Urteil des FG Köln vom 08.07.2004

FG Köln (steuer vom einkommen, aufteilung, beschränkung, höhe, ehemann, vorschrift, steuer, einkommen, sicherheitsleistung, vollstreckung)

Finanzgericht Köln, 10 K 6552/03
Datum:
08.07.2004
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 6552/03
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom
22.05.2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom
06.11.2003 verpflich-tet, die rückständige Einkommensteuer 1986 bis
1999 und Vermögensteuer 1986 bis 1990 aufzuteilen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin ab-wenden, soweit nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob rückständige Einkommen- und Vermögen-
steuer aufzuteilen ist.
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Die Klägerin wurde mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer und
Vermögensteuer veranlagt.
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Der Ehemann ist während des gegen die geänderten Einkommensteuer- und
Vermögensteuerbescheide durchgeführten Klageverfahrens am 13.12.2001 verstorben.
Die Klägerin ist als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem Ehemann.
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Da die festgesetzten Steuerbeträge nicht im vollem Umfang gezahlt wurden, leitete der
Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen ein. Daraufhin beantragte die Klägerin mit
Schreiben vom 07.05.2003 die Aufteilung der Steuerrückstände gem. § 268 AO. Diesen
Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.05.2003 ab. Wegen der Höhe der
rückständigen Steuern wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 31.03.2004 Bezug
genommen.
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Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom
06.11.2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus:
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Zusammenveranlagte Eheleute schuldeten die festgesetzten Steuern grundsätzlich als
Gesamtschuldner. Sinn und Zweck der Aufteilung nach § 268 AO sei die Beschränkung
der Vollstreckung auf die Einkünfte und das Vermögen des einzelnen
Gesamtschuldners. Bei Gesamtrechtsnachfolge gingen die Forderungen und Schulden
aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Eine Beschränkung
der Erbenhaftung könne nur im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden. Erst
wenn die Klägerin die Beschränkung der Ebenhaftung geltend mache, komme eine
Aufteilung der rückständigen Steuerschulden in Betracht.
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Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
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Eine Aufteilung der Steuerschulden müsse auch dann möglich sein, wenn sie noch
keine Beschränkung der Erbenhaftung geltend gemacht habe.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, die Steuerschulden betreffend Einkommensteuer
1986 bis 1999 und Vermögensteuer 1986 bis 1990 aufzuteilen;
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Der Senat hat nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten den Rechtsstreit gem. § 6
FGO auf den Berichterstatter auf Einzelrichter übertragen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet.
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Die Ablehnung der Aufteilung rückständigen Steuerschulden durch den Beklagten ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vergl. § 101 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - .
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Nach § 268 der Abgabenordnung 1977 - AO - können Personen, die Gesamtschuldner
sind, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer
veranlagt worden sind, eine Aufteilung der rückständigen Steuerschulden beantragen.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall entgegen der Auffassung des
Beklagten erfüllt.
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Zwar ist nach dem Wortsinn der Vorschrift eine Aufteilung nur dann vorzunehmen, wenn
mehrere Personen Gesamtschuldner sind. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht
vor, da nur noch die Klägerin Steuerschuldnerin ist.
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Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die Vorschrift aber in Fällen der
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Gesamtrechtsnachfolge dahin auszulegen, dass eine Aufteilung auch dann
vorzunehmen ist, wenn dieselbe Person einerseits originäre Steuerschuldnerin und
andererseits Steuerschuldnerin kraft Gesamtrechtsnachfolge ist.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 AO tritt der Gesamtrechtsnachfolger vollumfänglich in die
Rechtsstellung des Erblassers ein. Dies gilt über den Wortlaut der vorgenannten
Vorschriften hinaus nicht nur für den Eintritt in die Forderungen und Schulden, sondern
auch in die verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers. Der
Gesamtrechtsnachfolger soll mit anderen Worten genau dieselben Rechte wahrnehmen
können, wie der Rechtsvorgänger. Dies spricht dafür, die Aufteilung der Steuerschulden
auch dann vorzunehmen, wenn bei zusammenveranlagten Eheleuten einer der
Ehegatten mittlerweile verstorben ist.
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Für dieses Ergebnis spricht auch ein praktisches Bedürfnis. Erst durch die vom
Finanzamt vorgenommene Aufteilung weiß der Gesamtrechtsfolger konkret, welche
Steuerschulden auf den Nachlass entfallen. Er kann sodann überprüfen, inwieweit eine
Überschuldung des Nachlasses vorliegt und z. B. ein Nachlassinsolvenzverfahren oder
eine Nachlassverwaltung in Betracht kommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Das Gericht lässt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu, da die Rechtsfrage, ob
eine Aufteilung auch nach dem Tod des zweiten Gesamtschuldners bei
Gesamtrechtsnachfolge durch den anderen Gesamtschuldner in Betracht kommt,
grundsätzliche Bedeutung hat.
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