Urteil des FG Hessen vom 10.02.2011

FG Frankfurt: verfügung, fahrzeug, einkünfte, schule, dienstwagen, hausmann, lebenserfahrung, wochenende, einspruch, arbeitsstelle

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Hessisches
Finanzgericht
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2008
Aktenzeichen:
3 K 1679/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2002
Widerlegung des Anscheinsbeweises bzgl. der
Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 25.11.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.06.2010 wird geändert und die Einkommensteuer
2008 auf … € festgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte (das Finanzamt) hinsichtlich des
betrieblichen Pkws des Klägers zu Recht eine teilweise Privatnutzung angenommen
und diese nach der 1 %-Regelung der Einkommensbesteuerung unterworfen hat.
Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Kläger sind Eheleute, die vom Finanzamt im Jahr 2008 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin ist als leitende Angestellte (EDV-
Beraterin) tätig. Sie erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
sowie aus Kapitalvermögen. Der Kläger, der seinen Beruf in der Steuererklärung
mit "Hausmann" angibt, geht einer Beschäftigung als Hausmeister/Betreuer einer
Wohnanlage mit 46 Einheiten nach und erzielte daraus im Streitjahr in geringem
Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im Jahre 2004 schaffte der Kläger für seine gewerbliche Tätigkeit einen Pkw Citroen
Berlingo an. Dieser wurde von den Klägern zunächst auch privat genutzt. Die
Versteuerung der privaten Nutzung erfolgte nach der 1 %-Regelung.
Zum 01.10.2004 wurde die Klägerin seitens ihres Arbeitgebers befördert, was u.a.
als Gehaltsbestandteil die Gestellung eines Leasing-Fahrzeugs zur Folge hatte.
Dabei werden sämtliche Kraftfahrzeugkosten, einschließlich Kraftstoff, vom
Arbeitgeber getragen. Ausweislich der Nutzungsbedingungen des Arbeitgebers
darf der Dienstwagen vom Mitarbeiter, dem Ehepartner und den in häuslicher
Gemeinschaft lebenden Personen privat genutzt werden. Als Ausgleich für die
private Nutzung werden pauschal monatlich 0,4 % des Neupreises vom Gehalt
einbehalten. Bei dem zur Verfügung gestellten Fahrzeug handelte es sich im
Streitzeitraum zunächst um einen Pkw BMW 530 DEA, ab 03.07.2008 um einen
Audi A4 3.0 TDI Quattro.
Neben dem Citroen Berlingo und dem Dienstwagen der Klägerin verfügten die
Kläger in 2008 über einen Honda Kraftroller sowie über einen BMW Z 3 3.0, der in
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Kläger in 2008 über einen Honda Kraftroller sowie über einen BMW Z 3 3.0, der in
der Zeit von April bis einschließlich Oktober zugelassen war.
In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 2005 wiesen die Kläger
das Finanzamt auf die veränderte Situation hinsichtlich des Dienstwagens der
Klägerin hin und zeigten an, dass der Citroen Berlingo nun nicht mehr zu
Privatfahrten, sondern ausschließlich betrieblich genutzt werde. Das Finanzamt
veranlagte die Kläger daraufhin in den Jahren 2005-2007 antragsgemäß, ohne eine
Privatnutzung des Citroen Berlingo anzunehmen.
Mit Bescheid vom 25.11.2009 setzte das Finanzamt den Klägern gegenüber die
Einkommensteuer für das Jahr 2008 fest, wobei es unter Anwendung von § 6 Abs.
1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) eine gewinnerhöhende er-
tragsteuerliche Privatnutzung des Citroen Berlingo in Höhe von monatlich 1 % des
Brutto-Listenpreises ansetzte. Mit Bescheid vom selben Datum erging der an den
Kläger gerichtete Umsatzsteuerbescheid 2008, in dem hinsichtlich der
Privatnutzung des oben genannten Pkws eine unentgeltliche Wertabgabe
angenommen wurde.
Sowohl gegen den Einkommen- als auch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008
legte der Kläger mit Schreiben vom 14.12.2009 Einspruch ein und beantragte
gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt gewährte. Der
Einspruch wurde durch zwei separate Einspruchsentscheidungen vom 29.06.2010
als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen haben die Kläger am 15.07.2010 Klage
erhoben.
Die Kläger behaupten, der Citroen Berlingo sei im Streitzeitraum nicht privat
genutzt worden. Da die Kosten für die privaten Fahrten mit dem Firmenwagen der
Klägerin - unabhängig von der tatsächlichen Anzahl - nur mit einer geringen
Pauschale abgegolten würden, ansonsten aber alle Kosten vom Arbeitgeber
getragen worden seien, sei es wirtschaftlich sinnvoll gewesen, sämtliche
Privatfahrten mit dem Firmenwagen der Klägerin zu erledigen.
Da die Klägerin nicht im Außendienst beschäftigt sei und sie den Firmenwagen
während ihrer Arbeitszeit nicht benötige, habe der Kläger den Wagen auch
während der Woche für private Fahrten nutzen können. So habe er seine Tochter
grundsätzlich mit dem Firmenwagen zur Schule gefahren. Da die Klägerin sich erst
gegen 8:45 Uhr an ihre Arbeitsstelle begebe, die Schule aber regelmäßig 5 vor
8:00 Uhr beginne, sei das kein Problem gewesen (darüber hinaus habe die Tochter
gelegentlich auch öffentliche Verkehrsmittel benutzt, dafür habe sie eine
Jahreskarte besessen). Einmal pro Woche - meistens montags - habe der Kläger
seine Frau mit deren Firmenwagen zur Arbeit gefahren und das Auto anschließend
wieder mit nach Hause genommen. Die Arbeitsstelle sei 15 km von zuhause
entfernt, die Fahrzeit betrage 10 Minuten (pro Strecke). Auf dem Rückweg habe er
dann die Einkäufe für die laufende Woche getätigt. Nach Dienstschluss gegen
18:30 Uhr habe er seine Frau wieder von der Arbeit abgeholt. Am Ende der
Arbeitswoche habe man die Einkäufe für das Wochenende gemeinsam mit dem
BMW 530/ Audi A 4 erledigt.
Der klägerische Vortrag werde auch durch die Fahrleistungen der Pkws bestätigt.
Im Zeitpunkt der Klageerhebung habe der Tachostand des Audi 60.000 km
betragen, was einer jährlichen Gesamtfahrleistung von 30.000 km entspreche.
Demgegenüber seien mit dem Berlingo jährlich nur etwa 2760 km zurückgelegt
worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 25.11.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.06.20 10 dahingehend zu ändern, dass der
Ansatz einer Entnahme für die private Nutzung des Citroen Berlingo entfällt und
die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Ansicht, dass der Beweis des ersten Anscheins, wonach bei
betrieblichen Kraftfahrzeugen grundsätzlich auch von einer privaten Mitbenutzung
auszugehen sei, im Streitfall nicht erschüttert sei. Die von den Klägern
vorgebrachten Argumente stellten keinen Sachverhalt dar, der die ernstliche
Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden
Geschehensablaufs ergebe. Insbesondere der von den Klägern vorgetragene
17
18
19
20
21
22
23
24
Geschehensablaufs ergebe. Insbesondere der von den Klägern vorgetragene
Sachverhalt, wonach der Kläger die Klägerin morgens zur Arbeit gefahren habe,
dann mit deren PKW private Dinge erledigt und diese abends wieder von der Arbeit
abgeholt habe, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung und müsse daher als
Schutzbehauptung gewürdigt werden. Da kein Fahrtenbuch geführt wurde, sei die
Privatnutzung nach der 1 %-Regelung zu versteuern.
In der mündlichen Verhandlung am 10.02.2011 hat das Gericht das unter dem
Aktenzeichen 3 K 1679/10 anhängige Verfahren wegen Einkommensteuer und
Umsatzsteuer 2008 durch Beschluss in das Verfahren der Kläger wegen
Einkommensteuer 2008 (3 K 1679/10) und in das Verfahren des Klägers wegen
Umsatzsteuer 2008 (3 K 325/11) getrennt. Dem Gericht haben bei der
Entscheidung jeweils 1 Band Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und EÜR-Akten
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I.Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2008 ist rechtswidrig. Das
Finanzamt ist zu Unrecht von einer privaten Mitbenutzung des Citroen Berlingo
ausgegangen. Die Kläger haben den Anscheinsbeweis der Privatnutzung des
Firmenfahrzeugs zur Überzeugung des Gerichts widerlegt. Das Finanzamt durfte
deshalb keine Erhöhung der gewerblichen Einkünfte des Klägers vornehmen.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines betrieblichen
Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises
im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen
einschließlich der Umsatzsteuer gewinnerhöhend anzusetzen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Vorschrift letztlich eine Regelung über die Bewertung der
Privatnutzung enthält, die die tatsächliche Nutzung des betreffenden
Wirtschaftsguts zu privaten Zwecken voraussetzt. Die Bestimmung kommt nicht
zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (BFH-Beschluss vom
13.04.2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300). Ob eine Privatnutzung vorliegt, ist
daher in jedem einzelnen Fall vor der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
konkret festzustellen (BFH-Beschluss vom 11.07.2005 X B 11/05, BFH/NV 2005,
1801).
Zur Beurteilung, ob ein betrieblicher Pkw auch privat mitbenutzt wird, ist es nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung - der sich der Senat anschließt - geboten, im
Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) die Grundsätze über
den Anscheinsbeweis (Beweis des ersten Anscheins oder prima-facie-Beweis)
heranzuziehen (BFH- Beschlüsse vom 27.10.2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292;
vom 11.07.2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801; vom 13.04.2005 VI B 59/04,
BFH/NV 2005, 1300; vom 04.06.2004 VI B 256/0 1, BFH/NV 2004, 1416 und vom
14.05.1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Ist die private Mitbenutzung eines
betrieblichen Pkw möglich, so besteht ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass eine
private Mitbenutzung auch tatsächlich erfolgt; hierauf beruht u. a. die Vorschrift
des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2003 X R 23/0 1, BFHE
201, 499, BStBl II 2003, 472; BFH-Beschluss vom 11.07.2005 X B 11/05, BFH/NV
2005, 1801).
Im Streitfall war die private Nutzung des Citroen Berlingo grundsätzlich möglich.
Die Kläger waren in der Lage, auf das betriebliche Fahrzeug des Klägers
zuzugreifen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2003 VI B 28 1/01BF­H/NV 2004,
488, in BFH/NV 2005, 1300 und in BFH/NV 2006, 292). Damit greift der
Anscheinsbeweis ein.
Der auf Erfahrungssätzen beruhende Anscheinsbeweis kann durch den sog.
Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es - worauf der
Senat an dieser Stelle ausdrücklich hinweist - nicht des Beweises des Gegenteils.
Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche
Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden
Geschehensablaufs ergibt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2006, 292, in BFH/NV 2005,
1801, in BFH/NV 2005,1300 und in BFH/NV 2004,14 16 m. w. N.).
Der Auffassung des Finanzamts, wonach der Anscheinsbeweis nur dann
erschüttert ist, wenn Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich der betriebliche
Zweck jeder Fahrt sowie der Kilometerstand ergibt, schließt sich das Gericht nicht
an. Faktisch würde die Aufzeichnung der vorgenannten Daten auf die Führung
25
26
27
28
an. Faktisch würde die Aufzeichnung der vorgenannten Daten auf die Führung
eines Fahrtenbuchs hinauslaufen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann
das Fehlen einer Privatnutzung auch anders als durch die Führung eines
Fahrtenbuchs bewiesen werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II
2008, 768). Diese Sichtweise wird vom erkennenden Senat geteilt.
Die Kläger haben einen Sachverhalt dargelegt, bei dem die ernstliche Möglichkeit
eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden
Geschehensablaufs besteht. Sie haben nachvollziehbar ausgeführt, dass der
Citroen nicht für Privatfahrten genutzt wurde. In diesem Kontext haben sie bis in
die Einzelheiten dargelegt, wie private Erledigungen vorgenommen wurden. So hat
der Kläger vorgetragen, dass er die gemeinsame Tochter in der Regel morgens
um kurz vor 8:00 Uhr mit dem Firmenwagen seiner Frau zur Schule gebracht hat.
Die Klägerin tritt ihren Dienst erst gegen 8:45 Uhr an, so dass ihr der Wagen bis
dahin wieder zur Verfügung stand. Einmal pro Woche, in der Regel montags, hat
der Kläger die Klägerin mit ihrem Firmenwagen zur Arbeit gefahren und diesen
dann wieder mit nach Hause genommen. Auf dem Rückweg wurden von ihm die
Einkäufe für die laufende Arbeitswoche getätigt. In diesem Zusammenhang hat er
eine detailreiche Sachverhaltsschilderung vorgenommen (z.B. das Anfahren
mehrerer Einkaufsmärkte zwecks Einkaufs von Sonderangeboten, die in Angebots-
Prospekten in der Zeitung vom Wochenende angepriesen wurden), die schlüssig
erscheint.
Zwar ist dem Finanzamt darin Recht zu geben, dass der vorgenannte Sachverhalt
nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Es ist aber zu berücksichtigen,
dass die Aufgabenverteilung in der Familie der Kläger nicht ohne weiteres mit
allgemeinen Erfahrungssätzen korrespondiert. So hat der Kläger bereits vor vielen
Jahren seine (leitende) Stelle in der Rechtsabteilung einer Brauerei aufgegeben,
um sich fortan in erster Linie als "Hausmann" zu betätigen und sich um die
Erziehung der Kinder zu kümmern. Als ihm später von einem Bekannten eine
Hausmeisterstelle angetragen wurde, hat er diese (quasi nebenberuflich)
übernommen. Dem Senat erscheint der Sachvortrag hinsichtlich der Erledigung
der Privatfahrten zwar atypisch, vor dem Hintergrund der vorgenannten Umstände
und der oben zum Anscheinsbeweis ausgeführten Rechtsgrundsätze aber
plausibel.
Hinzu kommt, dass die Kläger, in der mündlichen Verhandlung vom
Beklagtenvertreter auf verschiedene - nicht alltägliche - Situationen
angesprochen, in denen die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs erforderlich ist,
durchgehend nachvollziehbare Erklärungen abgegeben haben. So ist unter
anderem danach gefragt worden, wie verfahren wird, wenn eines der Kinder
plötzlich erkrankt und sich die Klägerin mit dem Firmenwagen an der Arbeit
befindet. Darauf hat die Klägerin entgegnet, dass bei ihr keine Dienstreisen
anfielen und sie im Notfall auch eine Besprechung verlassen und sofort nach
Hause fahren könne, soweit es das Wohl ihrer Kinder zwingend erfordere. Weiter
wurde danach gefragt, wie größere Gegenstände, z.B. Möbel, transportiert werden.
Darauf haben die Kläger geantwortet, dass sie nicht mehr bei Ikea einkauften und
sie im Möbelhaus gekaufte Möbel angeliefert bekämen. Auf die Entsorgung von
Grünabfällen angesprochen, erklärten die Kläger, dass diese vom Abfallentsorger
bei ihnen Zuhause abgeholt würden.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist der klägerische Vortrag nachvollziehbar. Die
Klägerin bekommt von ihrem Arbeitgeber einen gehobenen Firmenwagen zur
Verfügung gestellt, den nicht nur sie selbst, sondern auch die mit ihr in häuslicher
Gemeinschaft lebenden Personen privat nutzen dürfen. Sämtliche Kosten für den
Pkw, einschließlich der Kosten für Benzin, werden vom Arbeitgeber der Klägerin
getragen. Zur Abgeltung der Privatnutzung werden monatlich 0,4 % des
Fahrzeug(neu)preises von ihrem Gehalt einbehalten. Dabei handelt es sich um
eine Pauschale, die unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Privatnutzung in
Rechnung gestellt wird. In Anbetracht dessen ist es wirtschaftlich sinnvoll,
sämtliche privaten Fahrten mit dem Firmenwagen der Klägerin durchzuführen und
den Citroen Berlingo nicht privat zu nutzen. Privatfahrten mit dem Citroen würden
zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung der Kläger führen. Denn es käme zu
einer Besteuerung nach der 1 %-Regelung, was eine jährliche Mehrsteuer von
mehreren hundert Euro nach sich ziehen würde. Selbst bei Außerachtlassung
dieser steuerlichen Komponente wäre die private Nutzung des Citroen für die
Kläger von Nachteil. Zum einen würde diese zu einer schnelleren Abnutzung und
damit zu einem höheren Wertverzehr des Autos führen, zum anderen müssten die
Kraftstoffkosten -soweit sie auf Privatfahrten entfallen- vorfinanziert werden.
29
30
31
32
33
Ferner haben die Kläger noch weitere Anhaltspunkte vorgetragen, die die
Annahme einer Privatnutzung erschüttern:
1) Ausweislich der vorgelegten Unterlagen wurden mit dem Citroen im Zeitraum
16.04.2007 bis 29.04.2009 5302 km zurückgelegt. Das entspricht einer
durchschnittlichen monatlichen Laufleistung von ca. 216 km. Ausweislich der vom
Kläger vorgelegten Fahrtenbuch-Auszüge aus dem Jahr 2002 (nur in der
Anfangszeit seiner gewerblichen Tätigkeit hat er ein Fahrtenbuch geführt) betrug
die durchschnittliche monatliche betriebliche Fahrleistung in keinem Fall weniger
als 216 km, teilweise sogar deutlich mehr. Auch das spricht dafür, dass der Citroen
im Streitzeitraum ausschließlich betrieblich genutzt wurde.
2) Der Firmenwagen der Klägerin übertrifft den Citroen des Klägers in den
Kategorien Status, Ausstattung, Fahrsicherheit und Alter bei weitem. Bei dem Audi
(Neupreis ca. 52.000) handelt es sich um ein sehr gut motorisiertes und
ausgestattetes Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse. Der Citroen (Neupreis
12.590), 4 Jahre älter als der Audi, ist ein mäßig ausgestatteter Kastenwagen mit
Heckklappenschaden. In Anbetracht der vorgenannten Tatsachen und der damit
verbundenen höheren Wertigkeit des Audis erscheint es durchaus nachvollziehbar,
dass die Kläger von einer Privatnutzung des Citroen abgesehen haben.
3) Die Kläger verfügten im Streitzeitraum noch über einen Pkw BMW Z 3 (Cabrio)
sowie einen Honda-Kraftroller mit 102 cm3. Zwar ist der BMW in der Zeit von
November bis März jeden Jahres nicht zugelassen. Die restlichen 7 Monate steht
er aber für Privatfahrten zur Verfügung. Der Roller kann grundsätzlich das ganze
Jahr genutzt werden. Er wird sicherlich nicht bei Eis, Schnee und bei extremen
Minus-Graden gefahren. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass der Roller 10-11
Monate jährlich genutzt werden kann. Für die meiste Zeit des Jahres stehen den
Klägern somit neben dem Firmenwagen der Klägerin noch weitere Fahrzeuge für
Privatfahrten zur Verfügung.
II.Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3
FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.