Urteil des FG Hessen vom 27.02.2006

FG Frankfurt: hippotherapie, reiten, heilbehandlung, steuerbefreiung, heilmittel, krankengymnastik, rehabilitation, eugh, leistungserbringer, unternehmer

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1999, 2000
Aktenzeichen:
6 K 4203/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Nr 14 UStG 1999, § 4 Nr
16 Buchst c UStG 1999, Art 13
Teil A Abs 1 Buchst b EWGRL
388/77, Art 13 Teil A Abs 1
Buchst c EWGRL 388/77, Art
13 Teil A Abs 2 Buchst b
EWGRL 388/77
(Hippotherapie ist nicht von der Umsatzsteuer befreit)
Tatbestand
Die Klägerin betreibt seit 1992 ein Zentrum für therapeutisches Reiten
(Hippotherapie). Etwa 90 % der Umsatzerlöse entfallen auf das therapeutische
Reiten. Die restlichen Umsatzerlöse entfallen auf Voltigierunterricht für Kinder und
Reitunterricht für Erwachsene.
Streitig ist, ob die in den Jahren 1999 und 2000 durch Hippotherapie erbrachten
Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind oder ob sie nach § 4 Nr.14 bzw. nach § 4
Nr.16 lit. c UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist von Beruf Diplom-Pädagogin mit dem Schwerpunkt
Rehabilitationspädagogik. Die hippotherapeutische Behandlung in ihrem
Reitzentrum wird nicht von ihr selbst, sondern von angestellten
Krankengymnastinnen mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung durchgeführt.
Die hippotherapeutische Ausbildung der Krankengymnastinnen erfolgte nach den
Richtlinien des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e.V., einem
gemeinnützigen Verein. Dieser Verein hat das Unternehmen der Klägerin seit
1994 als Einrichtung für das Therapeutische Reiten anerkannt und überprüft es seit
dem fortlaufend.
In Einzelfällen erfolgt die Abrechnung der hippotherapeutischen Behandlungen
direkt mit den Krankenkassen (Insoweit wird auf die von der Klägerin dazu
vorgelegten Bescheinigungen, Bl.11-13, verwiesen).
Zum weitaus überwiegenden Teil ist die Klägerin für Kliniken tätig. Die Zuweisung
und Überwachung der Patienten an die Klägerin erfolgt durch die behandelnden
Ärzte der Kliniken mit individueller Indikation, und die Klägerin erstellt einen
Rückmeldebogen über die Behandlung für die Patientenakte der Klinik. Die
Mitarbeiter der Klägerin nehmen an wöchentlichen Patientenkonferenzen der
Kliniken teil und berichten dort über die Therapieverläufe. Im Wesentlichen wird die
Klägerin dabei im Rahmen von Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen tätig,
deren Kostenträger überwiegend Sozialversicherungs-träger der Renten- und
Unfallversicherung sind.
Die Klägerin rechnet ihre Leistungen mit den Kliniken nach für Krankengymnastik
geltenden Pauschalsätzen ab und die Kliniken rechnen ihrerseits mit den
Kostenträgern der Sozialversicherung, mit denen sie entsprechende
Versorgungsverträge abgeschlossen haben, nach Pauschalbeträgen ab.
Die Klägerin hat zwei tabellarische Übersichten vorgelegt: Aus der einen sind die
nach Monaten gegliederten Umsätze nebst Umsatzsteuer ersichtlich, die die
Klägerin im Auftrag der einzelnen Kliniken in den Streitjahren ausgeführt hat, und
aus der anderen ist zu ersehen, von welchen Kostenträgern die Leistungen durch
die vergüteten Pflegesatzpauschalen letztlich bezahlt wurden. (Wegen ihres Inhalts
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die vergüteten Pflegesatzpauschalen letztlich bezahlt wurden. (Wegen ihres Inhalts
im einzelnen wird auf die als Blatt 113-118 zu den Akten genommenen
Übersichten verwiesen.)
In ihren Umsatzsteuererklärungen der Jahre 1994-1998 unterwarf die Klägerin noch
sämtliche Umsätze ihres Reitzentrums der Umsatzsteuer. Dagegen machte die
Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre nunmehr die
Steuerfreiheit der auf das therapeutische Reiten entfallenden Umsätze geltend.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) folgte dem nicht und unterwarf weiterhin auch
die auf das therapeutische Reiten entfallenden Umsätze der Umsatzsteuer. Im
Verlauf des Einspruchverfahrens erließ das FA die Umsatzsteueränderungs-
bescheide vom 28.3.2002, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
bilden. Die Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Steuerfreiheit der von ihr
durch therapeutisches Reiten erzielten Umsätze weiter. Sie ist der Ansicht, diese
Leistungen seien nach § 4 Nr.14 UStG bzw. nach § 4 Nr.16 lit. c UStG als aus
„arztähnlicher Tätigkeit“ bzw. als mit dem Betrieb von „Einrichtungen ärztlicher
Heilbehandlung“ „eng verbundene Umsätze“ von der Umsatzsteuerpflicht
ausgenommen.
Die Hippotherapie sei eine arztähnliche Tätigkeit, weil sie von
Krankengymnastinnen ausgeübt wird und weil die Anerkennung sowohl des
Betriebs als auch der hippotherapeutischen Zusatzausbildung der
Krankengymnastinnen durch das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten
e.V. die berufs-rechtliche Regelung der Tätigkeit gewährleiste. Die Hippotherapie
sei eine besondere Form der Krankengymnastik. Die der Klägerin vom Deutschen
Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. erteilte Zulassung sei zudem mit einer
förmlichen Kassenzulassung vergleichbar.
Das FA habe bei seiner ablehnenden Entscheidung verkannt, dass im Falle der
Klägerin eine regelmäßige Erstattung der durch die Hippotherapie entstandenen
Kosten durch Sozialversicherungsträger erfolgt.
Dass die Hippotherapie nicht zu den verordnungsfähigen Heilmitteln (§ 92 SGB V)
entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die
Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-
Richtlinie) gehört und dass der Klägerin wie der Berufsgruppe der
Hippotherapeuten überhaupt die Zulassung durch die zuständigen Stellen der
gesetzlichen Krankenkassen gemäß §124 Absatz. 2 SGB V als
„Leistungserbringer“ fehlt, könne für die Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht nicht
ausschlaggebend sein. Aus dieser Sicht werde einseitig auf die Leistungen der
Krankenkassen abgestellt, und es bleibe unberücksichtigt, dass auch die Renten-
und Unfallversicherungen Sozialversicherungsträger sind. Die vom Gericht
geforderten Nachweise der Sozialversicherungsträger, dass die Kosten der
Hippotherapie generell von ihnen erstattet werden, könnten aus verschiedenen
Gründen nicht vor-gelegt werden. Die Verträge der Kostenträger mit den Kliniken
könnten nicht vorgelegt werden, weil sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien.
Den Sozialversicherungsträgern sei die Hippotherapie zudem „schlicht zu teuer“.
Bevor der medizinische Nutzen der Therapie nicht wissenschaftlich erwiesen sei,
seien generelle Kostenübernahmeverpflichtungen von Krankenkassen in schrift-
licher Form nicht zu erreichen. In den zwischen den Kliniken und den Kosten-
trägern geschlossenen Versorgungsverträgen werde nur das jeweilige
Hauptindikationsprogramm und dessen Vergütung festgelegt. Nebenleistungen
wie die Hippotherapie würden dagegen nicht explizit aufgeführt, obwohl sie
Bestandteil des Rehabilitationsangebots der betreffenden Einrichtung sind. Diese
Nebenleistungen würden aber über den vereinbarten Pflegesatz mitvergütet. Auch
wenn sie in den Versorgungsverträgen nicht explizit aufgeführt werde, müsse die
Hippotherapie den Kostenträgern zumindest durch die Rehabilitationskonzepte
bekannt sein.
Dem Streitfall vergleichbar sei der vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall der
Oecotrophologen (Urteil vom 7.7.2005 V R 23/04 BStBl 2005, 904). In jenem Falle
wie im Streitfall würden Leistungen im Rahmen von Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen nach ärztlicher Anordnung durch qualifizierte
Fachkräfte erbracht, für die es keine gesetzliche heilberufliche Regelung gebe.
Wenn eine Rehabilitationseinrichtung auf Grund eines Versorgungsvertrages mit
Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation
erbringe, so seien sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch
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erbringe, so seien sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch
die Leistungen der qualifizierten Fachkräfte steuerfrei.
Zusätzlich stützt die Klägerin ihren Anspruch auf Steuerfreiheit des
therapeutischen Reitens auf § 4 Nr.16 lit. c UStG.
Sie macht geltend, durch das therapeutische Reiten führe sie i.S.d. Vorschrift mit
dem Betrieb der Kliniken „eng verbundene Umsätze“ „unter ärztlicher Aufsicht“
aus, die zu mindestens 40 % den in § 4 Nr. 15 lit. b genannten Personen zugute
kommen. Eine entsprechende Bescheinigung könne kurzfristig von den einzelnen
Kliniken eingeholt werden. Aus den von ihr vorgelegten Bescheinigungen der
Kliniken sei ersichtlich, dass die Hippotherapie ein wesentlicher Bestandteil der
stationären Rehabilitation sei. Die Indikation erfolge durch den behandelnden Arzt,
und werde unter ständiger ärztlicher Verantwortung nach dem ärztlichen
Behandlungsplan von besonders geschultem Personal durchgeführt. Ein mit einer
Krankenanstalt „eng verbundener Umsatz“ i.S.d. § 4 Nr.16 lit. c UStG bzw. Art. 13
Teil A Absatz.1 lit. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai
1977 (6. EG-Richtlinie) könne auch dann angenommen werden, wenn nicht die
begünstigte Einrichtung selbst, sondern ein anderer Unternehmer tätig wird, der
nicht notwendig selbst die persönlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit
erfüllen müsse. Dem EuGH-Urteil vom 6.11.2003 (Rs. C - 45/o1 „Christoph-
Dornier-Stiftung“) sei zu entnehmen, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige
Umsätze bewirken, bei der Umsatzsteuererhebung gleich behandelt werden
müssen. Dies gelte auch im Streitfall. Die Kliniken hätten die Möglichkeit,
Hippotherapie im eigenen Haus durchzuführen und den Kostenträgern der
Sozialversicherung diese steuerfrei in Rechnung zustellen. Im Falle der
Steuerpflicht der Klägerin werde daher der umsatzsteuer-rechtliche
Neutralitätsgrundsatz verletzt.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 1999 und 2000 vom 28.3.2002 unter
Aufhebung der Einspruchentscheidung vom 30.4.2002 dahingehend abzuändern,
dass die Umsatzsteuer 1999 auf 1.725,24 EUR, und die Umsatzsteuer 2000 auf
1.334,11 EUR herabgesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält daran fest, dass die Steuerbescheide rechtmäßig sind. Die durch
therapeutisches Reiten ausgeführten Umsätze seien weder nach § 4 Nr.14 UStG
noch nach § 4 Nr.16 lit. c UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Die Voraussetzungen des § 4 Nr.14 UStG seien nicht erfüllt, weil es an einer
berufsrechtlichen Regelung der Hippotherapie fehle. Die Arztähnlichkeit der
Hippotherapie folge nicht aus der Tatsache, dass sie von Krankengymnastinnen
ausgeübt wird. Normzweck der Vorschrift sei nach Ansicht des BVerfG die
Entlastung der Sozialversicherungsträger, und deshalb sei die
Regelkostenerstattung ein konstitutives Merkmal der Steuerbefreiung. Daran aber
fehle es im Streitfall, weil der Klägerin die Kassenzulassung nach § 124 Absatz 2
SGB V fehle und weil die Hippotherapie auch nicht zu den nach der Heilmittel-
Richtlinie verordnungsfähigen Heilmitteln gehöre. Die Zulassung der Klägerin durch
das Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e.V. stelle keine derartige
Zulassung dar. Die nachgewiesene Kostenübernahme durch die
Sozialversicherungsträger in Einzelfällen belege nicht die erforderliche
Regelkostenübernahme. Den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der
Kliniken könne nur entnommen werden, dass diese Einrichtungen das
therapeutische Reiten von dem Geld bezahlen, das sie von den
Sozialversicherungsträgern auf Grund der mit diesen getroffenen individuellen
Vereinbarungen als Pflegepauschalen erhalten haben. In der „mittelbaren
Finanzierung“ könne keine Regelerstattung gesehen werden. Ob in den
Vereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern therapeutisches Reiten
Berücksichtigung gefunden habe, sei den vorgelegten Unterlagen nicht zu
entnehmen. Da die Hippotherapie zu den nicht verordnungsfähigen Heilmitteln der
Heilmittel-Richtlinie gehöre, müsse davon ausgegangen werden, dass sie nicht
oder nicht signifikant in die Vereinbarungen eingeflossen sei. Die Voraussetzungen
des § 4 Nr.16 lit. c UStG seien im Streitfall schon deshalb nicht gegeben, weil
während der Durchführung der Hippotherapie keine Ärzte persönlich anwesend
seien.
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Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung dazu klargestellt, dass die
Hippotherapie gelegentlich sehr wohl in Anwesenheit von Ärzten stattfinde. Einmal
sei dies der Fall bei Fortbildungsmaßnahmen für Ärzte, bei denen den Ärzten die
Wirkungsweise der Hippotherapie anschaulich gemacht werde, zum anderen
komme es aber in besonderen Fällen auch vor, dass Ärzte wegen der besonderen
Umstände der vorzunehmenden Behandlung persönlich bei der Hippotherapie
anwesend seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 4 Nr.14 UStG 1993 sind steuerfrei nicht nur die Umsätze aus der Tätigkeit
als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast und Hebamme, sondern auch
die aus einer „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“ i.S.d. § 18 Absatz 1 EStG. Die
Vorschrift zählt die Berufe, deren Leistungen steuerbegünstigt sind, also nicht
abschließend auf. Gemeinschaftsrechtlich beruht die Vorschrift auf Art. 13 Teil A
Abs. 1 lit. c 6. EG-Richtlinie. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung
der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen
Berufe erbracht werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 12.10.2004 V R 54/03,
BStBl II 2005,106) werden die so befreiten Umsätze nicht durch die
Leistungsempfänger, sondern durch die Leistenden definiert, die Träger eines
ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein müssen. Daher steht der
Steuerbefreiung im Streitfall nicht entgegen, dass die Klägerin diese als
Subunternehmerin der Kliniken ausgeführt und nicht selbst mit den Patienten oder
deren Kassen abgerechnet hat. Ebenso wenig steht der Steuerbefreiung
entgegen, dass das therapeutische Reiten nicht von der Klägerin selbst, sondern
von deren dazu besonders qualifiziertem Personal ausgeführt wurde ( EuGH-Urteil
vom 10.9.2002 Rs. C 141/00 - Ambulanter Pflegedienst K. GmbH - UR 2002,513).
Die Tatsache, dass es sich bei dem zur Hippotherapie besonders qualifizierten
Personal der Klägerin um Krankengymnastinnen handelt, d.h. dass die Behandlung
der Patienten durch Angehörige eines in § 4 Nr.14 UStG ausdrücklich aufgeführten
Katalogberufs durchgeführt wird, rechtfertigt es nicht schon für sich genommen,
das therapeutische Reiten der Klägerin steuerfrei zu belassen. Steuerfrei ist die
heilberufliche Tätigkeit von Krankengymnastinnen vielmehr nur, wenn es sich bei
der von ihnen ausgeübten Tätigkeit auch um Krankengymnastik handelt. Entgegen
der Ansicht der Klägerin stellt das therapeutische Reiten keine
krankengymnastische Tätigkeit dar. Dass es sich bei der Hippotherapie nicht um
Krankengymnastik handelt, ergibt sich aus der unterschiedlichen Einordnung von
Krankengymnastik in all ihren Anwendungsbereichen einerseits und der
Hippotherapie andererseits durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in der
Heilmittel-Richtlinie, d.h. durch das Gremium, in dem die größte medizinische
Sachkompetenz konzentriert ist (vgl. Heidner, UR 2004, 559 -564-). Während die
Heilmittel-Richtlinie die Krankengymnastik mit allen ihren Anwendungsformen als
verordnungsfähig einordnet, nimmt sie die Hippotherapie ausdrücklich von den
verordnungsfähigen Heilmitteln aus. Auch das BSG lehnt es in ständiger
Rechtsprechung ab, aus dem Umstand, dass die Patienten bei der Hippotherapie
von ausgebildeten Physiotherapeuten betreut werden, ohne nähere Prüfung eine
krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht abzuleiten (Urteil vom 19.3.2002
B 1 KR 36/00 R, SozR 3-2500 § 138 Nr. 2).
Da im Unternehmen der Klägerin durch das therapeutische Reiten keine
krankengymnastische Tätigkeit ausgeübt wurde, käme die Steuerbefreiung ihrer
Leistungen nach § 4 Nr.14 UStG bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. c 6. EG-Richtlinie nur
in Betracht, wenn die Hippotherapie als Heilbehandlung im Bereich der
Humanmedizin anzusehen wäre, die im Rahmen der Ausübung eines von der
Bundesrepublik Deutschland definierten „arztähnlichen“ Berufs erbracht wird. Das
ist jedoch nicht der Fall.
Nach der inzwischen gefestigten „neuen“ Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom
25.11.2004 V R 44/02 - Sporttherapeut - BStBl II 2005,190, m. w. Nw.) zu § 4 Nr.14
UStG, der der erkennende Senat folgt, setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der
Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche
oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderlichen
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oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderlichen
Befähigungsnachweise besitzt.
Eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin in diesem Sinne umfasst
Tätigkeiten, die zum Zwecke der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich,
der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten
ausgeführt werden (vgl. o.g. BFH-Urteil).Bei seiner Einschätzung, ob die
Hippotherapie diese Voraussetzungen erfüllt, stützt sich der Senat auf die
Beurteilung des medizinischen Nutzens der Hippotherapie durch das BSG in
seinem o.g. Urteil vom 19.3.2002. Das BSG führt darin aus, dass es den spezifisch
medizinischen Charakter des therapeutischen Reitens nicht festzustellen vermag.
Der unzweifelhaft günstige allgemeine Einfluss des Reitens auf den menschlichen
Organismus reiche für die in § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V geforderte gezielte
Krankheitsbekämpfung nicht aus. Sie sei auch nicht aus dem Einsatz der
besonders ausgebildeten Pferde und Therapeuten abzuleiten, weil nicht erkennbar
sei, dass der besonders ausgebildete Therapeut eine andere Funktion haben
könne, als nachteilige Wirkungen des Reitens - etwa durch Überforderung des
Patienten durch ungeschickte oder un-zweckmäßige Haltung oder durch
ungeeignete Pferdeführung - vom Behinderten fernzuhalten. Die beschriebenen
Hilfeleistungen dienten offenbar dazu, dem Kranken (wie jedem Gesunden) den
beschriebenen generellen Nutzen des Reitens unter den besonderen Bedingungen
der Krankheit und ohne besondere Gesundheitsgefährdung zu ermöglichen. Das
mit der Hippotherapie verfolgte Ziel, durch den Rhythmus der Pferdebewegung
eine Ganzkörperbewegung des Patienten auszulösen und dabei Bewegungsängste
abzubauen, reiche über eine „gesundheitsbewusste Lebensführung“ i.S.v. § 1Satz
2 SGB V kaum hinaus.
Angesichts dieser höchstrichterlichen Einschätzung der medizinischen Bedeutung
der Hippotherapie, der der erkennende Senat nichts hinzuzufügen hat, kann der
Hippotherapie der Charakter einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin
nicht zugebilligt werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung der vom EuGH in
seinem Urteil in Sachen „Dornier-Stiftung“ (vom 6.11.2003 Rs. C 45/01, UR
2003,584) für den Begriff der „ärztlichen Heilbehandlung“ vorgegebenen
Auslegungsregel, dass der Begriff angesichts der mit der Steuerbefreiung
verfolgten Zielsetzung, die Heilungskosten zu senken, eng aber „nicht besonders
eng“ auszulegen sei.
Da nach diesen Grundsätzen bei der Hippotherapie keine heilberufliche Tätigkeit
anzunehmen ist, scheidet die in Anspruch genommene Steuerbefreiung nach § 4
Nr.14 UStG von vornherein aus.
Der Senat ist zudem der Ansicht, dass die der Klägerin und den angestellten
Krankengymnastinnen erteilten Zulassungen durch das Deutsche Kuratorium für
Therapeutisches Reiten e.V. auch keine „Befähigungsnachweise“ für eine
arztähnliche Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin i.S.d. BFH-
Rechtsprechung darstellen.
Die „neuere“ Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des § 4 Nr.14 UStG besteht
in einer Verbindung der Entscheidung des BVerfG vom 29.10.1999 (2 BvR 1264/90,
BStBl II 2000,155), der zufolge die Vorschrift keinen berufs-rechtlichen
Lenkungszweck habe, sondern die Entlastung der Sozialversicherungsträger von
der Umsatzsteuer bezwecke, mit der o.g. Entscheidung des EuGH in Sachen
„Dornier-Stiftung“, nach der die Befreiungsvorschrift des Art 13 Teil A Absatz 1 lit.
c 6. EG-Richtlinie voraussetzt, dass die arztähnlichen Leistungen von Personen
erbracht werden, die die erforderlichen „Befähigungsnachweise“ besitzen.
Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung des BFH ist, dass das BVerfG das
Bestehen einer berufsrechtlichen Regelung nicht insgesamt als
Differenzierungsmerkmal abgelehnt hat, sondern - umgekehrt - deren Fehlen als
alleinigen Ablehnungsgrund ablehnt. Demzufolge geht der BFH (Urteil vom
25.11.2004 V R 44/02, mit Anm. Heidner, UR 2005, 252) davon aus, dass im Falle
des Bestehens einer gesetzlichen Berufszugangs- oder Berufsausübungsregelung
die Ähnlichkeit der betreffenden Tätigkeit mit einem der Katalogberufe
gewährleistet ist. Für Hippotherapeuten ist weder eine gesetzliche Berufszugangs-
noch eine gesetzliche Berufsausübungsregel vorhanden, und die
(privatrechtlichen) Zulassungen des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches
Reiten e.V. vermögen diese nicht zu ersetzen.
Wie ausgeführt, kann die Ablehnung des „Befähigungsnachweises“ nicht allein auf
das Fehlen einer gesetzlichen Berufszugangs- oder Berufsausübungsregelung
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das Fehlen einer gesetzlichen Berufszugangs- oder Berufsausübungsregelung
gestützt werden. Als weiteres Merkmal für das Vorhandensein des
„Befähigungsnachweises“ ist nach der Rechtsprechung des BFH die regelmäßige
Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger anzusehen.
Da die konkrete Kostenübernahme als Abgrenzungsmerkmal ungeeignet ist, weil
damit Leistungen an Personen, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, von der
Steuerbefreiung ausgeschlossen wären, muss es sich um Leistungen handeln, die
„ihrer Art nach“ in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden
(BFH-Urteil vom 13.4.2000 V R 78/99, UR 2000, 436). Da-mit kommt es für die
Frage des „Befähigungsnachweises“ nicht darauf an, ob die
Sozialversicherungsträger die konkrete Leistung tatsächlich bezahlt haben, und es
ist unerheblich, ob im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände eine Behandlung
erstattet wird, zu deren Erstattung der Sozialversicherungsträger nicht verpflichtet
ist.
Der BFH hat in einer Reihe von Entscheidungen. (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.2005 V R
23/04, BStBl II 2005, 904 m. w. N.) Merkmale herausgestellt, bei deren Vorliegen er
die Regelkostenübernahme durch die Sozialversicherungs-träger und damit den
erforderlichen „Befähigungsnachweis“ der Leistungserbringer als gegeben ansieht:
Die Zulassung des Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner
Berufsgruppe gemäß § 124 Absatz 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der
gesetzlichen Krankenkassen.
Die Aufnahme der vom Unternehmer ausgeführten Leistungen in die Heilmittel-
Richtlinie, § 92 SGB V.Das Vorhandensein eines Versorgungsvertrags gemäß §§ 11
Absatz 2, 40, 111 SGB V, in dem die Qualifikation der betreffenden Fachkräfte zur
medizinischen Rehabilitation benannt ist.
Bescheinigungen der Krankenkassen, dass die betreffenden Leistungen den von
den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellten Qualitätsrichtlinien und
Zulassungsbedingungen im Bereich der Rehabilitation und der Prävention i.S.v. §§
20, 43 SGB V genügen.
Im Streitfall erfüllt die Klägerin keine der genannten Voraussetzungen für die
Annahme der Regelkostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger. Un-
streitig gehört die Klägerin nicht zu den „zugelassenen Leistungserbringern“ i.S.d.
§ 124 Absatz 2 SGB V und Hippotherapie ist von den erstattungsfähigen
Heilmitteln nach der Heilmittel-Richtlinie ausdrücklich ausgenommen. Es bestehen
auch keine Versorgungsverträge, in denen die Ausbildung der Angestellten der
Klägerin zu Hippotherapeutinnen als Qualifikation zur Durchführung medizinischer
Rehabilitation benannt ist. Schließlich erfüllt die Hippotherapie auch nicht die
Anforderungen der von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellten
Qualitätsrichtlinien und Zulassungsbedingungen im Bereich der Rehabilitation und
Prävention i.S.v. §§ 20, 43 SGB V. - Keine der zahlreichen von der Klägerin
vorgelegten Bescheinigungen belegt die Regelkostenübernahme der
Sozialversicherungsträger im Sinne der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende
Senat folgt. Die vorgelegten Bescheinigungen bestätigen lediglich, dass die
behandelnden Ärzte der Kliniken die Hippotherapie als Teil des klinischen
Behandlungsprogramms ansehen und dass die Honorare der Klägerin für die
Hippotherapie von den Kliniken konkret aus den von den Kassen gezahlten
Kostenpauschalen entrichtet werden. Das aber genügt, wie oben dargelegt wurde,
zum Beleg der Regelkostenerstattung nicht. Die Klägerin selbst hat eingeräumt,
dass sie von den Sozialversicherungsträgern keine Bescheinigung darüber werde
vorlegen können, dass sie die Kosten der Hippotherapie generell erstatten,
solange der medizinische Nutzen der Hippotherapie nicht wissenschaftlich
erwiesen sei.
Die Behandlungsleistungen der Klägerin durch therapeutisches Reiten sind auch
nicht nach § 4 Nr.16 lit. c UStG bzw. Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie
befreit.
§ 4 Nr.16 lit. c UStG befreit von der Umsatzsteuer u.a. die mit „Einrichtungen
ärztlicher Heilbehandlung“ „eng verbundenen Umsätze“, wenn die Leistungen
unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden und im vorangegangenen Kalenderjahr
mindestens 40 Prozent der Leistungen Personen zugute kommen, die gesetzlich
sozialversichert oder Empfänger von Sozialhilfe oder Kriegsopferversorgung sind.
Diese Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie in nationales
Recht um, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten von der Steuer zu befreien
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Recht um, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten von der Steuer zu befreien
haben u.a. die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die
mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen
Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese
Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren
für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß
anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden.
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH (vgl. Urteil von 22.5.2003 V R
94/01, BStBl II 2003, 954 m. w. N.) ist bei der Auslegung von § 4 Nr.14 UStG und §
4 Nr.16 lit. c UStG zu berücksichtigen, dass die Anwendungsbereiche der
Befreiungen in Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie und Art. 13 Teil A Abs. 1
lit. c 6. EG-Richtlinie unterschiedlich sind und dass sie eine abschließende Regelung
der Steuerbefreiungen für Heilbehandlungen im engeren Sinne bezwecken. Die
Regelungen unterscheiden nach dem Ort der Leistungen: Nach Art. 13 Teil A
Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie sind alle Leistungen befreit, die in
Krankenhäusern/Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und
Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen ähnlicher Art
erbracht werden, während nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. c 6. EG-Richtlinie diejenigen
Heilbehandlungen steuerfrei sind, die außerhalb eines Krankenhauses im Rahmen
einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem
erbracht werden, wobei diese Beziehung normalerweise in den Praxisräumen des
Behandelnden zum Tragen kommt. Die Behandlung außerhalb des Krankenhauses
kann auch in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht
werden.
Da bei der Abgrenzung der beiden Befreiungstatbestände weniger auf die Art der
Leistung als vielmehr auf den Ort ihrer Erbringung abzustellen ist (BFH-Beschluss
vom 25.11.2004 V R 55/03 , BStBl II 2005, 445), ist im Streitfall die Anwendbarkeit
von § 4 Nr.16 lit. c UStG bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. b 6. EG-Richtlinie schon
deshalb ausgeschlossen, weil das therapeutische Reiten nicht innerhalb der
Kliniken, sondern im Reitzentrum der Klägerin im Rahmen einer auf Vertrauen
gegründeten Beziehung zwischen Patient und behandelnder Hippotherapeutin
erbracht wird.
Ein weiterer Grund dafür, dass Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie im
Streitfall nicht zur Anwendung kommen kann, besteht darin, dass diese Vorschrift
nur Einrichtungen betrifft, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen
Heilbehandlungen bestehen, die üblicherweise ohne Gewinnerzielungsabsicht in
Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie etwa der des Schutzes der
menschlichen Gesundheit erbracht werden (vgl. o. g BFH- Beschluss vom
25.11.2004 m. w. N.). Da das Reitzentrum der Klägerin durchaus mit
Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, fällt die Klägerin schon deshalb nicht in
den Bereich der von Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie erfassten
Leistungserbringer.
Die hippotherapeutischen Leistungen der Klägerin werden auch nicht, wie von § 4
Nr.16 lit. c UStG gefordert, „unter ärztlicher Aufsicht“ erbracht. Im Reitzentrum der
Klägerin sind während der Behandlungen normalerweise keine Ärzte anwesend.
Nur in Ausnahmefällen, wenn dies wegen der besonderen Umstände der
vorzunehmenden Behandlung erforderlich ist, ist einmal ein Arzt während der
Behandlung persönlich anwesend. Trotz weiter Auslegung des Begriffs „unter
ärztlicher Aufsicht“ will die Befreiungsvorschrift nur solche Heilbehandlungen
begünstigen, die einem Qualitätsvergleich mit der ärztlichen Heilbehandlung
standhalten (FG Münster, Urteil vom 19.8.2003 15 K 8753/98, EFG 2004,64). Dazu
ist zwar keine persönliche Mitarbeit aber doch die stetige und
situationsangemessene Aufsicht eines Arztes erforderlich, für die die bloße
telefonische Erreichbarkeit an einem vom Behandlungsort entfernten Ort nicht
ausreicht. Dass das Behandlungsergebnis des therapeutischen Reitens in den
wöchentlichen Patientenbesprechungen den Klinikärzten zur Kenntnis gebracht
wird, rechtfertigt ebenso wenig die Einschätzung, dass die Hippotherapie
normalerweise „unter ärztlicher Aufsicht“ durchgeführt wird.
Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Standpunkt durchdringen, Art.
13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie müsse wegen des gemeinschafts-
rechtlichen Neutralitätsgrundsatzes auch auf Fälle Anwendung finden, in denen
nicht die dort als begünstigt aufgeführten Einrichtungen selbst, sondern in deren
Auftrag andere Unternehmer tätig werden, die die Voraussetzungen des Art. 13
Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie nicht erfüllen, sofern die Kliniken selbst
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Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie nicht erfüllen, sofern die Kliniken selbst
berechtigt wären, die „ausgelagerten“ Umsätze steuerfrei auszuführen.
Dabei kann dahinstehen, ob zu den „mit der ärztlichen Heilbehandlung eng
verbundenen Umsätzen“ i.S. d. Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie auch
Umsätze von Unternehmern gerechnet werden können, die nicht zu den in der
Vorschrift aufgeführten Einrichtungen zählen und die lediglich im Auftrag dieser
Einrichtungen tätig werden.
Selbst wenn im Streitfall davon ausgegangen wird, dass die Klägerin durch das
therapeutische Reiten mit der ärztlichen Heilbehandlung der Kliniken i.S.d. Art. 13
Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie „eng verbundene Umsätze“ ausgeführt hat, so
könnten ihre Umsätze nach dem europarechtlichen Neutralitätsgebot nur dann
steuerfrei belassen werden, wenn diese Umsätze auch steuerfrei wären, wenn sie
von den Kliniken selbst ausgeführt würden. - Diese Annahme ist jedoch nicht
gerechtfertigt.Auch wenn man zusätzlich noch unterstellt, dass alle Kliniken, die
der Klägerin die Aufträge erteilen, i. S. d. genannten EuGH-Rechtsprechung „ohne
Gewinnstreben“ tätig sind, so ist die Frage, ob sie Hippotherapie steuerfrei
ausführen könnten, zu verneinen.
Umsätze der in Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie bezeichneten Art, d.h.
Umsätze der dort bezeichneten Leistungserbringer im Bereich der
Krankenhausbehandlung, der ärztlichen Heilbehandlung und der mit ihnen eng
verbundenen Umsätze sind nicht in jedem Falle von der Umsatzsteuer befreit (vgl.
BFH-Urteil vom 22.5.2003 V R 94/01, BStBl II 2003, 954). Vielmehr ergibt sich aus
Art. 13 Teil A Absatz 2 lit. b 6. EG-Richtlinie, dass diejenigen Umsätze, die unter
Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. b 6. EG-Richtlinie fallen, von der Steuerbefreiung
ausgeschlossen sind, die für die Ausübung der Tätigkeit, für die die
Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind, und die im Wesentlichen
dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu
verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der
Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
Diese sich aus Art. 13 Teil A Absatz 2 lit. b 6. EG-Richtlinie ergebenden
Einschränkungen der Steuerfreiheit nach Art. Teil A 13 Absatz 1 lit. b 6. EG-
Richtlinie stünden auch der Steuerfreiheit des therapeutisches Reitens entgegen,
wenn dieses durch die Auftraggeberinnen der Klägerin selbst betrieben würde.
Angesichts der o.g. Einschätzung des medizinischen Nutzens durch das BSG ist es
nicht gerechtfertigt, davon auszugehen, dass therapeutisches Reiten für die
Ausübung der ärztlichen Heilbehandlung der Kliniken „unerlässlich“ wäre, und die
Kliniken würden mit dem therapeutische Reiten gerade den gewerblichen
Reitzentren, wie dem der Klägerin, Konkurrenz machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Absatz 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.