Urteil des FG Hessen vom 25.11.2008

FG Frankfurt: lieferung, vorsteuerabzug, zahlungsmittel, drittland, eugh, währung, ausfuhr, ausschluss, bargeld, gehalt

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1994, 1994, 1995,
1996, 1997, 1998,
1999
Aktenzeichen:
6 K 1627/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3a Abs 3 S 1 UStG 1993, §
3a Abs 3 S 1 UStG 1999, § 3a
Abs 4 Nr 6 Buchst a UStG
1993, § 3a Abs 4 Nr 6 Buchst
a UStG 1999, § 15 Abs 3 Nr 2
Buchst b UStG 1993
(Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung:
Sortenwechsel als sonstige Leistung - Anforderungen an
den Nachweis der Kundenansässigkeit im Ausland gem. §
15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG 1993/1999)
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für
Leistungen, die zur Ausführung von Umsätzen im Sortengeschäft mit Kunden aus
dem Drittland verwendet werden.
Die Klägerin unterhält Wechselstuben in gemieteten Geschäftsräumen auf einem
deutschen Flughafen. In diesen betreibt sie unter anderem den An- und Verkauf
von ausländischen Banknoten und Münzen als Sortengeschäft im Sinne des § 1
Abs. 1a S. 2 Nr. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG). In der Regel erwirbt
sie bei der Einreise natürlicher Personen in das Inland ausländische Geldsorten
gegen Überlassung inländischer Zahlungsmittel, während die Reisenden bei der
Ausreise regelmäßig inländische Zahlungsmittel gegen ausländische Geldsorten
wechseln. Im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin
diejenigen Vorsteuerbeträge geltend, die auf Leistungen entfielen, die zur
Ausführung von Sortengeschäften mit im Drittlandsgebiet ansässigen Kunden
verwendet wurden. Die Klägerin ist der Ansicht, die Berechtigung zum
Vorsteuerabzug ergebe sich aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG. Es handele sich
bei den Sortengeschäften um nicht steuerbare sonstige Leistungen, da sich der
Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 S. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG im
Ausland befände. Zwar sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG
grundsätzlich ausgeschlossen, da die Leistungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG
steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Der Ausschluss vom
Vorsteuerabzug trete nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG jedoch nicht ein,
soweit die Kunden im Drittlandsgebiet ansässig seien.
Den Anteil des Geschäftes mit Kunden aus dem Drittlandsgebiet ermittelte die
Klägerin über ihre „residency-sampling-reports“. Diese „reports“ beruhten auf den
Angaben der Kunden zu ihrer Ansässigkeit, die die Angestellten der Klägerin bei
jeder Transaktion abfragten. Die Angaben wurden elektronisch gespeichert und für
jeden Voranmeldungszeitraum ein „report“ über das mit im Drittlandsgebiet
ansässigen Kunden erzielte Umsatzvolumen erstellt. Eine von dem Beklagten (das
Finanzamt -FA-) durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung, die den
Vorsteuerabzug im Jahre 1993 zum Gegenstand hatte, beanstandete dieses
Vorgehen der Klägerin nicht.
Aufgrund der Feststellung einer in den Jahren 2000 und 2001 durchgeführten
steuerlichen Außenprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, bei den
Sortengeschäften handele es sich umsatzsteuerlich nicht um sonstige Leistungen,
sondern um Lieferungen. Die Sorten -also die Banknoten und Münzen- seien nach
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sondern um Lieferungen. Die Sorten -also die Banknoten und Münzen- seien nach
§ 91 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vertretbare Sachen und demgemäß
umsatzsteuerlich als Gegenstände im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG zu qualifizieren.
Beim Tausch von Sorten und DM werde nicht eine Geldsumme, sondern die
Übereignung von Geldscheinen als konkrete Sache geschuldet. Aus § 43 Nr. 3 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) und Abschnitt 127a Abs. 1
Buchst. b der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) ergebe sich, dass es sich bei
gesetzlichen Zahlungsmitteln um Gegenstände und beim Verkauf derselben um
Lieferungen handele. Die Leistungen der Klägerin seien steuerbar, da sich der Ort
der Lieferung gemäß § 3 Abs. 7 S. 1 UStG am Wechselschalter im Flughafen
befände. Sie seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfrei; der Vorsteuerabzug
sei nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Der Ausnahmefall des § 15 Abs.
3 Nr. 1 Buchst. b UStG komme im Streitfall nicht in Betracht, da die Ausfuhr der
Sorten in das Drittlandsgebiet entweder nicht gegeben sei oder ein
Ausfuhrnachweis nicht geführt werden könne.
Das Finanzamt änderte daraufhin die bisherigen Umsatzsteuerfestsetzungen nach
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und kürzte den Vorsteuerabzug wie folgt:
Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1999 vom 12. Februar
2002 erhob die Klägerin Einspruch und beantragte nunmehr folgende
Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen:
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese Beträge auf einer zutreffenden -
die im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten Fehler korrigierenden-
Neuberechnung beruht. Den Einspruch begründete die Klägerin wie folgt: Das
Sortengeschäft stelle eine sonstige Leistung dar, weil Gegenstand einer Lieferung
nur körperliche Gegenstände sein könnten. Bei Geld handele es sich jedoch -
unabhängig von seiner jeweiligen Herkunft- um gesetzliche Zahlungsmittel, die
keinen körperlichen Gegenstand darstellen. Das Urteil des Gerichtshofes der
Europäischem Gemeinschaften (EuGH) vom 14. Juli 1998 Rs. C-172/96 -Bank of
Chicago- (amtliche Slg. 1998, I-4387) zu Devisengeschäften als Buchgeschäfte sei
insoweit auf das Sortengeschäft als physisches Geldgeschäft übertragbar. Selbst
wenn das Sortengeschäft als Lieferung anzusehen sei, müsse zwischen dem
Erwerb ausländischer Devisen und deren Überlassung differenziert werden. Bei
dem Erwerb ausländischer Geldsorten übertrage nicht die Klägerin selbst, sondern
der jeweilige Kunde das Eigentum. Die Klägerin sei insoweit nicht Leistende,
sondern Leistungsempfängerin, die im Gegenzug den Kaufpreis als Entgelt
erbringe. Dagegen erfolge die Überlassung ausländischer Sorten an im
Drittlandsgebiet ansässige Personen jeweils bei der Ausreise aus dem Inland.
Insoweit lägen die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 3 Nr. 1
Buchst. b UStG vor, da es sich um eine Lieferung von Gegenständen handele, die
in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.
Das FA wies den Einspruch mit seiner Entscheidung vom 9. April 2003 als
unbegründet zurück. Da es im Geldsortengeschäft gerade auf die Beschaffung des
Geldes ankomme, werde die Übereignung von Bargeld als konkrete Sache
geschuldet. Damit seien Geldscheine und Geldmünzen lieferbare Gegenstände
und könnten Objekte eines Leistungsaustausches sein. Folglich werde im
Sortengeschäft beim Verkauf inländischer Zahlungsmittel nicht nur eine
Geldschuld durch Zahlung beglichen, sondern die nach dem Vertragszweck
vorgesehene und vom Kunden gewünschte Leistung in Form einer Geldlieferung
erbracht. Die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG berechtige die
Klägerin jedoch nicht zum Vorsteuerabzug. Auch wenn die Norm keine
Ausfuhrlieferung voraussetze, müsse das Gelangen des Gegenstandes in das
Drittlandsgebiet nachgewiesen werden. Die Klägerin könne diesen Nachweis nicht
durch den Vermerk der Nationalität oder des Wohnorts der Kunden erbringen.
Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr
Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, ähnlich wie im
Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 26. September 1991 über die Einordnung
des Kopiervorgangs (V R 33/87, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 313) komme es
auch im Rahmen eines Sortengeschäftes im Wesentlichen auf das
Dienstleistungselement an, hinter dem die zusätzliche Übertragung des
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Dienstleistungselement an, hinter dem die zusätzliche Übertragung des
körperlichen Trägermediums zurücktrete. Auch die Entscheidung des EuGH vom
26. Mai 2005 Rs. C-465/03 -Kretztechnik- (amtliche Slg 2005, I-4357) zur
umsatzsteuerlichen Qualifizierung der Neuimmission von Aktien sei auf den
Streitfall übertragbar. Handele es sich bei einem Sortengeschäft dagegen um
gegenseitige Lieferungen, läge ein Tausch im Sinne des § 3 Nr. 12 UStG vor, so
dass der volle Nennbetrag der durch die Kunden hingegebenen Zahlungsmittel
nach § 10 Abs. 3 S. 2 UStG als Entgelt für die Leistung der Klägerin anzusehen
wäre. Damit hinge die Höhe des erzielten Umsatzes davon ab, ob der Wechsel
eines Zahlungsmittels gegen eine Kontogutschrift (Devisengeschäft) oder im
Rahmen eines Sortengeschäftes erfolge. Zusätzlich sei im Streitfall zu
berücksichtigen, dass im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung eine
mündliche Kundenbefragung als Ansässigkeitsnachweis für ausreichend gehalten
wurde. Bis zur Änderung der Rechtsauffassung des FA aufgrund der
durchgeführten Außenprüfung habe für die Klägerin keine Veranlassung
bestanden, das Verbringen der Geldsorten näher zu dokumentieren. Denn für den
nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG zu erbringenden Ansässigkeitsnachweis
beständen keine formalen Nachweispflichten. Zumindest handele es sich um eine
sachgerechte Schätzung im Sinne des § 15 Abs. 4 S. 2 UStG.
Das FA ist der Ansicht, hinsichtlich der Nachweispflichten der Klägerin seien -für die
Frage, ob im Rahmen des Rücktausches von inländischer in ausländische Währung
die Sorten in das Drittlandsgebiet ausgeführt wurden- die Ausführungen des
Schreibens des Bundesministerium der Finanzen (BMF) zur
Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen
Reiseverkehr (zuletzt vom 28. Mai 2004 -IV D 1-S 7133-22/04- BStBl I 2004, 535)
anzuwenden. Danach könne die jeweilige Staatsangehörigkeit des Reisenden nicht
mit seinem für die Frage des Drittlandes maßgeblichen Wohnsitz gleichgestellt
werden. Für einen hinreichenden Nachweis, dass die Sorten endgültig in das
Drittland überführt worden seien, hätte zumindest durch die Einsicht in den Pass
der Wohnsitz des Kunden festgestellt und anhand des Flugscheins die Ausfuhr in
das Drittland überprüft werden müssen. Dies stehe auch nicht im Gegensatz zu
der in der Umsatzsteuersonderprüfung geäußerten Rechtsansicht. In dieser sei
fälschlicherweise davon ausgegangen worden, dass vom Terminal, in dem sich der
Wechselschalter der Klägerin befindet, nur Flüge in das Drittlandsgebiet starten.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Steuerbescheide und die Einspruchsentscheidung sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der
Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Klägerin kann insoweit einen Vorsteuerabzug
gelten machen, als dieser mit Leistungen im Zusammenhang steht, die sie
gegenüber Kunden erbracht hat, die im Drittlandsgebiet ansässig sind.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen im
Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder
sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 UStG ist der Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen, wenn die bezogenen
Leistungen zur Ausführung von Umsätzen im Ausland verwendet werden, die
steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2
Buchst. b UStG tritt der Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach Absatz 2 aber
nicht ein, wenn die Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. a bis g oder Nr. 10 Buchst. a
UStG steuerfrei wären und die Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig
sind.
Soweit die Klägerin im Streitfall Leistungen an Kunden aus einem Drittland
erbracht hat, liegen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vor. Der
Ausschluss vom Vorsteuerabzug tritt nicht ein, da es sich um Umsätze im Ausland
handelt, die als Umsätze mit gesetzlichen Zahlungsmitteln gemäß § 4 Nr. 8
Buchst. b S. 1 UStG steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden und
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Buchst. b S. 1 UStG steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden und
der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist.
Diese Leistungen wurden gemäß § 3a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG an
dem Ort erbracht, an dem der Kunde ansässig ist. Der Ort der Leistungen
bestimmt sich im Streitfall nach § 3a UStG, da die Klägerin im Rahmen des
Sortengeschäftes keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen ausgeführt hat.
Gemäß § 3 Abs. 9 S. 1 UStG sind sonstigen Leistungen solche Leistungen, die
keine Lieferungen darstellen. Um eine Lieferung handelt es sich, wenn die
Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand den wirtschaftlichen
Gehalt der Lieferung prägt, d.h. wenn die Zuwendung des Gegenstandes selbst
nach dem Willen der Parteien des Geschäfts und der Verkehrsauffassung den
wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs bestimmt (vgl. EuGH-Urteil vom 2. Mai 1996
Rs. C-231/04 -Faaborg-Gelting Linien A/S- amtliche Slg 1996, I-2395; BFH-Urteil
vom 19. Dezember 1991 V R107/86, BStBl II 1992, 449; Nieskens in Rau/
Dürrwächter § 3, Rdnr. 3442, 3451 ff. m.w.N.). Eine Lieferung scheidet dagegen
aus, wenn -wie beispielsweise bei der Ausgabe von Wertpapieren- die Übertragung
von Rechten den wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs prägt (vgl. EuGH-Urteil vom
26. Mai 2005 Rs. C 465/03 -Kretztechnik-, amtliche Slg. 2005, I-4357; BFH-Urteil
vom 16. Juli 1970 V R 95/66, BStBl II 1970, 706; Leonard in Bunjes/ Geist, UStG, § 3
Rdnr. 7). So ist der Kauf von Devisen -als Forderungen des bargeldlosen
Zahlungsverkehrs- zivilrechtlich stets ein Rechtskauf (Köhler in Staudinger, BGB, §
433, Rdnr. 14), umsatzsteuerrechtlich stellt ihre Übertragung folglich eine sonstige
Leistung dar (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 1998 Rs. C-172/96 -Bank of Chicago-,
amtliche Slg. 1998, I-4387).
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Grundsätze der EuGH-Urteils vom
26. Mai 2005 Rs. C 465/03 -Kretztechnik- (amtliche Slg. 2005, I-4357) jedoch nicht
auf die im Streitfall getätigten Sortengeschäfte übertragbar. Denn bei Banknoten
handelt es sich nicht um Wertpapiere, da sie -entgegen früherem Recht- keinen
Einlösungsanspruch gegen den Emittenten mehr verkörpern; sie sind vielmehr als
Zahlungsmittel dienende reine Geldzeichen (vgl. Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1990 8 UE 237/86, zitiert nach juris;
Baumbach, WechselG u.a., WPR, Rn. 3 jeweils m.w.N.). So handelt es sich bei
einem Erwerb ausländischer Geldsorten gegen Hingabe von inländischer Währung
zivilrechtlich um einen Sachkauf (so herrschende Meinung, vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 29. März 1990 IX ZR 134/89, Neue Juristische
Wochenschrift 1990, 1930; Schmidt in Staudinger, BGB, § 244, Rdnr. 12; vgl. auch
Huber in Soergel, BGB, § 433 Rdnr. 44 und Köhler in Staudinger BGB 12. Auflage §
433, Rdnr. 14, die zwischen dem Kauf ausländischer Valuta gegen inländisches
Geld und dem Wechsel von inländischer in inländische Valuta bzw. ausländischer in
ausländische Valuta -als Tausch- differenzieren). Umsatzsteuerrechtlich stellt das
Sortengeschäft gleichwohl eine sonstige Leistung dar, weil nicht die Verschaffung
der Verfügungsmacht an dem jeweiligen Geldscheinen und Münzen im
Vordergrund steht. Vielmehr liegt der wirtschaftliche Gehalt der Leistung darin,
dass den Kunden ermöglicht wird, ihre wirtschaftliche Kaufkraft, die durch das
Bargeld der jeweiligen Währung repräsentiert wird, in einem bestimmten Land
einzusetzen.
b) Grundsätzlich ist die Übertragung von Bargeld zwar insofern Teil eines
Umsatzes, als das „Entgelt“ für eine Leistung in der überwiegenden Zahl der Fälle
in Geld besteht. Dadurch wird das Geld aber nicht seinerseits schon zum
Gegenstand einer Lieferung des Zahlenden. Vielmehr bleibt es in der Regel -
entsprechend seiner finanzpolitischen Bedeutung- lediglich der „im Verkehr
anerkannte Wertmesser und Wertträger“ und dementsprechend umsatzsteuerlich
lediglich Entgelt für die Leistung und Bemessungsgrundlage für den Umsatz. Dies
entspricht auch dem Grundsatz, dass das Umsatzsteuerrecht Leistungen im
wirtschaftlichen Sinne erfasst, d.h. solche, bei denen ein Interesse des
Entrichtenden verfolgt wird, das über eine reine Entgeltentrichtung hinausgeht
(BFH-Urteil vom 31. Juli 1969 V 94/65 BStBl II 1969, 637).
Aus der Reglung des § 43 Nr. 3 UStDV folgt nichts anderes. Aus der dort
verwendeten Formulierung „Lieferung von gesetzlichen Zahlungsmitteln“
schließen zwar Teile der Literatur, dass eine Lieferung vorliege, wenn Geld nicht als
wertmäßig bezifferter Betrag (Geldsumme), sondern als zu liefernder Gegenstand
wie Handelsware geschuldet werde (Neubert in Hartmann/Metzenmacher UStG, §
3 Abs. 1, Rdnr. 137; Nieskens in: Rau/ Dürrwächter § 3, Rdnr. 590
„Zahlungsmittel“; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher UStG, § 4 Nr. 8 Anmerk.
43). Bei § 43 UStDV handelt es sich jedoch allein um eine Regelung zur
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43). Bei § 43 UStDV handelt es sich jedoch allein um eine Regelung zur
Erleichterung der Vorsteueraufteilung, aus der nicht gefolgert werden kann, dass
gesetzliche Zahlungsmittel stets geliefert werden. Vielmehr richtet sich auch hier
die Differenzierung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung nach den
allgemeinen Grundsätzen. Im Streitfall handelt es sich um sonstige Leistungen, da
nicht die Übertragung der Verfügungsmacht an den einzelnen Gegenständen für
die von der Klägerin erbrachten Leistungen prägend war, sondern der Wechsel der
Sorten als Dienstleistung, um den Kunden zu ermöglichen, diese weiter zu
„nutzen“.
c) Wechselt eine Bank Geldscheine in Kleingeld, werden weder die Banknoten
durch den Kunden noch die Münzen durch die Bank im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG
geliefert; der Kunde bzw. die Bank „kaufen“ nicht das Geld der Vertragspartners,
auch wenn der Kunde gerade an der konkreten „Handelsform“ des Geldes
(Münzen) interessiert ist. Vielmehr erbringt die Bank in dem Umtausch eines
gesetzlichen Zahlungsmittels in kleinere Einheiten eine Dienstleistung in Form
einer Umwechslung (Köhler in Plückebaum/ Malitzky § 4 Nr. 8, Rdnr. 80; Philipowski
in Rau/ Dürrwächter § 4 Nr. 8, Rdnr. 145). Das Gleiche muss für die Abgabe von
ausländischen Geldsorten gegen eine inländische Währung gelten, wenn -wie im
Streitfall- freie Umtauschmöglichkeiten bestehen (vgl. Philipowski in Rau/
Dürrwächter § 4 Nr. 8, Rdnr. 146 f.).
Denn ähnlich wie ein Kunde, der seine Banknoten in Kleingeld wechseln lässt, um
die darin liegende Kaufkraft auch gegenüber einem Automaten nutzen zu können,
wird die Leistung der Klägerin in Anspruch genommen, um beispielsweise bei der
Einreise ausländische Sorten in inländische Währung zu wechseln und so die in
dem Bargeld liegende Kaufkraft im Inland nutzen zu können.
d) Die Einordnung des Sortengeschäftes als sonstige Leistung führt auch zu einer
sachgerechten Bemessung des Entgeltes für das Sortengeschäft. Während bei
einem „Kauf“ bzw. „Tausch“ der Sorten das Entgelt für die Lieferung der
Geldnoten und Münzen in dem Gesamtwert des hingegebenen Bargeldes
bestehen würde, ist die sonstige Leistung des „Wechselns“ mit der Wechselgebühr
bzw. mit der zwischen dem Geld- und Briefkurs erzielten „Marge“ zu bemessen
(vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts vom 16. September 1997 Rs. C-
172/96 -Bank of Chicago-, amtliche Slg. 1998, I-4389). Letztlich entspricht die
Qualifizierung als Dienstleistung auch den Ausführungen des EuGH in seinem
Urteil vom 14. Juli 1998 Rs. C-172/96 -Bank of Chicago- (amtliche Slg. 1998, I-
4387), der in Textziffer 25 formuliert: „Devisen […] können nicht als körperliche im
Sinne des Art. 5 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden, da es sich um Geld
handelt, das gesetzliches Zahlungsmittel ist“ (mit dem gleichen Ergebnis auch
Georgy in Plückebaum/ Malitzky, UStG, § 3 Abs. 1 Rdnr. 115).
2. Nach der Überzeugung des Senates hat die Klägerin durch die Befragung der
Kunden und die Erstellung ihrer „reports“ den Anteil ihrer Leistungen an in
Drittland ansässigen Kunden ausreichend ermittelt und hinreichend dargelegt.
Entgegen der Ansicht des FA dürfen an die Darlegungspflichten der Klägerin nicht
die Anforderungen gestellt werden, die als Nachweis- und Dokumentationspflichten
bei Ausfuhrlieferungen (§§ 4 Nr. 1 Buchst. a, 6 UStG) auch im Rahmen des
Nichteintritts des Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst.
a UStG gelten. Die Bestimmungen der §§ 8 ff. UStDV über die zu erbringenden
Buch- und Belegnachweise sind im Streitfall weder analog noch unmittelbar
anwendbar; vielmehr reichen die Aufzeichnungen des Ergebnisses einer
Kundenbefragung in den „reports“ zum Nachweis des Ansässigkeit des Kunden im
Drittland auch dann aus, wenn -wie am Flugplatz- der Reisepass der Kunden
vorgelegt werden könnte. Die Vorlage des Reisepasses erscheint insbesondere
deshalb unverhältnismäßig, weil die befragten Kunden keinerlei eigenes Interesse
an einer falschen Auskunft haben dürften. Die -vom FA als notwendig angesehene-
Vorlage der Flugdokumente zum Nachweis der Ausfuhr der gewechselten Sorten
ist ebenfalls entbehrlich, da die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG die
Ausfuhr der gewechselten Sorten nicht voraussetzt.
Dass die erstellten „reports“ kleinere Mängel aufwiesen -beispielsweise einzelne
Länder fehlerhaft dem Drittland zugeordnet waren- kann nicht dazu führen, dass
der begehrte Vorsteuerabzug insgesamt versagt wird. Der Senat ist zu der
Überzeugung gelangt, dass die Angaben insgesamt plausibel sind. Nachdem die
festgestellten Fehler im Rahmen der Betriebsprüfung korrigiert worden waren,
boten die von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für
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boten die von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für
ihre Vollständigkeit und Richtigkeit und waren mit vertretbarem Aufwand auf ihre
materielle Richtigkeit hin überprüfbar (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10. April 2008 VI
R 38/06, BStBl II 2008, 768).
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten erfolgt gemäß § 151 Abs. 1
und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.
III. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten
für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 S. 3 FGO.
IV. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache und
zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.