Urteil des FG Hessen vom 13.01.2011

FG Frankfurt: unerlaubte handlung, steuerhinterziehung, straftat, öffentliches interesse, geldstrafe, abgabenordnung, ordnungswidrigkeit, einspruch, geldzahlung, entstehung

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 13.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 K 1261/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 302 Nr 1 InsO, § 302 Nr 2
InsO, § 235 AO, § 370 AO, §
823 Abs 1 BGB
Kein Ausschluss der Hinterziehungszinsen von der
insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung
Orientierungssatz
Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Ao sind weder Forderungen aus unerlaubter
Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO noch sind sie unter einem anderem rechtlichen
Gesichtspunkt von der Restschuldbefreiung ausgenommen.
Tenor
1. Der insolvenzrechtliche Feststellungsbescheid vom 16. März 2010 und die
Einspruchsentscheidung vom 30. April 2010 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Zinsen als Forderungen aus
unerlaubter Handlung in einem insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren.
Dabei ist streitig, ob Hinterziehungszinsen gemäß § 235 der Abgabenordnung –
AO – gemäß § 302 der Insolvenzordnung – InsO – entweder unter dem rechtlichen
Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) oder unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt einer Geldstrafe oder einer diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3
InsO gleichgestellten Verbindlichkeit (§ 302 Nr. 2 InsO) von der
insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung ausgenommen sind.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts F. vom 4. Juni 2009 wurde der Kläger
wegen Steuerhinterziehung betreffend die Jahre 1999 bis 2003 zu einer Geldstrafe
verurteilt.
Durch Beschluss des Amtsgerichts A. (Aktenzeichen ...) vom 05.12.2007 wurde
das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.
Mit Schreiben vom 29.12.2009 meldete der Beklagte Hinterziehungszinsen gemäß
§ 235 AO in Höhe von insgesamt 52.057,52 EUR gemäß § 174 Abs. 2 InsO zur
Insolvenztabelle an.
Zur Begründung führte er an, es handele sich um Forderungen aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung.
Der Kläger widersprach der Feststellung der Forderungen als Forderungen aus
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Der Kläger widersprach der Feststellung der Forderungen als Forderungen aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
Mit Bescheid vom 16. März 2010 stellte der Beklagte die vom Kläger bestrittenen
Forderungen gemäß § 251 Abs. 3 der AO als Forderungen aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung gemäß § 302 Nr. 1 InsO förmlich fest.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 31. März 2010 Einspruch ein. Mit
diesem Rechtsbehelf begehrte er die Aufhebung des Feststellungsbescheides.
Zur Begründung führte er an, dass nach anerkannter Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs – BFH – hinterzogene Steuern keine Forderungen aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung darstellten. Wenn also bereits eine
Steuerhinterziehung keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung sei, gelte
dieses erst recht für die Hinterziehungszinsen.
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30. April 2010
als unbegründet zurück.
Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass er zwar auch die
Auffassung vertrete, dass hinterzogene Steuern keine Ansprüche aus unerlaubten
Handlungen i. S. d. § 302 Nr. 1 InsO darstellten, weil diese unabhängig von der
Steuerhinterziehung mit der Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz
die Leistungspflicht knüpfe, entstünden. Steuerhinterziehungszinsen fielen aber
deshalb unter § 302 InsO, weil sie eine unmittelbare Folge der unerlaubten
Handlung (Steuerhinterziehung) darstellten.
Zwar hätten nach einhelliger Auffassung im Schrifttum und der Rechtsprechung
Hinterziehungszinsen keinen Strafcharakter, so dass zum Teil die Auffassung
vertreten werde, dass Hinterziehungszinsen nicht unter § 302 Nr. 2 InsO zu
subsumieren seien. Da es aber Zweck des § 235 AO sei, den erlangten Zinsvorteil
beim Nutznießer der Steuerhinterziehung abzuschöpfen, seien
Hinterziehungszinsen mit einer Geldstrafe durchaus vergleichbar. Da, so die
Auffassung des Beklagten, eine Steuerhinterziehung aber ohne weiteres als
unerlaubte Handlung anzusehen sei und von §§ 370 ff. AO ausdrücklich unter
Strafe gestellt sei, sei es unbillig, Hinterziehungszinsen nach § 235 AO an der
Restschuldbefreiung teilnehmen zu lassen.
Bei Hinterziehungszinsen handele es sich um Nebenfolgen einer Straftat im Sinne
von § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der von Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungs- und
Zwangsgeldern sowie solchen Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit
spricht, die zu einer Geldleistung verpflichten. Derartige Forderungen seien
ausdrücklich nach § 302 Nr. 2 i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO von der Erteilung der
Restschuldbefreiung nicht berührt. Dass es sich bei derartigen Forderungen um
zivilrechtliche deliktischen Ansprüche handeln müsse, sei der gesetzlichen
Regelung nicht zu entnehmen.
Am 27. Mai 2010 hat der Kläger Klage erhoben.
Er verfolgt sein Ziel auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 16. März
2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2010 weiter.
Zur Begründung führt er an, dass bereits der BFH in seiner Entscheidung vom 19.
August 2008 VII R 6/07, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2008, 947, entschieden
habe, dass eine Steuerhinterziehung als solche keinen zivilrechtlichen deliktischen
Anspruch aus § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – begründe.
Zudem habe das Finanzgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 2. Februar
2001 2 K 106/06, EFG 2007, 1309, ausgeführt, dass Steuerforderungen auch dann
keine Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i. S. d. § 302
Nr. 1 InsO darstellten, wenn eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO vorliege.
Daraus folge eindeutig, dass mit dem Wort „Steuerforderung“ nicht nur die
Steuerhinterziehung an sich, sondern sämtliche sich daraus ergebenden
Forderungen gemeint seien. Hierzu zählten auch die Hinterziehungszinsen, denn
die seien lediglich eine Folge der Steuerhinterziehung.
Hinterziehungszinsen fielen auch nicht unter § 823 Abs. 1 BGB, weil diese nicht zu
einem Vermögensschaden des Fiskus geführt hätten. Denn das Vermögen sei
kein von § 823 Abs. 1 BGB erfasstes absolut geschütztes Rechtsgut.
Der Kläger beantragt,
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1. den Feststellungsbescheid vom 16. März 2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30. April 2010 aufzuheben,
2. die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen,
3. die Kosten des Vorverfahrens dem Beklagten aufzuerlegen,
4. das Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar zu
erklären,
5. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner außergerichtlich vorgetragenen Rechtsauffassung fest.
Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2010 trägt er klarstellend vor, dass auch er der
Auffassung sei, dass hinterzogene Steuern keine Forderungen aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung i. S. v. § 302 Nr. 1 InsO darstellten. Dennoch
seien seiner Auffassung nach auch Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3
InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners gemäß § 302 Nr. 2 InsO von
der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt. Hierzu gehörten Geldstrafen,
Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer
Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichteten.
Hinterziehungszinsen seien diesen Sanktionen vergleichbar.
Zur Stützung seiner Rechtsauffassung verweist der Beklagte auf eine
Kommentierung in Waza/Uhländer/Schmittmann: Insolvenzen und Steuern, 7.
Auflage, Rz. 959.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, dass seiner Auffassung nach
Hinterziehungszinsen nicht den Tatbestand einer unerlaubter Handlung erfüllten,
dennoch aber erfülle – so seine Auffassung – der dem Staat aus der Hinterziehung
entstandene Schaden den Tatbestand einer unerlaubten Handlung.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der auf § 251 Abs. 3 AO i. V. m. § 179 InsO gestützte Feststellungsbescheid ist
deshalb rechtswidrig, da der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch auf
Hinterziehungszinsen im Sinne des § 235 AO unzutreffend als Forderung aus einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Sinne vom § 302 Nr. 1 InsO
qualifiziert wird, der eine Restschuldbefreiung ausschließt.
Nach § 302 Nr. 1 InsO werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung nicht berührt, sofern der Gläubiger die von ihm geltend gemachte
Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO
angemeldet hatte.
Forderungen aus unerlaubter Handlung sind solche, die einen deliktischen
Anspruch aus § 823 Abs. 1 oder 2 BGB begründen.
1. Im Streitfall ist der Zinsanspruch gemäß § 235 AO des Finanzamts kein
Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
Es handelt sich um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO),
die sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrem Inhalt und ihrer
Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen Deliktsansprüchen
unterschiedlichen Regeln unterliegen. Der BFH hat insoweit entschieden, dass
Steuer- und Haftungsansprüche eigenständige, dem öffentlichen Recht zugehörige
Ansprüche aus dem Steuerverhältnis, die sowohl nach ihrer Entstehung als auch
nach ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen
Deliktsansprüchen unterschiedlichen Regelungen unterliegen und deshalb keine
Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung darstellen (vgl. Urteil des
BFH vom 24. Oktober 1996 VII R 113/94, BStBl II 1997, 308; Urteil des BFH vom 19.
August 2008 VII R 6/07, BStBl II 2008, 947).
Der Anspruch des Beklagten auf Hinterziehungszinsen stellt auch nicht deshalb
eine Forderung aus unerlaubter Handlung dar, weil dieser tatbestandlich eine
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eine Forderung aus unerlaubter Handlung dar, weil dieser tatbestandlich eine
Steuerhinterziehung voraussetzt.
Eine Steuerhinterziehung stellt nämlich ebenfalls keine unerlaubte Handlung im
Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar. Selbst, wenn der Steueranspruch, wie vorliegend
der Zinsanspruch, auf eine vorsätzliche Nichtentrichtung der Steuer bzw. auf eine
Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO zurückzuführen sein sollte, beruht er nicht
auf einer unerlaubten Handlung des Steuerschuldners, sondern auf der
Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestandes, an den das Gesetz eine
Zahlungspflicht knüpft, § 38 AO, (vgl. Urteil des BFH vom 19. August 2008 VII R
6/07, BStBl II 2008, 947).
2. Auch die Annahme einer unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
scheidet aus.
Weder der Zinsanspruch aus § 235 AO noch der diesem zugrundeliegende
Straftatbestand der Steuerhinterziehung stellen ein Schutzgesetz im Sinne dieser
Vorschrift dar.
Ein Schutzgesetz erfordert die zumindest teilweise Ausrichtung auf den Schutz von
Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art der Verletzung (vgl. Urteil des
BFH vom 19. August 2008 VII R 6/07, BStBl II 2008, 947, m.w.N).
§ 235 AO hat den Zweck, den erlangten Zinsvorteil beim Nutznießer der
Steuerhinterziehung abschöpfen (vgl. Tipke/Kruse/Loose:
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz. 1; Kühn/Wagner:
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz. 1; Klein: Abgabenordnung,
§ 235 Rz. 1).
§ 370 AO bezweckt, das öffentliche Interesse des Fiskus am rechtzeitigen und
vollständigen Aufkommen bestimmter einzelner Steuern zu schützen (vgl. Urteil
des BFH vom 19. August 2008 VII R 6/07, BStBl II 2008, 947).
Geschützt ist somit jeweils nicht ein Individualinteresse, sondern ein öffentliches
Interesse des Staates.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen auch die Voraussetzungen des §
302 Nr. 2 InsO nicht vor.
Gemäß § 302 Nr. 2 InsO werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht
berührt Geldstrafen und diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten
Verbindlichkeiten des Schuldners.
Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind die den Geldstrafen gleichgestellten
Verbindlichkeiten Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche
Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung
verpflichten.
Es handelt sich bei dem Anspruch des Beklagten auf Hinterziehungszinsen weder
um eine Geldbuße noch um ein Ordnungsgeld noch um ein Zwangsgeld.
Auch erfüllt der Zinsanspruch nicht die Voraussetzungen einer Nebenfolge einer
Straftat.
Bei der Erhebung von Hinterziehungszinsen handelt es sich nicht um eine
Strafmaßnahme, also auch nicht um eine Nebenstrafe oder Nebenfolge einer
Straftat (vgl. Tipke/Kruse/Loose: Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 235
AO Rz. 1; Kühn/Wagner: Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz. 1;
Klein: Abgabenordnung, § 235 Rz. 1).
Welche Maßnahmen Nebenfolgen einer Steuerhinterziehung sein können,
bestimmt sich vielmehr nach § 369 Abs. 2 AO i. V. m. den Regelungen des
Strafgesetzbuches – StGB –.
Hierzu zählen das Fahrverbot (§ 44 StGB), die Aberkennung der Amtsfähigkeit
sowie Wählbarkeit und des Wahlrechts (§ 45 StGB), die Maßregeln der Sicherung
und Besserung (§ 61 StGB), das Berufsverbot (§ 70 StGB), die Anordnung des
Verfalls (§ 73 StGB) und die Einziehung von Gegenständen (§ 74 StGB).
Darüber hinaus eröffnet § 375 AO für die Steuerhinterziehung neben der Strafe die
Möglichkeit zur Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit sowie der
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Möglichkeit zur Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit sowie der
Einziehung von bestimmten Gegenständen.
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zählt nicht zu diesen Maßnahmen.
Auch die einschlägigen Kommentierungen führen in ihrer Aufzählung, welche
Tatbestände Nebenfolgen einer Straftat und somit den Geldstrafen gleichgestellte
Verbindlichkeiten im Sinne des § 302 InsO sind, die Hinterziehungszinsen nicht auf
(vgl. auch: Stephan, in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 302 Rz. 23;
Schumacher, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 39 Rz. 8, § 302
Rz. 16; Vallender, in: Uhlenbruck Insolvenzordnung, § 302 Rz. 24d).
Der Ansicht des Beklagten, der sich in seiner Argumentation auf die
Kommentierung bei Waza/Uhländer/Schmittmann: Insolvenzen und Steuern, Rz.
959, stützt, wonach Hinterziehungszinsen mit einer Geldstrafe vergleichbar seien
und daher von der Restschuldbefreiung auszunehmen seien, ist nicht zu folgen.
Wie bereits dargelegt, verweist § 302 Nr. 2 InsO ausdrücklich auf die Tatbestände
des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO, die im Falle der Erhebung von Hinterziehungszinsen
nicht einschlägig sind.
Eine Einbeziehung anderer, nämlich steuerrechtlicher Folgen, die im Tatbestand
des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht aufgeführt sind, in den Anwendungsbereich des §
302 Nr. 2 InsO wäre somit allenfalls im Wege einer Analogie denkbar, für die
hingegen kein Raum ist.
Zum einen dürfte es an einer für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke
fehlen, da nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber weitere, nicht geregelte,
Tatbestände von der Restschuldbefreiung ausnehmen wollte.
Zum anderen erweist sich der Tatbestand der Hinterziehungszinsen nicht mit dem
einer Geldstrafe als vergleichbar.
Mit der Festsetzung und Erhebung von Hinterziehungszinsen wird – wie bereits
dargelegt – eben gerade anders als bei einer Geldstrafe nicht der Zweck der
Sanktionierung einer Straftat verfolgt, und sie stellt eben auch keine vom
Strafgericht ausgesprochene strafrechtliche Nebenfolge dar.
Zudem ist die Rechtnorm des § 235 AO auch nicht Bestandteil des Strafrechts,
sondern Teil des Verwaltungsrechts, was bereits der Annahme,
Hinterziehungszinsen seien mit einer Geldstrafe „vergleichbar“, zumindest was die
Rechtsnatur angeht, entgegenstehen dürfte.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO
–.
III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3
FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10. 711 der Zivilprozessordnung.
IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassen.
V. Über den Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären, wird in einem gesonderten Beschluss entschieden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.