Urteil des FG Hessen vom 19.09.2006

FG Frankfurt: recht der europäischen union, vertrag von maastricht, unbeschränkte steuerpflicht, europäische union, juristische person, europäisches recht, beschränkung, behandlung, erbschaft

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1995
Aktenzeichen:
1 K 2193/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 1 Nr 8 ErbStG 1991, §
12 Abs 6 ErbStG 1991, § 31
Abs 1 BewG 1991, § 9 BewG
1991, Art 3 GG
(Ansatz des gemeinen Werts für ausländischen
Grundbesitz bei Erbschaftsteuer verfassungsgemäß)
Tatbestand
Die Klägerin ist eine durch Statut vom 1995 gegründete Stiftung
liechtensteinischen Rechts mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein. Sie ist die unmittelbar
Begünstigte eines zwischen den Eheleuten H und E ebenfalls am 1995
geschlossenen "Gütertrennungsvertrages". Hierin verpflichtete sich Herr H zum
Zwecke des Zugewinnausgleichs und der Sicherung des Unterhaltes seiner
Ehefrau und der gemeinsamen minderjährigen Kinder verschiedene
Vermögenswerte (unter anderem im Inland und in Spanien gelegenen
Grundbesitz, Aktien, Fahrzeuge, … , … und verschiedene Forderungen) auf seine
Ehefrau mit der Maßgabe zu übertragen, dass diese auf die zu gründende
Familienstiftung übertragen werden sollen.
Der Beklagte sah hierin eine der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der für 1995
geltenden Fassung unterliegende Zuwendung des Herrn H an die Klägerin und
setzte gegen diese durch Bescheid vom 30. Januar 2004 nach einem
steuerpflichtigen Erwerb von DM Schenkungsteuer in Höhe von € fest.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, der Ansatz des in Spanien
gelegenen Grundbesitzes mit dem gemeinen Wert nach § 12 Abs. 6 ErbStG in
Verbindung mit § 31 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) stelle im Vergleich zur
Bewertung des inländischen Grundbesitzes mit 140% des Einheitswertes (§ 19
Abs. 1 Nr. 1 BewG) eine willkürliche Schlechterstellung und Benachteiligung dar.
Diese verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sowie gegen europäisches
Recht, insbesondere gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73 b des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag; = Art. 56
nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages
über die europäische Union; der weiteren Zitierung liegt diese neue Zählung zu
Grunde) und sei damit gemeinschafts-rechtswidrig.
Nachdem sowohl der erkennende Senat durch Beschluss vom 18. August 2004 (1
V 1133/04) als auch der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 10. März
2005 (II B 120/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2005, 370) einen Antrag der
Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen
Schenkungsteuerbescheides abgelehnt hatten, wies der Beklagte den Einspruch
durch Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2005 als unbegründet zurück. Im
Einzelnen wird auf die Beschlüsse des erkennenden Senates und des BFH sowie
auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten Bezug genommen.
Mit der Klage wendet sich die Klägerin weiterhin dagegen, dass ausländischer
Grundbesitz nach § 31 BewG mit dem gemeinen Wert bewertet, inländischer
Grundbesitz dagegen nach § 19 BewG mit dem deutlich günstigeren Einheitswert
der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.
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Hierdurch werde das Diskriminierungsverbot des Art. 12 in Verbindung mit Art. 43
und 56 EG-Vertrag verletzt. Entgegen der Auffassung des Beklagten rechtfertige
Art. 58 EG-Vertrag diese Diskriminierung nicht alleine dadurch, dass § 31 BewG als
bereits bestehende nationale Norm grundsätzlich die Voraussetzungen des Art. 58
Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag erfüllen könne.
Insbesondere seien keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine Regelung
wie die unterschiedliche Behandlung des in- und ausländischen Grundbesitzes aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte.
Eine Rechtfertigung für eine solche unterschiedliche Behandlung ergebe sich nicht
aus Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag, der es den Mitgliedstaaten erlaube,
die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige
mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.
Diese Regelung müsse als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs
eng ausgelegt werden und könne keineswegs so verstanden werden, dass jede
Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrer Staatsangehörigkeit,
ihrem Wohnsitz oder dem Ort ihrer Kapitalanlage unterscheide, ohne weiteres als
mit dem EG-Vertrag vereinbar wäre. Zu Unrecht berufe sich der Beklagte unter
Hinweis auf den Aussetzungsbeschluss des BFH vom 10. März 2005 (II B 120/04
a.a.O.) und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG)
darauf, dass es im Hinblick auf die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und
Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs gerechtfertigt sei,
die mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbare Erbschaftsbesteuerung von
einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen weiter
anzuwenden.
In den Fällen, in denen eine nach nationalem Recht als verfassungswidrig erkannte
Norm lediglich aus nationalem Interesse (Rechtfertigung durch die Finanz- und
Haushaltsplanung) weitere Anwendung finde, könne diese Norm aber keine
Rechtfertigung für eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs in der EU sein.
Die auf Grundlage der Erfordernisse einer verlässlichen Haushaltsplanung gefällte
Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 22. Juni 1995, 2 BvR 552/91, BStBl II
1995, 671) könne daher aus europarechtlicher Sicht keinen Bestand haben.
Die in Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag vorgesehene Ausnahme vom freien
Kapitalverkehr werde zudem durch Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag eingeschränkt,
wonach die in Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag genannten nationalen Maßnahmen weder
ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung
des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 56 EG-Vertrag
darstellen dürften.
Die national als verfassungswidrig und lediglich aus fiskalischen Gründen weiter
anzuwenden Bewertungsvorschriften im ErbStG und BewG müssten aus
europarechtlicher Sicht als willkürlich angesehen werden, jedenfalls sei darin eine
verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu sehen.
Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass bei der Berechnung der festzusetzenden
Schenkungsteuer an Stelle des vom Beklagten berücksichtigten gemeinen Werts
der spanischen Immobilie von DM nur der von ihr bereits im Aussetzungsverfahren
selbst ermittelte "Einheitswert" von DM anzusetzen sei.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des geänderten
Schenkungsteuerbescheides vom 30. Januar 2004 die Schenkungsteuer
auf € herabzusetzen, hilfsweise die Streitfrage dem Europäischen
Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, weiter hilfsweise die Revision
zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die Aussetzungsbeschlüsse des erkennenden Senates und
des BFH in der vorliegenden Sache vertritt der Beklagte die Meinung, dass die im
Steuerbescheid vom 30. Januar 2004 vorgenommene Steuerfestsetzung sowohl
dem Grunde als auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei erfolgt sei.
In den Bewertungsvorschriften des ErbStG in Verbindung mit den Regelungen des
BewG könne weder eine Verletzung des GG noch ein Verstoß gegen EU-Recht
gesehen werden. Im Einzelnen wird auf die Klageerwiderung vom 25. November
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gesehen werden. Im Einzelnen wird auf die Klageerwiderung vom 25. November
2005 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2005 Bezug genommen.
Dem Senat lagen die die Klägerin betreffende Schenkungsteuerakte sowie die
Gerichtsakte 1 V 1133/04 vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Steuerfestsetzung erweist sich sowohl dem Grunde
als auch der Höhe nach als rechtmäßig.
Die Übertragung des Vermögens von Herrn H über seine Ehefrau E (als
Durchgangserwerberin) auf die Klägerin unterliegt nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG der
Schenkungsteuer. Von der Besteuerung wird der gesamte Vermögensanfall
erfasst (unbeschränkte Steuerpflicht), da der Schenker mit Wohnsitz im Inland als
Steuerinländer anzusehen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG).
Der in Spanien gelegene Grundbesitz wurde entsprechend den geltenden
gesetzlichen Regelungen gemäß § 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 9, 31
BewG mit den gemeinen Wert bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt.
§ 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 9, 31 BewG verstoßen nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber bei der
Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Will er
bestimmte Steuerquellen erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der
allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich so lange nicht verletzt, als sich die
unterschiedliche Behandlung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen,
sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen lässt (vgl.
Beschluss des BVerfG vom 29. November 1989, 1 BvR 1402/87, 1528/87, BStBl II
1990, 479). Im vorliegenden Fall lässt sich die Ungleichbehandlung von
inländischem und ausländischem Grundbesitz bei der Schenkungsteuer bereits
mit der steuertechnischen Erwägung rechtfertigen, dass für den im Inland
belegenen Grundbesitz steuerliche Einheitswerte festgesetzt wurden, für den im
Ausland belegenen Grundbesitz aber nicht (im Ergebnis ebenso Niedersächsisches
Finanzgericht, Urteil vom 2. September 1991 III 247/87 in Entscheidungen der
Finanzgerichte 1992, 145; vgl. auch Meincke, Kommentar zum ErbStG, 14.
Auflage, § 12 Anm. 149).
Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvR
552/91, a.a.O., kommt der Senat zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
Nach dieser Entscheidung wurde § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG in der bis zum 31.
Dezember 1995 geltenden Fassung, folglich auch die im vorliegenden Fall
anzuwendende Fassung, mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern für unvereinbar angesehen,
als er auf die Regeln des BewG verweist, die Kapitalvermögen zu
Gegenstandswerten ansetzen, den inländischen Grundbesitz dagegen in den
Vergangenheitswerten des zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswertes
erfassen.
Gleichwohl hat das BVerfG aber auch entschieden, dass im Hinblick auf die
Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen
Verwaltungsvollzugs es gerechtfertigt ist, die bisherige, mit dem GG nicht
vereinbare Erbschaftsbesteuerung von einheitswertgebundenem und nicht
einheitswertgebundenem Vermögen weiter anzuwenden und den Gesetzgeber zu
verpflichten, bis zum 31. Dezember 1995 eine neue Regelung zu schaffen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für den erkennenden Senat in der
gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 31 und 9 BewG
auch kein Verstoß gegen EU-rechtliche Bestimmungen gegeben.
Insbesondere ist in der nationalen Regelung der §§ 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung
mit § 31 BewG, nach denen je nach Lage einer Immobilie im In- oder Ausland eine
unterschiedliche steuerliche Bewertung und damit auch eine unterschiedliche
Besteuerung vorzunehmen ist, kein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs
nach Art. 56 EG-Vertrag sowie den daraus resultierenden
Diskriminierungsverboten zu sehen (vergleiche in diesem Sinne auch Beschluss
des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04, a.a.O.).
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Die nationalen Regelungen sind durch das Steuerprivileg des Art. 58 Abs. 1
Buchstabe a EG-Vertrag legitimiert.
Zwar ist die Klägerin als juristische Person liechtensteinischen Rechts mit Sitz in
Vaduz auch Begünstigte der Kapitalverkehrsliberalisierung nach Art. 56 Abs. 1 EG-
Vertrag. Denn dieser Vorschrift liegt eine verkehrsorientierte, nicht eine markt-
oder unionsbürgerorientierte Betrachtungsweise zu Grunde (Ress/Ukrow in
Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 2004, Art. 56 EG-Vertrag, Anm. 73
m.w.N.). Demnach sind Begünstigte nicht nur alle natürlichen Personen und
Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag, soweit diese im Gebiet
eines Mitgliedstaates ansässig sind, sondern auch natürliche Personen und
Gesellschaften, die in einem Drittstaat ansässig sind.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass eine gesetzliche Regelung bei der
Erbschaft- oder Schenkungsteuer eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
bewirkt, wenn identische Vermögensübergänge, je nach Anlageort im Inland oder
im Ausland, unterschiedlich hoch mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer belegt
werden (vgl. Beschluss des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04, a.a.O., sowie
Vorlagebeschluss vom 11. April 2006 II R 35/05, Sammlung amtlich nicht
veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2006, 1402). Gem. Art. 56 Abs.
1 EG-Vertrag sind nämlich "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den
Mitgliedsstaaten" verboten. Von diesem Verbot erfasst werden alle unmittelbaren
oder mittelbaren Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den
Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital. In diesem Sinne kann auch eine
unterschiedliche Belastung in der Zukunft mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu
einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führen.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH geht der Senat jedoch
davon aus, dass die Bewertung von Auslandsimmobilien mit dem gemeinen Wert
nach § 31 BewG trotz der damit verbundenen Schlechterstellung im Verhältnis zu
Inlandsimmobilien (Bewertung mit dem auf 140% erhöhten Einheitswert) unter das
Steuerprivileg des § 58 Abs. 1 EG-Vertrag fällt und deshalb die Differenzierung
nach dem Kapitalanlageort für den hier maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt
1995 europarechtlich unbedenklich ist. Denn nach Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag
berührt Art. 56 EG-Vertrag nicht das Recht der Mitgliedstaaten, "die einschlägigen
Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit
unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln". Dies
gilt allerdings nach der Auslegung der Schlussakte zum Vertrag von Maastricht
(Erklärung zu Art. 58 EG-Vertrag) nur für die einschlägigen Vorschriften des
Steuerrechts der Mitgliedstaaten, die Ende 1993 bereits in Kraft standen (vgl.
Borchardt in Lenz/ Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 3. Auflage 2003,
Art. 58 EG-Vertrag Anm. 4; Pahlke, Deutsches Erbschaftsteuerrecht
europarechtskonform? in Neue Wirtschaftsbriefe, Fach 10, S. 1565). Da § 31 BewG
Ende 1993 bereits Bestand hatte, unterfällt die Regelung, wonach ausländisches
Vermögen generell mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist, dem nationalen
Steuervorbehalt (so auch bereits Urteil des BFH vom 5. Mai 2004 II R 33/02,
BFH/NV 2004, 1279, sowie Beschluss des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04,
a.a.O.).
Entgegen der Ansicht der Klägerin unterliegt die an den Kapitalanlageort
anknüpfende Differenzierung in § 31 BewG auch nicht den Einschränkungen des
nationalen Steuervorbehalts in Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag. Danach gilt der
Steuervorbehalt für solche nationalen Vorschriften nicht, die ein Mittel zur
willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien
Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 56 EG-Vertrag darstellen.
Eine solche willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung der
Kapitalverkehrsfreiheit liegt hier jedoch nicht vor.
Die von der Klägerin gerügte unterschiedliche Bewertung von inländischen und
ausländischen Grundstücken führte ursprünglich nicht zu wesentlich
unterschiedlichen Ergebnissen und wirkte deshalb in keiner Weise diskriminierend.
Einheitswert und gemeiner Wert zielten ursprünglich auf dasselbe Wertniveau,
nämlich den Verkehrswert ab. Die sich im Einzelfall bei der Anwendung der
Bewertungsmethoden ergebenden Wertunterschiede waren im steuerlichen
Massenverfahren, welches ohne Pauschalierung nicht auskommt, und im Hinblick
auf bestehende Bewertungsunsicherheiten hinzunehmen. Die flächendeckende
Einheitsbewertung inländischer Grundstücke diente der Verwaltungsvereinfachung
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Einheitsbewertung inländischer Grundstücke diente der Verwaltungsvereinfachung
und der gleichmäßigen Erfassung aller wirtschaftlichen Einheiten im
Massenbewertungsverfahren. Es sollten brauchbare Steuerwerte für eine Vielzahl
von Steuerarten (Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Grundsteuer,
Grunderwerbsteuer, Einkommensteuer) zur Verfügung stehen.
Durch die Beibehaltung des Wertniveaus von 1964 für die Einheitsbewertung
inländischer Grundstücke haben sich zwar im Laufe der Jahre immer größere
Wertunterschiede bei den Bewertungsverfahren eingestellt, die im Ergebnis zu
einer steuerlichen Differenzierung nach dem Kapitalanlageort und zu einer
deutlichen Schlechterstellung ausländischer Immobilien geführt haben. Diese
unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Immobilien ist aber nach
Ansicht des Senates nicht willkürlich, sondern im Rahmen des vom BVerfG in
seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, a.a.O., festgesetzten
Zeitraums für die Weitergeltung der Einheitswerte für die Erbschaft- und
Schenkungsteuer, also bis Ende 1995, aus den vom BVerfG genannten Gründen
sachlich gerechtfertigt. Aus den gleichen Gründen kann die unterschiedliche
Behandlung auch nicht als eine verschleierte Beschränkung des freien
Kapitalverkehrs im Sinne des Art 56 EG-Vertrag gewertet werden.
Im Hinblick darauf, dass der Senat die angegriffene Steuerfestsetzung nicht im
Widerspruch zu den Regelungen des EG-Vertrages sieht und seine Entscheidung
zudem mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, ist eine Vorabentscheidung
des Europäischen Gerichtshofes nicht geboten (vgl. Art. 234 EG-Vertrag).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.