Urteil des FG Hessen vom 10.12.2010

FG Frankfurt: versicherungsschutz, versicherungsnehmer, vorsteuerabzug, vertrag sui generis, eintritt des versicherungsfalls, ausübung der option, wirtschaftliche tätigkeit, eugh, unternehmer

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1994
Aktenzeichen:
6 K 4212/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Nr 10 Buchst b UStG 1993,
§ 4 Nr 10 Buchst a UStG 1993,
Art 13 Teil B Buchst b EWGRL
388/77, § 1 Abs 1 Nr 1 UStG
1993, § 1 Abs 1a UStG 1993
Umsatzsteuerpflicht von Führungsprovisionen bei der
offenen Mitversicherung - Verschaffung von
Versicherungsschutz - entgeltliche Übertragung eines
Versicherungsteilbestandes durch ein
Versicherungsunternehmen auf ein anderes
Versicherungsunternehmen
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die in Deutschland im Versicherungsgewerbe tätig ist, ist eine
nunmehr im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische
Zweigniederlassung der B Versicherung mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland.
Bis Januar 2006 hatte sie ihren Sitz in C und firmierte unter B-Versicherung
Niederlassung Deutschland. Die Klägerin ist Organträgerin einer
umsatzsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, zu der im Streitjahr
1994 u.a.
die Gesellschaften B Lebensversicherungsgesellschaft, D, E, F und G gehörten.
Der am 11.12.1995 für den Organkreis bei der Beklagten eingereichten
Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 stimmte das Finanzamt am 5.11.1996
zunächst zu. Es wurde eine Umsatzsteuer von ./. … DM festgesetzt.
Im Anschluss an eine von der Großbetriebsprüfung des Finanzamtes
durchgeführte Betriebsprüfung erging am 8.05.2003 ein Änderungsbescheid zur
Umsatzsteuer 1994. Darin wurden die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze um die
Erlöse aus sog. Führungsprovisionen aus Mitversicherungsgeschäften in Höhe von
… DM erhöht, denen bei diesen Geschäften angefallene Vorsteuern in Höhe von …
DM gegenüber gestellt wurden. Eine weitere Erhöhung der steuerpflichtigen
Umsätze um DM resultiert aus der in der eingereichten Steuererklärung zunächst
unberücksichtigt gebliebenen Übertragung von Sach- und
Haftpflichtversicherungsverträgen auf die H-VERS.. Ferner erfolgte eine Kürzung
der Vorsteuern aus den Baukosten der Liegenschaft I um … DM entsprechend
dem Verhältnis der nicht steuerpflichtig vermieteten Grundstücksflächen zur
Gesamtfläche.
Führungsprovisionen:
Zur Risikostreuung im Versicherungsgeschäft bedient sich die Klägerin auch des
Instruments der „offenen Mitversicherung“. Dabei wird das Versicherungsrisiko aus
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Instruments der „offenen Mitversicherung“. Dabei wird das Versicherungsrisiko aus
einzelnen Verträgen mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen geteilt.
Soll ein Risiko im Wege der offenen Mitversicherung versichert werden, bietet ein
Versicherungsunternehmen einem Mitbewerber eine Beteiligung an. Ist der andere
Versicherer bereit, das Risiko mitzutragen, entsteht die offene Mitversicherung
technisch durch Aufnahme einer Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag,
wonach eine Mehrzahl von Versicherungsunternehmen anteilig, nach einer
bestimmten Quote Versicherungsschutz bietet. Die Versicherungsgesellschaft, die
den Kundenkontakt hergestellt hat, übernimmt regelmäßig die Führung innerhalb
des Mitversicherungsgeschäftes. Dieses so genannte Führungsgeschäft beinhaltet
die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden
Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des
Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und
ähnliches.
Die Prämie wird von dem Versicherungsnehmer entweder anteilig an die einzelnen
Versicherer gezahlt oder aber –regelmäßig im Interesse der Einfachheit- als
Ganzes an die führende Gesellschaft. Von der Gesamtprämie erhält die führende
Gesellschaft für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäfts einen
bevorzugten Anteil in Höhe von ein bis drei Prozent der Gesamtprämie.
Der Mehranteil an Prämie, den das führende Versicherungsunternehmen erhält,
wird allgemein als Führungsprovision bezeichnet. Sie wird in Form eines Anteils an
der Gesamtprovision berechnet. Eine gesonderte Vergütung anteiliger
Verwaltungskosten findet nicht statt. Die Klägerin hat die von ihr vereinnahmten
Führungsprovisionen als Entgelt für Leistungen aufgrund eines
Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungssteuergesetzes nach § 4
Nr. 10 a UStG als umsatzsteuerfrei behandelt. Die Betriebsprüfung und ihr folgend
der Beklagte haben die Führungsprovision hingegen als eine Tätigkeitsvergütung
angesehen, die derjenige erhalte, der die mit der Führung zusammenhängende
Mehrarbeit zu leisten hat. Eine Steuerbefreiung greife insoweit nicht ein.
Teilbestandsübertragung:
Mit Vertrag vom 1.07.1993, der am 21.12.2003 von dem Bundesaufsichtsamt für
das Versicherungswesen gemäß § 14 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
genehmigt wurde, übertrug die Klägerin mit Wirkung ab 1.01.1994 einen
Versicherungsbestand an die H-VERS.. Der Kaufpreis belief sich auf … DM. Hierbei
handelte es sich um den Bestand von „Sach- und Allgemeine
Haftpflichtversicherungsverträgen“, der von Außendienstmitarbeitern der H-VERS.
vermittelt worden war. Die H-VERS. hatte vormals nur das Kranken- und
Lebensversicherungsgeschäft betrieben, die Klägerin nur das
Sachversicherungsgeschäft. Zur Ergänzung der jeweiligen Produktpaletten
vermittelte die H-VERS. an ihre Kunden Sachversicherungen der Klägerin und
diese verschaffte ihren Kunden Krankenversicherungsschutz bei der H-VERS..
Diese Kooperation endete, als H-VERS. selbst das Sachversicherungsgeschäft
aufnahm. Der bei der Klägerin als „gesonderte Agentur“ geführte Bestand wurde
daraufhin an die H-VERS. übertragen, weil es sich bei den von den
Außendienstmitarbeitern der H-VERS. vermittelten Versicherungsnehmern von
„Sach- und Allgemeine Haftpflichtversicherungsverträgen“ um H-VERS.-Kunden
handelte. Während die Klägerin die Übertragung in ihrer Umsatzsteuererklärung
nicht erfasste, weil sie in dem Vorgang bereits keine umsatzsteuerbare Leistung
sah, werteten die Betriebsprüfung und ihr folgend der Beklagte die
Teilbestandsveräußerung als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung
und erhöhten die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um … DM.
Vorsteuerkürzung I
Die Klägerin erwarb in 1991 die Liegenschaft I, ließ das Gebäude entkernen und
anschließend neu aufbauen. Seit Baubeginn wurden die Vorsteuern aus den
Baurechnungen mit 100% bei der Umsatzsteuer abgesetzt, so auch im Streitjahr
1994. Nach Fertigstellung des Gebäudes wurden nach entsprechender Option nur
51% der Grundstücksfläche für steuerpflichtige Umsätze verwendet. Die übrigen
Flächen wurden ohne Optionsmöglichkeit an die bereits in der gleichen Straße
residierende und weiteren Büroraum benötigende K, eine Anstalt öffentlichen
Rechts, vermietet. Heute wird das Gebäude ausschließlich für steuerpflichtige
Umsätze verwendet. Die Betriebsprüfung und ihr folgend das beklagte Finanzamt
kürzten die geltend gemachte Vorsteuer um 49%.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Führungsprovision aus dem
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Führungsprovision aus dem
Mitversicherungsgeschäft unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 a UStG falle.
Der Begriff „Versicherungsverhältnis“ bezeichne im Versicherungssteuerrecht das
Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Aus ihm ergebe
sich allein der steuerbegründende Tatbestand, die Zahlung des
Versicherungsentgelts beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Innerhalb
dieser Rechtsbeziehung stelle die Gewährung von Versicherungsschutz nur eine
von mehreren Hauptleistungspflichten dar. Bei der offenen Mitversicherung als
Vertrag sui generis, bei dem mehrere Personen in die Vertragsbeziehung
einbezogen seien, beinhalte diese Leistungsbeziehung auch Leistungen, die
keinen anderen Zweck verfolgten, als die Organisation und Abwicklung der
gemeinsamen Risikoübernahme zu gewährleisten. Die Leistungen kämen
zuvörderst dem Versicherungsnehmer zugute, der hierfür ein Entgelt in Form der
Versicherungsprämie an den Führenden, wie auch an die anderen
Versicherungsunternehmen zahle. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts,
wenn man die bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden
Verwaltungsaufgaben nicht als Hauptleistungen im Zusammenhang mit der
Gewährung von Versicherungsschutz betrachte, sondern als unselbstständige
Nebenleistungen. Dies ergebe sich anhand eines Umkehrschlusses aus § 3 Abs. 1
VersStG. Steuergegenstand der Versicherungssteuer sei das
Versicherungsentgelt. Darunter sei nach dem Gesetz jede Leistung zu verstehen,
die für die Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses, wie
beispielsweise die Ausfertigung des Versicherungsscheins zu bewirken sei. Im
Versicherungssteuerrecht gehörten zu den Bestandteilen des steuerpflichtigen
Versicherungsentgelts ferner unzweifelhaft auch Einschreibe-, Umschreibe- und
Schätzungsgebühren, Regulierungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalls,
Untersuchungskosten, sowie Schreibgebühren. Die Leistungen wie Besichtigungen,
Berechnungen, Ausstellung der Sammelversicherungsscheine, Einziehung der
Prämien, Regulierung der Schäden, die im Vergleich zur Gewährung von
Versicherungsschutz nebensächlich sein mögen, diese Leistung aber wirtschaftlich
ergänzten, abrunden und üblicherweise zusammen mit der Hauptleistung
ausgeführt würden, seien daher ebenso wie die Hauptleistung zu beurteilen. Auch
diese Leistungen würden in erster Linie gegenüber dem Versicherungsnehmer als
Empfänger der Hauptleistung erbracht und nicht gegenüber den Mitversicherern.
Die Führungstätigkeit eines Versicherungsunternehmens bei offener
Mitversicherung sei daher eine Leistung im Rahmen des
Versicherungsverhältnisses. Die hierfür gezahlte Prämie unterliege bereits der
Versicherungssteuer. Damit sei Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 10 a UStG
gegeben. Wäre der bevorzugte Prämienanteil des führenden Versicherers zudem
der Umsatzsteuer unterworfen, läge eine echte Doppelbesteuerung vor. Damit
würde einem Hauptzweck der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 a UStG
widersprochen. Umsatzsteuerrechtlich würden diese Leistungen nach dem
Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung von der Hauptleistung erfasst, da sie mit
der Gewährung von Versicherungsschutz so abgestimmt seien, dass sie in ihm
aufgehen und ihre Selbstständigkeit verlieren würden. Das Führungsgeschäft sei
ein unselbstständiger, aber notwendiger Appendix im Rahmen der Organisation
und Abwicklung des Mitversicherungsgeschäfts. Ohne die Gewährung von
Versicherungsschutz würden diese Leistungen keinen Sinn machen.
Auch in der Vergangenheit sei die Führungsposition bereits als umsatzsteuerfrei
angesehen worden. Der Reichsfinanzhof habe in seinem Urteil vom 21.12.1931
(VA 389/30. RStBl 1932, 380) die Führungsprovision als einen Vorweganteil an der
Prämie qualifiziert, der als Versicherungsentgelt nicht der Umsatzsteuer, sondern
der Versicherungssteuer unterliege. Am Procedere des Mitversicherungsgeschäfts
habe sich seit damals nichts geändert. Auch entwerte die zeitliche Distanz dieses
Urteil nicht. Bei der offenen Mitversicherung werde zwischen den beteiligten
Gesellschaften keine selbstständige Dienstleistungsvereinbarung über die Art der
Beteiligung und die Abgabe der Sondervergütung an die führende Gesellschaft
getroffen. Es gebe neben dem Versicherungsvertrag keinen weiteren
Beteiligungsvertrag. Der Versicherungsvertrag mit dem Kunden werde vielmehr
dem Grunde nach als Mitversicherung abgeschlossen. Beim „Führungsgeschäft“
handele es sich daher begrifflich nicht um eine Geschäftstätigkeit neben dem
eigentlichen Versicherungsgeschäft, sondern es sei Versicherungsgeschäft im
ureigensten Sinne. Bei der Führungsprovision handele es sich um einen
Vorzugsprämienanteil und nicht um eine Sondervergütung. Allein der Erhalt einer
höheren Prämie im Versicherungsvertragsverhältnis begründe keine
Geschäftsbesorgung gegen Entgelt für die nicht führenden
Versicherungsunternehmen. Wenn der BFH in seinem Urteil vom 12.11.1964 (V
173/62 U, BStBl III 1965, 129) davon ausgegangen sei, dass zwischen den
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173/62 U, BStBl III 1965, 129) davon ausgegangen sei, dass zwischen den
beteiligten Versicherern im Falle der offenen Mitversicherung kraft ausdrücklicher
Vereinbarungen oder durch konkludente Handlungen ein Beteiligungs- und
Führungsvertrag zustande gekommen sei, beruhe dies auf prozessualen Gründen,
da die Beteiligten dieses Verfahrens die Existenz eines solchen unstreitig gestellt
hätten. Der Frage, ob der Abschluss eines Beteiligungsvertrages der
Versicherungspraxis entspreche, sei der BFH nicht nachgegangen. Auch sei es
dort nicht um die umsatzsteuerliche Behandlung bei dem führenden Versicherer,
sondern bei dem Versicherungsvertreter des Führenden gegangen. Die
Rechtsprechung des RFH sei in keiner Weise angesprochen worden. Von deren
Fortgeltung sei daher ungeachtet des vom BFH entschiedenen Falles auszugehen.
Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerfreiheit nach §4
Nr. 10 b UStG vor. Durch die Deckung eines Risikos in offener Mitversicherung
werde zugunsten der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz verschafft, da
ohne Mitversicherung bestimmte Risiken nicht versicherbar wären.
Schließlich sei mehr als fraglich, ob eine Umsatzbesteuerung der
Führungsprovision im Rahmen der offenen Mitversicherung nicht gegen Art 13 Teil
B Buchstabe a) der 6. RLEWG verstoße, wonach „ die Versicherungs- und
Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die
von Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden“, von der
Umsatzsteuer befreit seien.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Übertragung eines Versicherungs-
Teilbestandes stelle schon keine umsatzsteuerbare Leistung dar. Es handele sich
nicht um eine Leistung im wirtschaftlichen Sinne. Hauptgegenstand des Geschäfts
sei die Übernahme der Risiken aus allen übernommenen Verträgen, auch dann,
wenn für die Übertragung ein Entgelt entrichtet wird.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass die Teilbestandsübertragung eine nicht
steuerbare Geschäftsveräußerung darstelle. Mit der aufsichtsrechtlichen
Genehmigung sei wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch für die
Finanzbehörde bindend festgestellt, dass es sich bei dem Übertragungsobjekt um
einen nach objektiven versicherungstechnischen Merkmalen abgegrenzten
Teilbestand gehandelt hat. Der zuvor in einer „gesonderten Agentur“ geführte
Teilbestand stelle einen in der Gliederung der Klägerin gesondert geführten Betrieb
dar, der in der damals neu gegründeten H-VERS.-Sachversicherung einen für sich
voll lebensfähigen Organismus bildete.
Für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs aus den Baukosten für das Objekt I
komme es nach der Rechtsprechung des EUGH und des Bundesfinanzhofs nicht
auf die tatsächliche Erstverwendung, sondern auf die Verwendungsabsicht im
Zeitpunkt des Leistungsbezugs an. Der Vorsteuerabzug sei endgültig zu
gewähren, soweit der Steuerpflichtige nachweisen oder zumindest glaubhaft
machen könne, dass er den erworbenen Gegenstand oder die bezogene Leistung
zur Ausführung von Umsätzen verwenden will oder wollte, die den Vorsteuerabzug
nicht ausschließen. Aufgrund des Zeitablaufs und der regulären
Aufbewahrungszeitraums sei es für die Klägerin nicht einfach, diesen
Anforderungen zu genügen und objektive Anhaltspunkte zum Nachweis der
Verwendungsabsicht in 1991 darzulegen bzw. beizubringen.
Unstreitig sei jedoch, dass die Klägerin beabsichtigt habe, die auf dem Grundstück
ausschließlich entstehenden Büroflächen an gewerbliche Mieter zu vermieten.
Aufgrund der Lage des Grundstücks hätte die Klägerin mit einiger Sicherheit davon
ausgehen können, dass es ihr gelingen werde, ausschließlich steuerpflichtig an
vorsteuerabzugsberechtigte Mieter vermieten zu können. Aus ökonomischer Sicht
könne bei Errichtung eines Bürokomplexes generell davon ausgegangen werden,
dass dem Bauherrn an einer steuerpflichtigen Vermietung gelegen sei. Ein klares
Indiz für diese Verwendungsabsicht sei, dass die Vorsteuern aus den Baukosten ab
Baubeginn mit 100% erfasst und von der Umsatzsteuer abgesetzt worden seien.
Es sei völlig überzogen und lebensfremd bereits bei Bezug von Bauleistungen, d.h.
in der Bauphase zu verlangen, die Verwendungsabsicht durch Mietverträge,
Zeitungsinserate oder Schriftwechsel mit Interessenten nachzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer in Höhe des Negativbetrages von ./. … €
um … € höher auf den Negativbetrag
von ./. … € festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des RFH, wonach die
Führungsprovision bei der externen Mitversicherung als steuerfreie
Vorwegvergütung an der Prämie anzusehen sei, heute keinen Bestand mehr
haben könne. Mit Abschluss der Führungsklausel werde gleichzeitig ein
Auftragsverhältnis nach den §§ 662 ff BGB bzw bei Entgeltlichkeit ein
Geschäftsführungsvertrag gemäß § 675 BGB begründet. Ein übergreifendes, alle
Mitversicherer umfassendes Rechtsverhältnis bestehe nicht. Bei der
Mitversicherung lägen zwischen dem Versicherungsnehmer und den einzelnen
Versicherungsunternehmen jeweils selbstständige Verträge vor. Die
Mitversicherung sei mithin ein Bündel selbstständiger Verträge. Übernehme ein
Mitversicherer die Verwaltungsaufgaben eines anderen Mitversicherers, so wickele
er folgerichtig dessen Versicherungsvertrag ab und werde nicht in seinem eigenen
Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsnehmer tätig. Es könne sich dann auch
nicht um unselbstständige Nebenleistungen im Rahmen seiner eigenen
versicherungsvertraglichen Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer
handeln. Es gebe zwei voneinander zu trennende Rechtsbeziehungen, nämlich die
Versicherungsverträge zwischen den Versicherungsunternehmen und den
Versicherungsnehmern einerseits und den Beteiligungs- und Führungsvertrag der
Versicherungsunternehmen untereinander auf der anderen Seite. Diese
Rechtsbeziehungen seien auch steuerlich unterschiedlich zu würdigen. Das
Führungsfremdgeschäft beinhalte keine Versicherungsleistungen des führenden
Unternehmens gegenüber den übrigen Versicherungsunternehmen. Danach
entfalle eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 a UStG. Die Führungsvereinbarung
zwischen Mitversicherern und dem Führenden verschaffe auch nicht einem Dritten
Versicherungsschutz i.S.d. § 4 Nr. 10 b UStG. Der Versicherungsnehmer erhalte
den Versicherungsschutz durch Abschluss des Vertrages mit den
Versicherungsunternehmen, nicht durch das Führungsfremdgeschäft.
Es sei unerheblich, dass die Prämie der Versicherungssteuer unterliege. Diese falle
im Verhältnis Versicherungsnehmer zu Versicherungsunternehmen an. Im
Streitfall ginge es aber um das Verhältnis des Führenden
Versicherungsunternehmens zu den Mitversicherern. Die gebotene strikte
Trennung der Verhältnisse schließe die Annahme einer Doppelbesteuerung aus.
So sei auch beispielsweise eine Baubetreuungsleistung nicht bereits deshalb nach
§ 4 Nr. 9 a UStG steuerbefreit, weil sie beim Leistungsempfänger in die
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen worden ist.
Die Übertragung von Teilen des Versicherungsbestandes an die H-VERS. sei
innerhalb der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin gegen ein Entgelt von DM
erfolgt und daher ein umsatzsteuerbarer Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Die
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Übernahme von
Versicherungsbeständen unter Übernahme von Verbindlichkeiten sei auf den
Streitfall, in dem es um die Steuerpflicht des gezahlten Entgeltes gehe, nicht
übertragbar. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung komme nicht in
Betracht, da kein Teilbetrieb übertragen worden sei. Es sei lediglich der Bestand an
von der H-VERS. vermittelten Sach- und Allgemeinen
Haftpflichtversicherungsverträgen auf die H-VERS. übertragen worden. Diese seien
lediglich ein unselbstständiger Teil des gesamten Versicherungsbestandes in
dieser Versicherungssparte, da die erforderliche selbstständige Verwaltung fehle.
Auch ohne die an H-VERS. veräußerten Verträge könne die Klägerin ihr Geschäft in
der Sach- und Allgemeinen Haftpflichtversicherungssparte weiterführen.
Für den Vorsteuerabzug aus den Baukosten der Liegenschaft I habe die Klägerin
den ihr obliegenden Nachweis der Absicht einer ausschließlich steuerpflichtigen
Vermietung nicht erbracht, da auch Bürogebäude steuerfrei vermietet werden
könnten. Allein durch die buchhalterische Erfassung und steuerliche
Geltendmachung der gesamten Vorsteuern könne der Nachweis nicht als erbracht
gelten. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte spreche die Vermutung dafür, dass
die in der erstmaligen tatsächlichen Verwendung Ende 1995 zum Ausdruck
gekommene Verwendungsabsicht 1995/1996 eine unveränderte
Verwendungsabsicht aus früheren Veranlagungszeiträumen (hier 1994)
widerspiegelt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid
1994 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das beklagte Finanzamt hat die von der Klägerin im Streitjahr vereinnahmten so
genannten „Führungsprovisionen“ als Entgelt für eine im Rahmen des
Unternehmens der Klägerin erbrachte sonstige Leistung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
UStG) zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Eine Steuerbefreiung greift nicht
ein.
Nach § 4 Nr. 10 lit a UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden
Umsätzen steuerfrei die Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses
im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies
auch dann, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der
Versicherungssteuer unterliegt.
Die im Rahmen der offenen Mitversicherung von der Klägerin in Folge der
Führungsklausel erbrachten Leistungen erfolgten nicht auf Grund eines
Versicherungsverhältnisses, sondern auf Grundlage eines Vertrages über eine
gesondert zu beurteilende Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB mit den an dem
Versicherungsverhältnis beteiligten Mitversicherern.
Während noch der Reichsfinanzhof (Urteil vom 21.12.1931 VA 389/30, RStBl 1932,
380) die offene Mitversicherung als ein einheitliches Versicherungsverhältnis
ansah, das auch den Rechtsgrund für die Leistungen der Mitversicherer
untereinander bildete und für eine selbstständige Vereinbarung über die Art der
Beteiligung und die Abgabe einer Sondervergütung an die führende Gesellschaft
keinen Raum ließe, hat sich die zivilrechtliche Beurteilung der im Rahmen einer
offenen Mitversicherung entstehenden rechtlichen Beziehung zwischen den
Beteiligten inzwischen gewandelt. So wird in Abkehr von der Annahme eines
einheitlichen Versicherungsvertrages bei der offenen Mitversicherung im Regelfall
von dem Vorliegen einer Vielzahl rechtlich selbstständiger Versicherungsverträge
ausgegangen (vgl. die Nachweise bei Schaloske, Versicherungsrecht 2007, 606 ff
FN 18). Auch die Existenz von separaten Führungsverträgen, mit denen die
Mitversicherer einen von ihnen, den Führenden, beauftragen, interessewahrend für
sie gegenüber dem Versicherungsnehmer tätig zu werden und ihm die
entsprechenden Vollmachten erteilen, ist inzwischen anerkannt. Sofern eine
„Führungsprovision“ vereinbart wurde, wird die Vereinbarung als
Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter gem. § 675 Abs. 1
i.V.m. § 611 BGB qualifiziert (vgl. Kollhosser in Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004,
vor § 58 Rn. 6; Schaloske a.a.O. jeweils mit weiteren Nachweisen). Auch der
Bundesfinanzhof hat sich dieser Betrachtungsweise, wenn auch nicht in
eindeutiger Abkehr von der Auffassung des Reichsfinanzhofs, inzwischen
angeschlossen. Wenn der BFH ausführt, dass bei der Mitversicherung neben dem
Abschluss von Versicherungsverträgen zwischen den Versicherern und den
Versicherungsnehmern, zwischen den beteiligten Versichern kraft ausdrücklicher
Vereinbarungen oder durch konkludente Handlungen ein Beteiligungs- und
Führungsvertrag zustande kommt (BFH-Urteil vom 12.11.1964 V 173/62 U, BFHE
81, 361, BStBl III1965, 129), vermag sich der Senat der Auffassung der Klägerin,
dass diese Aussage nur einzelfallbezogen verstanden werden könne, nicht
anzuschließen. Die Formulierung enthält eine solche Einschränkung nicht und die
Annahme eines zumindest konkludent zustande gekommenen, separaten
Führungsvertrages entspricht, wie dargestellt, der herrschenden Meinung in der
versicherungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung.
Die aufgrund der Führungsklausel erbrachten Leistungen können auch nicht als
unselbstständige Nebenleistung steuerbefreiter Versicherungsumsätze
angesehen werden. Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung.
Versicherungsleistungen, die nur Nebenleistung einer umsatzsteuerpflichtigen
Hauptleistung sind, sind deshalb umsatzsteuerpflichtig (EuGH-Urteil vom
25.02.1999 Rs. C-349/96-CPP, EuGHE 1999, I-973, DStRE 1999, 271).
Nebenleistungen zur umsatzsteuerfreien Versicherungsleistung sind
dementsprechend umsatzsteuerfrei. Eine Nebenleistung liegt vor, wenn sie für die
Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die
Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch
zu nehmen (EuGH-Urteil Rs. C-349/96-CPP a.a.O.; BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V R
97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658). Nebenleistungen Dritter gibt es dabei
nicht (Klenk in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG-Kommentar, Stand 9/2002 §
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nicht (Klenk in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG-Kommentar, Stand 9/2002 §
4 Nr. 10 Anm. 66). Wenn aber wie bereits dargelegt, bei der offenen
Mitversicherung kein einheitliches Versicherungsverhältnis, sondern gesonderte
Versicherungsverträge zwischen den einzelnen Versicherungsnehmern und den
mitversichernden Unternehmen zustande kommen, dann kann die Leistung der
Klägerin an die Mitversicherer, keine unselbstständige Nebenleistung der
Versicherungsleistung der Mitversicherer an die Versicherungsnehmer sein. In
diese Leistungsbeziehung ist die Klägerin nicht eingebunden. Sie erbringt die in der
Führungsvereinbarung verabredeten Leistungen gegenüber den Mitversicherern,
nicht gegenüber den Versicherungsnehmern. Diesen gegenüber ist der führende
Mitversicherer Dritter.
Aus diesem Grund kommt auch eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 10 lit b UStG,
wonach von den unter § 1 Abs1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen, die Leistungen
steuerfrei sind, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz
verschafft wird, nicht in Betracht. Die Klägerin verschafft anderen Personen nur
insoweit Versicherungsschutz, als sie selbst (Teil-) Versicherungsschutz schuldet.
Die nach der Führungsvereinbarung geschuldeten Leistungen betreffen dieses
Versicherungsverhältnis aber nicht. Sie betreffen vielmehr die Abwicklung des
Versicherungsschutzes, den die Mitversicherer ihrerseits aufgrund selbstständiger
Verträge den Versicherungsnehmern verschafft haben. Auch insoweit steht also
die gebotene Trennung der unterschiedlichen Leistungsbeziehungen der
begehrten Steuerfreiheit entgegen. Wenn die Klägerin das Merkmal der
Verschaffung von Versicherungsschutz allein deshalb als erfüllt ansieht, weil ohne
Mitversicherung und damit verbundene Führungsleistungen bestimmte Risiken
nicht versicherbar wären, so verkennt sie, dass das Tatbestandsmerkmal des
Verschaffens nicht mit überhaupt ermöglichen gleich gesetzt werden kann.
Verschaffung eines Versicherungsschutzes liegt vielmehr nur vor, wenn der
Unternehmer selbst Versicherungsnehmer wird. Er verschafft einem Dritten
Versicherungsschutz, indem er mit einem Versicherungsunternehmen einen
Versicherungsvertrag zugunsten dieses Dritten schließt (Klenk in Rau/Dürrwächter,
UStG § 4 Nr. 10 Anm. 108).
Die vorzunehmende Trennung der einzelnen Leistungsbeziehungen bewirkt auch,
dass es zu der von der Klägerin gerügten Doppelbesteuerung mit Umsatz- und
Versicherungssteuer nicht kommt. In der Leistungsbeziehung zwischen der
Klägerin und den Mitversicherern fällt Versicherungsteuer nicht an. Unerheblich ist,
dass die Vergütung der Klägerin durch Einbehalt eines Teils der mit
Versicherungssteuer belasteten Gesamtprämie erfolgt. Ein derartiger abgekürzter
Zahlungsweg vermag eine Doppelbesteuerung nicht auszulösen.
Für die von ihr begehrte Steuerfreiheit der Leistungen aus der Führungsabrede
kann sich die Klägerin auch nicht unmittelbar auf Art 13 Teil B Buchstabe a der 6.
EG –Richtlinie 77/388 EWG berufen. Die Richtlinienbestimmung befreit zu
Versicherungsumsätzen gehörige Dienstleistungen nur dann, wenn diese von
Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden. Diese Regelung ist in § 4
Nr. 11 UStG umgesetzt worden und für die Leistungen der Klägerin nicht
einschlägig, da sie nicht zum Kreis der Versicherungsmakler und –vertreter gehört.
Das beklagte Finanzamt hat auch zu Recht die Veräußerung des Bestandes von
„Sach- und Allgemeine Haftpflichtversicherungsverträgen“ an die H-VERS., der
zuvor von deren Außendienstmitarbeitern vermittelt worden war, der
Umsatzbesteuerung unterworfen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen
und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im
Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Besteuerung einer Lieferung oder
sonstigen Leistung setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs
zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus,
regelmäßig auf der Grundlage eines Vertrages oder eines sonstigen
Rechtsverhältnisses zwischen Leistendem und Leistungsempfänger (Klenk in Sölch
/ Ringleb, USt Kommentar, Stand 4/2001 § 1 Rz. 36). Erforderlich für die Annahme
eines Leistungsaustausches ist die Erbringung einer Leistung zum Zwecke der
Entgeltserzielung, was dann der Fall ist, wenn der leistende Unternehmer
erkennbar um der Gegenleistung willen handelt (BFH-Urteil vom 17.05.1981 V R
47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495).
Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin den Versicherungsteilbestand auf
die H-VERS. übertragen, um die vereinbarte Gegenleistung von DM zu erhalten,
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die H-VERS. übertragen, um die vereinbarte Gegenleistung von DM zu erhalten,
mögen auch sonstige unternehmerische Gründe mitentscheidend gewesen sein.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann dem BFH-Urteil vom 31.07.1969
in dem Verfahren V R 149/66 (BFHE 97, 201, BStBl II 1970, 73) auch nicht
entnommen werden, dass die Übertragung eines Versicherungsbestandes
unabhängig von der Zahlung eines Entgelts stets als nicht steuerbare Leistung zu
werten sei, da keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne vorliege. In dem Urteilsfall
hatte der BFH aus der Sicht des den Teilbestand übernehmenden
Versicherungsunternehmens zu beurteilen, ob in der Übernahme der Passivposten
im Rahmen einer Bestandsübernahme, ggf. zuzüglich eines Portfoliopreises,
ihrerseits eine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne oder aber eine bloße
Entgeltszahlung zu sehen ist. Für die Beurteilung des Übertragungsgeschäftes auf
der Seite des den Bestand übertragenden Versicherungsunternehmens kann die
Entscheidung daher nicht herangezogen werden.
Es liegt auch keine nach § 1 Abs. 1 a UStG nicht steuerbare Veräußerung eines
Teilbetriebes im Ganzen vor. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine
Übereignung eines Unternehmens „im Ganzen“ i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor,
wenn eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen
wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ohne nennenswerten
finanziellen Aufwand ermöglicht (BFH-Urteil vom 04.07.2002 V R 10/01, BFHE 199,
66, BStBl. II 2004, 662). Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen
(BFH-Urteil vom 23.08.2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl. II 2008, 165).
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt auch vor, wenn ein „in der Gliederung
eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb“ im Ganzen entgeltlich oder
unentgeltlich übereignet oder eingebracht wird. Ein Betrieb wird in diesem Sinne
„gesondert“ geführt, wenn ihm materielle und gegebenenfalls immaterielle
Bestandteile zuzurechnen sind, mit denen eine selbständige wirtschaftliche
Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteil vom 27.11.2003 – C-497/01 „Zita
Modes“, Slg. 2003, I-14393). Ob sich Unternehmensteile als wirtschaftlich
selbständig oder unselbständig darstellen, ist nach der Verkehrsauffassung zu
entscheiden. Maßgeblich hierfür sind die Verhältnisse beim Veräußerer (Klenk in
Sölch / Ringleb, USt Kommentar, Stand 9/2009, § 1 Rn. 474). Voraussetzung ist
insoweit, dass der veräußerte Unternehmensteil einen für sich lebensfähigen
Organismus gebildet hat, der unabhängig von den anderen Geschäften des
Unternehmens nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden ist
und nach außen hin ein selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde
gewesen ist (Husmann in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG-Kommentar,
Stand 8/2006, § 1 Rn. 1119). Das Gesamtbild der beim Veräußerer im Zeitpunkt
der Veräußerung bestehenden Verhältnisse ist entscheidend. Indizien sind die
räumliche und organisatorische Trennung, eigenes Anlagevermögen, eigenes
Personal, gesonderte Buchführung, getrennte Kostenrechnung und ein eigener
Kundenstamm, wobei diesen Merkmalen unterschiedliches Gewicht zukommt, je
nach dem, ob es sich um einen Fertigungs-, Handels- oder Dienstleistungsbetrieb
handelt (Husmann in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG-Kommentar, Stand
3/2010, § 1 Rn. 1119).
Der auf die H-VERS. übertragene Versicherungsteilbestand ist kein selbständiges,
in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde in diesem Sinne und kann deshalb
nicht tauglicher Gegenstand einer Teilbetriebsveräußerung im Ganzen sein. Die
Klägerin hat sich nicht von dem gesamten Bereich der Sach- und
Haftpflichtversicherung getrennt, sondern lediglich die Bestände übertragen, die
durch Vermittler der H-VERS. entstanden waren. Wenn die Klägerin vorgetragen
hat, diese Bestände seien in einer eigenen Agentur geführt worden, so ist daraus
nicht zu folgern, dass insoweit eigenes für diesen Bestand zuständiges Personal
eingesetzt wurde oder eine gesonderte Buchführung und getrennte
Kostenrechnung erstellt wurde. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat
vielmehr in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass das Führen in einer
gesonderten Agentur lediglich bedeute, dass mittels der für jeden
Versicherungsvertreter vergebenen Agenturnummer jederzeit feststellbar sei, wer
den betreffenden Vertrag vermittelt habe.
Eine für eine Teilbetriebsveräußerung erforderliche hinreichende
Verselbstständigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die
zuständige Aufsichtsbehörde den später übertragenen Versicherungsbestand als
Teilbestand i.S.d. § 14 VAG anerkannt hat. Die Erteilung der Genehmigung ist für
die umsatzsteuerliche Behandlung ohne Bedeutung. Sie soll sicherstellen, dass bei
Übertragung einer Vielzahl von Versicherungsverträgen ohne Zustimmung der
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Übertragung einer Vielzahl von Versicherungsverträgen ohne Zustimmung der
Versicherungsnehmer die Belange der Versicherten gewahrt werden und die
Verpflichtungen aus den Versicherungen als dauernd erfüllbar dargetan sind (§ 14
Abs. 1 S. 2 VAG). Über die Frage, inwieweit ein Teilbestand als selbstständiges
Wirtschaftsgebilde anzusehen ist, besagt die Genehmigung nichts.
Das beklagte Finanzamt hat zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Baukosten für
die Sanierung des Objektes I nur zum Teil zugelassen.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die Vorsteuerbeträge
abziehen, die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesen sind,
für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind. Dabei beginnt die Existenz eines
Unternehmers, wenn der Steuerpflichtige die durch objektive Anhaltspunkte
belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste
Eingangsleistungen für diesen Zweck bezieht (EuGH-Urteil vom 29.02.1996, C-
110/94, Slg 1996, I 857-880, BStBl.- II 1996, 655 INZO; BFH-Urteil vom 08.03.2001
V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl. II 2003, 430). Für die Gewährung des
Vorsteuerabzugs hinzukommen muss die durch objektive Anhaltspunkte belegte
Absicht, die Eingangsleistungen für Umsätze zu verwenden, die den
Vorsteuerabzug erlauben (EuGH, Urteile vom 08.06.2000 - C-396/98, BStBl. II
2003, 464 Schloßstraße; C-400/98, BFHE 184, 522, BStBl. II 2003, 452 Breitsohl;
BFH, Urteile vom 22.02.2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl. II 2003, 426
Schloßstraße; vom 08.03.2001 - V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl. II 2003, 430 und
vom 06.06.2002 - V R 27/00, BFH/NV- 2002, 1621). Denn wie sich nach nationalem
Recht aus § 15 Abs. 2 UStG ergibt, scheidet der Vorsteuerabzug aus, wenn die
Eingangsleistungen für steuerfreie Umsätze verwendet werden. Vorsteuern, die
sowohl mit (geplanten) Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch
mit (geplanten) Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind in einen abzugsfähigen und einen
nichtabzugsfähigen Teil aufzuteilen
(§ 15 Abs. 4 UStG). Daher setzt der von der Klägerin begehrte vollständige
Vorsteuerabzug bei geplanten Umsätzen aus der Veräußerung und Vermietung
von Grundstücken voraus, dass eine Option für eine steuerpflichtige Vermietung
gemäß § 9 UStG beabsichtigt und nach den objektiven Umständen möglich ist
(BFH, a.a.O., BFH/NV 2002, 1621). Dabei ist auf die objektive Rechtslage im
Zeitpunkt des Leistungsbezugs abzustellen.
Bei der Verwendungsabsicht handelt es sich um eine innere Tatsache, die der
Unternehmer durch äußere Anhaltspunkte nachweisen muss, und zwar durch
äußere Tatsachen, die Rückschlüsse auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt
des Leistungsbezuges erlauben. Es reicht nicht aus, dass die bloße Möglichkeit
bestand, zur Steuerpflicht zu optieren. Vielmehr muss feststehen, dass es für den
Unternehmer keine ernsthafte Alternative zur steuerpflichtigen Vermietung gab. Er
muss seine Absicht, die Immobilie für steuerpflichtige Vermietungsumsätze zu
verwenden, entschlossen und konsequent verfolgen und sich im Zeitpunkt des
Leistungsbezuges sofort für eine den Vorsteuerabzug ermöglichende Verwendung
entscheiden (BFH, Urteil vom 28.11.2002 V R 51/01, Umsatzsteuer-Rundschau -
UR- 2003, 197; Herbert, Der Bauträger 2003, 179 [182]). Demgegenüber
schließen ein Fehlen konkreter Planungen oder eine Unentschiedenheit darüber,
welche Planung verfolgt werden soll, den Vorsteuerabzug aus (Finanzgericht Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 4.11.2008 7 K 7451/04, EFG 2009, 1158).
Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die Rückschlüsse auf ihre
Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges erlauben. Allein die
Erstellung von Büroflächen besagt hinsichtlich der Ausübung der Option noch
nichts. Sie bewirkt lediglich, dass eine Option, wie etwa bei der Erstellung von
Wohnraum, nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Auch die uneingeschränkte
Geltendmachung der Vorsteuerbeträge kann nicht als Beleg für eine
Optionsabsicht herangezogen werden. Andernfalls würde die Rechtmäßigkeit des
Vorsteuerabzugs allein von seiner Geltendmachung abhängig gemacht.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Verzicht auf die Steuerfreiheit einer
Ausgangsleistung durch Erklärung dieser Leistung als steuerpflichtig in der den
Zeitraum der Ausführung der Leistung betreffenden Voranmeldungszeitraum
ausgeübt werden kann. Die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts durch
entsprechendes Erklärungsverhalten kann jedoch nicht auf Zeiträume vor
Ausführung der Leistung übertragen werden (BFH-Beschluss vom 27.08.2009 XI B
124/08 BFH/NV 2009, 2010).
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Der Senat hält es auch nicht für glaubhaft, dass die Vermietung an die K eine
spontane Entscheidung war und die Klägerin auch drei Jahre nach Beginn der
Sanierung noch keine konkreten Vermietungspläne gefasst hatte und deshalb
auch keine Nachweise ihrer Absichten vorlegen könne. Da die Klägerin für ihre
Absicht der Verwendung des Gebäudes für steuerpflichtige Vermietungsumsätze
keinerlei objektiv nachprüfbare Anhaltspunkte vorgelegt hat, hätte das beklagte
Finanzamt den Vorsteuerabzug auch insgesamt versagen können. Eine
Abweichung von dem angefochtenen Bescheid zum Nachteil der Klägerin durch
das Gericht kommt im finanzgerichtlichen Verfahren jedoch nicht in Betracht.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der umsatzsteuerlichen Behandlung der
sogenannten Führungsprovisionen bei der offenen Mitversicherung war die
Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
Die Kosten des Verfahrens hat die in dem Rechtstreit unterlegene Klägerin zu
tragen (§ 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.