Urteil des FG Köln vom 24.08.2006
FG Köln: verfassungskonforme auslegung, nichteheliche lebensgemeinschaft, heirat, aufwand, einkünfte, lebensmittelpunkt, abgrenzung, leistungsfähigkeit, berufsausübung, privatsphäre
Finanzgericht Köln, 2 K 6306/03
Datum:
24.08.2006
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 6306/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Mehraufwendungen für eine doppelte
Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit geltend machen kann.
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Der Kläger war im Streitjahr 2001 ledig. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. In seiner
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit u.a. Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung
i.H.v. insgesamt 6.755 DM geltend. Er gab an, seinen Lebensmittelpunkt aufgrund einer
gefestigten Partnerbeziehung mit beabsichtigter Heirat nach X verlegt zu haben. Die gut
dotierte Beschäftigungsstelle in A werde von ihm solange aufrecht erhalten bis eine
adäquate, dem neuen Lebensmittelpunkt nähere Beschäftigung gefunden sei. Als
Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung machte der Kläger die folgenden
Kosten geltend:
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- Kosten für die erste Fahrt zum Beschäftigungsort: 331 DM
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- Fahrtkosten für Heimfahrten: 1.824 DM
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- Miete für eine 140 qm große Wohnung in A für 2 Monate: 4.600 DM
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Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 19.2.2003 berücksichtigte der Beklagte die
geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht.
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Das hiergegen geführte Einspruchsverfahren war teilweise erfolgreich. In der
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2003 vertrat der Beklagte zwar weiterhin die
Ansicht, dass der geltend gemachte Abzug von Aufwendungen für eine doppelte
Haushaltsführung als Werbungskosten im Streitfall nicht möglich sei. Die Begründung
des vom Beschäftigungsort weiter entfernt liegenden Hausstandes habe auf privaten
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des vom Beschäftigungsort weiter entfernt liegenden Hausstandes habe auf privaten
Erwägungen beruht. Die vom Kläger geltend gemachten Familienheimfahrten seien
jedoch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz - EStG - als Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte zu qualifizieren. Insoweit sei daher eine
Entfernungspauschale i.H.v. insgesamt 2.275 DM zu berücksichtigen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt
vor, dass er im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt aufgrund einer von ihm für wichtig
und zukunftsträchtig erachteten Partnerschaft nach X verlegt habe. Er sei die
Lebenspartnerschaft mit dem Ziel einer späteren Heirat eingegangen. Da er im
süddeutschen Raum nach intensiven Bemühungen zunächst keine adäquate, gleich gut
dotierte Beschäftigung gefunden habe, habe er seine Anstellung im Raum A und damit
notwendigerweise die jetzt zur Sicherung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
erforderliche Wohnung zunächst beibehalten. Nach dem Streitjahr habe er eine
Beschäftigung in Y aufgenommen und mit seiner Lebensgefährtin im Raum X eine
gemeinsame Wohnung bezogen. Die Erhaltung des Arbeitswohnsitzes im Raum A im
Streitjahr besitze damit steuerlich Werbungskostencharakter. Für diese
Schlussfolgerung spreche auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 4. Dezember 2002 (2 BvR 400/98 und 2 BvR 1735/00). Das BVerfG habe
hier zwar über zwei besondere Fälle der doppelten Haushaltsführung entschieden. Aus
der Entscheidung des BVerfG könne jedoch gefolgert werden, dass auch im Streitfall die
geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung anzuerkennen
seien. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes -
GG - auch die beabsichtigte zukünftige Ehe schütze. Darüber hinaus seien auch Art. 12
Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. In verfassungskonformer Auslegung des §
9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG dürfe daher der Werbungskostenabzug im Streitfall nicht
versagt werden.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 19.2.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2003 dahingehend zu ändern, dass bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wegen einer doppelten Haushaltsführung
weitere Werbungskosten i.H.v. 4.480 DM berücksichtigt werden,
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2. hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -
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BFH -. Danach müsse die Begründung der doppelten Haushaltsführung, also die
Aufsplitterung des ursprünglich einheitlichen Hausstandes auf zwei Haushalte, beruflich
veranlasst sein. Seine diesbezügliche Rechtsauffassung habe der BFH in den Urteilen
vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79 (BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297) und VI R 22/80
(BFHE 135, 182, BStBl II 1982, 323) unter Einbeziehung der verfassungsrechtlichen
Problematik begründet und hierauf im Urteil vom 26. August 1988 VI R 111/85 (BFHE
154, 509, BStBl II 1989, 89) Bezug genommen.
Der Kläger erwidert insoweit, dass die vom Beklagten zitierten Urteile des BFH alle vor
der Entscheidung des BVerfG ergangen seien und somit die neueste Rechtsprechung
des BVerfG nicht berücksichtigten.
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Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist unbegründet.
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Der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 19.2.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.11.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
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Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die vom Kläger geltend gemachten
Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
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1. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG auch die
notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen.
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2. Im Streitfall hat der Kläger im Streitjahr die doppelte Haushaltsführung nicht aus
beruflichem Anlass begründet.
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a) Eine berufliche Veranlassung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG liegt nur
dann vor, wenn die Begründung des doppelten Haushaltes beruflich veranlasst ist. Bei
der Frage nach der beruflichen Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung ist
daher auf die zur Gründung des zweiten Hausstandes führenden Beweggründe
abzustellen. Nicht ausschlaggebend ist demgegenüber, ob die Führung des doppelten
Haushalts beruflich veranlasst ist. Für die berufliche Veranlassung der doppelten
Haushaltsführung reicht es demnach nicht aus, dass der Steuerpflichtige, der aus
privaten Gründen seinen Hauptwohnsitz vom bisherigen Beschäftigung- und Wohnort
wegverlegt hat, aus beruflichen Gründen einen weiteren Hausstand am
Beschäftigungsort beibehält (s.a. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1981 VI R 167/79, BFHE
135, 37, BStBl II 1982, 297).
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b) Im Streitfall war die doppelte Haushaltsführung des Klägers damit nicht beruflich
veranlasst. Der Kläger ist im November des Streitjahres nach X gezogen und hat dort
einen zweiten Haushalt begründet, um mit seiner Lebensgefährtin gemeinsam in einem
Haushalt leben zu können. Die Begründung des zweiten Haushalts außerhalb des
Arbeitsortes war damit privat und nicht beruflich veranlasst (s.a. BFH-Urteil vom 4. April
2001 VI R 130/99, BFH/NV 2001, 1384, HFR 2001, 967, DStRE 2001, 1025).
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Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist nach den oben dargelegten Grundsätzen
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demgegenüber nicht entscheidungserheblich, dass er nach dem privat veranlassten
Umzug nach X seine Wohnung und Beschäftigungsstelle im A’er Raum beibehalten hat,
um seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erhalten.
3. Im Streitfall kann auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG davon ausgegangen werden, dass die Begründung des
zweiten Haushalts als beruflich veranlasst anzusehen ist.
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a) Zwar sieht der BFH in ständiger Rechtsprechung die Gründung eines doppelten
Haushalts ausnahmsweise dann als beruflich veranlasst an, wenn Ehegatten bereits vor
ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, an ihren jeweiligen
Beschäftigungsorten wohnten und nach der Eheschließung eine der beiden
Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (BFH-Urteile vom 13. Juli 1976 VI R
172/74, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654; vom 4. Oktober 1989 VI R 44/88, BFHE 158,
527, BStBl II 1990, 321 m.w.N.; vom 22. September 1988 VI R 184/85, BFH/NV 1989,
220; vom 29. November 1990 IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531; vom 13. März 1996 VI R
58/95, BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 315). Bei der Heirat zweier Berufstätiger hat der
BFH dabei als entscheidend angesehen, dass diese - anders als bei der Berufstätigkeit
nur eines Partners - sich nicht mit einem einzigen Wohnsitz am Ort der Berufsausübung
eines von ihnen begnügen können, ohne die Berufstätigkeit des anderen zu
beeinträchtigen. Für die Beurteilung des Werbungskostenabzugs ab dem Zeitpunkt der
Eheschließung macht es dabei nach Ansicht des BFH keinen Unterschied, ob die
späteren Ehegatten vor ihrer Eheschließung bereits am Beschäftigungsort eines
Partners zusammen gelebt oder erst nach ihrer Heirat an einem der beiden
Beschäftigungsorte einen gemeinsamen Haushalt begründet haben. In beiden Fällen
kann nach der Rechtsprechung des BFH der Werbungskostenabzug in
verfassungskonformer Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG (Art. 6 Abs. 1
GG) nicht versagt werden (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1989 VI R 44/88, a.a.O.).
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b) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist diese durch den BFH vorgenommene
verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG aber nicht auf
den Zeitraum vor einer geplanten Eheschließung auszudehnen (s.a. BFH-Urteil vom 4.
April 2001 VI R 130/99, a.a.O.). Entgegen der Rechtsansicht des Klägers gebieten
weder Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG eine
verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG dahingehend,
dass die vom BFH ab dem Zeitpunkt der Eheschließung in Bezug auf die tatbestandlich
erforderliche berufliche Veranlassung gemachten Ausnahmen auf eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft übertragen werden.
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aa) Nach Art. 6 Abs.1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der
staatlichen Ordnung. Art. 6 Abs. 1 GG erschöpft sich dabei nicht darin, die Ehe in ihren
wesentlichen Strukturen zu gewährleisten, sondern gebietet als verbindliche
Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten
und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung
(BVerfG, 1. Senat, Urteil vom 17. Juli 2002 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313,
BGBl I 2002, 3197 m.w.N.).
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(1) Nichteheliche Lebensgemeinschaften stellen ein sog. "aliud" zur Ehe dar und fallen
daher grundsätzlich nicht unter den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Dies gilt
auch dann, wenn die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft verlobt sind. Auch
ein Verlöbnis fällt nicht etwa als Vorstufe der Ehe unter den Schutz von Ehe und Familie
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des Art. 6 Abs. 1 GG (BFH-Urteil vom 23. März 1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II
1998, 396; BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2002 II B 193/01, BFH/NV 2003, 201).
Allerdings können Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bzw. Verlobte mit
Kindern eine Familie bilden, denn Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Gemeinschaft
von Eltern und Kindern. Nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fallen aber
Lebensgemeinschaften ohne Kinder (BFH-Urteil vom 4. April 2001 VI R 130/99, a.a.O.,
m.w.N.).
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(2) Im Streitfall kann sich der Kläger damit nicht auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Entgegen
seiner Rechtsansicht ist nach den oben genannten Grundsätzen nicht
ausschlaggebend, dass er seine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit dem Ziel einer
späteren Eheschließung eingegangen ist. Da er zusammen mit seiner Lebensgefährtin
im Streitjahr kein gemeinsames Kind hatte, greift Art. 6 Abs. 1 GG zu seinen Gunsten
nicht ein.
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bb) Die vom Kläger begehrte verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
5 Satz 1 EStG ist auch durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht geboten.
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(1) Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz
dieses Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, wie die ausdrückliche
Erwähnung von Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz und
Berufsausübung zeigt. Andererseits schützt es aber nur vor solchen Beeinträchtigungen,
die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es genügt also nicht, dass eine
Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die
Berufstätigkeit entfaltet. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung nur gegenüber
solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit
beziehen oder die zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben. Auch
steuerrechtliche Vorschriften und ihre Auslegung durch die Rechtsprechung sind
demnach nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie im engen
Zusammenhang zur Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine Tendenz zur
Regelung des von der Steuer betroffenen Berufs erkennen lassen (BVerfG 1. Senat,
Beschluss vom 11. Oktober 1977 1 BvR 343/73, 1 BvR 83/74, 1 BvR 183/75, 1 BvR
428/75, BVerfGE 47, 1, BStBl II 1978, 174 m.w.N.) .
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(2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Im Streitfall lässt die durch
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG gesetzlich vorgegebene und durch die
Rechtsprechung des BFH näher konkretisierte Abgrenzung der steuerlich als
Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen für eine beruflich veranlasste
doppelte Haushaltsführung von den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen
allgemeinen Kosten für die private Lebensführung keine objektiv berufsregelnde
Tendenz erkennen. Durch diese Abgrenzung wird weder der Umfang der beruflichen
Tätigkeit des Klägers eingeschränkt noch deren Inhalt beeinflusst. Die reine finanzielle
Belastung, die durch die Nichtabzugsfähigkeit der vom Kläger für die doppelte
Haushaltsführung getätigten Aufwendungen entsteht, weist keine unmittelbare
Beziehung zu dem vom Kläger ausgeübten Beruf auf.
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cc) Schließlich gebietet auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht die vom Kläger gewünschte
verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG.
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(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist aus dem allgemeinen
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Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für den Bereich des Steuerrechts und
insbesondere für den des Einkommensteuergesetzes abzuleiten, dass sich die
Besteuerung an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen orientieren
muss. Nach dem Beschluss des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4.
Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 (BVerfGE 107, 27, BGBl I 2003, 534,
BStBl II 2003, 636) zur gesetzlichen Zweijahresfrist bei doppelter Haushaltsführung
kommt es dabei für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der
finanziellen Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem
und privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern ebenfalls auf die
Unterscheidung zwischen freier und beliebiger Einkommensverwendung einerseits und
zwangläufigem, pflichtbestimmten Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privat
veranlassten Aufwandes steht daher nicht ohne Weiteres zur Disposition des
Gesetzgebers. Vielmehr hat dieser die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand
veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen,
wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten)
Lebensführung zuzuordnen sind.
(2) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers führen im Streitfall auch diese
Entscheidungsgrundsätze des BVerfG nicht zu der von ihm begehrten
verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Auch wenn
man den privat veranlassten Aufwand des Kläger für die von ihm im Streitjahr
begründete doppelte Haushaltsführung im Lichte der betroffenen Grundrechte würdigt,
ergibt sich nicht das vom Kläger erstrebte Ziel. Die Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG
kommen dem Kläger, wie oben näher ausgeführt wurde, nicht zugute. Damit sind die
von ihm getätigten Aufwendungen für die doppelte Haushaltführung auch unter
Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechte der Privatsphäre
zuzurechnen.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Revision zum Bundesfinanzhof war nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO
zuzulassen.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO,
da die im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage bereits durch die oben
dargelegte Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen
Gesichtspunkte vorliegen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage
durch den BFH erforderlich machen. Aus diesem Grund liegen auch die
Voraussetzungen für einen Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht vor,
da weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung im Streitfall eine erneute Entscheidung des BFH erfordert.
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