Urteil des FG Köln vom 22.06.2005

FG Köln: wissenschaft und forschung, körperschaft, treu und glauben, vermögensverwaltung, zuwendung, satzung, wirtschaftliche tätigkeit, geschäftsführung, gemeinnützigkeit, öffentliches interesse

Finanzgericht Köln, 13 K 3420/04
Datum:
22.06.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3420/04
Tenor:
Der Körperschaftsteuer- und der Gewerbesteuermessbescheid 1997 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 werden
aufgehoben.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 25% und dem
Kläger zu 75% auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung
durch den Kläger in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG - und § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes -
GewStG - steuerbefreite gemeinnützige Körperschaft ist, insbesondere ob die vom Kläger
im Streitzeitraum vereinnahmten Entgelte im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des
§ 68 Nr. 9 der Abgabenordnung - AO - erwirtschaftet wurden.
2
Der Kläger ist ein 0000 gegründeter Verein, der seit 0000 seinen Sitz in L. hat und seit
Ende 0000 seinen jetzigen Namen führt. Ausweislich der Vereinssatzung i. d. F. vom
00.00.0000 ist der Vereinszweck die... und ... und ..... Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf die Satzung Bezug genommen.
3
Der Kläger ist in der Vergangenheit als gemeinnützige Körperschaft im Sinne des § 5
Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG anerkannt worden. Freistellungsbescheide für die
Jahre 1991 bis 1996 wurden erteilt. Auch für die Streitjahre 1997 bis 1999 erteilte der
Beklagte auf Antrag des Klägers, dem eine Kurzdarstellung von 33 verschiedenen in den
Streitjahren durchgeführten Projekten beigefügt war (Körperschaftsteuerakte 1997),
zunächst einen Freistellungsbescheid. Der Freistellungsbescheid vom 00.00.0000 erging
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unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In den Jahren 2002 und 2003 fand beim Kläger eine Außenprüfung des Beklagten statt.
Im Rahmen der Prüfung stellte der Beklagte fest, dass der Kläger öffentliche und private
Organisationen insbesondere auf den Gebieten der ..., des ... sowie der ... beraten hat.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Klägers entwickelten dabei Ideen zu bestimmten
Forschungsvorhaben. Danach wurden Träger gesucht, die diese Vorhaben fördern
sollten. Außerdem erhielt der Kläger konkrete Forschungsaufträge und nahm in
geringerem Umfang auch an Ausschreibungen für Forschungsprojekte teil (vgl. z. B.
Einspruchsbegründung vom 00.00.0000).
5
Die Aufträge an den Kläger in den Streitjahren erfolgten in unterschiedlichen Formen,
teils als so genannte Werkverträge - WV - (Beispiele: C., Blatt 21 ff. d. A.; N., Blatt 172 ff.
Prüferhandakten - BpHA -; X. -, Kooperationsvertrag unter Tz 2.1, Blatt 440 ff. BpHA; I.
Blatt 359 ff. BpHA) oder nicht näher bezeichnete Verträge (W.1., Blatt 38 ff. d. A.).
Teilweise wurden Zuwendungsbescheide - ZB - erlassen (W.2., Blatt 181 ff. BpHA),
teilweise Förderanträge genehmigt bzw. Mittel bewilligt (E. Blatt 198 ff. BpHA).
6
Die Forschungsprojekte erstreckten sich meistens über mehrere Jahre und wurden je
nach Vereinbarung mit dem konkreten Auftraggeber mit unterschiedlichen Ergebnissen
abgeschlossen. Insbesondere kam es zu Abschlussberichten (mit und ohne konkrete
Beratung des Auftraggebers), zur Veröffentlichung in Buchform (Verkauf durch
Auftraggeber oder Kläger), zur Durchführung von Ausstellungen und/oder zur
Vorbereitung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen.
7
Die wesentlichen Verträge / Zuwendungsbescheide etc. in den Streitjahren mit einem
finanziellen Volumen von jeweils über ... DM sind Folgende:
8
Lfd. Nr. Zahlstelle finanzielles Volumen Laufzeit Blatt d. A. Art
9
1/1997 N. ... DM 1995 bis 1997 172 ff. BpHA WV
10
2/1997 E. ... DM 1996 (tw.1996 gebucht) 421 BpHA
11
3/1997 E. ... DM 1995 bis 1997 198 BpHA ZB
12
11/1997 ... ... DM 1997 bis 1998 170 BpHA WV
13
14/1997 E. ... DM 1997 bis 1998 208 BpHA ZB
14
15/1997 ... ... DM 1997 bis 1998
15
17/1997 ... . ... DM 1996 bis 1998 77 BpHA WV
16
8/1998 X. ... DM 1998 bis 2001 440 Bp,119 d.A. WV
17
16/1999 ... ... DM 1999 92,115,BpHA WV
18
18/1999 ... ... DM 1999 38-45 WV?
19
19/1999 ... ... DM 1999 bis 2000 BpBericht WV
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Neben den aufgeführten Geschäftspartnern des Klägers fällt insbesondere die I. mit einer
Reihe von Projekten mit einem Gesamtvolumen von ca. ... DM ins Gewicht (lfd. Nrn. 19-
23/1997 und 16/1998). Den entsprechenden Zahlungen liegen nach Lage der Akten
teilweise Absprachen über Zuschüsse, teilweise Werkverträge zu Grunde (Blatt 49 ff., 52,
53, 66-68, 90, 93, 359-379 BpHA). Wegen der weiteren Einzelheiten insoweit wird auf die
Darstellung der Projekte in der Anlage zur Klageschrift und die Zuordnung der
Zahlungsvorgänge in der Aufstellung Blatt 421 bis 427 BpHA, sowie die Kopien der
Verträge (insbesondere Blatt 21 bis 45 und 120 ff. d. A.) sowie in den Prüferhandakten
verwiesen.
21
Der Beklagte kam bei Auswertung der verschiedenen Verträge zu der Überzeugung,
dass lediglich die Projekte Nr. 3 und 14/97 der Anlage 1a zum Betriebsprüfungsbericht zu
Zuwendungen der öffentlichen Hand im Sinne des § 68 Nr. 9 AO geführt hätten. Die
übrigen Einnahmen stellten wirtschaftliche Erlöse aus Werkverträgen dar. Der Beklagte
kam auf der Basis dieser Bewertung zur Feststellung folgender Zahlen, deren
Zusammensetzung in der Anlage zum Betriebsprüfungsbericht aufgeschlüsselt - und in
der mdl. Verhandlung korrigiert - worden ist:
22
Jahr
Zuwendungen Vermögensverwaltung Andere
Finanzierung
Gesamtfinanzierung
1997
... DM
... DM
... DM
... DM
1998
... DM
... DM
... DM
... DM
1999
... DM
... DM
... DM
... DM
Summe ... DM
... DM
... DM
... DM
23
Da sich der Kläger daher nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln bzw. der
Vermögensverwaltung finanziere, erfülle er in den Streitjahren nicht die Voraussetzungen
des § 68 Nr. 9 AO. Der Betriebsprüfer verzichtete auf eine Überprüfung der Verhältnisse
in den Vorjahren 1995 und 1996, da die Verhältnisse laut Angaben des Klägers nicht von
denen des Prüfungszeitraums abgewichen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Begründung wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 00.00.0000 mit allen Anlagen
verwiesen. Die Bilanzen des Klägers für 1995 und 1996 weisen Umsatzerlöse von ... DM
und sonstige Einnahmen in Höhe von ... DM (1995) und Umsatzerlöse in Höhe von ... DM
und sonstige Erträge von ... DM (1996) aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Bilanzen Bezug genommen.
24
Auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung erließ der Beklagte unter dem 00.00 und
00.00.0000 Körperschaftsteuerbescheide sowie Gewerbesteuermessbescheide für die
drei Streitjahre. Die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge wurden für
1997 und 1999 auf jeweils 0,00 € und für 1998 auf ... € Körperschaftsteuer und ... €
Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide
Bezug genommen.
25
Mit Einsprüchen vom 00. und 00.00.0000 wandte sich der Kläger insbesondere gegen
die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass der Begriff der "Zuwendung" im Sinne
26
des § 68 Nr. 9 KStG nur eine Förderung ohne Auflagen umfasse. Entscheidend sei aus
Sicht des Klägers vielmehr, dass der Zuschussgeber keinen Einfluss auf Inhalt und
Ergebnis des Forschungsprojektes habe, welches in einem Endbericht zu dokumentieren
sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsbegründung vom
00.00.0000 verwiesen.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit verbundener Einspruchsentscheidung vom
00.00.0000 als unbegründet zurück. Dabei ging er davon aus, dass der Kläger der
Sonderregelung in § 68 Nr. 9 AO unterfalle. Bei dieser Ausgangslage komme es nicht
darauf an, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 65 AO erfülle. Das gelte auch dann,
wenn die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO für die Annahme eines Zweckbetriebs im
Einzelfall nicht erfüllt seien. Da sich der Kläger in den Streitjahren nicht überwiegend aus
Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung
finanziert habe, erfülle er nicht die Voraussetzungen des § 68 Abs. 9 AO. Dies führe im
Streitfall dazu, dass die gesamte Forschungstätigkeit des Klägers einen steuerpflichtigen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle, weil davon auszugehen sei, dass die
Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren nicht selbstlos, sondern eigenwirtschaftlich
gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung
verwiesen.
27
Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden, am Montag, den 00.00.0000 beim
Finanzgericht eingegangenen, Klage. Mit ihr trägt er weiterhin vor, dass die vom Kläger
im Streitzeitraum vereinnahmten Entgelte in überwiegendem Maße der Förderung der
Projekte gedient hätten, da insoweit ein öffentliches Interesse an den Untersuchungen
der Fragestellungen bestanden habe. Es seien keine Leistungen gegen Entgelt
vereinbart worden, sondern es hätten nur nachweisbar die Zuschussgelder für die
festgelegten Forschungsobjekte verausgabt werden und die Forschungsergebnisse in
den schriftlichen Berichten fest gehalten werden müssen. Es sei bei keinem Projekt ein
"Preis" vereinbart worden. Der Kläger habe nur Kalkulationen einreichen müssen, auf
Grund deren dann die Übernahme der Kosten in einer bestimmten Höhe bewilligt worden
sei. Nach Abschluss des jeweiligen Projektes seien jeweils Nachweise einzureichen
gewesen, aus denen sich ergeben habe, dass die projektierten Kosten auch tatsächlich
angefallen seien. Nach Überzeugung des Klägers erfüllt eine derartige Förderung die
Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO.
28
Ergänzend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass
einzelnen Projekten, insbesondere dem finanziell bedeutsamsten Projekt 1/1997, N.,
Zuwendungen der Gemeinschaftsinitiative der Europäischen Union zu Grunde lägen.
Bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung habe das Bundesministerium der
Finanzen - BMF - dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber erklärt, dass Zahlungen
aus dem Europäischen Sozialfonds als echte Zuschüsse zu qualifizieren seien. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
29
Der Kläger beantragt,
30
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 und der
Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1997 bis 1999
den Kläger als nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer und gemäß §
3 Nr. 6 GewStG als von der Gewerbesteuer befreit anzuerkennen, weil er
ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im
Sinne der §§ 51 ff. AO dient,
31
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32
Der Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Zur Begründung verweist er auf den Betriebsprüfungsbericht und die
Einspruchsentscheidung, in der das Vorbringen des Klägers bereits gewürdigt worden
sei.
35
Entscheidungsgründe:
36
Die Klage ist zulässig und teilweise, hinsichtlich der Körperschaftsteuer und des
Gewerbesteuermessbetrages 1997, begründet, im Übrigen unbegründet.
37
Die Klage ist auch hinsichtlich der auf 0 € lautenden Körperschaftsteuer- und
Gewerbesteuermessbescheide 1997 und 1999 zulässig.
38
Da das Gesetz nichts anderes bestimmt, setzt die Zulässigkeit der Anfechtungsklage
voraus, dass der Kläger geltend macht, durch den jeweils angefochtenen Bescheid in
seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das
bedeutet, dass der Kläger substantiiert und schlüssig darlegen muss (BFH-Urteil vom 28.
Oktober 1987 I R 275/83, BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292; Gräber, FGO, 5. Aufl., 2002,
§ 40 Rdnr. 61 f., m.w.N.), der Bescheid beeinträchtige ein dem Kläger zustehendes
Recht. Ein Bescheid, durch den die Körperschaftsteuer oder der
Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt worden ist, führt zwar zu keiner
Zahlungsverpflichtung. Für die Darlegung einer Rechtsverletzung reicht es aber aus,
dass der Kläger geltend macht, er sei von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit
und durch die auf 0 € lautenden Bescheide sei zu Unrecht seine Körperschaft- und
Gewerbesteuerpflicht bejaht worden (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1994 I R
153/93, BStBl II 1995, 499 m. w. N. ).
39
Die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag
1997 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie hätten nicht ergehen dürfen. Der Kläger ist für
das Streitjahr 1997 von der Körperschaft- und Gewerbesteuer zu befreien. Er erfüllt im
Streitjahr 1997 die übereinstimmenden Voraussetzungen der Befreiungsvorschriften des
KStG und des GewStG.
40
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG sind Körperschaften, die nach
der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der
Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer befreit. Soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
unterhalten wird, ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen.
41
Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt,
welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§
52 bis 55 entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird; die
tatsächliche Geschäftsführung muss diesen Satzungsbestimmungen entsprechen.
42
Diesen Voraussetzungen genügt der Kläger für das Streitjahr 1997.
43
Der Kläger ist als eingetragener Verein eine Körperschaft im Sinne des § 1 Nr. 4 KStG.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass er nach seiner Satzung (vgl. §§ 2, 13 der
Satzung) ausschließlich (§ 56 AO) und unmittelbar (§ 57 AO) gemeinnützigen Zwecken
im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 1 (Förderung von Wissenschaft und Forschung) und Nr. 2
(Förderung des Wohlfahrtswesens) bzw. mildtätigen Zwecken im Sinne des § 53 AO
dient.
44
Entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllte im Streitjahr 1997 auch die tatsächliche
Geschäftsführung des Klägers die Voraussetzungen für die Anerkennung der
Gemeinnützigkeit.
45
Nach § 63 AO muss auch die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein
und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für
Steuervergünstigungen enthält. Dies setzt insbesondere - und im Streitfall allein
streitbefangen - voraus, dass die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke im Sinne der
§§ 52 Abs. 2, 53 AO selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO erfolgt.
46
Der Kläger handelte im Streitjahr 1997 selbstlos im Sinne des § 55 AO. Eine Förderung
geschieht nach § 55 AO selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie
"eigenwirtschaftliche Zwecke - zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige
Erwerbszwecke - verfolgt werden".
47
Wie sich aus dem Merkmal "in erster Linie" ergibt, ist nur eine vorrangige Verfolgung
wirtschaftlicher Mitgliederinteressen schädlich. Es bedarf also einer Abwägung im
Einzelfall, ob die wirtschaftlichen Vorteile der Mitglieder im Interesse des Gemeinwohls
hinzunehmen sind, weil die gemeinwohlfördernde Tätigkeit der Körperschaft im
Vordergrund steht (Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen
Gemeinnützigkeitsrechts in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 2003, 49,
68; Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 55 AO, Rdnr. 28 ff. M. w. N.). Selbstloses
Handeln ist zu verneinen, wenn die ihm eigene Opferwilligkeit zu Gunsten anderer
wegfällt oder in den Hintergrund gedrängt wird und an deren Stelle in erster Linie
Eigennutz tritt (BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 I R 156/94, BFHE 186, 546; BStBl II 2002,
162 m. w. N.).
48
Die Finanzverwaltung vertritt ebenfalls die Auffassung, dass bei Unterhaltung eines
steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs durch eine Körperschaft zwischen
der steuerbegünstigten und der wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewichten ist. Die
Körperschaft ist danach nicht steuerbegünstigt, wenn ihr die wirtschaftliche Tätigkeit bei
einer Gesamtbetrachtung das Gepräge gibt (Anwendungserlass zur Abgabenordnung -
AEAO - Textziffer - Tz - 2 zu § 55).
49
Ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen der Finanzverwaltung, des BFH und der
Literatur zur Anwendung des § 55 AO und seiner Abgrenzung zu § 56 AO im Einzelfall
(vgl. Hüttemann a. a. O. Seite 69 m. w. N.; BFH a. a. O. und den dazu ergangenen
teilweisen Nichtanwendungserlass, BMF-Schreiben vom 15. Februar 2002, BStBl I 2002,
267) besteht Einigkeit, dass ein selbstloses Handeln jedenfalls insoweit zu bejahen ist,
wie der von dem Steuerpflichtigen unterhaltene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein
Zweckbetrieb im Sinne der AO ist.
50
Danach ist im Streitfall für das Jahr 1997 von einer selbstlosen Handlungsweise des
Klägers auszugehen. Die gesamte Tätigkeit des Klägers im Jahr 1997 ist nach § 68 Nr. 9
AO als Zweckbetrieb anzusehen, so weit nicht Tätigkeiten im Sinne des § 68 Nr. 9 Satz 3
AO ausgeführt wurden.
51
Nach § 68 Nr. 9 AO, der nach § 1e Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur AO - EGAO - seit
dem 1. Januar des Streitjahres 1997 anzuwenden ist, sind Wissenschafts- und
Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der
öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren,
Zweckbetriebe. Der Wissenschaft und Forschung dient auch die Auftragsforschung. Nicht
zum Zweckbetrieb gehören Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränken, die Übernahme von Projektträgerschaften
sowie wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Forschungsbezug.
52
Der Kläger ist eine derartige Wissenschafts- und Forschungseinrichtung. Sein
satzungsmäßiger Zweck ist unter anderem die Förderung von Wissenschaft und
Forschung. Die Tatsache, dass der Kläger nach seiner Satzung auch andere
steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, ist unschädlich. Auch nach Auffassung der
Finanzverwaltung ist § 68 Nr. 9 AO anzuwenden, wenn die Forschungstätigkeit bei der
tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der anderen steuerbegünstigten Zwecke
über-wiegt (BMF-Schreiben vom 22. September 1999, BStBl I 1999, 944).
53
Dass beim Kläger die Förderung von Wissenschaft und Forschung den absoluten
Schwerpunkt seiner Betätigungen ausmacht, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und
ergibt sich auch aus den im Tatbestand dargestellten vielfältigen Unterlagen über die
Tätigkeit des Klägers in allen drei Streitjahren.
54
Der Kläger hat sich im Streitjahr 1997 auch überwiegend aus Zuwendungen der
öffentlichen Hand oder Dritter und Erträgen aus der Vermögensverwaltung finanziert.
55
Nach den vom Kläger unbestrittenen Feststellungen des Beklagten hat der Kläger im
Streitjahr 1997 Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter und Erträge aus
Vermögensverwaltung in Höhe von ... DM und nur im Umfang von ... DM Einnahmen aus
so genannter Auftragsforschung gehabt. Eine Überprüfung der zwischen den Beteiligten
unstreitigen Feststellungen ergibt jedenfalls, dass Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9
AO in der vom Beklagten festgestellten - die anderweitigen Einnahmen übersteigenden -
Höhe im Streitjahr vorgelegen haben. Die gesamten Zuwendungen des Streitjahres 1997
beruhen auf dem Projekt 3/1997. Ausweislich der Vertragsunterlagen (Blatt 198 ff. BpHA)
und der Anlage zu den Bewilligungsschreiben der E. (Blatt 212 ff. BpHA) handelt es sich
bei diesen Einnahmen um Fördermittel aus klassischer Projektförderung zur Förderung
gemeinnütziger Ziele mit Verpflichtung die Ergebnisse des Forschungsvorhabens der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Tragung eines Eigenanteils der Projektkosten
durch den Kläger war Bestandteil der Förderungszusage. Bei derartigen Zahlungen im
Rahmen einer Projektförderung handelt es sich nach der vom erkennenden Senat
geteilten herrschenden Meinung (vgl. z. B. BMF, BStBl I 1999, 944 unter IV. 4.; Ernst &
Young, KStG, § 5 Rdnr. 660.4;Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 6 Rdnr. 106,
Seite 344; Thiel, Die Besteuerung öffentlich geförderte Forschungseinrichtungen, Der
Betrieb 1996, 1944, 1948) um Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9 AO.
56
Entgegen der Auffassung des Beklagten, der sich insoweit auf Tz III. 5. des BMF-
57
Schreibens vom 22. September 1999, BStBl I 1999, 944, stützt, ist für die Frage der
überwiegenden Finanzierung aus Zuwendungen der öffentlichen Hand nicht auf einen
Dreijahreszeitraum - Streitjahr und die beiden vorangegangenen Jahre - abzustellen,
sondern ausschließlich auf das Streitjahr (ebenso: Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt, KStG, §
5 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 276f).
Die Körperschaftsteuer ist eine Jahressteuer. Nach § 7 Abs. 3 KStG sind die Grundlagen
für Ihre Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Auch nach Auffassung der
Finanzverwaltung ist über die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nach dem
Grundsatz der Abschnittsbesteuerung stets für einen bestimmten Veranlagungszeitraum
zu entscheiden. Eine Körperschaft kann danach nur dann von der Körperschaftsteuer
befreit werden, wenn sie in dem zu beurteilenden Veranlagungszeitraum alle
Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit erfüllt (BMF, BStBl I 2002, 267, 268 unter 4.
Jahresprinzip). Die gleichen Regeln gelten für die Gewerbesteuer (vgl. § 14 GewStG).
58
Dies entspricht auch den Regelungen in §§ 60 Abs. 2, 63 Abs. 2 AO, wonach sowohl die
Satzung als auch die tatsächliche Geschäftsführung während des gesamten
Veranlagungszeitraums den Anforderungen der §§ 60 Abs. 1, 63 Abs. 1 AO genügen
müssen.
59
Ausnahmen vom Jahresprinzip bedürfen einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz, wie
dies z. B. in § 61 Abs. 3 AO erfolgt ist. Eine derartige Ausnahmeregelung enthält § 68 Nr.
9 AO aber nicht. Auch wenn der Prüfung auf der Basis eines Dreijahreszeitraums
möglicherweise Billigkeitserwägungen zu Gunsten der Steuerpflichtigen (§ 163 AO) oder
bloße Praktikabilitätserwägungen (vgl. Ernst & Young, KStG, § 5 Rdnr. 660.6) zu Grunde
liegen, kann dies ohne gesetzliche Grundlage nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen
ausschlagen.
60
Der Senat kann daher in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob dem BMF-
Schreiben in BStBl I 1999, 944, eine gegenteilige Rechtsauffassung zu entnehmen ist,
wie der Beklagte im Rahmen der Außenprüfung und der Einspruchsentscheidung
augenscheinlich angenommen hat, und ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung
auf der Basis des BMF-Schreibens ohne Überprüfung der Verhältnisse in den Vorjahren
und unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung im Jahressteuergesetz 1997
überhaupt gegeben sein können.
61
Mit der Aufhebung der Änderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung tritt
der Freistellungsbescheid vom 00.00.0000 insoweit wieder in Kraft. Eine teilweise
Steuerpflicht liegt nicht vor, da nach § 68 Nr. 9 Satz 2 AO auch die Auftragsforschung in
die Zweckbetriebsfiktion einbezogen ist und ein eventuell noch gegebener
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 64, 68 Nr. 9 Satz 3 AO keinesfalls den
Grenzbetrag nach § 64 Abs. 3 AO in Höhe von 60.000 DM erreicht.
62
Die weitergehende Klage hinsichtlich der Streitjahre 1998 und 1999 ist unbegründet.
63
Entgegen der Auffassung des Klägers erfüllte seine tatsächliche Geschäftsführung in den
Streitjahren 1998 und 1999 nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung der
Gemeinnützigkeit.
64
Wie bereits oben beim Streitjahr 1997 ausgeführt, muss auch die tatsächliche
Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der
65
steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die
Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 AO). Dies
setzt insbesondere voraus, dass die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke im Sinne
der §§ 52 Abs. 2, 53 AO selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO erfolgt. An dieser
erforderlichen Selbstlosigkeit fehlt es im Streitfall.
Nach § 55 Abs. 1 AO ist eine Körperschaft nicht selbstlos tätig, wenn sie in erster Linie
nicht steuerbegünstigte, sondern eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.
66
Davon ist bei Forschungseinrichtungen, auf die § 68 Nr. 9 AO anzuwenden ist,
auszugehen wenn sie die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die Behandlung als
Zweckbetrieb nicht erfüllen.
67
Zwar können eigenwirtschaftliche Zwecke von gemeinnützigen Einrichtungen im
Rahmen der so genannten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe (§ 14 AO) verfolgt werden,
ohne dass die Steuervergünstigung insgesamt verloren geht, wenn das Gesetz die
Steuervergünstigung insoweit ausschließt, wie ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
unterhalten wird (§ 64 Abs. 1 AO) und soweit der Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb im
Sinne der §§ 65 bis 68 AO ist (§ 64 Abs. 1, 2. Halbsatz AO). Nach der Rechtsprechung
des BFH verfolgt eine Körperschaft nicht allein deswegen in erster Linie
eigenwirtschaftliche Zwecke, weil die unternehmerischen Aktivitäten innerhalb eines
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes die gemeinnützigen Aktivitäten übersteigen (BFH-
Urteil vom 15. Juli 1998 I R 156/94, BFHE 186, 546, BStBl II 2002, 162).
68
Dies ist nach Überzeugung des erkennenden Senats im Anwendungsbereich des § 68
Nr. 9 AO anders. Soweit die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO im Einzelfall gegeben
sind, wird hinsichtlich der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit Ausnahme der
Tätigkeiten nach § 68 Nr. 9 Satz 3 AO ein Zweckbetrieb fingiert. Sind die
Voraussetzungen im Einzelfall nicht gegeben, ist ohne eine weitere
Abwägungsentscheidung davon auszugehen, dass die Körperschaft in erster Linie
eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.
69
Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 68 AO. Danach
"sind" Zweckbetriebe auch die nachfolgend unter Nr. 1 bis Nr. 9 aufgeführten Aktivitäten.
Es handelt sich also um eine Fiktionsvorschrift mit rechtsbegründendem Charakter, die
als Spezialgesetz den allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 65 AO vorgeht. Die
Einordnung des § 68 AO als gegenüber § 65 AO rechtsystematisch vorrangiger
Spezialvorschrift entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. BFH-Urteil
vom 18. Januar 1995 V R 139 - 142/92, BFHE 177, 147, BStBl II 1999, 446; BFH-Urteil
vom 14 Juni 2003 I R , 20/02, BStBl II 2004, 660) und der herrschenden Meinung in der
Literatur (Nachweise bei BFH, BStBl II 2004, 660 unter II. 2.). Das entspricht auch dem
gesetzgeberischen Willen, wie er sich aus der Gesetzgebungsbegründung zu dem
geänderten Einleitungssatzes des § 68 AO (vgl. Bundestagsdrucksache - BT-Drs. -
11/4176, S. 12) und der Gesetzgebungsbegründung zur Einfügung der Nr. 9 in § 68 AO
(vgl. BT-Drs. 13/4839, S. 88) ergibt.
70
Die Gesetzgebungsgeschichte des § 68 Nr. 9 AO spricht auch dafür, dass der
Gesetzgeber nicht nur - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt - bei Erfüllung der
Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO die gesamten Tätigkeiten der jeweiligen
Forschungseinrichtung - mit Ausnahme der in Satz 3 genannten Teilbereiche - dem
gemeinnützigen Bereich, sondern auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen die
71
gesamten Tätigkeiten dem nicht gemeinnützigen Bereich zuordnen wollte.
Der Bundesfinanzhof hatte in der Grundsatzentscheidung zur umsatzsteuerlichen
Behandlung von Forschungseinrichtungen (BFH-Urteil vom 30. November 1995 V R
99/91, BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189) in Leitsatz 5 ausgeführt:
72
Sind bei einem als gemeinnützig anerkannten eingetragenen Verein (Zweck:
Förderung von Wissenschaft und Forschung) Auftragsforschung und
Eigenforschung nach Satzung und tatsächliche Übung so sehr miteinander
verwoben, dass beide nicht voneinander abgrenzbar sind und die Ausübung der
einen Tätigkeit nicht ohne die andere möglich ist, liegt ein einheitliches
gewerbliches Unternehmen vor, bei dem zumindest im Bereich der
Auftragsforschung die Allgemeinheit nicht selbstlos gefördert wird. Ist die entgeltlich
ausgeübte Auftragsforschung abgrenzbar und selbstständig von der
Eigenforschung, so handelt es sich insoweit um einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb, nicht aber um einen Zweckbetrieb.
73
Dazu führt der Gesetzgeber in der Begründung zu § 68 Nr. 9 AO aus:
74
Das Urteil führt, wenn nicht durch eine Zweckbetriebsfiktion abgeholfen wird, bei
den gemeinnützigen Forschungseinrichtungen zu großen Problemen. Dabei geht es
nur am Rande um die zu zahlenden Steuern, sondern in erster Linie um schwierige
Abgrenzungsfragen und Planungssicherheit. Die Auftragsforschung ist in den
Einrichtungen mit der gesamten Forschungstätigkeit verzahnt und vernetzt. Dadurch
ist es schwierig und mit großem Arbeitsaufwand verbunden, die Einnahmen und
Ausgaben der Einrichtung den einzelnen Tätigkeitsbereichen zuzuordnen. …
75
Die Zweckbetriebsfiktion wird auf Forschungseinrichtungen beschränkt, deren
Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder
aus der Vermögensverwaltung finanzieren. Dies trägt dem Grundsatz Rechnung,
dass Forschungseinrichtungen wegen ihrer Eigen- oder Grundlagenforschung
gemeinnützig sind und Steuervergünstigungen nur zu rechtfertigen sind, wenn das
Schwergewicht der Tätigkeit in diesem Bereich liegt. …
76
Während die Entscheidung des BFH zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 68 Nr. 9 AO
darauf hinauslief, dass im Einzelfall eine Zuordnung zu Eigenforschung und
Auftragsforschung, Prüfung der Abgrenzbarkeit der beiden Bereiche und gegebenenfalls
nachrangig eine Prüfung des § 55 Abs. 1 AO erfolgen musste, zielte der Gesetzgeber auf
eine Regelung, die Abgrenzungsfragen vermied und Planungssicherheit schuf.
77
Die Berücksichtigung dieser Zweckrichtung der gesetzlichen Neuregelung muss nach
Überzeugung des Senats dazu führen, § 68 Nr. 9 AO im Sinne einer abschließenden
Spezialregelung sowohl hinsichtlich der Zweckbetriebseigenschaft als auch hinsichtlich
der Selbstlosigkeit zu verstehen, auch wenn der Gesetzestext insoweit nicht eindeutig ist.
Eine andere Auslegung führte dazu, dass nicht nur von Veranlagungszeitraum zu
Veranlagungszeitraum ein Wechsel zwischen dem Eintritt in die Steuerpflicht und dem
Wegfall der Steuerpflicht vorkommen könnte (so zutreffend Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt,
KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 276p), sondern darüber hinaus in den Jahren der
Steuerpflicht schwierigste Abgrenzungsfragen geklärt werden müssten. Dies wollte der
Gesetzgeber mit der Spezialregelung in § 68 Nr. 9 AO nach Überzeugung des Senats
vermeiden. Auch würden ansonsten entgegen der Gesetzesintention
78
Forschungseinrichtungen gefördert, deren Schwergewicht gegebenenfalls in
steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben läge.
Der Senat sieht sich mit dieser Auslegung in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur
(vgl. z. B. Uterhark in Schwarz, AO, § 68 Rdnr. 12; Schauhoff, Handbuch der
Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., 2005, § 6 Rdnr. 106, S. 345) und der Finanzverwaltung (BMF,
BStBl I 1999, 944 unter I. 5) und im Gegensatz zu anderen Teilen der Literatur (vgl. z. B.
Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 276m; Strahl, Steuerliche
Konsequenzen der Verwertung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen durch
Hochschulen und gemeinnützigen Forschungseinrichtungen, Deutsches Steuerrecht -
DStR - 2000, 2163, 2167). Entscheidungen des BFH und anderer Finanzgerichte liegen
soweit ersichtlich nicht vor (FG Baden-Württemberg, Urteile vom 11. Juli 2002 3 K 66 u.
67/99, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 22 mit Anmerkung Valentin
betreffen eine andere Konstellation; ebenso nachfolgend BFH-Beschluss vom 8.
Dezember 2003 V B 267/02, Juris Nr. STRE 200450111, Haufe-Index 1119039, ).
79
Diese Auslegung führt im Streitfall dazu, dass die Klage hinsichtlich der Streitjahre 1998
und 1999 in vollem Umfang abzuweisen ist, weil der Kläger in beiden Streitjahren die
Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO nicht erfüllt hat.
80
Nach § 68 Nr. 9 AO sind Zweckbetriebe auch Wissenschafts- und
Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der
öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren.
81
Im Streitfall fehlt es an der überwiegenden Finanzierung aus Zuwendungen der
öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung.
82
Überwiegende Finanzierung bedeutet, dass die Einnahmen, nicht die Gewinne, zu mehr
als 50% aus Quellen stammen müssen, die nicht Gegenleistung für Leistungen der
Wissenschafts- und Forschungseinrichtung sein dürfen (Uterhark in Schwarz, AO, § 68
Rdnr. 12; BMF, BStBl I 1999, 944 unter III.; Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt, KStG, § 5 Abs. 1
Nr. 9 Rdnr. 276d; koordinierter Ländererlass, Bayerisches Finanzministerium vom 13.
April 2000, Der Betrieb - DB - 2000, 954). Dabei sind bei Einnahmen aus
umsatzsteuerpflichtigen Leistungen die Einnahmen einschließlich der Umsatzsteuer für
die Berechnung heranzuziehen (Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt a. a. O.; Bayerisches
Finanzministerium a. a. O.).
83
Eine ausdrückliche Definition der "Zuwendung" enthält das Gesetz nicht. Nach
Überzeugung des Senats ist mit Zuwendung der - freiwillige - Mitteltransfer gemeint, der
der jeweils betroffenen Körperschaft ohne eigene Gegenleistung zufließt (Hübschmann/
Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 68 Rdnr. 25;Pahlke/König, AO, § 68 Rdnr. 18a. E.). Das
entspricht auch der Bedeutung des Begriffs Zuwendung in anderen Vorschriften (vgl.
Thiel, a. a. O. mit Nachweisen bei Fußnote 21). Unter den Begriff der Zuwendungen
fallen daher unentgeltliche Leistungen wie Spenden, Mitgliedsbeiträge,
Projektförderungszahlungen (vgl. dazu unten BMF, BStBl I 1999, 944 unter IV. 4.; Ernst &
Young, KStG, § 5 Rdnr. 660.4) und Zahlungen, durch die lediglich eine aus
strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen erwünschte
Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll (Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt,
KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 276d; BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 V R 51/96 BFH/NV
1999, 833).
84
Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9 AO setzen daher voraus, dass es sich nicht um
einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, also um Entgelte, handelt (ebenso
Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 276d unter Bezugnahme auf
BFH-Urteil vom 20. Januar 1996 V R 61/94, BFH/NV 1996, 715). Nicht unter den Begriff
der Zuwendung fallen daher auch die unechten Zuschüsse im Sinne des
Umsatzsteuergesetzes (Thiel, a. a. O., Seite 1948). Die Begrifflichkeit weicht teilweise
von der Rechtsprechung des 5. Senats des BFH ab, der in verschiedenen
Entscheidungen zwischen Zuwendungen und Entgelten differenziert hat (vgl. BFH-Urteil
vom 15. Oktober 1998 V R 51/96, BFH/NV 1999, 833 m. w. N.).
85
Keine Zuwendungen sind demgegenüber Entgelte für so genannte Auftragsforschung
(vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2000 III R 50/97, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung - HFR - 2001, 473) sowie die Einnahmen aus Betätigungen im
Sinne des § 68 Nr. 9 Satz 3 AO. Nach Auffassung des Senats ist auch die so genannte
Ressortforschung, also eine Forschung, bei der die Forschungsergebnisse in erster Linie
dem sie finanzierenden Ministerium zur Verfügung stehen, nicht begünstigt (ebenso:
Thiel, a. a. O.; Schauhoff, a. a. O.; Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 68 AO Rdnr.
25).
86
Ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch und damit keine Zuwendung im Sinne des §
68 Nr. 9 AO liegt jedenfalls dann vor, wenn Leistung und Gegenleistung innerlich derart
miteinander verknüpft sind, dass sich die Leistung auf die Erlangung einer Gegenleistung
richtet (BFH-Urteil vom 28. Juli 1994 V R 19/92, BFHE 176,66, BStBl II 1995, 86). Ob
eine solche finale Verknüpfung zwischen der Zuwendung und der Ausführung der
Forschungsleistung vorliegt, ist anhand der konkreten Vereinbarungen des Leistenden
mit dem Zahlenden zu ermitteln (BFH/NV 1999, 833 m. w. N.).
87
Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO in den Streitjahren
1998 und 1999 nicht, da jeweils über 50% der Einnahmen im Rahmen
umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustauschverhältnisse erzielt wurden.
88
Im Streitjahr 1998 erzielte der Kläger insgesamt - einschließlich der
Vermögensverwaltung - Einnahmen in Höhe von ... DM. Davon entfallen zumindest
Einnahmen in Höhe von insgesamt ... DM auf Einnahmen im Rahmen von
Leistungsaustauschverhältnissen. Dazu zählen die Einnahmen aus dem Vertrag mit dem
N. in Höhe von ... DM (1.), mit der ... in Höhe von ... DM (2.), mit dem ... in Höhe von ... DM
(3.) und mit dem X. in Höhe von ... DM (4.).
89
(1.) Vertrag N. (Blatt 172 ff. BpHA)
90
Bei diesem Vertrag liegt eine finale Verknüpfung zwischen der Ausführung der
Forschungsleistung und der Zuwendung des N. an den Kläger vor.
91
Ausweislich des Vertragstextes wurde zwischen dem Kläger und dem ..., vertreten durch
das N., ein Werkvertrag geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete das Vorhaben
entsprechend dem Angebot in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000
durchzuführen. In § 3 des Vertrages wurde der Leistungsumfang der vom Kläger zu
erbringenden Leistungen geregelt. § 4 des Vertrages enthielt eine Klausel, wonach das
N. das - zeitlich befristete - ausschließliche Nutzungsrecht hinsichtlich aller verwertbaren
Rechte erhielt und der Kläger zur Verschwiegenheit bis zu einem eventuellen Rückfall
der Publikationsrechte an ihn verpflichtet wurde. Die Vergütung richtete sich nach dem
92
Selbstkostenpreis im Sinne des öffentlichen Preisrechtes, Mehrwertsteuer sollte nur
gegen Nachweis der Steuerpflicht und nur in der tatsächlich abzuführenden Höhe
erstattet werden. Im Falle einer - an keine Voraussetzung gebundenen - Kündigung hatte
der Kläger einen Anspruch auf eine der bis dahin erbrachten Leistung entsprechende
Vergütung; bei einer Überzahlung durch Vorauszahlungen war in diesem Fall eine
verzinsliche Rückzahlung zu leisten.
Die Vereinbarung des Selbstkostenpreises, die Regelungen zu den
Zahlungsverpflichtungen bei Teilleistungen und das Recht auf exklusive Verwertung der
Forschungsergebnisse indizieren aus Sicht des Senates, dass diesem Vertrag ein
Leistungsaustauschverhältnis zugrunde liegt. Die offene Umsatzsteuerklausel lässt dies
aber wieder zweifelhaft erscheinen. Entscheidend ist deshalb letztlich die gewählte
vertragliche Gestaltung. Werkverträge sind klassische gegenseitige Verträge. An dieser
vertraglichen Gestaltung müssen sich die Beteiligten festhalten lassen.
93
(2.) ... (Rechnung Blatt 77 BpHA)
94
Hinsichtlich dieses Projektes ist der Kläger selbst vom Vorliegen eines
umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches ausgegangen. Unter Bezugnahme auf den
Werkvertrag vom 00.00.0000 hat er im Mai 0000 eine Teilzahlungsrechnung über ... DM
zuzüglich 15% Mehrwertsteuer an die Auftraggeberin gerichtet. Der Kläger hat im
Verlaufe des weiteren Verfahrens weder substantiiert vorgetragen noch entsprechende
Beweismittel vorgelegt, dass die von ihm selbst vorgenommene Einordnung zu den
umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschverhältnissen fehlerhaft gewesen sein
könnte. Eine weitere Sachaufklärung durch den erkennenden Senat ist daher nicht
angezeigt.
95
(3.) ... (Bl. 21 bis 37 d. A.)
96
Auch bei diesem Vertrag liegt eine finale Verknüpfung zwischen der Ausführung der
Forschungsleistung und der Zuwendung des Ministeriums an den Kläger vor.
97
Ausweislich des Vertragstextes wurde ein Werkvertrag zu Marktpreisen abgeschlossen.
Das auftraggebende Ministerium hatte Anspruch auf Übereignung der zur Durchführung
des Auftrages erarbeiteten wissenschaftlichen und technischen Unterlagen (§ 6), die
Erkenntnisse durften nur mit Zustimmung des Auftraggebers veröffentlicht werden, bei
Kündigung durch den Auftraggeber waren gegebenenfalls Überzahlungen
zurückzuzahlen (§ 10). Die Vergütung enthielt ausdrücklich 7% Mehrwertsteuer. § 8 des
Vertrages regelte die Auftragserfüllung mit Abnahme des vom Kläger zu erstellenden
Endberichtes.
98
Dem Auftrag lagen umfangreiche Auftragsbeschreibungen, Ausschreibungsbedingungen
sowie ein Merkblatt für Ressortforschungsvorhaben des Ministeriums zu Grunde. Danach
schloss das Ministerium zur Durchführung seiner Forschungsvorhaben grundsätzlich
Werkverträge mit Marktpreisvereinbarung und nur ausnahmsweise Werkverträge mit
Selbstkostenerstattungspreis-Vereinbarung ab.
99
Die Vereinbarung des Marktpreises mit Mehrwertsteuer, die Regelungen zu den
Zahlungsverpflichtungen bei Teilleistungen und die Abnahmeklausel zeigen aus Sicht
des Senates eindeutig, dass auch diesem Vertrag ein Leistungsaustauschverhältnis
zugrunde liegt.
100
(4.) X. (Blatt 119 ff. d. A.)
101
Auch bei diesem Vertrag liegt eine finale Verknüpfung zwischen der Ausführung der
Forschungsleistung und den Zuwendungen des X. an den Kläger vor.
102
Ausweislich der vorliegenden Unterlagen hat das X. einen Antrag auf Gewährung einer
Zuwendung durch das EU-kofinanzierte Landesprogramm in Nordrhein-Westfalen "..."
gestellt. In dem Projektangebot wurde ausdrücklich auf die Kooperation mit dem Kläger
hingewiesen. In der Folgezeit kam es sowohl zu einem Werkvertrag als auch zu einem
Kooperationsvertrag zwischen dem X. und dem Kläger. Die tatsächliche Tätigkeit des
Klägers erfolgte dann auf der Basis des Werkvertrages. Der Kooperationsvertrag verweist
unter 2.1 ausdrücklich auf die Zuwendungsbedingungen des W.3. sowie den
Werkvertrag.
103
Nach § 3 des Werkvertrages erhielt der Kläger ein Honorar von ... DM zuzüglich 7%
Mehrwertsteuer. Das Honorar wurde nach Abnahme der jeweiligen Werkteile in Raten
fällig. § 3 Abs. 3 des Vertrages enthielt Regelungen für den Fall des Verzuges. § 4 Abs. 2
des Vertrages enthielt eine ausschließliche Nutzungsrechtseinräumung an das X..
104
Die Vereinbarung des Honorars mit Mehrwertsteuer, die Regelungen zu den
Verzugsfolgen und die Einräumung des ausschließlichen Nutzungsrechtes zeigen aus
Sicht des Senates eindeutig, dass auch diesem Vertrag ein
Leistungsaustauschverhältnis zugrunde liegt.
105
In Anbetracht der Höhe der im Rahmen der oben dargestellten
Leistungsaustauschverhältnisse erzielten Einnahmen des Klägers im Streitjahr 1998
verzichtet der Senat auf eine Überprüfung aller weiteren Vertrags- und
Zuwendungsverhältnisse des Klägers im Jahr 1998. Auf die Zuordnung der
verbleibenden Einnahmen kommt es nicht an, da die Einnahmen aus den oben
dargestellten Vertragsverhältnisse eindeutig mehr als 50% der Gesamteinnahmen des
Klägers im Streitjahr 1998 ausmachen.
106
Der Beklagte ist auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes oder Treu und Glauben
gehindert im Hinblick auf die Einnahmen des Klägers - insbesondere aus dem
Vertragsverhältnis mit dem N., mit einer Weiterleitung von Mitteln aus dem europäischen
Sozialfonds - von Leistungsaustauschverhältnissen auszugehen, wobei offen bleiben
kann, ob derartige Überlegungen im Rahmen des hier anhängigen
Hauptsacheverfahrens oder im Rahmen eines eigenständigen Billigkeitsverfahren zu
prüfen wären.
107
Zwar hat das Bundesfinanzministerium in dem in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Schreiben vom 12. August 2004 gegenüber dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit erklärt, dass Zahlungen aus dem Europäischen Sozialfonds an
Entwicklungspartnerschaften als Zuwendungsempfänger echte Zuschüsse im Sinne des
Umsatzsteuerrechtes seien; dies kann aber für die hier streitbefangene Entscheidung
über die Gemeinnützigkeit keine Bedeutung haben, weil insoweit keine Aussage
getroffen wurde. Außerdem enthält das Schreiben des BMF in seinem letzten Satz
ausdrücklich den Hinweis, dass Zuwendungen aus dem Sozialfonds Entgelte für
erbrachte Leistungen sein können, soweit die Leistungen aus dem Aufgabenbereich der
Entwicklungspartnerschaft vertraglich vergeben werden.
108
Ob dem bezeichneten Schreiben des BMF Bedeutung für die Festsetzung der
Umsatzsteuer in den Streitjahren zukommt, kann und braucht im vorliegenden Verfahren
nicht entschieden zu werden.
109
Der Senat kann auch dahingestellt sein lassen, ob der Kläger theoretisch einen Anspruch
auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit im Rahmen des Dreijahreszeitraums, wie er in
dem BMF-Schreiben vom 22. September 1999 unter Textziffer III. 5. vorgegeben ist,
haben könnte.
110
Selbst wenn man mit dem Senat davon ausginge, dass es sich bei der Regelung in dem
BMF-Schreiben um eine Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO handelt und weiter
unterstellte, dass der Beklagte auch insoweit eine Entscheidung im Vorverfahren
getroffen hat, könnte dies dem Kläger nicht zum Erfolg seiner Klage verhelfen.
Ausgehend von den Feststellungen der Betriebsprüfung hinsichtlich der Streitjahre 1997
und 1998 und der Bilanzierung des Klägers im Jahr 1996 ergeben sich
Gesamteinnahmen im Zeitraum 1996 bis 1998 von ca. ... DM. Die bilanzierten
schädlichen Umsatzerlöse 1996, sowie die von der Betriebsprüfung festgestellten - im
wesentlichen mit der Bilanzierung übereinstimmenden - Umsatzerlöse 1997 betragen ca.
... DM. Wenn man nur die oben festgestellten Umsatzerlöse von ...DM hinzugerechnet,
ergibt sich ein Gesamtbetrag von ca. ... DM, also weit mehr als 50% der gesamten für die
Entscheidung relevanten Einnahmen.
111
Im Streitjahr 1999 erzielte der Kläger insgesamt - einschließlich der
Vermögensverwaltung - Einnahmen in Höhe von ... DM. Davon entfallen zumindest ... DM
auf den Vertrag mit dem X. (1.). Ein Betrag von ca. ... DM entfällt auf das Projekt im
Zusammenhang mit der ... und der ... für die H. (2.), ein Betrag von ca. ... DM auf die
Erstellung eines Handbuches für die I. (3.) sowie ein Betrag von ca. ... DM auf die
Projektentwicklung und Beratung des Projektes "..." für den Auftraggeber G. e. V. und ein
Betrag von ca. ... DM auf das M. (4.).
112
(1.) X. (Blatt 119 ff. d. A.)
113
Bei diesem Vertrag liegt eine finale Verknüpfung zwischen der Ausführung der
Forschungsleistung und den Zuwendungen des X. an den Kläger vor.
114
Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter (4.) beim Streitjahr 1998
verwiesen.
115
(2.) H. GmbH (Blatt 115, 118, 124 BpHA)
116
Auch bei diesem Vertrag liegt eine finale Verknüpfung zwischen der Ausführung der
Leistungen und der Zahlungen der Auftraggeberin vor.
117
Gegenstand der Verträge war die Erstellung der Festschrift sowie die Gestaltung eines
Gesamtkonzeptes für die Jubiläumsveranstaltung. Der Kläger hat hinsichtlich eines
Teilbetrages von ca. ... DM nur die Leistungen der Designerin weiterveräußert. Im übrigen
handelt es sich im Wesentlichen um Koordination und Redaktion der Festschrift sowie
der Zusammenstellung des Gesamtkonzeptes für das Begleitprogramm.
118
Hinsichtlich dieser Verträge sieht der Senat schon keinen Forschungsbezug mehr. Die
119
Einnahmen zählen daher auf jeden Fall nicht zu den privilegierten Zuwendungen.
Entweder liegen Einnahmen im Rahmen nicht zum Zweckbetrieb gehörender Tätigkeiten
im Sinne des § 68 Nr. 9 Satz 3 AO vor oder es handelt sich um Entgelte im Rahmen
eines Leistungsaustauschverhältnisses. Der Kläger hat dies selbst augenscheinlich
ebenso gesehen und deshalb zumindest einen Teil der Rechnungsbeträge mit 16%
MwSt. fakturiert.
(3.) I. (Blatt 359 ff. BpHA)
120
Der Erstellung des Handbuches "..." liegt der Werkvertrag vom 00.00.0000 zu Grunde.
Der Vertrag enthält unmissverständlich die Umschreibung des zu leistenden Werkes, die
Vergütung für die Werkleistung, Regelungen über Verzug und Gewährleistungspflichten
sowie eine Bestimmung des Erfüllungsortes und des Gerichtsstandes.
121
Aus Sicht des erkennenden Senates besteht kein Zweifel, dass es sich bei den
Zahlungen der I. um Leistungen im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses und
nicht um Zuwendungen im Sinne des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO handelt.
122
(4.) G. e. V. , M.
123
Der Kläger selbst ist bei diesen Projekten davon ausgegangen, dass es sich um
Leistungsaustauschverhältnisse im Sinne des Umsatzsteuerrechtes handelt. In beiden
Fällen sind Rechnungen mit offenem Ausweis von 16% Umsatzsteuer gestellt worden.
Die Auftraggeber haben die entsprechenden Rechnungen beglichen. Insoweit wird auf
die Zusammenstellung des Klägers auf Blatt 165 der Prüferhandakte Bezug genommen.
Der Kläger hat im Verlaufe des weiteren Verfahrens weder substantiiert vorgetragen noch
entsprechende Beweismittel vorgelegt, dass die von ihm selbst vorgenommene
Einordnung zu den umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschverhältnissen fehlerhaft
gewesen sein könnte. Eine weitere Sachaufklärung durch den erkennenden Senat ist
daher nicht erforderlich.
124
In Anbetracht der Höhe der im Rahmen der oben dargestellten
Leistungsaustauschverhältnisse erzielten Einnahmen des Klägers im Streitjahr 1999
verzichtet der Senat auf eine Überprüfung der weiteren Vertrags- und
Zuwendungsverhältnisse des Klägers im Jahr 1999. Auf die Zuordnung der
verbleibenden Einnahmen kommt es nicht an, da die Einnahmen aus den oben
dargestellten Vertragsverhältnissen eindeutig mehr als 50% der Gesamteinnahmen des
Klägers im Streitjahr 1999 ausmachen.
125
Ein Anspruch auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit im Hinblick auf den
Dreijahreszeitraum, der nach dem BMF-Schreiben für die Entscheidung maßgeblich ist,
besteht ebenfalls nicht. Dies ergibt sich aus den oben dargelegten Zuordnungen für die
Jahre 1997 bis 1999. Wegen der weiteren Fragen wird auf die Ausführungen bei der
Körperschaftsteuer 1998 Bezug genommen.
126
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.
127
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da der Senat einerseits
von dem BMF-Schreiben vom 22. September 1999 abweicht und andererseits
hinsichtlich der Auslegung des § 68 Nr. 9 AO als Spezialvorschrift eine Entscheidung des
BFH im Hinblick auf die Breitenwirkung erforderlich erscheint.
128