Urteil des FG Köln vom 11.12.2002

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Finanzgericht Köln, 4 K 6906/94
Datum:
11.12.2002
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 6906/94
Tenor:
Anmerkung: Der Klage wurde stattgegeben.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d.
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelte, weil seine Tätigkeit der eines Ingenieurs ähnlich war
oder ob der Kläger gewerblich tätig war und er aus diesem Grund einen Gewerbebetrieb
i.S.d. § 2 GewStG unterhielt.
2
Für das Streitjahr legte der Kläger keine Gewerbesteuererklärung vor. Im Rahmen der
Einkommensteuererklärung ordnete er die Einkünfte aus seinem Unternehmen dem
Bereich der selbständigen Arbeit i.S.d. § 18 EStG zu.
3
Das FA behandelte das Unternehmen des Klägers als Gewerbebetrieb i.S.d. § 2
GewStG und erließ aus diesem Grund den Gewerbesteuermessbescheid 1991 vom 19.
Mai 1994 in dem es einen Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 155.- DM ansetzte. Hierbei
erhöhte das FA den vom Kläger erklärten Gewinn von 28.612.- DM auf 39.149.- DM,
weil es einen Teil der als Betriebsausgaben erklärten Fremdleistungen nicht zum Abzug
zuließ. Über die Höhe des Gewinns besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Mit
seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrt der Kläger eine
Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids 1991, weil er freiberuflich und nicht
gewerblich tätig gewesen sei.
4
Ausbildung und beruflicher Werdegang des Klägers gestalteten sich wie folgt:
5
Nach Ablegung des Abiturs wurde der Kläger bei der Firma H AG in C, einem
mittelständischen Unternehmen, zum mathematisch-technischen Assistenten
ausgebildet. Die zweieinhalbjährige Ausbildung begann im September 1983. Sie
endete durch eine Abschlussprüfung im Februar 1986 vor der IHK L. Die Ausbildung
entfiel etwa jeweils zur Hälfte auf einen praktischen und einen theoretischen Teil. Der
praktische Teil der Ausbildung bestand aus einer Tätigkeit des Klägers bei der Firma H
AG im Systembereich Datenbanken. Die theoretische Ausbildung erfolgte in einem
Blockunterricht. Sie dauerte zweimal ein halbes Jahr und einmal drei Monate. Die
Ausbildung erfolgte durch Dozenten von Fachhochschulen. Träger der
Ausbildungsmaßnahme war ein Zusammenschluss von mehreren Firmen. Wieviele
6
Stunden pro Woche unterrichtet wurden, hing davon ab, inwieweit die Dozenten durch
ihre anderweitige Unterrichtstätigkeit belastet waren. Die reine Unterrichtszeit betrug
etwa 30 bis 45 Unterrichtsstunden pro Wochen. Bei dieser Zeit ist die Zeit für
Hausarbeiten nicht mitgerechnet. Die theoretische Ausbildung entfiel jeweils zur Hälfte
auf Datenverarbeitung und auf Mathematik.
Im Bereich Datenverarbeitung erwarb der Kläger Kenntnisse in den Bereichen
7
- Datenfernverarbeitung
8
- Adressierungsmechanismen der unterschiedlichen Datenbankarchitekturen
9
- Systemprogrammierung mit Assembler-Programmen
10
- Systemorganisation von Großrechnern
11
- Durchsatzermittlung unterschiedlicher Prozessortypen.
12
Der mathematische Anteil der Ausbildung umfasste die Fächer
13
- Numerik
14
- Analysis
15
- Algebra
16
- Statistik
17
- Operations-Research.
18
In den Jahren 1987 und 1988 war der Kläger Angestellter der I GmbH. Er war dort tätig
im Bereich Systembetreuung Datenbanken.
19
Ab dem Jahr 1989 war der Kläger selbständig. Er war zunächst als freier Mitarbeiter der
Firma I GmbH tätig. Die Firma I GmbH handelte ihrerseits als Subunternehmer der Firma
T AG. Die Firma T stellte der J GmbH den Kläger im Rahmen eines Werkvertrages zur
Verfügung.
20
Die J GmbH ihrerseits entwickelte im Auftrag der deutschen U AG eine speziell auf die
Uabgestimmte Großanwendung zur Auftragsbearbeitung und Bestandsverwaltung mit
Namen "..." mit einer Größenordnung von circa ... Millionen Firmen- und
Privatanschlüssen.
21
Der Kläger war der Projektgruppe "W " zugeordnet. Deren Aufgabe bestand in
Datenbankentwurf und Implementierung, der systemtechnischen Umsetzung der
analogen Vermittlungstechnik in digitale Übertragungswege und dem
Datenbankmonitoring.
22
Der Kläger selbst beschäftigte sich im Streitjahr 1991 überwiegend mit dem Datenbank-
Entwurf (insbesondere mit der Definition von Segmenten, DBDs und PCBs sowie deren
Implementierung und Test) und der Performance-Analyse. Weiterhin wurden von ihm
23
Systemprogramme erstellt, die zu besseren Auswertungsmöglichkeiten bei der
Fehlereingrenzung und Performance-Analyse führten.
Ab dem Jahr 1990 änderten sich die vertraglichen Verhältnisse dergestalt, dass die
Firma I nicht mehr in die Vertragskette zwischen dem Kläger und der Firma T
eingeschaltet war. Vielmehr war der Kläger unmittelbar Vertragspartner der Firma T. Die
Bezahlung des Klägers erfolgte nach in Rechnung gestellten Arbeitsstunden.
24
Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe eine ingenieurähnliche Tätigkeit und damit eine
freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG ausgeübt.
25
Der Kläger beantragt,
26
dem Gewerbesteuermessbescheid 1991 vom 19. Mai 1994 und die
Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 1994 aufzuheben.
27
Der Beklagte beantragt,
28
die Klage abzuweisen.
29
Der Beklagte vertritt die Ansicht, der Kläger sei nicht freiberuflich i.S.d. § 18 EStG
sondern gewerblich tätig gewesen. Er besitze nicht eine dem Ingenieurberuf
vergleichbare Ausbildung. Der Erwerb ingenieurähnlicher Kenntnisse sei auch nicht
durch die Berufstätigkeit des Klägers nachgewiesen worden. Im Vordergrund seiner
Tätigkeit habe die Entwicklung von Anwendersoftware gestanden. Dies sei eine
gewerbliche Tätigkeit.
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Zunächst wurde der Kläger in einem Erörterungstermin gehört. Wegen der Einzelheiten
wird auf das Protokoll vom 17. September 1999 (Blatt 39 bis 44 GA) verwiesen.
31
Es ist sodann Beweis erhoben worden, durch Vernehmung des Diplom-Kaufmanns L
als Zeugen. Hierbei wurde die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage gemäß § 377
Abs. 3 Satz 1 ZPO angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisbeschluss
vom 22. November 1999 (Blatt 64 GA) und das Schreiben des Zeugen L vom 17.
Dezember 1999 (Blatt 76 bis 80 GA) Bezug genommen.
32
Schließlich wurde der Sachverständige V mit der Erstellung eines
Sachverständigengutachtens beauftragt (Beweisbeschluss vom 7. Juli 2000 Blatt 125
bis 126 GA). Der Sachverständige wurde gebeten, zu den folgenden Fragen
gutachterlich Stellung zu nehmen:
33
"1. ob die Arbeiten des Klägers aus dem Streitjahr oder den Jahren davor, den
Schluss zulassen, dass seine theoretischen Kenntnisse im Streitjahr ihrer Breite
und Tiefe nach denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule
ausgebildeten Ingenieurs entsprachen,
34
2. ob die vom Bundesfinanzhof zur Abgrenzung einer freiberuflichen Tätigkeit von
einer gewerblichen Tätigkeit als entscheidend herausgestellte Differenzierung der
Entwicklung der Systemsoftware einerseits und der Anwendersoftware
andererseits ( vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BStBl II 1990,
337 und vom 7. November 1991 IV R 17/90, BStBl II 1993, 324) für das Streitjahr
35
noch als sachgerecht angesehen werden kann und
3. für den Fall, dass die Beweisfrage 2 positiv beantwortet wird, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger im Streitjahr auf dem Gebiet der
Systemsoftwareentwicklung tätig geworden ist und
36
4. für den Fall, dass die Beweisfrage 2 negativ beantwortet wird, ob die praktische
Tätigkeit des Klägers im Streitjahr in wesentlichen Elementen der beruflichen
Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar war."
37
Der Sachverständige erstellte daraufhin das Gutachten vom 6. März 2001 (Blatt 147 bis
188 GA) .
38
Da der Kläger zu diesem Gutachten einen umfangreichen Schriftsatz (vgl. Bl. 210 bis
251 GA) vorlegte, bat der Berichterstatter den Gutachter mit Schreiben vom 27. August
2001 (Bl. 258 bis 259 GA), zu diesem Schriftsatz gutachterlich Stellung zu nehmen.
39
Der Gutachter lud daraufhin den Kläger zu einem Gespräch ein, welches am 24.
Oktober 2001 stattfand (vgl. Aktennotiz des Sachverständigen vom 19. November 2001,
Blatt 271 bis 280 GA) . Während dieses Gesprächs legte der Kläger einen DIN-A4-
Ordner mit folgenden Unterlagen vor:
40
DBS-Produktbeschreibung (Handbuch 110) v. 21.09.1991, 35 Seiten; DBS-
Leistungsbeschreibung (Handbuch 120) v. 21.09.1991, 54 Seiten; Dartstellung der
Softwarearchttektur für "...", Version 2.0 vom 25.11.1990, 291 Seiten zuzüglich 12
Einleitungsseiten;
41
Nach Eingang weiterer Unterlagen (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 10. Januar 2002
mit Unterlagen zu Seminaren und Ausbildungsgängen sowie einer CD mit
Arbeitsproben) erstellte der Gutachter dann am 21. Juni 2002 ein weiteres Gutachten.
Wegen des Inhalts des zweiten Gutachtens wird auf Bl. 295 bis 341 GA Bezug
genommen.
42
Zu diesem zweiten Gutachten hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. August 2002
Stellung genommen. Er macht geltend, im Gutachten vom 6. März 2001 sei der
Gutachter zur Beweisfrage 1 zu dem Ergebnis gekommen, "dass die theoretischen
Kenntnisse des Klägers weder ihrer Breite noch Tiefe nach denjenigen eines an einer
Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Dipl.-Informatikers entsprächen." Im
Gutachten vom 21. Juni 2002 komme der Gutachter zum gegenteiligen Ergebnis. Der
Beklagte vermöge nicht nachzuvollziehen, wie der Gutachter bei zu relativierenden
Kenntnissen im Bereich Mathematik und physikalische Grundlagen (S. 8 oben), bei nur
weiterreichenden und tiefergehenden Kenntnissen im Bereich Datenverarbeitung und
Organisation (S. 8 unten) und der lediglichen Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen
(S. 9 oben) zu der uneingeschränkten Aussage in Tz. 1.4 des zweiten Gutachtens habe
kommen können.
43
Aber selbst wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangen sollte, dass die
theoretischen Kenntnisse des Klägers denjenigen eines Dipl.-Informatikers
entsprächen, bedeute dies nicht, dass der Kläger eine freiberufliche Tätigkeit i. S. des §
18 EStG ausgeübt habe. Selbst der Dipl.-Informatiker mit Hochschulabschluss übe eine
dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit nur dann aus, wenn er sich mit der Entwicklung
44
von Systemsoftware befasse (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl II
1990, 337). Dazu wäre seitens des Klägers nachzuweisen, dass er im Streitjahr auf
praktischem Gebiet weitaus überwiegend im Systembereich tätig gewesen sei (vgl.
BFH-Beschluss vom 3. November 2000, XI B 1/00 BFH/NV 2001, 593). Dazu sei bisher
nichts nachgewiesen.
Die Rechtsprechung habe bis in die neuere Zeit an der Unterscheidung zwischen
System- und Anwendersoftware-Entwicklung festgehalten (FG München, Beschluss
vom 18. September 2000, 13 V 2812/00). Dies sei schon deshalb erforderlich, weil nur
für die Systemsoftwareentwicklung eine Informatikausbildung erforderlich sei. Dem
Gutachten vom 6. März 2001 sei deshalb bei der Beweisfrage zu 2 generell nicht zu
folgen, weshalb das gutachterliche Ergebnis zu Beweisfrage 4 rechtsunerheblich sei.
Nicht geklärt sei deshalb nach wie vor die Beweisfrage zu 3.
45
Der Rechtsstreit war zunächst vom Senat auf den Einzelrichter übertragen worden (§ 6
Abs. 1 FGO). Er wurde später nach Anhörung der Beteiligten vom Einzelrichter auf den
Senat zurückübertragen (§ 6 Abs. 3 FGO).
46
Beide Beteiligte haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90
Abs. 2 FGO). Eine Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens ist
nicht beantragt worden.
47
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
48
Die Klage ist begründet.
49
Der Kläger unterhielt im Streitjahr keinen der Gewerbesteuer unterliegenden
Gewerbebetrieb, da er freiberuflich tätig war.
50
1.
betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches
Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2
GewStG). Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit
(§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören u.a. die
selbständige Berufstätigkeit der Ingenieure und ähnlicher Berufe (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz
2 EStG).
51
Eine der Berufstätigkeit der Ingenieure ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
liegt vor, wenn sie in ihren wesentlichen Elementen dem Beruf des Ingenieurs in
Theorie (Ausbildung, Kenntnisse, Qualifikation) und Praxis (berufliche Tätigkeit)
gleichwertig ist. Der Nachweis theoretischer Kenntnisse kann auch anhand eigener
praktischer Arbeiten geführt werden, wenn die berufliche Tätigkeit so geartet ist, dass
sie ohne theoretische Kenntnisse nicht ausgeübt werden könnte; aus der Art der
Arbeiten muss auf ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen geschlossen
werden können. Eine solche --besonders anspruchsvolle-- Tätigkeit muss sowohl der
Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen des Kernbereichs eines
Fachstudiums voraussetzen (BFH-Urteil vom 11.08.1999 - XI R 47/98, BFH/NV 2000,
130 m. w. N. zum Beruf des Architekten). Die Tätigkeit muss in einem für den Beruf des
Ingenieurs typischen Bereich liegen (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87,
BStBl II 1990, 337).
52
2.
ähnlichen Beruf aus.
53
A.
54
a)
Vergleichsmaßstab für die Tätigkeit eines EDV-Beraters und damit für die Tätigkeit des
Klägers an. Hierauf hat der vom Gericht bestellte Gutachter in seinem Gutachten vom 6.
März 2001 zu Recht hingewiesen (vgl. II. 1.1 des Gutachtens vom 6. März 2001). Denn
bei der Ingenieurausbildung stehen in der Regel die Informatikanteile an
untergeordneter Stelle. Als Vergleichsmaßstab ist hingegen die Tätigkeit eines Diplom-
Informatikers geeignet. Dies hat nicht nur der Gutachter in seinem Gutachten ausgeführt
(vgl. II. 1.1 des Gutachtens vom 6. März 2001), sondern es entspricht ständiger
zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Diplom-Informatiker mit
Hochschul- oder Fachhochschulabschluss von seiner Ausbildung und seinem
Tätigkeitsbild einem Ingenieur vergleichbar ist, und dass ein EDV-Berater nach diesem
Maßstab zu beurteilen ist (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl II
1990, 337 und vom 7. November 1991, IV R 17/90, BStBl II 1993, 324).
55
b)
56
Dies ergibt sich aus dem vom Gericht in Auftrag gegebenen zweiten
Sachverständigengutachten (vgl. Tz. III. 1.4 des Gutachtens vom 21. Juni 2002). Durch
dieses zweite Gutachten ist das zunächst erstellte Gutachten vom 6. März 2001
entscheidend ergänzt und überarbeitet worden mit dem Ergebnis, dass die
Schlussfolgerungen des ersten Gutachtens (vgl. II. 1.5 des Gutachtens vom 6. März
2001) vom Sachverständigen nicht mehr aufrecht erhalten worden sind.
57
In dem Gutachten vom 21. Juni 2002 hat der Gutachter zusammenfassend zu den
Kenntnissen des Klägers ausgeführt, der Kläger habe im Nachgang zum Gutachten vom
6. März 2001 eine Reihe verschiedener Unterlagen und Informationen zur Verfügung
gestellt. Auf dieser Basis könne nunmehr davon ausgegangen werden, dass die
Arbeiten des Klägers aus dem Streitjahr oder den Jahren davor den Schluß zuließen,
dass seine theoretischen Kenntnisse im Streitjahr ihrer Breite und Tiefe nach
denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs
entsprächen.
58
Das Gericht hält die Untersuchung des Gutachters für überzeugend.
59
Der Gutachter ist bei seiner Untersuchung so vorgegangen, dass er zunächst
herausgearbeitet hat, welche Anforderungen an die Ausbildung eines Informatikers an
einer Fachhochschule gestellt werden (Tz. II. 1.2 des Gutachtens vom 6. März 2001). Er
hat sodann anhand des Akteninhalts untersucht, über welche Ausbildung der Kläger
verfügt und wie sich seine bisherige Tätigkeit gestaltete (Tz. II 1.3 des Gutachtens vom
6. März 2001). Schließlich hat er in einem weiteren Schritt geprüft, ob die theoretischen
Kenntnisse des Klägers denjenigen eines Diplom-Informatikers entsprechen (Tz. II. 1.4
des Gutachtens vom 6. März 2001).
60
In dem Gutachten vom 21. Juni 2002 hat der Sachverständige verglichen mit dem
zunächst erstellten Gutachten vom 6. März 2001 folgende zusätzliche
61
Informationsquellen verarbeitet:
Schriftsatz des Klägers vom 23. August 2001 mit Anlagen (vgl. Blatt 210 bis 251 GA);
62
Gespräch mit dem Kläger am 24. Oktober 2001 (vgl. Aktennotiz des Sachverständigen
vom 19. November 2001, Blatt 271 bis 280 GA);
63
vom Kläger während des Gesprächs vom 24. Oktober 2001 vorgelegter DIN-A4- Ordner
mit folgenden Unterlagen:
64
DBS-Produktbeschreibung (Handbuch 110) v. 21.09.1991, 35 Seiten; DBS-
Leistungsbeschreibung (Handbuch 120) v. 21.09.1991, 54 Seiten; Dartstellung der
Softwarearchttektur für KONTES, Version 2.0 vom 25.11.1990, 291 Seiten zuzüglich
12 Einleitungsseiten;
65
Schriftsatz des Klägers vom 10. Januar 2002 mit Unterlagen zu Seminaren und
Ausbildungsgängen sowie einer CD mit Arbeitsproben (vgl. Anlagen zum Gutachten
vom 21. Juni 2002, Blatt 308 bis 341 GA).
66
Unter Berücksichtigung der genannten Unterlagen hat der Sachverständige in dem
Gutachten vom 21. Juni 2002 weitere Ausführungen zu den Kenntnissen des Klägers
gemacht. Diese bezogen sich auf die Bereiche Mathematik und physikalische
Grundlagen (Tz. III 1.1. des Gutachtens vom 21. Juni 2002), Datenverarbeitung und
Organisation (Tz. III 1.2. des Gutachtens vom 21. Juni 2002) und Nebenfach (Tz. III 1.3.
des Gutachtens vom 21. Juni 2002).
67
Bei der Untersuchung, welche Anforderungen an die Ausbildung eines Informatikers an
einer Fachhochschule gestellt werden, hat der Gutachter insbesondere folgende
Unterlagen zur Beurteilung herangezogen:
68
Vorschlag für ein Studienmodell Informatik an Fachhochschulen, vgl. Anlage B des
Gutachtens vom 6. März 2001 (Vorschlag)
69
und exemplarischer Auszug aus dem Personal- und Vorlesungsverzeichnis des
Wintersemesters 1982/1983 der FachhochschuleE, vgl. Anlage C des Gutachtens vom
6. März 2001.
70
Der Gutachter hat sodann dargelegt, dass sich das Wissen eines Diplom-Informatikers
auf drei Hauptbereiche erstrecke. Es seien dies:
71
- Mathematik und physikalische Grundlagen - Informatik
72
- Nebenfach (einschließlich allgemein wissenschaftlicher Fächer).
73
Zu dem ersten Bereich hat der Gutachter ausgeführt, dass im Vorschlag für den Bereich
Mathematik und physikalische Grundlagen circa 52 Semester-Wochenstunden
angesetzt seien (45 Wochenstunden Mathematik und 7 Wochenstunden physikalische
Grundlagen). Wegen der im einzelnen aufgeführten Fächer wird auf Tz. II. 1.2.2 des
Gutachtens vom 6. März 2001, wegen des Begriffs der Semester-Wochenstunde wird
auf den Vorschlag Bezug genommen.
74
Zu dem Bereich Informatik hat der Gutachter dargelegt, dass zwischen dem
Pflichtbereich und den Wahlpflichtfächern zu unterscheiden sei. Gemäß Kapitel 3 des
Vorschlags würden für die Datenverarbeitung insgesamt 37 Semester-Wochenstunden
angesetzt. Hinzu kämen 8 Stunden für Grundlagenwissen und Computer Science und
30 Stunden für Methoden und Verfahren zur Anwendung der Datenverarbeitung gemäß
Ziffer 4 des Vorschlags. Hieraus ergäben sich 75 Semester-Wochenstunden. Hiervon
entfielen 56 Wochenstunden auf den Pflichtbereich, welcher unter II 1.2.3 im
Sachverständigengutachten vom 6. März 2001 genau aufgeschlüsselt sei. Die übrigen
19 Wochenstunden entfielen auf Wahlpflichtfächer. Wegen weiterer Einzelheiten wird
auf Tz. II. 1.2.3 des Gutachtens vom 6. März 2001 Bezug genommen.
75
Ferner hat der Gutachter dargelegt, dass bei der Fachhochschulausbildung eines
Diplom-Informatikers 15 Semester-Wochenstunden auf wirtschaftswissenschaftliche
Grundlagen und 8 Semester-Wochenstunden auf allgemein wissenschaftliche Fächer
entfielen.
76
Zusammenfassend hat der Gutachter ausgeführt (Tz. II. 1.2.5 des Gutachtens vom 6.
März 2001), dass im Vorschlag eine Gesamtstundenzeit für den Studiengang Informatik
von 150 Semester-Wochenstunden gefordert werde. Diese verteile sich wie folgt:
77
Fach Zeit in Wochenstunden
78
Mathematik und physikalische Grundlagen 52
79
Datenverarbeitung 75
80
Wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen 15
81
Allgemein wissenschaftliche Fächer 8
82
1. 150
83
Dem so untersuchten Inhalt des Ausbildungsgangs eines Diplom-Informatikers hat der
Gutachter sodann die Ausbildung des Klägers und seine in der Praxis erworbenen
Kenntnisse gegenübergestellt.
84
Im Gutachten vom 6. März 2001 hatte der Gutachter zunächst dargelegt, dass die
Ausbildungszeit des Klägers kürzer als diejenige eines Diplom-Informatikers an einer
Fachhochschule gewesen sei.
85
Während für die Ausbildung eines Diplom-Informatikers an Fachhochschulen eine
Ausbildungszeit von circa 150 Semester-Wochenstunden in verschiedenen Bereichen
gefordert werde, habe der Kläger lediglich eine Ausbildungszeit von etwa 88 Semester-
Wochenstunden gehabt. Dies folge aus den im Erörterungstermin vor dem
Berichterstatter gemachten Angaben des Klägers. Danach habe der Kläger an einer
zweieinhalbjährigen Ausbildung zum mathematisch-technischen Assistenten
teilgenommen, die in den Jahren 1983 bis 1986 zur Hälfte beim Unternehmen und zur
86
Hälfte als Blockunterricht durchgeführt worden sei. Daraus ergebe sich eine Zeit von 15
Monaten für den Blockunterricht, was ungefähr 2,5 Fachhochschulsemestern
entspreche. Bei einer vom Gutachter geschätzten Anzahl von 35 Wochenstunden (dies
entspricht der Ausbildungsintensität an einer Fachhochschule) ergäben sich bei 2,5
Semestern circa 88 Wochenstunden.
Zwar sei zu den Zeiten der theoretischen Ausbildung noch die praktische
Ausbildungszeit hinzuzurechnen. Außerdem sei die bisherige Berufsausübung des
Klägers einzubeziehen. Doch aus den vom Kläger im vorliegenden Verfahren
gemachten Angaben habe nicht geschlossen werden können, dass der Kläger sich
während dieser Zeit Kenntnisse angeeignet habe, welche die gegenüber einem
Fachhochschulabsolventen geringere Ausbildungszeit ausglichen.
87
Dies gelte einmal für die mathematischen Kenntnisse des Klägers. Angaben hierüber
seien vom Kläger ausschließlich während des Erörterungstermins gemacht worden.
Danach habe der Kläger sich seine mathematischen Kenntnisse ausschließlich
während der Ausbildungszeit angeeignet. Die hierfür aufgewandte Zeit (44 Wochen-
Semesterstunden) entspreche nicht derjenigen eines Fachhochschulstudiums (50
Wochen-Semesterstunden). Außerdem fehlten Angaben zu Kenntnissen des Kläger auf
folgenden Gebieten:
88
- Grundlagen - Wahrscheinlichkeitsrechnung
89
- Physikalische Grundlagen
90
Aber auch im Bereich Datenverarbeitung und Informatik hatte sich der Gutachter
zunächst nicht davon überzeugen können, dass der Kläger Kenntnisse besitzt, welche
denen eines Diplom-Informatikers entsprechen. Hierzu hat der Gutachter u.a.
ausgeführt, zwar zeigten die beruflichen Tätigkeiten des Klägers , dass bei ihm in jedem
Fall ein Grundverständnis für den Bereich der Datenverarbeitung vorliege, wie es in
dem Fach Einführung in die Datenverarbeitung vermittelt werde. Ferner sei eine Reihe
weiterer Pflichtfächer durch die Ausbildung und die anschließende Tätigkeit abgedeckt
worden. Der Kläger habe jedoch nicht dargelegt, dass er über Kenntnisse verfüge, wie
sie im Fach Grundlagen der Informatik, Softwaretechnologie und mittlere Datentechnik
vermittelt würden.
91
Desweiteren habe der Kläger nicht nachweisen können, dass er entsprechende
Kenntnisse in einem Nebenfach besitze.
92
Auf Grund des mit dem Kläger am 24. Oktober 2001 geführten Gesprächs und weiterer
vom Kläger vorgelegter Unterlagen ist der Gutachter dann in seinem Gutachten vom 21.
Juni 2002 - wie bereits ausgeführt - zu dem Ergebnis gelangt, dass die Arbeiten des
Klägers aus dem Streitjahr oder in den Jahren davor den Schluss zuließen, dass seine
theoretischen Kenntnisse im Streitjahr ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines an
einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprächen.
93
Der Gutachter hat in dem Gutachten vom 2. Juni 2002 zunächst die Kenntnisse des
Klägers in den Bereichen Mathematik und physikalische Grundlagen untersucht (Tz. III
1.1. des Sachverständigengutachtens vom 21. Juni 2002). Er ist zu dem Ergebnis
gelangt, "dass die im Gutachten vom 6. März 2001 genannten Defizite erheblich zu
relativieren seien". Hierbei hat er in erster Linie auf vom Kläger vorgelegte
94
Arbeitsproben abgestellt. Er hat u.a. ausgeführt, inbesondere die erstellten Assembler-
Programme (Anlage 1 des Schreibens des Klägers vom 10. Januar 2002) erforderten
ein hohes Maß an logischem/mathematischen Verständnis zu ihrer Erarbeitung. Die
Programme seien logisch aufgebaut, gut strukturiert und allgemein lesbar. Hinsichtlich
der Wahl von Variablennamen und der Handhabung von Registern seien eingeführte
Konzepte verwendet worden. Die Programmtexte seien umfangreich und sinnvoll
kommentiert. Es werde zusammengefasst, dass die Codeinspektion des
Sachverständigen keine Defizite erbrachte, sondern im Gegentest eine logisch
strukturierte und fachgerechte Programmierung erkannte. Wegen der weiteren
Ausführungen des Gutachters zu den vorgelegten Arbeitsproben des Klägers wird auf S.
7 des Sachverständigengutachtens vom 21. Juni 2002 Bezug genommen.
Zu den Bereichen Datenverarbeitung und Organisation ist der Gutachter in dem
Sachverständigengutachten vom 21. Juni 2002 zu dem Ergebnis gelangt, dass die
vorgelegten Unterlagen weiterreichende Kenntnisse des Klägers in diesen Bereichen
belegten, als sie im Gutachten vom 6. März 2001 aufgeführt seien. Insbesondere
hinsichtlich der Fächer Grundlagen der Informatik und Softwaretechnologie seien durch
die verschiedenen Unterlagen weiterreichende und tiefergehende Kenntnisse des
Klägers belegt (Tz. III 1.2. des Sachverständigengutachtens vom 21. Juni 2002). Wegen
der vom Kläger vorgelegten und von dem Gutachter überprüften Unterlagen wird auf S.
8 des Sachverständigengutachtens vom 21. Juni 2002 Bezug genommen.
95
Zu dem Bereich Nebenfach hat der Sachverständige in dem Gutachten vom 21. Juni
2002 u. a. ausgeführt, in der Besprechung am 24. Oktober 2001 habe der Kläger
bestätigt, dass die vom Sachverständigen vorgenommene Auswahl des fiktiven
Nebenfaches Wirtschaftswissenschaften als Grundlage für die Beurteilung
herangezogen werden könne. Aus den übermittelten Arbeitsproben und Spezifikationen
gehe hervor, dass sich der Kläger auch mit wirtschaftlichen Fragen habe beschäftigen
müssen.
96
Die von dem Beklagten im Schriftsatz vom 6. August 2002 vorgetragenen
Einwendungen vermögen die Beurteilungen des Sachverständigen nicht zu erschüttern.
Denn der Beklagte stört sich lediglich an der Wortwahl, mit der der Gutachter die
Kenntnisse des Klägers beurteilt hat. Offensichtlich hat der Gutachter die Ansicht
vertreten, dass bei gegenüber den Feststellungen im ersten Gutachten zu
relativierenden Defiziten des Klägers im Bereich Mathematik und physikalische
Grundlagen und bei gegenüber dem ersten Gutachten dargelegten weiterreichenden
und tiefergehenden Kenntnissen im Bereich Datenverarbeitung und Organisation die
vorgelegten Arbeitsproben und Unterlagen ausreichten, um dem Kläger zu
bescheinigen, dass seine theoretischen Kenntnisse im Streitjahr ihrer Breite und Tiefe
nach denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten
Ingenieurs entsprächen.
97
B.
ganz überwiegend der beruflichen Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar.
98
a)
Vergleichsmaßstab die Tätigkeit eines Diplom-Informatikers heranzuziehen (vgl. hierzu
unter
A. a)
99
b)
100
b)
gewerblichen Tätigkeit als entscheidend herausgestellte Differenzierung der
Entwicklung der Systemsoftware einerseits und der Anwendersoftware andererseits
(vgl. hierzu BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl II 1990, 337 und
vom 7. November 1991, IV R 17/90, BStBl II 1993, 324) kann, wie der Sachverständige
überzeugend dargelegt hat, für das Streitjahr nicht mehr als sachgerecht angesehen
werden. Das typische Berufsbild eines Dipl.-Informatikers orientierte sich vielmehr nach
den Ausführungen des Gutachters eher an der Anwendersoftware-Entwicklung, die
bereits im Streitjahr alle Merkmale einer ingenieurmäßigen Tätigkeit aufwies. Der Senat
hält diese Ausführungen des Gutachters für zutreffend und schließt sich ihnen an.
100
Eine historische Betrachtung zeigt, dass die Hochschullehrer, die die Studiengänge der
Informatik aufbauten, von ihrer ursprünglichen Ausrichtung her zum überwiegenden Teil
Mathematiker oder auch Elektrotechniker und Physiker waren. Da es ferner in den 70-
iger und 80-iger Jahren noch viele ungelösten Fragen zu grundlegenden Problemen der
Informatik gab, war die Ausrichtung der Informatikinstitute und damit auch der
Studiengänge stark theoretisch orientiert.
101
Mit dem Fortschreiten der theoretischen Erkenntnisse und der Möglichkeit der
praktischen Umsetzung verlagerte sich der Schwerpunkt der Informatik in Richtung der
angewandten/praktischen Informatik. Dies wird unter anderem an entsprechenden
Studiengängen mit Anwendungsbezug (wie z. B. Wirtschaftsinformatik, Ingenieur-
Informatik) und auch an einer Verstärkung des Nebenfachanteils deutlich.
102
In der Anfangszeit war es so, dass ein großer Teil der Anwendersoftware auch von
Nicht-Informatikern entworfen wurde. Mit fortschreitender Standardisierung der
Systemsoftware und steigenden Ausbildungszahlen war jedoch eine Verlagerung des
Arbeitsschwerpunktes von Infomatikern in Richtung der Anwendersoftwareentwicklung
festzustellen. Die sich durchsetzenden Entwicklungsverfahren wurden auch in der
Ausbildung etabliert; zugleich hatten Dissertationen mehr und mehr
anwendungssoftware-technische Themen zum Gegenstand.
103
Der genaue Zeitpunkt dieser Verlagerung ist jedoch nur schwer festzustellen. Der
Sachverständige hat hierzu ausgeführt, ihm lägen Ergebnisse einer Umfrage der
Gesellschaft für Informatik vor, die Ende 91/Anfang 92 durchgeführt worden sei und die
er für repräsentativ halte. Da - nach Ansicht des Sachverständigen - bei Anwendern von
Informationstechnik überwiegend Anwendersoftware und bei der Informationstechnik-
Industrie (einschließlich der Softwarehäuser) etwa zur Hälfte Anwendersoftware und zur
Hälfte Systemsoftware erstellt wird, war bereits zu diesem Zeitpunkt der überwiegende
Teil der Informatiker mit der Entwicklung von Anwendersoftware befaßt. Dieses
Ergebnis deckt sich mit Erfahrungswerten des Sachverständigen, wonach bereits im
Jahr 1991 auch der typische Informatiker, der sogenannte Kerninformatiker,
überwiegend im Bereich der Anwendersoftware-Entwicklung tätig war.
104
Auch eine Betrachtung der in Deutschland angesiedelten Unternehmen zu diesem
Zeitpunkt zeigt, dass Grundlagenentwicklung an weltweit verbreiteten
Betriebssystemen, Datenbanken, Programmiersprachen, Hardwarekonfigurationen nur
noch zu einem sehr geringen Teil durchgeführt wurde; der Anteil der Unternehmen, die
sich mit anwendungsorientierten Fragestellungen beschäftigen, überwog bei weitem.
105
Auch der im BFH-Urteil vom 7. November 1991, IV R 17/90, BStBl II 1993, 324
getroffenen Aussage, dass nur für die Systemsoftware-Entwicklung eine
106
Informatikausbildung - oder eine hier entsprechende naturwissenschaftliche Ausbildung
- grundsätzlich unerläßlich ist, kann für das Streitjahr nicht mehr gefolgt werden.
Gegenstand der Forschungs- und Lehrtätigkeiten an den Hochschulen wurde immer
mehr die Entwicklung von großen und komplexen Softwaresystemen, was nicht zuletzt
auch durch die stark steigende Anfrage nach komplexen Aufgabenlösungen induziert
wurde. Mit einer gewissen Verzögerung nahmen sich die Hochschulen dieses Themas
an und richteten auch eine Reihe von speziellen Professorenstellen für dieses Thema
ein. Diese firmierten unter dem Begriff Softwaretechnologie, Softwareengieneering oder
Softwaretechnik. Für die Anwendung dieser Methoden - zumindest bei komplexeren
Projekten - ist eine entsprechende naturwissenschaftliche Qualifikation notwendig.
Charakteristisch für die Tätigkeit eines qualifizierten Softwareentwicklers ist nach den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht der vom BFH imUrteil vom
7. Dezember 1989, IV R 115/87, BStBl II 1990, 337 hervorgehobenen Entwurf von
Strukturen zwischen der Hardware und Anwendernahtstelle, sondern vielmehr die
klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise
107
Planung,
Konstruktion und
Überwachung.
108
Im Normalfall steht der konzeptionelle Anteil mit ca. der Hälfte der notwendigen
Aufwendungen im Vordergrund, während der eigentliche Programmierungs
(Codierungs-) Anteil nur rund 10 % ausmacht. Die restliche Aufwendungen verteilen
sich auf Qualitätssicherung, Dokumentation und Einführung.
109
Die typische Tätigkeit eines Diplom-Informatikers in diesem Bereich erläutert der
Gutachter anschaulich anhand der geläufigeren Tätigkeit eines Architekten. Zunächst ist
ein Gebäude zu entwerfen und zu planen - der Informatiker führt dies in analoger Weise
mit dem Softwaresystem durch, indem er in einem Grobkonzept Anforderungen und
Bedingungen festlegt. Anschließend detaillert der Architekt seinen Entwurf so, dass am
Ende Pläne entstehen, mit denen die einzelnen Gewerke beauftragt werden können.
Diese Schritte stellen die Konstruktion dar, die in analoger Weise auch bei der
Softwareentwicklung vorzunehmen ist: Auf dem Grobkonzept wird der fachliche
Lösungsweg zu einem Systemkonzept detalliert. Es wird eine
datenverarbeitungstechnische Lösung für das zu lösende Verfahren festgelegt, die in
die eigentliche Implementierungsphase mündet. Dabei wird eine Verfeinerung der
Datenverarbeitungs-Verfahrensstruktur vorgenommen, die als wesentliches Ergebnis
das Feinkonzept in Form von Spezifikationen als Arbeitsunterlage für die
Programmierung erbringt. Erst hiernach werden die Spezifikationen mit Hilfe von
Programmiersprachen und Werkzeugen in Programme umgesetzt, die in ihrem
Zusammenwirken das Datenverarbeitungsverfahren darstellen. Nach der Fertigstellung
der Pläne überwacht der Architekt die Arbeiten und überprüft die Einhaltung seiner
Spezifikationen. Auch diese Tätigkeit wird von Informatikern im Rahmen der Test- und
Qualitätssicherung vorgenommen.
110
c)
111
der beruflichen Tätigkeit eines Diplom-Informatikers vergleichbar.
Bereits in dem Gutachten vom 6. März 2001 war der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt,
für alle drei Phasen einer Ingenieurtätigkeit, Planung, Konstruktion und Überwachung
lägen Hinweise vor, dass die praktische Tätigkeit des Klägers im Streitjahr in
wesentlichen Elementen der beruflichen Tätigkeit eines Diplom-Informatikers
vergleichbar gewesen sei.
112
Allerdings hatte der Gutachter darauf hingewiesen, dass die Angaben in der
Gerichtsakte wenig detalliert seien.
113
In dem zweiten Gutachten am 21. Juni 2002 hat der Gutachter dann ohne
Einschränkung festgestellt, dass die praktische Tätigkeit des Klägers im Streitjahr in
wesentlichen Elementen mit der beruflichen Tätigkeit eines Diplom-Informatikers
vergleichbar gewesen sei (III. 2. des Sachverständigengutachtens vom 21. Juni 2002).
114
Zur Begründung hat der Gutachter ausgeführt, nunmehr lägen detallierte Informationen
zur Tätigkeit des Klägers im Streitjahr vor (siehe Schreiben des Klägers vom 10. Januar
2002). Ferner sei auch die Rolle des Klägers im Bereich der Qualitätssicherung
deutlicher geworden (Seiten 5 bis 9 der Aktennotiz des Sachverständigen vom 19.
November 2001). Hinsichtlich der inhaltlichen Detallierung hat der Sachverständige
ebenfalls auf den Aktenvermerk vom 19. November 2001 verwiesen.
115
Der Senat folgt den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Gutachters.
Substantiierte Einwendungen hiergegen sind nicht vorgetragen worden.
116
3.
117
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es ist von grundsätzlicher
Bedeutung, ob die von der Rechtsprechung noch für die 80er Jahre getroffene
Entscheidung, die Entwicklung von Systemsoftware könne zu freiberuflichen Einkünften,
die Entwicklung von Anwendungssoftware dagegen generell nur zu gewerblichen
Einkünften führen, heute noch aufrechterhalten werden kann (vgl. hierzu FG Baden-
Württemberg, Aussensenate Stuttgart, Urteil vom 19. Mai 1999 - 12 K 410/95, FR 1999,
1373 mit Anmerkung Kempermann und FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli
2001 - 2 K 187/99, EFG 2001, 1449).
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