Urteil des FG Hessen vom 10.11.2004

FG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, veranlagung, erlass, einspruch, erstmaliger, verlustabzug, flughafen, quelle, berechtigung, kirchensteuer

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 13.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1999
Aktenzeichen:
13 K 1303/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 46 Abs 2 Nr 8 EStG 1997, §
10d Abs 4 S 4 EStG 1997
(Kein erstmaliger Verlustfeststellungsbescheid wenn
entsprechender Einkommensteuerbescheid wegen Ablauf
der Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht mehr
erlassen werden kann)
Leitsatz
Ein Verlustfeststellungsbescheid kann dann nicht mehr erlassen werden, wenn ein
Einkommensteuerbescheid wegen Versäumung der Antragsfrist des § 46 Abs.2 Nr.8
EStG nicht mehr erlassen werden kann.
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Der Kläger, der im Jahre 1997 sein Abitur ablegte und im Zeitraum von Oktober
1997 bis August 1998 seinen Wehrdienst ableistete, absolvierte in den Jahren 1999
und 2000 nach einer kurzfristigen und übergangsweise wahrgenommenen
Bodentätigkeit am Flughafen Frankfurt/Main im Zeitraum von August 1998 bis
Februar 1999 eine Ausbildung zum Piloten. In diesem Zusammenhang entstanden
ihm im Streitjahr 1999 Aufwendungen in Höhe von 65.522,- DM. Einnahmen in
Höhe von 5.811,- DM erzielte er nur in den Monaten Januar und Februar 1999.
Hiervon wurden Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer einbehalten.
Hinsichtlich des Jahres 2000 wird auf das Parallelverfahren 13 K 426/04 verwiesen.
Am 05.09.2003 reichte er eine Einkommensteuererklärung und Erklärung zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages beim Finanzamt ein. In einem
Begleitschreiben seiner Bevollmächtigten beantragte er unter Hinweis auf die
geänderte Rechtsprechung des BFH zu Fortbildungs- und Ausbildungskosten
(Urteil vom 27.05.2003 VI R 33/01) den verbleibenden Verlust festzustellen.
Mit Bescheid vom 19.09.2003 lehnte der Beklagte die gesonderte Feststellung des
vortragsfähigen Verlustes ab. Nach § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG seien
Verlustfeststellungsbescheide zu erlassen (ggf. aufzuheben oder zu ändern), wenn
der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen (aufzuheben oder zu ändern)
wäre. Vorliegend existiere kein Steuerbescheid mit einem ausgewiesenen Verlust,
und ein solcher Steuerbescheid könne und dürfe auch nicht mehr ergehen. Dies
ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09.12.1998, BStBl II
2000, 3).
Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seine jetzigen
Prozessbevollmächtigten, Einspruch mit folgender Begründung ein:
Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH seien nunmehr die Aufwendungen
zur Pilotenausbildung als Werbungskosten anzuerkennen. Zwar sei für das
Streitjahr zunächst keine Einkommensteuererklärung abgegeben worden. Mit der
jetzigen Abgabe der Erklärung müsse jedoch eine Veranlagung durchgeführt
werden. Die Einschränkung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG greife nach dem Wortlaut
der Vorschrift nicht; denn zwingende Voraussetzung sei für eine
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der Vorschrift nicht; denn zwingende Voraussetzung sei für eine
Antragsveranlagung, dass von den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ein
Steuerabzug vorgenommen worden sei. Dies sei beim Kläger mangels Einnahmen
jedoch gerade nicht der Fall gewesen. Im Übrigen sei auch der Erlass eines
Verlustfeststellungsbescheides - unabhängig von einer noch möglichen Änderung
eines Einkommensteuerbescheides - noch zulässig. Dies ergebe sich bereits aus
dem Wortlaut des § 10 d Abs. 4 Satz 1 EStG. Schließlich könne der Beklagte auch
nicht die Rechtsprechung des BFH heranziehen. Diese Entscheidung sei zu einer
anderen Fallgestaltung ergangen. Wegen Einzelheiten des klägerischen
Vorbringens wird insoweit auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten an das
Finanzamt von 23.09.2003 Bezug genommen.
Das Finanzamt folgte dem nicht und wies mit Einspruchsentscheidung vom
13.01.2004 den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzamt hält § 46 EStG für einschlägig. Die Betrachtungsweise des Klägers
würde dazu führen, dass alle so genannten "Nullfälle" zwingend zu veranlagen
seien. Dies sei jedoch vom Gesetz nicht gewollt. Als weitere Voraussetzung für
eine Veranlagung müsse nämlich hinzukommen, dass überhaupt eine
Veranlagung durchzuführen sei, was voraussetze, dass positive Einnahmen erzielt
werden. Im Übrigen müsse eine Veranlagung beantragt werden. Der Antrag auf
Veranlagung sei bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden
zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.
Diese Frist sei vorliegend unstreitig versäumt worden. Ein Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht gestellt worden. Im Übrigen liege
auch keine unverschuldete Fristversäumnis vor. Voraussetzung für den Erlass
eines Verlustfeststellungsbescheides sei jedoch, dass der zu Grunde liegende,
keinen Verlust ausweisende Steuerbescheid entsprechend geändert werden
könne. Da vorliegend ein Steuerbescheid nicht mehr erlassen werden könne, sei
auch die Feststellung eines verbleibenden Verlustes nicht mehr möglich.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Ziel weiterverfolgt.
Auch im Klageverfahren wiederholt und vertieft er sein außergerichtliches
Vorbringen. Das Vorbringen wird dahingehend modifiziert, dass zwar im Jahre 1999
- im Gegensatz zum Jahr 2000 - ein Steuerabzug vorgenommen worden sei und
somit § 46 EStG im Grundsatz anwendbar sei. Die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
gelte aber nur für die Durchführung einer Antragsveranlagung zur
Einkommensteuer. Die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes könne hiervon
jedoch unabhängig erfolgen. Wegen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.02.2004 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13.01.2004 das Finanzamt
zu verpflichten, einen Verlustfeststellungsbescheid nach § 10 d EStG zum
31.12.2000 zu erteilen,
2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens einschließlich des außergerichtlichen
Vorverfahrens aufzuerlegen,
3. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch das Finanzamt hält im gerichtlichen Verfahren an seiner außergerichtlich
vertretenen Rechtsansicht fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat zu Recht keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen, da die
gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.
Nach § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG sind Feststellungsbescheide zu erlassen,
aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden
Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen,
aufzuheben oder zu ändern ist. Es besteht somit ein Korrespondenzverhältnis
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aufzuheben oder zu ändern ist. Es besteht somit ein Korrespondenzverhältnis
zwischen Feststellungsbescheid und Einkommensteuerbescheid. Nach der
Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Änderung eines
Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustabzug, dass der
entsprechende Steuerbescheid noch geändert werden kann. Denn nach dem
Wortlaut des § 10 d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 ( jetzt § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG)
reiche es für die Berechtigung zur Änderung des Feststellungsbescheides über den
verbleibenden Verlustabzug nicht aus, dass sich seine Bezugsgröße betragsmäßig
geändert habe; darüber hinaus sei vielmehr erforderlich, dass es auch
verfahrensrechtlich zulässig sein müsse, den Steuerbescheid zu ändern, auf den
die Änderung dieser Bezugsgröße zurückzuführen sei. Diese zuletzt genannte
Voraussetzung sichere die Bestandskraft des vorausgehenden Steuerbescheides;
andernfalls könnten durch die Änderung des Feststellungsbescheids in einem
bestandskräftigen Steuerbescheid enthaltene Fehler in einem späteren
Veranlagungszeitraum korrigiert werden (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998 XI R
62/97, BStBl II 2000, 3). Der erkennende Senat schließt sich dieser
Rechtsprechung an.
Die dargestellten Grundsätze müssen erst recht gelten, wenn ein
Einkommensteuerbescheid nicht erlassen ist und aus rechtlichen Gründen auch
nicht mehr erlassen werden kann.
Vorliegend war der Erlass eines Einkommensteuerbescheides nicht mehr möglich,
da die Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelaufen war. Entgegen der
klägerischen Rechtsansicht ist diese Norm auch einschlägig. Der erkennende
Senat teilt insoweit die vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung geäußerte
Rechtsansicht. Eine Pflichtveranlagung für alle so genannten "Nullfälle" sieht das
Gesetz nicht vor und kann entgegen der klägerischen Auffassung auch aus § 25
EStG nicht hergeleitet werden. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gemäß § 110 Abgabenordnung (AO) hat der Kläger - aufgrund seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - nicht gestellt.
Mangels Möglichkeit des Erlasses eines Einkommensteuerbescheides kommt
somit auch ein Verlustfeststellungsbescheid nicht in Betracht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
(FGO) abzuweisen.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.