Urteil des FG Köln vom 26.06.2008

FG Köln: volljährigkeit, haushalt, pflegekind, pflegemutter, pflegeeltern, obhut, pflegeverhältnis, ausbildung, unterhaltsrente, jugendamt

Finanzgericht Köln, 2 K 3253/04
Datum:
26.06.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3253/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
T a t b e s t a n d
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung von
Kindergeld ab Oktober 2003 hat. Dabei ist insbesondere streitig, ob das Kind trotz seiner
Volljährigkeit in einem Pflegekindschaftsverhältnis zu seiner Pflegemutter stand und ob
es keinen eigenen Hausstand unterhielt.
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Der Kläger hat einen Sohn, A.B, der am 21. September 1985 geboren wurde. Der Sohn
lebt seit 1993 – und auch heute noch - im Haushalt seiner Pflegemutter, Frau D.E, in C.
Er befindet sich in der Ausbildung. Zwischen dem Sohn und Frau D.E besteht aufgrund
des langjährigen Zusammenlebens in einem Haushalt eine besondere emotionale
Bindung, die über den Zeitpunkt des Erreichens der Volljährigkeit des Sohnes im Jahre
2003 hinaus wirkt.
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Der Sohn hatte keinen Kontakt zu seinem Vater, dem Kläger, sondern nur gelegentlich
zu seiner Mutter. Für Frau D.E wurde Kindergeld festgesetzt.
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Der Sohn hatte nach Vollendung des 18. Lebensjahres beim Jugendamt C einen Antrag
auf Hilfe für junge Volljährige gestellt, dem in Höhe eines Lebensunterhalt i.H.v. 689 €
entsprochen wurde. Daraufhin hatte die Stadt C (F) den Kläger mit Bescheid vom 23.
Dezember 2003 zur Unterhaltsleistung i.H.v. 523 € gegenüber seinem Sohn
herangezogen. Der Kläger zahlte den Unterhalt. Ab 1. Januar 2004 betrug er 337 €. Die
leibliche Mutter leistet keinen Unterhalt an ihren Sohn.
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Sodann beantragte der Kläger im Dezember 2003 die Festsetzung von Kindergeld für
seinen Sohn zu seinen Gunsten.
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Mit Bescheid vom 6. Februar 2004 wurde der Antrag des Klägers bezogen auf den
Zeitraum Oktober 2003 bis Februar 2004 abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Einspruch
wurde mit Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2004 als unbegründet zurückgewiesen.
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Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, dass der Sohn
kein Pflegekind mehr sei, da er das 18. Lebensjahr vollendet habe. Mit Eintritt der
Volljährigkeit könne kein Pflegekindschaftsverhältnis mehr bestehen. Daher seien die
Regelungen des § 64 EStG einschlägig, denn da Frau D.E wegen der Volljährigkeit des
Sohnes keine Pflegemutter mehr sei, lebe der Sohn nicht mehr im Haushalt eines
Kindergeldberechtigten. Nach § 64 Abs. 3 EStG sei folglich derjenige vorrangig
kindergeldberechtigt, der dem Kind den höheren Unterhalt leiste. Da die Kindesmutter
keine Unterhaltszahlungen leiste, und er 523 € monatlich als Unterhalt zur Verfügung
stelle, sei er kindergeldberechtigt.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 6. Februar 2004 sowie der
hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung den Beklagten zu verpflichten, für die
Zeit ab Oktober 2003 Kindergeld für das Kind A.B zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung von
Kindergeld habe. Der Sohn sei, entgegen der Auffassung des Klägers, trotz der
Vollendung des 18. Lebensjahres als Pflegekind der Frau D.E anzusehen, so dass § 32
Abs. 2 Satz 2 EStG greife. Frau D.Ehabe den Sohn seit längerem und auch nach der
Vollendung des 18. Lebensjahres in ihren Haushalt aufgenommen. Es sei ein
familienähnliches auf Dauer angelegtes Band zwischen ihr und dem Sohn entstanden.
Das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern sei unterbrochen worden.
Gelegentliche Kontakte mit der leiblichen Mutter seien insoweit unerheblich.
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Die sich aus § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG ergebende Kindergeldberechtigung der Frau D.E
verdränge die ursprüngliche Kindergeldberechtigung der leiblichen Eltern. Diese
Konkurrenzregelung folge der Regelung des § 64 Abs. 2 EStG, wonach derjenige das
Kindergeld erhalte, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe, also Frau
Kottmann. § 64 Abs. 3 EStG werde hierdurch verdrängt.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Ablehnungsbescheid vom 6. Februar 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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I. Die Voraussetzungen für die Festsetzung und Zahlung von Kindergeld gemäß § 70
Abs. 1 EStG sind nicht erfüllt.
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Denn im streitigen Zeitraum ab Oktober 2003 ist der Sohn A.B – entgegen der
Auffassung des Klägers - als Pflegekind der Frau D.E anzusehen. Dies führt dazu, dass
mehrere Kindergeldberechtigte bestehen – der Kläger als Vater nach § 62 Abs. 1 i.V.m.
§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG und die Pflegemutter gemäß § 62 Abs. 1 i.V.m. §
63 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Das Kindergeld wird jedoch nur einem
Berechtigten gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). Dabei bestimmt § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG, dass
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ein Kind, das im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt und zugleich auch ein
Pflegekind ist, vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen ist. Damit steht das
Kindergeld Frau D.E und nicht dem Kläger zu.
1. Der Sohn des Klägers, A.B, ist als Pflegekind der Zeugin D.E i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2
EStG anzusehen und zwar auch nachdem der Sohn im September 2003 die
Volljährigkeit erreicht hat. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Pflegekinder Personen, mit
denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes
Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen hat und das
Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.
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a. Ein familienähnliches Band bedeutet, dass das Kind wie ein eigenes Kind versorgt
und erzogen wird (vgl. BFH, Urt. v. 20.01.1995, III R 14/94, BStBl II 1995, 582). Dieses
Erfordernis ist im Streitfall gegeben.
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Dem steht nicht entgegen, dass der Sohn im September 2003 die Volljährigkeit erlangt
hat.
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aa. Das Bestehen eines familienähnliches Bandes mit einem volljährigen Kind ist –
jedenfalls in den Fällen, in denen das Kind nicht schon längere Zeit vor der
Volljährigkeit in den Haushalt aufgenommen worden war – bei Hilflosigkeit oder
Behinderung des Volljährigen oder bei Vorliegen sonstiger besonderer Umstände
anzunehmen (BFH, Urteil vom 21.04.2005, III R 53/02, BFH/NV 2005, 1547; v.
05.10.2004, VIII R 69/02, BFH/NV 2005, 524). Als sonstiger besonderer Umstand ist z.B.
eine bereits vorher entstandene länger andauernde besondere emotionale Bindung
angesehen, aus der sich ebenfalls eine Betreuungsbedürftigkeit des volljährigen Kindes
ergeben kann (BFH, Urteil vom 21.04.2005, III R 53/02, a.a.O.). Die einschränkende
Auslegung des Pflegekindbegriffs bei Volljährigen begründet sich daraus, dass die
körperliche Versorgung und Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die
Annahme eines familienähnlichen Bandes sei, bei einem gesunden Volljährigen in der
Regel keine entscheidende Rolle mehr spielt (BFH, Urteil vom 21.04.2005, III R 53/02,
a.a.O.).
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bb. Der Senat ist der Auffassung, dass diese gesteigerten Anforderungen nicht auch
dann anzuwenden sind, wenn das Kind schon längere Zeit vor Eintritt der Volljährigkeit
in den Familienhaushalt der Pflegeeltern aufgenommen worden ist. In diesen Fällen hat
das Erreichen der Volljährigkeit des Kindes als solche – vorbehaltlich der übrigen
Voraussetzungen für ein Pflegekindschaftsverhältnis – keine Auswirkungen auf die
Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses. Aber selbst wenn man diese
gesteigerten Anforderungen auch im Falle des Erreichens der Volljährigkeit anwenden
wollte, so wären sie im Streitfall jedenfalls erfüllt.
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(1) Für die Auffassung des Senats, dass das Erreichen der Volljährigkeit des Kindes als
solche keine Auswirkungen auf die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses hat,
spricht das Gesetz, insbesondere § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn weder aus dessen
Regelung noch aus der Definition oder dem Verständnis des Begriffs "Pflegekind" ergibt
sich nicht, dass die Volljährigkeit eines Kindes allein ein Pflegekindschaftsverhältnis
ausschließt.
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(a) Das Verständnis eines "Pflegekindes" als "minderjährigen Kindes" ist nicht
zwingend, da auch erwachsene Kinder von ihren Eltern stets und immer als Kinder
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bezeichnet und betrachtet werden. Hierfür spricht auch der Sprachgebrauch des Wortes
"Kind" in § 32 EStG, da in dessen Absatz 4 als Kinder ausdrücklich volljährige
Personen bezeichnet werden, die unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 21. bzw.
sogar 25. (bis 2006: 27.) Lebensjahr berücksichtigt werden, unter anderem dann, wenn
sie sich in Ausbildung befinden. Dies zeigt, dass der Wortlaut und der Sinn im
Eingangssatz des Absatzes 4 von § 32 EStG "ein Kind, das das 18. Lebensjahr
vollendet hat” gerade in einem weiteren Sinne verstanden wird als in dem engen,
bürgerlich-rechtlichen Sinne des § 1626 BGB. Sinn der steuerlichen Regelungen des
Kindergeldes und des § 32 Abs. 4 EStG ist vielmehr, unterhaltsbedürftigen Kindern,
darunter auch Pflegekindern, einen Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums zu
geben. Dies erfordert nach Auffassung des Senates zur Vermeidung von
Ungleichbehandlungen eine weitere Auslegung (s.a. FG Baden-Württemberg, Urt. v.
26.07.2001, 6 K 107/00, EFG 2001, 1454). Es ist kein Grund dafür ersichtlich, ein Kind,
das schon längere Zeit vor Eintritt der Volljährigkeit in den Familienhaushalt der
Pflegeeltern aufgenommen worden ist, insoweit anders zu behandeln als ein leibliches
Kind.
(b) Eine gesetzliche Regelung dahingehend, dass Pflegekinder ab 18 Jahren nicht mehr
berücksichtigt werden dürften, sieht das Gesetz nicht vor, ebensowenig eine Regelung,
dass Pflegekindschaftsverhältnisse ab dem 18. Lebensjahr überhaupt nicht mehr
begründbar seien. Sollte dies die Vorstellung des Gesetzgebers sein, so müsste dies
nach Auffassung des Senats Ausdruck im Gesetz finden (s.a. FG Baden-Württemberg,
Urt. v. 26.07.2001, 6 K 107/00, a.a.O.). Das Gegenteil ist jedoch der Fall, da
Pflegekinder - wie alle übrigen Kinder - bis zum 25. (bis 2006: 27.) Lebensjahr
berücksichtigt werden.
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(2) Aber selbst wenn man die gesteigerten Anforderungen an die Begründung eines
Pflegekindschaftsverhältnisses mit einem Kind, das nicht schon längere Zeit vor der
Volljährigkeit in den Haushalt aufgenommen worden war, auch in den Fällen anwenden
wollte, in denen – wie im Streitfall – das Pflegekindschaftsverhältnis bereits längere Zeit
vor Erreichen der Volljährigkeit begründet wurde, wären diese Voraussetzungen im
Streitfall jedenfalls erfüllt.
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(a) Denn im Streitfall liegen besondere Umstände vor, die trotz Eintritt der Volljährigkeit
dafür sprechen, dass das Kind A.B auch weiterhin wie ein eigenes Kind versorgt und
erzogen wird, und die damit ein familienähnliches Band begründen.
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Ein solcher besonderer Umstand besteht z.B. in einer bereits vorher entstandenen
länger andauernden besonderen emotionalen Bindung, aus der sich eine
Betreuungsbedürftigkeit ergeben kann (vgl. BFH, Urt. v. 21.04.2005, III R 53/02, BFH/NV
2005, 1547 m.w.N.). Wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung die Situation so darstellt,
wie wenn ein eigenes, erwachsenes Kind zuhause wohnt und eine Ausbildung
absolviert, können hierbei die Anforderungen an die tatsächliche Gestaltung bei einem
Pflegekind nach Auffassung des Senats nicht höher angesetzt werden als bei einem
eigenen, volljährigen Kind. Bei einem eigenen, volljährigen Kind, das noch zuhause
wohnt und eine Ausbildung absolviert, würde man ein familienähnliches Band nicht
allein aufgrund des Alters des Kindes verneinen. Wenn auch der Versorgungs- und
Erziehungscharakter in den Hintergrund rücken oder entfallen mag, ist aufgrund des
jahrelangen Zusammenlebens eine besondere emotionale Bindung gegeben, die die
Annahme eines familienähnlichen Bandes trotz der Volljährigkeit des Kindes rechtfertigt
(vgl. BFH, Beschl. v. 18.02.2008, III B 69/07, BFH/NV 2008, 948).
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Angesichts dessen ist der Umstand, dass ein Kind schon längere Zeit vor Eintritt der
Volljährigkeit in den Familienhaushalt der Pflegeeltern aufgenommen worden ist, ein
besonderer Umstand, der eine besondere emotionale Bindung begründet und dazu
führt, dass die Volljährigkeit des Kindes der Annahme eines familienähnlichen Bandes
nicht entgegensteht.
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(b) Im Streitfall hatte Frau D.E den Sohn des Klägers, A.B, bereits seit 1993, also seit
seinem 8. Lebensjahr, bei sich aufgenommen. Bis 2003 wohnte der Sohn bereits seit 10
Jahren bei ihr und wurde von ihr versorgt. Jedenfalls bei einem solchen
langandauernden Pflegekindschaftsverhältnis besteht eine besondere emotionale
Bindung, die der zwischen Eltern und leiblichem Kind vergleichbar ist. Auch der Kläger
hat das Bestehen einer besonderen emotionalen Bindung zwischen Frau D.E und
seinem Sohn nicht bestritten.
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b. Auch die Voraussetzung, dass das familienähnliche Band auf längere Dauer
berechnet ist, liegt vor. Für die Beurteilung, ob das familienähnliche Band auf längere
Dauer berechnet ist, kommt es maßgebend auf die Absicht der Pflegeeltern an: Sie
müssen das Kind zu dem Zweck aufgenommen haben, dafür wie für ein leibliches Kind
zu sorgen (BFH, Urt. v. 20.01.1995, III R 14/94, a.a.O.; Beschl. v. 16.12.2003, VIII B
297/02, BFH/NV 2004, 770). Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Dies wird auch
dadurch bestätigt, dass die Zeugin D.E den Sohn seit 1993, also bis 2003 bereits seit 10
Jahren, bei sich aufgenommen hatte.
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c. Das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern ist im Streitfall
abgebrochen i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Das Tatbestandsmerkmal "dass das
Obhutsverhältnis und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht" ist dann als
erfüllt anzusehen, wenn die Obhut und Pflege gegenüber einem Kind vonseiten der
leiblichen Eltern derart zurücktreten, dass sie im Wesentlichen nur noch durch die
Pflegeeltern ausgeübt werden (BFH, Beschl. v. 31.03.2000, VI B 207/99, BFH/NV 2000,
1094).
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Im Streitfall wurde die Obhut und Pflege gegenüber dem Sohn im Wesentlichen nur
noch durch Frau D.E ausgeübt. Die gelegentlichen Kontakte des Sohnes zu seiner
Mutter sind von derart untergeordneter Bedeutung, dass nicht von einer Obhut und
Pflege durch diese ausgegangen werden kann, zumal das Bestehen eines
Pflegekindschaftsverhältnisses nicht ausschließt, dass das Kind noch gelegentliche
Kontakte zu den Eltern unterhält (vgl. BFH, Urt. v. 20.01.1995, III R 14/94, a.a.O.). Zum
Kläger, seinem Vater, hatte der Sohn überhaupt keinen Kontakt.
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d. Schließlich hat Frau D.E den Sohn auch nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen.
Sie hat mit der Pflege des Kindes keine Einkünfte erzielen wollen.
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2. Eine Kindergeldberechtigung des Klägers folgt – entgegen seiner Auffassung - nicht
aus § 64 Abs. 3 EStG. Hiernach erhält derjenige das Kindergeld, der dem Kind eine
Unterhaltsrente zahlt, wenn das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten
aufgenommen ist. Diese Voraussetzung, die zu einer Kindergeldberechtigung des
Klägers führen könnte, ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn das Kind A.B lebt im Haushalt
einer Berechtigten, nämlich seiner Pflegemutter, Frau D.E.
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Eine Haushaltsaufnahme liegt vor, wenn das Kind bewusst in die Obhut der
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Familiengemeinschaft mit einem auf längere Dauer gerichteten Betreuungs- und
Erziehungsverhältnis familienhafter Art aufgenommen wird (BFH, Urt. v. 20.06.2001, VI
R 224/98, BStBl II 2001, 713; Beschl. v. 18.02.2008, III B 69/07, BFH/NV 2008, 948).
Das Kind A.B lebt im Haushalt seiner kindergeldberechtigten Pflegemutter. Seine
Volljährigkeit steht dem nicht entgegen (hierzu BFH, Beschl. v. 18.02.2008, III B 69/07,
BFH/NV 2008, 948). Denn bei älteren, insbesondere volljährigen Kindern tritt der
Gesichtspunkt des Betreuungs- und Erziehungsverhältnisses in den Hintergrund.
Ausreichend sind dann neben dem räumlichen Zusammenleben Zuwendungen
immaterieller Art als Ausdruck des familiären Bandes (BFH, Beschl. v. 18.02.2008, III B
69/07, a.a.O.). Da im Streitfall eine besondere emotionale Bindung zwischen Frau D.E
und dem Kind A.B besteht, sind solche Zuwendungen immaterieller Art und das
Bestehen eines familiären Bandes gegeben.
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Angesichts dessen greift als Konkurrenzregel § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach ein Kind
im Falle einer Berechtigungskonkurrenz vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen ist.
Die Anwendung des § 64 Abs. 3 EStG scheidet daneben aus.
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Da die Definition des Pflegekindes die Haushaltsaufnahme des Kindes impliziert, greift
§ 32 Abs. 2 Satz 2 EStG damit den Gedanken des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auf, wonach
derjenige das Kindergeld erhält, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Nur
wenn das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen wurde – woran
es im Streitfall aber mangelt -, erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine
Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 1 EStG).
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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