Urteil des FG Hessen vom 26.11.2009

FG Frankfurt: grundsatz der gleichbehandlung, grundstück, wohnfläche, bezirk, stadt, zahl, grundsteuer, ausstattung, erlass, einspruch

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 3542/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 79 Abs 2 S 2 BewG 1991, §
27 BewG 1991
(Ermittlung des Einheitswerts für ein gemischt genutztes
Grundstück im OFD-Bezirk Frankfurt am Main)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, auf welcher Grundlage der Einheitswert für ein
gemischt genutztes Grundstück zu ermitteln ist. Dem Rechtsstreit liegt im
Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks X-Straße .. in A. Auf diesem
Grundstück errichtete er im Jahre 1964 ein größeres Gebäude, bestehend aus
einem gewerblichen Bereich und einem Wohnbereich. Zu dem gewerblichen
Bereich gehören ein Laden, eine Werkstatt, ein Büro sowie drei Garagen. Den
Wohnbereich bilden 11 Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 702 m² sowie
vier Garagen. Auf seinen Antrag hatte der Kläger für die Errichtung der genannten
Wohnungen ein Landesbaudarlehen erhalten. In dem betreffenden Bescheid vom
17.11.1964 war die Durchschnittsmiete für die geförderten Wohnungen auf 2,07
DM je Quadratmeter Wohnfläche und Monat festgelegt worden.
Der Beklagte (das Finanzamt) traf im Rahmen einer Fortschreibung des
Einheitswerts auf den 01.01.1974 für das bebaute Grundstück u.a. folgende
Feststellungen: Einheitswert 289.400 DM, Grundstücksart gemischt genutztes
Grundstück ohne überwiegenden gewerblichen Anteil. Die für den Einheitswert
maßgebende Jahresrohmiete ermittelte er für den Wohnbereich in der Weise, dass
er eine übliche Miete von 2,07 DM pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat
ansetzte (Bescheid vom 14.08.1978). Im Rahmen einer weiteren Fortschreibung
des Einheitswerts auf den 01.01.1976 stellte er den Einheitswert auf 271.700 DM
fest. Anlass für diese Fortschreibung war der Umstand, dass die ursprünglich
gewährte Grundsteuervergünstigung zwischenzeitlich weggefallen war (Bescheid
vom 12.12.1978).
Mit Schreiben vom 29.11.1996 teilte der Magistrat der Stadt A dem Finanzamt
mit, für das Grundstück werde die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ mit Ablauf des
31.12.2000 enden. Daraufhin führte das Finanzamt eine Fortschreibung des
Einheitswerts auf den 01.01.2001 durch, bei der es den Einheitswert auf 353.800
DM feststellte. Die für den Einheitswert maßgebende Jahresrohmiete ermittelte es
nunmehr in der Weise, dass es für den Wohnbereich eine übliche Miete von 3,30
DM pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat ansetzte (Bescheid vom
27.06.2002).
Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten,
Einspruch ein. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Finanzbehörden der Länder hätten
Mietspiegel als Hilfsmittel für die Schätzung der üblichen Miete aufgestellt.
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Mietspiegel als Hilfsmittel für die Schätzung der üblichen Miete aufgestellt.
Hierdurch sei eine einigermaßen gleichmäßige Bewertung bebauter Grundstücke
im Wege des Ertragswertverfahrens zu erreichen. Die Mietspiegel seien nach den
einzelnen örtlichen Verhältnissen, nach gesammeltem Kontrollmaterial, nach
Grundstücksarten sowie nach Baujahresgruppen gegliedert. Damit entsprächen
sie den Kriterien, die nach § 79 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) für
die Schätzung der üblichen Miete durch Vergleich mit vermieteten Grundstücken
maßgebend seien (Einspruchsentscheidung vom 17.09.2002).
Gegen den Bescheid vom 27.06.2002 sowie die Einspruchsentscheidung vom
17.09.2002 hat der Kläger, weiter vertreten durch den Prozessbevollmächtigten,
Klage erhoben. Mit Schreiben vom 20.04.2009 hat der Prozessbevollmächtigte -
aufgrund von sachdienlichen Hinweisen durch den erkennenden Einzelrichter - das
Klagebegehren klargestellt. Seine Ausführungen ergeben sinngemäß Folgendes:
Der von dem Finanzamt hier zu Grunde gelegte Mietpreisspiegel sei nicht
ausreichend. Das Finanzamt müsse zusätzlich noch drei Vergleichsobjekte mit den
entsprechenden Durchschnittsmieten benennen. Der hier angesetzte Wert sei
jedenfalls überhöht. Zudem habe das Finanzamt bei der angegriffenen
Wertfortschreibung nicht alle wertbeeinflussenden Tatsachen berücksichtigt. So
liege das Grundstück in einem Stadtteil, der überwiegend von Bürgern mit
Migrationshintergrund bewohnt werde. Dadurch hätten die Vermietbarkeit und
damit auch der Wert der Immobilie - auch schon zu dem hier streitigen Stichtag
01.01.2001 - sehr stark gelitten. Zum Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964)
seien diese Verhältnisse noch nicht gegeben gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Einheitswertbescheid vom 27.06.2002 betreffend die Wertfortschreibung
auf den 01.01.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2002 in der
Weise zu ändern, dass bei der Ermittlung der Jahresrohmiete für die Wohnflächen
(702 m²) gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG eine übliche Miete in Höhe von 2,50 DM
pro Quadratmeter und Monat angesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die den Streitfall betreffenden Einheitswertakten des Finanzamts waren
Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Das Finanzamt hat sich bei der Ermittlung des Einheitswerts für das streitige
Grundstück zu Recht an dem Mietpreisspiegel orientiert, den die Finanzverwaltung
bezogen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964) für die in seinem Bezirk
belegenen Wohngrundstücke aufgestellt hat. Dabei hat es zutreffend eine übliche
Miete von 3,30 DM pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat angesetzt.
Nach § 76 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 78 BewG ist bei gemischtgenutzten Grundstücken
der Grundstückswert u.a. auf der Grundlage der so genannten Jahresrohmiete zu
ermitteln. Ist - wie hier im Streitfall - der Grundstückswert im Wege einer
Fortschreibung (§ 22 BewG) neu zu ermitteln, so bestimmt sich gemäß § 79 Abs. 1
i.V.m. Abs. 5 BewG die Jahresrohmiete entsprechend dem gesetzlichen
Grundkonzept nach dem Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des
Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im
Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964) sowie nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4
der Vorschrift zu entrichten haben. Für den Fall, dass - wie hier im Streitfall -
bezogen auf den Stichtag 01.01.1964 irgendwelche tatsächlich für das Objekt
gezahlten Mieten fehlen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
- abweichend von der Grundregel - entsprechend § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG die
übliche Miete als Jahresrohmiete anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1986 II R
230/81, BStBl II 1987, 201).
Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG grundsätzlich in Anlehnung an
die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage
und Ausstattung am 01.01.1964 regelmäßig gezahlt wurde. Scheitert eine
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und Ausstattung am 01.01.1964 regelmäßig gezahlt wurde. Scheitert eine
Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran, dass nach Art,
Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte nicht oder nicht in
hinreichender Zahl vorhanden sind, kann nach der ständigen Rechtsprechung des
BFH als Hilfsmittel für die Schätzung der üblichen Miete auf die von den
Finanzämtern für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegels
zurückgegriffen werden, soweit diese in ihren Aufgliederungen nach
Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG
maßgebenden Kriterien den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die
Schätzung der üblichen Miete entsprechen. Das Finanzgericht darf, ohne sich
selbst eine eigene Überzeugung zu verschaffen, davon ausgehen, dass ein vom
Finanzamt aufgestellter Mietspiegel im Sinne der vorstehenden Grundsätze auf
der Ermittlung und Auswertung einer repräsentativen Zahl von Vermietungsfällen
beruht und deren zusammengefasstes Ergebnis darstellt (vgl. BFH-Urteil vom
17.02.1999 II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452; dazu auch: Halaczinsky in Rössler/Troll,
Bewertungsgesetz, § 79 Rn. 58).
Im Streitfall hat das Finanzamt für die Ermittlung der üblichen Miete den
Mietpreisspiegel herangezogen, den die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main für
ihren Zuständigkeitsbereich bezogen auf freifinanzierte Wohnungen auf den
Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964) aufgestellt hat. Dieser differenziert - in
Übereinstimmung mit den vorgenannten Grundsätzen - u.a. nach bestimmten
Gemeindegrößenklassen (Einwohnerzahl), nach Baujahren, nach Ausstattung
(Sammelheizung) sowie bei Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von über 200.000
zusätzlich nach der Lage (gute Wohnlage mit Sammelheizung). Nach der
langjährigen Erfahrung des erkennenden Einzelrichters wird dieser Mietpreisspiegel
im Zuständigkeitsbereich der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main für alle
Grundstücke mit Wohnbebauung durch die Finanzämter angewandt. Das Gericht
sieht keinen Anlass, für den Einzelfall von dieser ständigen Verwaltungspraxis
abzuweichen. Demzufolge sieht es auch keine Notwendigkeit, ergänzend zu dem
vorgenannten Mietpreisspiegel noch drei Vergleichsobjekte heranzuziehen. Es ist
vielmehr überzeugt davon, dass zum Hauptfeststellungszeitpunkt im Bezirk des
beklagten Finanzamts - bezogen auf den freifinanzierten Wohnungsbau - keine
ausreichende Zahl an Vergleichsobjekten für eine unmittelbare Ableitung der
üblichen Miete gegeben hat. Des Weiteren ist es überzeugt davon, dass die
Gegebenheiten des hier betroffenen Grundstücks in ausreichendem Maße
berücksichtigt sind. So weist der Mietpreisspiegel für Mietwohngrundstücke mit
einem Baujahr nach 1962 bezogen auf eine Gemeindegröße von über 200.000
Einwohnern bei einer guten Wohnlage eine übliche Miete von 4,10 DM aus,
während er für vergleichbare Grundstücke - in einer weniger guten Wohnlage - eine
übliche Miete von 3,30 DM nennt.
2. Das Finanzamt hat sich im Rahmen der hier streitigen Wertfortschreibung zu
Recht auf die Wertverhältnisse bezogen, die zum Hauptfeststellungszeitpunkt
(01.01.1964) gegeben waren. Dabei war es nicht verpflichtet, die von dem Kläger
als „wertbeeinflussenden Tatsachen“ bezeichneten Umstände zu berücksichtigen.
Nach § 22 Abs. 1 BewG wird der Einheitswert neu festgestellt (Wertfortschreibung),
wenn in einem bestimmten Umfang eine Abweichung zwischen den maßgebenden
Werten vorliegt. Dabei sind nach § 22 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 27 BewG die
Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (01.01.1964) und im übrigen die
(sonstigen) Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zu Grunde zu legen.
Unter dem Begriff der „Wertverhältnisse“ im Sinne des § 27 BewG sind die
allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu verstehen, wie sie sich in dem
allgemeinen Markt- und Preisniveau niedergeschlagen haben. Für Änderungen, die
sich nur aus der Weiterentwicklung dieser Verhältnisse im
Hauptfeststellungszeitpunkt ergeben, dürfen deshalb bei Fortschreibungen nicht
berücksichtigt werden. Hierzu gehören auch allgemeine Änderungen bei den
wirtschaftlichen Verhältnissen einer Gemeinde (vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll,
a.a.O., § 27 Rn. 7 und Rn. 21 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
Die vorgenannten Grundsätze sind nach Auffassung des Gerichts auch
anzuwenden, wenn sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse in einem
größeren Teil des jeweiligen Gemeindegebiets geändert haben. Hierzu zählt das
Gericht auch die Änderung in der Bevölkerungsstruktur innerhalb von
weiträumigen Teilen einer Großstadt. Zu dieser Gesetzesauslegung sieht es sich
insbesondere deshalb veranlasst, weil ansonsten die Finanzämter nicht in der Lage
wären, für die Feststellung der Einheitswerte - zumindest einigermaßen - dem
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wären, für die Feststellung der Einheitswerte - zumindest einigermaßen - dem
Grundsatz der Gleichbehandlung zu entsprechen. Dabei sieht es durchaus die
Probleme, die sich aus der (überlangen) Dauer des Hauptfeststellungszeitraums
ergeben. Gleichwohl ist es der Auffassung, dass diese Probleme von den
betroffenen Steuerpflichtigen, soweit es - wie hier - letztendlich um die
Grundsteuer geht, hinzunehmen sind (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der
Einheitsbewertung und der darauf bezogenen Grundsteuererhebung: BFH-
Beschluss vom 18.10.2006 II B 10/06, BFH/NV 2007, 13 mit weiteren Nachweisen
zur ständigen Rechtsprechung des BFH).
Wie gerichtsbekannt, sind die wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb des
Stadtgebietes der Großstadt A sehr unterschiedlich. So weist der nördliche Bereich
der Stadt (mit dem hier betroffenen Grundstück), insbesondere im Verhältnis zu
den westlich gelegenen Stadtteilen, eine ziemlich schwache Wirtschaftsstruktur
aus. Diese Strukturunterschiede hat es aber schon in früheren Zeiten gegeben.
Sie haben sich lediglich dadurch verschärft, dass der Anteil von Einwohnern, die
einen so genannten Migrationshintergrund haben, im Laufe der Zeit größer
geworden ist. Insofern handelt es sich hier lediglich um Änderungen, die die
allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse betreffen.
Der Kläger wird durch die Anwendung des § 27 BewG nicht unangemessen
benachteiligt. Denn er hat unter Umständen die Möglichkeit, gemäß § 33 des
Grundsteuergesetzes (GrStG) einen Antrag auf Erlass eines Teils der fälligen
Grundsteuer zu stellen. Nach der genannten Vorschrift ist die Grundsteuer in
einem bestimmten Umfang zu erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der
Rohertrag um 20% gemindert ist und der Steuerschuldner diese Minderung nicht
zu vertreten hat. Dabei wäre es Sache des Klägers, die Voraussetzungen für einen
solchen Erlass nachzuweisen. Sollte ihm dies nicht gelingen, hätte er die
entsprechenden steuerlichen Belastungen im Sinne einer vom Gesetzgeber
gewollten Härte hinzunehmen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.