Urteil des FG Hessen vom 15.02.2005

FG Frankfurt: eigentumswohnung, gebäude, urkunde, austritt, anschaffungskosten, vertragsabschluss, erwerb, einbau, einspruch, mietvertrag

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 13.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2002
Aktenzeichen:
13 K 17/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 Nr 2 InvZulG 1999, §
3 Abs 1 S 1 Nr 2 InvZulG 1999
(Keine Investitionszulage für nachträgliche
Herstellungsarbeiten, die bei Anschaffung des Gebäudes
bereits abgeschlossen waren)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Klägerin eine Investitionszulage
zusteht.
Die Klägerin erwarb eine Eigentumswohnung in B. Dem Kauf war ein notarielles
Verkaufsangebot der Firma P GmbH, B., vorausgegangen, welches bis zum
05.01.2002 befristet war. Am 14.02.2002 nahm die Klägerin ebenfalls mit
notarieller Urkunde des Vertragsangebot „ohne jede Einschränkung und
vorbehaltlos“ an. Mit notarieller Urkunde vom 14.03.2002 nahm die Verkäuferin
die Erklärung der Klägerin, welche wegen des Fristablaufs gem. § 150 Abs. 1 BGB
als neues Angebot gewertet wurde, an.
Die Wohnung wurde mit Mietvertrag vom 03.11.2001 zum 01.01.2002 vermietet.
Mit Antrag vom 20.10.2002 beantragte die Klägerin eine Investitionszulage nach §
3 InvZulG 1999. Mit Bescheid vom 15.11.2002 lehnte das Finanzamt den Antrag
ab, da die Investitionszulage erst nach Ablauf des Kalenderjahres festgesetzt
werden könne, in dem die Investition getätigt worden sei (§ 6 Abs. 2 InvZulG). Auf
Grund der Annahme des Angebots im Kalenderjahr 2002 könne deshalb erst in
2003 ein Antrag auf Investitionszulagen für das Kalenderjahr 2002 gestellt werden.
Mit Antrag vom 30.06.2003 beantragte die Klägerin erneut eine Investitionszulage.
Mit Bescheid vom 25.09.2003 lehnte das Finanzamt erneut den Antrag ab. Nach
Auffassung des Finanzamtes kann die Investitionszulage nicht gewährt werden,
weil eine vom Veräußerer zu modernisierende Eigentumswohnung nur insoweit
investitionszulagenbegünstigt sei, als die Anschaffungskosten auf nachträgliche
Herstellungsarbeiten entfallen, die der Veräußerer nach dem rechtswirksamen
Abschluss des obligatorischen Vertrages durchgeführt hat ( § 3 Abs. 1 Nr. 2
InvZulG). In der Regel erfolge der Erwerb von Altobjekten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 InvZulG im Rahmen von sogenannten Erwerbermodellen. Hierbei werde ein
noch zu sanierendes Objekt zu einem Festpreis erworben und gleichzeitig nach
einem vorgegebenen Konzept die Sanierung des Objekts vereinbart. Bei Erfüllung
aller sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen seien dann die nachträglichen
Herstellungsarbeiten nach Vertragsabschluss nach dem InvZulG begünstigt. Gem.
§ 3 des vorliegenden Kaufvertrages sei jedoch das Bauvorhaben zum Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses bereits fertig gestellt gewesen, sodass ein Anspruch auf
Investitionszulage nicht bestehe.
§ 3 des notariellen Vertrages lautet (soweit hier von Interesse): „Bauverpflichtung
des Verkäufers: Der Verkäufer hat die zum Altbaubestand gehörende
kaufgegenständliche Wohnung und das Gemeinschaftseigentum instandgesetzt
und modernisiert sowie das Dach zu Wohnzwecken ausgebaut. Das Bauvorhaben
ist fertiggestellt. Zur restlosen Fertigstellung fehlt noch der Einbau einer Stufe für
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ist fertiggestellt. Zur restlosen Fertigstellung fehlt noch der Einbau einer Stufe für
den Austritt aus der Wohnung in den Vordergarten (Sondernutzungsrecht). Der
Verkäufer verpflichtet sich, diese Bauleistungen bis zum 15. Januar 2002 zu
erbringen“.
Gegen den ablehnenden Bescheid hat die Klägerin Einspruch eingelegt, ohne
diesen allerdings zu begründen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09.12.2003 wurde der Einspruch als unbegründet
zurückgewiesen.
Mit ihrer fristgemäß erhobene Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.
Im Klageverfahren lässt sich die Klägerin wie folgt ein: Sie habe eine
Eigentumswohnung aus einem Gesamtobjekt erworben, welches insgesamt über
12 Eigentumswohnungen verfüge. Gemäß dem notariellen Kaufvertrag seien noch
Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen durch den Verkäufer der
Eigentumswohnung an dem Gesamtobjekt und der Wohnung durchzuführen
gewesen. Die Eigentumswohnung sei gem. dem notariellen Vertrag zu einem
Kaufpreis in Höhe von 340.288,- DM erworben worden, in welchem 265.288,- DM
für die Instandsetzung, Modernisierung und Herstellung der Wohnung und der
Gemeinschaftsanlagen enthalten gewesen seien. Hierzu habe sich der Verkäufer
des Objekts verpflichtet. Dieser habe auch nach Abschluss des notariellen
Kaufvertrages umfangreiche Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten an dem
Gesamtobjekt durchgeführt. Die Wohnungsabnahme sei erst am 14.09.2002 gem.
Wohnungsübernahmeprotokoll erfolgt. Erst zu diesem Zeitpunkt seien die
entsprechenden Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten am Gesamtobjekt
abgeschlossen gewesen. Es seien folglich auch und gerade nach dem Abschluss
des notariellen Kaufvertrages noch erhebliche Herstellungs- und
Erhaltungsmaßnahmen durch den Verkäufer durchgeführt worden.
Beabsichtigt gewesen sei ein Kaufvertrag mit Modernisierungsverpflichtung. Da die
Bauabnahme erst am 14.09.2002 erfolgt sei, sei naheliegend, dass das Objekt
erst deutlich nach dem 17.12.2001 fertig gestellt worden sei. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH könne im Falle des Erwerbs eines teilfertigen Gebäudes
auch für die vom Erwerber übernommenen Herstellungskosten des Bauherrn und
Veräußerers Investitionszulage gewährt werden, ungeachtet dessen, ob es sich für
den Erwerber insoweit um Anschaffungskosten des noch nicht fertiggestellten
Gebäudes im Sinne des Einkommensteuerrechts handele. Darüber hinaus habe
die Klägerin den Verkäufer auf Grund des notariellen Kaufangebotes wirtschaftlich
vom Verkaufserlös bei Verkauf an einen Dritten ausschließen können; sie sei somit
als wirtschaftliche Eigentümerin anzusehen. Die Tatsache, dass auch der
Verkäufer eine Investitionszulage beantragt habe, sei insoweit unbeachtlich.
Wegen Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom
03.02. und 05.08.2004 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.09.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
09.12.2003 aufzuheben und eine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält auch im gerichtlichen Verfahren daran fest, dass die
Voraussetzungen für eine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 nicht erfüllt
seien. Gemäß § 3 des notariellen Kaufvertrages vom 17.12.2001 sei das
Bauvorhaben zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits fertiggestellt
gewesen. Zur restlosen Fertigstellung fehlte lediglich noch der Einbau einer Stufe
für den Austritt aus der Wohnung in den Vordergarten. Gemäß § 6 des
Kaufvertrages habe die Klägerin das Kaufobjekt eingehend besichtigt und erklärt,
dass die Bauleistungen in ihrem vorgefundenen Zustand vertragsgerecht und
mängelfrei seien. Das Bauvorhaben werde von dem Käufer vorbehaltlich der
Regelung in § 3 abgenommen.
Im Übrigen liege eine Mitteilung des Finanzamtes W. vom 18.09.2003 vor, wonach
der Klägerin eine Investitionszulage nicht zustehe, weil nach dem rechtswirksamen
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der Klägerin eine Investitionszulage nicht zustehe, weil nach dem rechtswirksamen
Abschluss des obligatorischen Vertrages keine Herstellungsarbeiten durchgeführt
worden seien und deshalb eine gesonderte und einheitliche Feststellung der
Bemessungsgrundlage nicht in Betracht käme. Schließlich habe bereits der
Verkäufer eine Investitionszulage für die Investitionen beantragt. Eine
Investitionszulage werde dann nicht gewährt, wenn der Veräußerer oder ein
Zwischenerwerber für nachträgliche Herstellungsarbeiten an diesem Gebäude
oder für die Herstellung oder Anschaffung dieses Gebäudes Investitionszulage in
Anspruch genommen habe (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG ).
Wenn Einzelheiten dieses Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 25.03. und
05.10.2004 Bezug genommen.
Die einschlägigen Verwaltungsakten lagen dem Senat vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht keine Investitionszulage zu, da die Voraussetzungen des § 3
InvZulG 1999 nicht gegeben sind.
Einschlägig ist im vorliegenden Fall § 3 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 1999 als lexspecialis
für Anschaffungsvorgänge. Danach sind begünstigte Investitionen die Anschaffung
von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit
nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des
obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden
sind und die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen
Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung
zu Wohnzwecken dienen.
Begünstigt sein soll somit auch die Anschaffung eines Gebäudes, das vom
Veräußerer noch modernisiert wird, allerdings beschränkt auf den Teil der
Anschaffungskosten, der auf Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen
entfällt, die der Veräußerer nach dem rechtswirksamen Abschluss des
Kaufvertrages durchführt (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004, III R 41/03, BStBl II
2004, 522, unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 13/7792 S. 13 f).
Vorliegend ergibt sich jedoch aus § 3 des notariellen Vertragsangebots vom 17.
Dezember 2001, dass die zum Verkauf angebotene Wohnung und das
Gemeinschaftseigentum bereits instandgesetzt und modernisiert sind. Das
Bauvorhaben ist danach im Wesentlichen - bis auf eine Stufe für den Austritt aus
der Wohnung in den Vordergarten - fertig gestellt. In der Annahmeerklärung der
Klägerin in der notariellen Urkunde vom 14. Februar 2002 nimmt diese das
Angebot „ohne jede Einschränkung und vorbehaltlos“ an. Damit ist nicht nur § 3
des Verkaufsangebotes, sondern auch dessen § 6 vertragsgegenständlich
geworden. Nach dieser Vertragsklausel hat der Käufer den Vertragsgegenstand
eingehend besichtigt. „Er (Anmerkung: der Käufer) erklärt, dass die vom Verkäufer
im Sonder- und im Gemeinschaftseigentum erbrachten Bauleistungen in ihrem
vorgefundenen Zustand vertragsgerecht und mängelfrei sind. Das Bauvorhaben
wird hiermit von dem Käufer vorbehaltlich der Regelung in § 3 abgenommen“.
Für eine solche notarielle Urkunde besteht die Vermutung der Richtigkeit und
Vollständigkeit (Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, § 125 Textziffer 15 mit zahlreichen
Rechtsprechungsnachweisen).
Diese Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit hat die Klägerin nicht
widerlegt. Im Gegenteil spricht auch die Tatsache, dass die Wohnung bereits mit
Mietvertrag vom 03.11.2001 zum 01.01.2002 vermietet wurde, dafür, dass diese
auch fertiggestellt war. Das von der Klägerin vorgelegte Protokoll über die
Abnahmebegehung vom 14. September 2002 besagt lediglich, dass keine
erkennbaren Mängel an dem Kaufgegenstand festgestellt wurden. Dass
nachträgliche Sanierungsarbeiten noch nach dem 4. März 2002 vorgenommen
wurden, ist hieraus jedoch nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass nach Abschluss des Kaufvertrages noch die
Treppenanlage und die Außenanlagen fertig gestellt wurden, widerspricht dies dem
eindeutigen Inhalt der notariellen Urkunden.
Die von der Klägerin zitierten Urteile des Bundesfinanzhofs betreffen andere
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Die von der Klägerin zitierten Urteile des Bundesfinanzhofs betreffen andere
Fallgestaltungen: dort ging es um den Erwerb eines teilfertigen Gebäudes bzw.
eines Rohbaus und das InvZulG 1982 bzw. das BerlinFG.
Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Situation eines Erwerbs eines
noch zu renovierenden Altbaus im Rahmen eines so genannten einheitlichen
Vertragswerks berufen. In solchen Fällen führt der Erwerber selbst keine
nachträglichen Herstellungsarbeiten durch. Die vom Veräußerer bzw. von dem mit
diesem wirtschaftlich verbundenen oder beauftragten Unternehmen
durchgeführten nachträglichen Herstellungsarbeiten sind beim Erwerber vielmehr
Teil der Anschaffung des fertiggestellten Gebäudes. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG
1999 umfasst nur nachträgliche Herstellungsarbeiten. Soweit vor dem Tag des
wirtschaftlichen Übergangs Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, werden
diese nicht gefördert (Jasper/Sönksen/Rosarius, InvZulG, § 3 Textziffer 29 ff). Da
vorliegend nach Vertragsabschluss keine Erhaltungsmaßnahmen mehr
durchgeführt bzw. von der Klägerin nachgewiesen wurden, kommt es vorliegend
nicht auf die Frage an, ob insoweit eine Schlechterstellung des Erwerbers bei
einem noch zu sanierenden Gebäude gegenüber dem selbst als Sanierer
auftretenden Investor gegeben ist (vgl. hierzu Jasper/Sönksen/Rosarius, a.a.O.,
Textziffer 31).
Ob einer Investitionszulage zugunsten der Klägerin auch § 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG
entgegensteht, kann vorliegend offen bleiben. Diese Bestimmung schließt für den
Erwerber eines Gebäudes eine Investitionszulage aus, wenn außer ihm ein anderer
Anspruchsberechtigter für das veräußerte Gebäude Investitionszulage in Anspruch
genommen hat. Mit dieser Regelung soll eine doppelte Förderung desselben
Gebäudes verhindert werden (vgl. hierzu Blümich, InvZulG 1999, § 3, Tz. 21).
Ausweislich eines Vermerks des Finanzamtes B. hat die P. GmbH
Investitionszulage für das hier streitgegenständliche Objekt beantragt. Ob eine
Zulage gewährt wurde, ist nicht bekannt und kann offen bleiben, da die Klage aus
den oben genannten anderen Gründen bereits keinen Erfolg haben kann.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.