich ein gesteigertes Interesse daran, dass ihre
Mitarbeiter durch den Abschluss von Versicherungen bei ihrem Arbeitgeber dokumentieren,
dass sie voll hinter dessen Produkten stünden.
Weil in den Lohnsteueranmeldungen des streitigen Zeitraums die Vergünstigungen der
Mitarbeiter bei den Lebensversicherungen lohnversteuert worden seien, komme - weil gar
kein lohnsteuerlicher Vorteil vorliege - eine Rückforderung der gezahlten Steuern in
Betracht, so dass mit der Klage auch die Herabsetzung der bisher festgesetzten Lohnsteuer
begehrt werde.
Auch hinsichtlich der von den Konzerngesellschaften eingeräumten Vergünstigungen
gelte, dass vergleichbare Preisnachlässe auch anderen Gruppen gewährt würden. Beim
Abschluss von Sach- und Rechtsschutzversicherungen erhielten etwa Angehörige des
öffentlichen Dienstes (Beamte und Angestellte) Beitragsnachlässe in Höhe der den
Arbeitnehmern der Klägerin zugestandenen Vergünstigungen. In der Gewährung der
Preisvorteile durch die anderen Konzernunternehmen sei angesichts dessen keine echte
Lohnzahlung durch Dritte zu sehen. Denn die übrigen Konzerngesellschaften gewährten
die Vergünstigungen nicht für eine Beschäftigung, sondern für eine risikoarme
Versicherungsgruppe. Die Beitragsnachlässe stellten sich somit nicht als "Frucht der
Arbeitsleistung für den Arbeitgeber" dar, vielmehr kämen sie den Versicherungsnehmern
als bloßer Reflex ihrer Beschäftigung zugute.
Zudem bestehe für sie hinsichtlich der von den Konzerngesellschaften eingeräumten
Vorteile keine Lohnsteuerabzugsverpflichtung. Unechte Lohnzahlungen eines Dritten lägen
nicht vor, weil die übrigen Konzerngesellschaften nicht als ihre Leistungsmittler fungierten;
sie hätten nicht die Stellung einer auszahlenden Kasse und sie habe auch keinen Auftrag
zur Gewährung derartiger Vorteile erteilt. Siehe habe auch nicht etwa ihre Mitarbeiter zu
anderen Konzernunternehmen geschickt und den Konzerngesellschaften den Auftrag
gegeben, die dort ankommenden Mitarbeiter preiswerter zu versichern. Die betroffenen
Mitarbeiter hätten immer aus eigenem Entschluss gehandelt.
Auch echte Lohnzahlungen durch Dritte schieden aus. Abgesehen davon, dass mit der
verbilligte Tarif nicht als Frucht des Arbeitsverhältnisses angesehen werden könne, habe
sie lediglich abstrakt von der Gewährung der Vergünstigungen durch die
Konzerngesellschaften gewusst. Sie sei aber nicht in den Vorgang der Vorteilsgewährung
eingeschaltet worden. Sie sei eine autonome Kapitalgesellschaft, die Vorteile würden
demgegenüber von anderen autonomen Kapitalgesellschaften gewährt. Die
Vergünstigungen hätten auch in den Anstellungsverträgen ihrer Arbeitnehmer keinen
Niederschlag gefunden. Auch eine die Vorteilsgewährung entsprechende
Betriebsvereinbarung existiere nicht. Alleine eine Konzernzugehörigkeit könne aber keine
lohnsteuerliche Zurechnung nach sich ziehen. Darüber hinaus seien solche
Beitragsnachlässe nicht üblich i. S. d. § 38 Abs.1 S. 2 EStG. Anders als bei der Gewährung
von Trinkgeld etwa im Friseurhandwerk hätten sich im Bereich der Versicherungen
gewährte Vergünstigungen unter der Bevölkerung noch nicht herumgesprochen.
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Jedenfalls aber sei der Freibetrag des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG auf diese Vergünstigungen
der Konzerngesellschaft anzuwenden. Die Beschränkung dieser Vorschrift lediglich auf die
Leistungen des arbeitsrechtlichen Arbeitgebers lasse nämlich die versicherungsspezifische
Organisationsstruktur völlig außer Betracht. Beitragsnachlässe an einen Arbeitnehmer in
der Versicherungsgruppe, die - einen einheitlichen Arbeitgeber unterstellt - ohne Zweifel im
Rahmen des § 8 Abs. 3 EStG lohnsteuerfrei wären, seien nur deshalb steuerpflichtig, weil
die zwingende Organisation der Versicherungen in verschieden Sparten das Vorliegen
eines einheitlichen Arbeitgebers ausschließen. Dies sei grob unbillig und mit dem in Art. 3
GG manifestierten Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren.
Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass eine Versteuerung nach § 8 Abs. 3 EStG auch
hinsichtlich der von den Konzerngesellschaften gewährten Vorteile zu erfolgen habe, weil
bei den Arbeitnehmern ein von ihr gewährter Vorteil in der Form des Vorausverzichts auf
Provisionen vorliege. Nach dem zwischen ihr und der X-AG bestehenden
Courtageabkommen vermittele die Klägerin mit ihrer gesamten Organisation
Versicherungen in der von der Sachversicherung betriebenen Sparten. Sie erhalte hieraus
Provisionen, aus denen sie die Provisionsansprüche ihrer Mitarbeiter befriedige. Die
Provisionen beliefen sich z.B. bei den Hausrat-, Glas- und Wohngebäudeversicherungen
auf 30 v.H. der jeweiligen Beiträge. Bei dem Abschluss verzichte sie auf die ihr nach dem
Courtageabkommen zustehenden Provisionen. Unter Anwendung des BFH-Urteils vom 30.
Mai 2001 habe deshalb eine Versteuerung nach § 8 Abs. 3 EStG anstatt nach § 8 Abs. 2
EStG zu erfolgen.
Zur Verdeutlichung der Auswirkungen hieraus hat die Klägerin eine umfangreiche
Berechnung exemplarisch für einen Arbeitnehmer vorgelegt, der eine
Hausratsversicherung abgeschlossen hatte und die zum Ergebnis führt, dass es jedenfalls
teilweise zu einer Lohnsteuererstattung kommen müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten
hierzu wird auf diese Berechnungen (Bl. 268-271 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Nachforderungsbescheid vom 25. September 1996 und den Bescheid über die
Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung für die monatlichen Lohnsteuerfestsetzungen
1/90 bis 12/93 vom 10. Januar 1995 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4.
August 1995 aufzuheben,
2. die monatliche Lohnsteuerfestsetzungen 01/90 bis 12/90 jeweils um den Betrag von ...
DM Lohnsteuer sowie ... DM Kirchensteuer herabzusetzen,
3. die monatliche Lohnsteuerfestsetzungen 01/91 bis 12/91 jeweils um den Betrag von ...
DM Lohnsteuer sowie ... DM Kirchensteuer herabzusetzen,
4. die monatliche Lohnsteuerfestsetzungen 01/92 bis 12/92 jeweils um den Betrag von ...
DM Lohnsteuer sowie ... DM Kirchensteuer herabzusetzen,
5. die monatliche Lohnsteuerfestsetzungen 01/93 bis 12/93 jeweils um den Betrag von ...
DM Lohnsteuer sowie ... DM Kirchensteuer herabzusetzen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er macht geltend, zwar könne es aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen als
glaubhaft angesehen werden, dass die Klägerin zu den teuren Versicherungen zähle,
wenn es auch für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass eine Versicherung am Markt existieren
könne, wenn Konkurrenzunternehmen zu angeblich gleichen Versicherungsbedingungen
günstiger seien. Hierauf komme es aber nicht an, weil alleine auf den Vergleich zwischen
den Abgabepreisen der Klägerin an die Arbeitnehmer und ihren Endpreisen an fremde
Versicherungsnehmer entscheidend sei. Diese Sicht der Dinge sei auch durch das BFH-
Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00 bestätigt worden.
Hinsichtlich der Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG gelte, dass der Freibetrag nach Satz 2
der Vorschrift für Rabatte, die den Arbeitnehmern von Konzerngesellschaften eingeräumt
würden, nicht zur Anwendung komme. Dies entspreche auch der Auffassung des
Bundesfinanzministeriums.
Die Klägerin sei auch hinsichtlich der von den Konzerngesellschaften gewährten Vorteile
lohnsteuerabzugsverpflichtet. Die Verpflichtung ergebe sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Denn zwischen der Klägerin und den rabattgewährenden Gesellschaften bestehe eine
enge wirtschaftliche und tatsächliche Verflechtung im Rahmen eines Konzernverbundes,
so dass die Leistung der Konzerngesellschaften der Leistung des Arbeitgebers
gleichkomme. Darüber hinaus habe der Konzern ein einheitliches Rabattsystem
eingerichtet, nach dem die beteiligten Gesellschaften ihren Arbeitnehmern gegenseitig
festgelegte Rabatte gewährten. Aber selbst unter Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG
sei eine Abzugsverpflichtung der Klägerin gegeben. Es entspreche allgemeiner Übung,
dass Mitarbeiter im Konzernverbund einer Versicherung Vergünstigungen von allen
verbundenen Unternehmen erhielten. Sonst sei nämlich nicht erklärlich, dass von 200
Arbeitnehmern der Klägerin 76 eine verbundene Hausratversicherung, 66 eine
Rechtsschutzversicherung und 83 eine Privathaftpflichtversicherung bei
Konzernunternehmen abgeschlossen hätten. Der Abzugsverpflichtung der Klägerin stehe
auch nicht das BFH-Urteil vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94 entgegen. Zwar sei danach
Voraussetzung, dass der Arbeitgeber über die Höhe der von einem Dritten erlangten Vorteil
in Kenntnis gesetzt werde. Im dortigen Sachverhalt sei es aber um die
Lohnsteuerabzugsverpflichtung für Trinkgelder gegangen. Hier handele es sich aber nur
rechtlich um Leistungen Dritter. Tatsächlich sei die Klägerin aber weder auf die
Informationen ihrer Arbeitnehmer noch auf solche von fremden Dritten angewiesen,
sondern könne die für die Versteuerung notwendigen Daten aus eigener Berechtigung von
den im Konzernverbund stehenden Versicherungen holen. Entsprechend dem Vermerk zur
Besprechung am 12. Dezember 1994 habe es der Klägerin auch offensichtlich keine
Probleme bereitet, die Anzahl der Arbeitnehmer zu ermitteln, die Rabatte bei
Konzerngesellschaften erhalten hätten, wobei sogar noch eine Aufschlüsselung nach
Versicherungsart und Höhe des Rabattes möglich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der
Gerichts- und Steuerakten und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 21.
März 2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
Die Klage gegen den Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
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betreffend die Lohnsteueranmeldungen 1/90 bis 12/93 ist lediglich teilweise für den
Zeitraum 1/90 - 12/90 begründet, im übrigen aber unbegründet.
a.
Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 4. August 1995 betreffend die Lohnsteueranmeldungen 1/90-12/90 ist insoweit
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vergl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ), als der Beklagte die angemeldeten Lohnsteuerbeträge
nicht um monatlich ... DM bei der Lohnsteuer und um ... DM bei der Kirchensteuer
vermindert hat.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die ursprünglichen
Lohnsteueranmeldungen aus 1990 unzutreffend seien, weil die Lohnversteuerung der
Beiträge zu den Hausversicherungen und der Vorteil des sog. ...-Tarif bei den
Lebensversicherungen der Mitarbeiter der Klägerin nicht zutreffend erfolgt sei, weil der
Freibetrag des § 8 Abs. 3 EStG nicht ausgenutzt worden sei und deshalb die pauschale
Lohnsteuer in Höhe von ... DM und die pauschale Lohnkirchensteuer in Höhe von ... DM zu
ermäßigen sei. Der Senat sieht daher zu diesem Punkt von weiteren Ausführungen in
materieller Hinsicht ab.
Der Beklagte hat entsprechend diesem Teil des Klagebegehrens durch die Reduzierung
der Nachforderungssumme laut geändertem Nachforderungsbescheid vom 25. September
1996 abgeholfen. Zutreffenderweise hätte er dies aber nicht durch die Verrechnung mit
dem Nachforderungsbescheid vornehmen können, weil es sich um zu hohe
Lohnsteueranmeldungen von der Klägerin für den Zeitraum 1/90-12/90 handelt und
entsprechend durch die Reduzierung in den Lohnsteueranmeldungen zu berücksichtigen
ist. Jede andere Handhabung würde zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes zu Lasten
der Klägerin führen, weil mit der Saldierung dieses Teils des Klagebegehrens mit dem
Nachforderungsbescheid die Klägerin mit ihrem Begehren, den Nachforderungsbescheid
in vollem Umfang aufzuheben, ihren rechtlichen Standpunkt, die Nachforderungsbeträge
seien insgesamt unberechtigt, nicht mehr in vollem Umfang durchsetzen könnte.
Der Senat folgt der Auffassung der Beteiligten, dass der unstreitige Betrag, hinsichtlich
dessen die Lohnsteueranmeldungen für den Zeitraum 1/90-12/90 unzutreffend sind, der
Betrag aber den einzelnen Lohnsteueranmeldungen - die weder dem Beklagten noch dem
Gericht vorliegen - nicht zugeordnet werden kann, zur Minderung der Lohnsteuer im Wege
einer Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) derart führt, dass in jeder
Lohnsteueranmeldung 1/12 der unstreitigen Höhe berücksichtigt wird.
b.
Obschon mit dem Einspruch und der Klage gegen den Bescheid über die Aufhebung des
Vorbehalts der Nachprüfung alle Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der
Steuerfestsetzung geltend gemacht werden können (Klein/Rüsken, AO, 7 Auflage, § 164
Rz. 59), erweisen sich die Lohnsteueranmeldungen für den gesamten Streitzeitraum im
übrigen aber als rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten
Zutreffend geht der Beklagte dabei davon aus, dass die den Mitarbeitern der Klägerin bei
den Lebensversicherungen gewährten Vorteile des ...-Tarifs dem Grunde nach Arbeitslohn
darstellen.
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Zum Arbeitslohn gehören gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG des Einkommensteuergesetzes -
EStG - u.a. Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt
werden. Zu den Vorteilen zählen auch Preisnachlässe, die der Arbeitgeber aufgrund des
Dienstverhältnisses allen oder einzelnen Arbeitnehmern auf eigene Waren oder
Dienstleistungen einräumt. Die Gewährung von Personalrabatten führt allerdings nur dann
zu Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer durch den Personalrabatt bereichert ist (BFH-Urteil
vom 1. Dezember 1995 VI R 76/91, BStBl II 1996, 239). Ein als Arbeitslohn zu erfassender
geldwerter Vorteil kann darin gesehen werden, dass eine Versicherung ihren
Arbeitnehmern bei dem Abschluss von Versicherungsverträgen einen gegenüber den
Normaltarif günstigeren Tarif einräumt (BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BFH/NV
2001, 1482).
So liegt der Fall hier. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin räumt sie ihren
Mitarbeitern beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen den Vorteil des sog. ...-
Tarifs ein, der zwar keine direkte Beitragsermäßigung gegenüber den Normaltarifen
vorsieht, aber gegenüber dem Normaltarif höhere Leistungen vorsieht, die nach dem
eigenen Bekunden in einen Vorteil bei dem Beitrag umgerechnet werden können und
tatsächlich auch wurden.
Der Einwand der Klägerin, sie gehöre zu den hochpreisigen Versicherungen, so dass die
Mitarbeiter durch die Einräumung des ...-Tarifs nicht bereichert seien, weil sie Leistungen
ebenso günstig bei Konkurrenzunternehmen hätten erlangen können, greift nicht durch.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, (Wohnung, Kost,
Waren und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen.
Dabei ist der Endpreis für die konkrete - verbilligt oder unentgeltlich - überlassene Ware
oder Dienstleistung des fraglichen Herstellers oder Dienstleisters zu ermitteln und nicht der
Endpreis für funktionsgleiche qualitativ gleichwertige Waren oder Dienstleistungen.
Entscheidend für die Bejahung eines geldwerten Vorteils durch den verbilligten oder
unentgeltlichen Sachbezug ist, dass ein objektiver Betrachter aus der Sicht des
Empfängers einen geldwerten Vorteil im Sinne einer objektiven Bereicherung bejahen
würde. Am Markt werden für funktionsgleiche und qualitativ gleichwertige Waren und
Dienstleistungen unterschiedlicher Hersteller und Dienstleister durchaus unterschiedliche
Preise gezahlt. Einzelne Produkte erfreuen sich gegenüber funktionsgleichen und qualitativ
gleichwertigen Produkten anderer Hersteller oder Dienstleister einer höheren
Wertschätzung. Werden am Markt für diese höher bewerteten Waren oder Dienstleistungen
höhere Preise gezahlt als für funktionsgleiche und qualitativ gleichwertige Produkte, ist
derjenige, der das am Markt höher bewertete Produkt zu einem verbilligten Preis erhält,
objektiv bereichert. Er kann nicht einwenden, die ihm verbilligt oder unentgeltlich
überlassene konkrete Ware oder Dienstleistung ansonsten nicht erworben und deshalb
keinen Vorteil erlangt zu haben. Entscheidend ist, dass er den Vorteil tatsächlich in
Anspruch genommen hat. Ebenso kann er nicht geltend machen, ansonsten eine andere
funktionsgleiche und qualitativ gleichwertige Ware oder Dienstleistung zu einem
geringeren als dem üblichen Endpreis der in Rede stehenden Ware oder Dienstleistung
erworben zu haben. Darauf, zu welchem Preis funktionsgleiche und qualitativ gleichwertige
Waren oder Dienstleistungen anderer Hersteller oder Dienstleister am Markt angeboten
werden, kommt es auch deshalb nicht an, weil andernfalls die Bewertungsregelung in § 8
Abs. 2 Satz 1 EStG nicht handhabbar wäre. Der Arbeitgeber, das Finanzamt und
nachfolgend ggf. die Finanzgerichte wären kaum in der Lage, festzustellen, welche der am
Markt angebotenen Waren oder Dienstleistungen der in Rede stehenden Ware oder
Dienstleistung funktionsgleich und qualitativ gleichwertig sind. Das würde zu kaum zu
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bewältigenden Schwierigkeiten und Streitigkeiten über die Funktionsgleichheit und
qualitative Gleichwertigkeit anderer Waren und Dienstleistungen führen (BFH-Urteil vom
30. Mai 2001 VI R 123/00, a.a.O.).
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, hier liege der Fall tatsächlich
anders, weil sie ihre Tarife mit denen ihrer Konkurrenten verglichen habe, wobei sich
eindeutig ergebe, dass die Klägerin zu den hochpreisigen Versicherungen gehöre und das
Finanzgericht - FG - dies entsprechend zu würdigen habe. Denn nach dem oben
genannten Maßstab ist die Tatsache des Nachweises der Funktionsgleichheit bzw.
Gleichwertigkeit der Dienstleistungen mit denen von Konkurrenten alleine nicht
entscheidend für den notwendigen Vergleich des gezahlten Preises für das Produkt des
fraglichen Dienstleisters. Die objektive Bereicherung der Mitarbeiter kann vielmehr darin
liegen, dass die Produkte der Klägerin - hier die Lebensversicherungen - gerade wegen
ihrer Hochpreisigkeit sich einer höheren Wertschätzung erfreuen und deswegen die
Mitarbeiter, die dieses am Markt hochgeschätzte Produkt zu günstigeren Konditionen
erhalten, als unter Zugrundelegung des Normaltarifs, durch den gewährten ...-Tarif
bereichert sind.
Nach der Überzeugung des Senats ist der Vorteil des sog. ...-Tarifs auch für die
Beschäftigung der Mitarbeiter gewährt worden, weil er durch das Dienstverhältnis der
Arbeitnehmer veranlasst war. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird,
weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit
Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn sich die Leistung des
Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der
individuellen Arbeitskraft der Arbeitnehmers erweist (Schmidt/Drenseck, EStG, 20. Aufl. §
19 Rz 24 m.w.N.). So liegt der Fall hier, weil der Tarifvorteil des ...-Tarifs ausschließlich den
Mitarbeitern der Klägerin angeboten wurde und damit an das Zurverfügungstellen der
Arbeitskraft der jeweiligen Arbeitnehmer geknüpft war. Dass die Klägerin auch anderen
Versicherten im Rahmen von Sammelversicherungs- und Gruppenversicherungsverträgen
vergünstigte Tarife eingeräumt hat, steht dem nicht entgegen. Denn ausweislich der hierzu
zur Akte gereichten Unterlagen setzten solche Vergünstigungen das Einhalten anderer
Merkmale voraus, als solche, die die Mitarbeiter erfüllten. Ausweislich des § 3 der zur Akte
gereichten Gruppenversicherungsverträge müssen von den in § 1 bezeichneten
versicherten Personen mindestens 90 v.H. versichert werden, wobei mindestens 10
Personen versichert sein müssen. Diese Mindestzahl der Versicherten gilt auch
ausweislich der ... . In den Gruppenversicherungen wird der Arbeitgeber
Versicherungsnehmer und dementsprechend Beitragsschuldner. Die Arbeitnehmer der
Klägerin mussten hingegen außer ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer keine weiteren
einschränkenden Kriterien erfüllen, um den Tarifvorteil zu erlangen.
Der Annahme des Vorliegens von Arbeitslohn durch die Einräumung des Vorteils des ...-
Tarifs steht auch nicht die Erwägung der Klägerin entgegen, insoweit habe ihr ganz
überwiegendes Eigeninteresse vorgelegen, weil sie als hochpreisige Anbieterin ein
gesteigertes Interesse daran gehabt habe, dass ihre Mitarbeiter durch den Abschluss von
Versicherungen dokumentierten, dass sie voll hinter den Produkten der Klägerin stünden.
Denn wenn dies auch ein entsprechendes Eigeninteresse der Klägerin darstellt, ist es
gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmer, verbilligt Dienstleistungen der Klägerin in
Form von Lebensversicherungen zu erhalten, jedenfalls nicht als ganz überwiegend,
sondern allenfalls als gleichwertig anzusehen.
2.
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Die Klage gegen den Nachforderungsbescheid des Beklagten ist hingegen begründet. Der
geänderte Bescheid des Beklagten vom 25. September 1996 ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten.
a.
Bei den Beitragsermäßigungen zu den Sach- und Rechtsschutzversicherungen zugunsten
der Mitarbeiter der Klägerin handelt es sich um solche, die nicht von der Klägerin, sondern
von den Konzerngesellschaften der Klägerin eingeräumt wurden. Soweit die Klägerin mit
ihrem Hilfsvorbringen geltend macht, auch insoweit liege eine von ihr erbrachte eigene
Leistung vor, weil sie gegenüber den Konzernunternehmen auf Provisionsansprüche aus
den Courtageabkommen verzichte, vermag der Senat hieraus alleine keine gegenüber
ihren Mitarbeitern erbrachte unentgeltliche Vermittlungsleistung zu erkennen. Zwar kann
eine Vermittlungsleistung in Betracht kommen, wenn die Vorteilsgewährung einer dritten
Versicherung an die Arbeitnehmer eines Arbeitgebers darauf beruht, dass der Arbeitgeber
gegenüber der Versicherung im Voraus auf seinen Provisionsanspruch verzichtet und die
Versicherung aufgrund dessen zugunsten der Mitarbeiter vergünstigte Tarife einräumt
(BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, a.a.O.). Einen derartigen
Kausalzusammenhang zwischen Provisionsverzicht der Klägerin und vergünstigtem Tarif
zugunsten der Mitarbeiter vermag der Senat aber nicht zu erkennen. Dagegen spricht
bereits, dass der Prozentsatz der Beitragsermäßigung nicht kongruent ist mit dem
Provisionsanspruch der Klägerin. Zudem widerspräche dies dem eigenen Vortrag der
Klägerin, dass diese Vorteile dem Mitarbeitern gewährt werden, weil sie - entsprechend
Beamten und Angestellten - als risikoarme Gruppe eingestuft werden, die weniger Schäden
produziere als andere Personengruppen.
Unabhängig hiervon kann der Senat - selbst wenn der Kausalzusammenhang zwischen
Provisionsverzicht der Klägerin und vergünstigtem Tarif zugunsten der Mitarbeiter bestünde
- nicht erkennen, dass die Klägerin als Vermittlerin der Versicherungsverträge bei den
Konzerngesellschaften aufgetreten wäre. Denn die Klägerin hat vorgetragen, dass sie nicht
aktiv beim Abschluss dieser Verträge tätig geworden ist, sondern die Mitarbeiter jeweils
aus eigenem Entschluss gehandelt hätten. Sie hat zudem in der mündlichen Verhandlung
nochmals ausdrücklich bestätigt, dass über den Provisionsverzicht hinaus keine aktiven
Handlungen der Klägerin vorgelegen hätten, die zum Abschluss der Versicherungen der
Mitarbeiter mit den Konzerngesellschaften geführt haben. Der Vorausverzicht auf
Provisionen stellt sich bei dieser Sachlage lediglich als die Schaffung von begünstigenden
Rahmenbedingungen dar, ohne dass ein konkretes und aktives Vermittlungshandeln der
Klägerin erkennbar wäre. Ein solches "Einschalten der Klägerin als Vermittlerin" ist nach
der Entscheidung des BFH vom 30. Mai 2001, VI R 123/00 in den Urteilsgründen zu 6. - am
Ende - aber erforderlich.
b.
Wenn es sich aber bei den vorteilhaften Tarifen bei den Konzerngesellschaften um
Leistungen eines Dritten handelt, bedarf es für die Beurteilung der
Lohnsteuerabzugsverpflichtung des Arbeitgebers der Prüfung, ob es sich um sogenannten
unechten Arbeitslohn handelt, bei dem der Dritte lediglich als Leistungsmittler des
Arbeitgebers fungiert, oder ob es sich um eine echte Lohnzahlung eines Dritten handelt.
Bei der unechten Lohnzahlung bleibt der den Dritten als Leistungsmittler einsetzende
Arbeitgeber der den Arbeitslohn Zahlende. Das ist z.B. der Fall, wenn der Dritte die
Stellung einer Kasse des Arbeitgebers innehat oder wenn der Dritte im Auftrag des
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Arbeitgebers leistet. Liegen hingegen echte Lohnzahlungen eines Dritten vor, ist der
Arbeitgeber nur unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Einbehaltung
der Lohnsteuer verpflichtet. Voraussetzung ist dann, dass der Dritte den Vorteil für eine
Beschäftigung des Begünstigten gewährt hat, dieser verbilligte Tarif deshalb als Frucht der
Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten ist, dass es sich bei dem Vorteil um
üblicherweise von einem Dritten gezahlten Arbeitslohn handelt und der Arbeitgeber in den
Vorgang der Vorteilsgewährung eingeschaltet war oder die Arbeitnehmer den Arbeitgeber
über die Vorteile unterrichtet haben (vergl. zum Ganzen: BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R
123/00, a.a.O.).
c.
Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür finden können, dass im Streitfall unechter
Arbeitslohn eines Dritten vorliegt. Soweit der Beklagte hierzu geltend macht, zwischen der
Klägerin und den rabattgewährenden Gesellschaften bestehe eine enge wirtschaftliche und
tatsächliche Verflechtung im Rahmen eines Konzernverbundes, so dass die Leistung
wirtschaftlich der des Arbeitgebers gleichkomme, wobei innerhalb des Konzerns ein
einheitliches Rabattsystem eingerichtet worden sei, ist dies nach dem o.g. Maßstab nicht
ausreichend. Denn die Tatsache des Vorliegens von Vorteilen innerhalb eines Konzerns
rechtfertigt weder die Annahme, die Konzerngesellschaften bildeten eine Kasse der
Klägerin, noch ergibt sich hieraus ohne weiteres eine Vorteilsgewährung im Auftrag der
Klägerin. Wäre alleine die Konzernzugehörigkeit ausreichendes Kriterium für die Annahme
von unechten Lohnzahlungen eines Dritten, wäre zudem die höchstrichterliche
Rechtsprechung zur Frage, ob Vorteile einer Konzerngesellschaft nach § 8 Abs. 3 EStG
steuerfrei sein können (vergl. dazu BFH-Urteil vom 8. November 1996 VI R 100/95, BStBl II
1997, 330) nicht verständlich. Denn wenn bei der unechten Lohnzahlung der Arbeitgeber
der den Arbeitslohn Zahlende bleibt, wird der gewährte Vorteil rechtlich als ein von ihm
stammender Vorteil im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG behandelt, so dass es nur
konsequent wäre, diesen Vorteil als unter § 8 Abs. 3 EStG fallend zu qualifizieren. Die
Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG für Vorteile innerhalb eines Konzerns zu verneinen liegt
demgemäß der Gedanke zugrunde, dass dann ein als Lohn zu beurteilender Vorteil gerade
nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten stammt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG im Fall
der Vorteilsgewährung im Konzern ebenfalls zugrundelegend: Niedersächsisches
Finanzgericht, Urteil vom 28. Januar 1999 XI R 641/97, EFG 2000, 1323).
d.
Sind danach die von den Konzerngesellschaften gewährten Vorteile nach den
Grundsätzen der echten Lohnzahlung durch Dritte zu beurteilen, vermag der Senat weder
zu erkennen, dass es sich bei den Vorteilen um eine Frucht der Arbeitsleistung für den
Arbeitgeber handelt, noch im übrigen die Verpflichtung des Klägerin zum Lohnsteuerabzug
für diese Vorteile zu bejahen. Ob es sich um üblicherweise von einem Dritten gezahlten
Arbeitslohn handelt, mag angesichts dessen dahinstehen.
aa.
Vorteile, die dem Arbeitnehmer von einem Dritten eingeräumt werden, bilden dann keinen
Vorteil und damit keinen Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn der
Vorteil auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte. (FG Niedersachsen,
Urteil vom 28. Januar 1999 XI R 641/97, a.a.O; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 32).
Hierbei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen fremden Personen der Vorteil
eingeräumt wird (etwa durch Verhandlungsgeschick) oder wie groß der begünstigte
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Personenkreis gewesen ist (FG München, Urteil vom 17. Januar 2002 7 K 1790/00, zur
Veröffentlichung in EFG vorgesehen). So liegt der Fall hier. Denn die Klägerin hat hierzu -
vom Beklagten unwidersprochen - vorgetragen, beim Abschluss von
Rechtsschutzversicherungen erhielten Angehörige des öffentlichen Dienstes (Beamte und
Angestellte) Beitragsnachlässe in Höhe der ihren Arbeitnehmern zugestandenen
Vergünstigungen.
bb.
Liegt eine echte Lohnzahlung eines Dritten vor, besteht eine
Lohnsteuerabzugsverpflichtung des Arbeitgebers im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG
nur dann, wenn der Arbeitgeber über die Höhe der Löhne in Kenntnis gesetzt wird, z.B.
dadurch, dass er in den Zahlungsvorgang eingeschaltet wird oder dass seine Arbeitnehmer
über derartige Zuflüsse Angaben machen. Denn der Arbeitgeber ist nicht befugt,
Besteuerungsgrundlagen zu Lasten Dritter - nämlich seiner Arbeitnehmer - zu schätzen
(BFH-Urteile vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BStBl II 1999, 323; vom 30. Mai 2001 VI R
123/00, a.a.O.).
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Zeitpunkt der
Vorteilsgewährung eine solche Kenntnis der Klägerin vorgelegen hat. Nach dem Vortrag
der Klägerin wusste sie von der Gewährung der Vergünstigungen bei den anderen
Konzerngesellschaften lediglich in abstrakter Form. Entsprechend hätten für diese Vorteile
weder Regelungen in den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter existiert, noch hätte eine
Betriebsvereinbarung bestanden. Dies deckt sich mit dem übrigen Inhalt der Akten. Denn
die Klägerin hat tatsächlich insoweit keinen Lohnsteuerabzug vorgenommen. Ausweislich
des Vermerks des Prüfers vom 8. November 1994 war es der Klägerin lediglich im
Nachhinein möglich, die entsprechende Informationen - nämlich zur Frage, welche
Arbeitnehmer tatsächlich bei anderen Konzernunternehmen Versicherungen
abgeschlossen hatten - zu beschaffen, wobei hierfür ein nicht unerheblicher zeitlicher
Aufwand verbunden war. Entsprechend hat der Prüfer im Prüfungsbericht festgehalten, es
sei gelungen, im Einvernehmen mit der Klägerin die Bemessungsgrundlagen für die
Nachversteuerung zu ermitteln.
Der Beklagte hat für die Tatsache der Kenntnis der Klägerin über die Vorteile - für die er die
Darlegungs- und Feststellungslast trägt - lediglich vorgetragen, diese Voraussetzung sei
erfüllt, weil - anders als bei Trinkgeldern - wegen des Vorliegens von Vorteilsgewährungen
im Konzern die Klägerin weder auf Informationen fremder Dritter noch der eigenen
Mitarbeiter angewiesen sei, sondern die für die Versteuerung notwendigen Daten aus
eigener Berechtigung von dem im Konzernverbund stehenden anderen Versicherungen
holen könne. Abgesehen davon, dass diese Informationsverschaffung nur auf faktischer
Grundlage gelingen kann, weil die Klägerin insoweit zurecht geltend macht, sie sei eine
autonome Kapitalgesellschaft und deswegen nicht ersichtlich ist, wie die Klägerin sich die
entsprechenden Informationen beschaffen können soll, wenn sie ihr von einer anderen
Konzerngesellschaft etwa verweigert würde, ist dies nach Auffassung des Senats für die
Begründung der Lohnsteuerabzugsverpflichtung nicht ausreichend. Es kommt nach dem
obigen Maßstab nämlich nicht darauf an, ob die Klägerin die für den Lohnsteuerabzug
zutreffende Bemessungsgrundlage zutreffend ermitteln kann, sondern darauf, dass sie
hierüber in Kenntnis gesetzt wird. Denn es ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen
Grundlage eine Ermittlungspflicht des Arbeitgebers fußte (gegen eine Befragungspflicht
des Arbeitgebers im Falle der Trinkgeldgewährung ebenso: Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 38
Rz. 10).
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Dass die Nachversteuerung ausweislich des Lohnsteuer-Außenprüfungsberichts pauschal
nach § 40 Abs. 1 EStG erfolgte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere zwingt die
Tatsache, dass eine derartige Pauschalierung nur auf Antrag möglich ist, nicht zur
Annahme, aufgrund des Antrages stehe die Abzugsverpflichtung der Klägerin für die
Lohnzahlungen Dritter fest. Denn da die pauschalierte Lohnsteuer nichts anderes als eine
besonders berechnete Lohnsteuer ist, darf sie nur für solche Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit erhoben werden, die dem Lohnsteuerabzug unterlägen, wenn der
Arbeitgeber keinen Pauschalierungsantrag gestellt hätte (BFH-Urteil vom 20. Juli 2000 VI
R 10/98, BFH/NV 2001, 35).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 137 Satz 1 FGO. Dabei war zu
berücksichtigen, dass der teilweise Erfolg der Klage hinsichtlich der
Lohnsteueranmeldungen für 1990 ausschließlich darauf beruhte, dass die Klägerin
erstmals im Klageverfahren geltend gemacht hatte, das Verfahren zur Versteuerung der
2/3-Anteile an den übernommenen Beiträgen bei den Hausversicherungen und zur
Versteuerung der Tarifvorteile sei unter Nichtausnutzung des Freibetrages nach § 8 Abs. 3
EStG angewandt worden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin dies nicht bereits
früher - nämlich vor Erhebung der Klage - hätte geltend machen können.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Der Senat macht von der in § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch,
dem Beklagten die Neuberechnung der Lohnsteuer nach Maßgabe der Urteilsgründe zu
übertragen.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO i.d.F. des 2. FGOÄndG wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil höchstrichterlich ungeklärt ist, unter welchen
Voraussetzungen eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung des Arbeitgebers für Vorteile seiner
Arbeitnehmer, die diesen von Konzerngesellschaften des Arbeitgebers eingeräumt werden,
besteht.