Urteil des FG Hessen vom 15.06.2010

FG Frankfurt: einkünfte, grundstück, treu und glauben, betriebsgesellschaft, vermietung, verpachtung, firma, extensive auslegung, beendigung, herstellungskosten

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 8.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1998, 1999, 2000
Aktenzeichen:
8 K 3660/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 15 Abs 3 Nr 1 EStG 1997, §
34 Abs 3 EStG 1997, § 34 Abs
2 Nr 1 EStG 1997
Betriebsaufspaltung: sachliche Verflechtung -
Gewerblichkeit der Gesamteinkünfte aufgrund der
Abfärbetheorie - keine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung der Personengesellschaft gegenüber
Einzelunternehmen - Ermittlung des
Betriebsaufgabegewinns - Grundsatz der
Abschnittsbesteuerung - Anwendung der Fünftelregelung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob in den klagebefangenen
Kalenderjahren 1998 bis 2000 eine so genannte Betriebsaufspaltung vorlag und
– sofern die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als erfüllt anzusehen
sind – welche Rechtsfolgen daran zu knüpfen sind.
Nach Aktenlage ist in der vorliegenden Gewinnfeststellungssache und in der unter
dem Aktenzeichen 8 K 3659/02 registrierten Gewerbesteuermessbetragssache
von nachfolgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Gebrüder A/B bildeten – unstreitig – in den Streitjahren eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, an der sie zu je 50 % beteiligt waren. Diese GbR hatte Teile
des Gebäudes -Straße 1 in X an die GmbH vermietet, an der sie ebenfalls je zu
50 % beteiligt waren. Gegenstand der GmbH ist im Wesentlichen der Großhandel
mit Textilien (Oberbekleidung).
Ausweislich der vorliegenden Feststellungsakte wurden die Einkünfte der GbR aus
der Vermietung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt.
Für 1998 änderte der Beklagte, das Finanzamt –FA–, den ursprünglich
erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden
Feststellungsbescheid vom 11.02.2000 unter dem 07.12.2000 dahin ab, dass die
gesamten Einkünfte in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umqualifiziert wurden. In
einem weiteren Änderungsbescheid für 1998 vom 29.01.2001 wurde ein Teil der
Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ein anderer Teil als Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung qualifiziert; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb
bestehen.
Für 1999 erging unter dem 07.12.2000 ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehender Feststellungsbescheid, in dem die Einkünfte insgesamt als Einkünfte
aus Gewerbebetrieb qualifiziert wurden. Unter dem 29.01.2001 erging dann – unter
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aus Gewerbebetrieb qualifiziert wurden. Unter dem 29.01.2001 erging dann – unter
Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung – ein Änderungsbescheid, in
dem wiederum teils gewerbliche und teils Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung zu Grunde gelegt wurden; auch in diesem Bescheid wurde der
Vorbehalt der Nachprüfung aufrechterhalten.
Für 2000 erließ das FA unter dem 21.05.2001 erstmalig einen unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid, in dem sowohl Einkünfte aus
Gewerbebetrieb als auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt
wurden.
Die entsprechenden – ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden – Gewerbesteuermessbescheide (Änderungsbescheide für 1998 und
1999) datieren für 1998 und 1999 vom 31.01.2001 und für 2000 vom 22.05.2001.
Im Sommer 1999 führte die Großbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts 1 bei der
GbR für den Zeitraum 1994 bis 1996 eine steuerliche Außenprüfung durch.
Im Betriebsprüfungsbericht vom 24.01.2000 wurde für den Prüfungszeitraum 1994
bis 1996 das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung bejaht und ausweislich Textziffer
20 aufgrund der vorliegenden Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung teilweise in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umqualifiziert. In Textziffer
21 des Bp-Berichts vom 24.01.2000 führte der Betriebsprüfer aus, dass die Firma
A/B KG mit Vertrag vom 23.03.1978 das unbebaute Grundstück in X, -Straße 1
erworben und in den Jahren 1979 und 1980 mit einem Büro- und Lagergebäude für
einen Textilgroßhandel und eine Werkstatt für Feinmechanik bebaut hat. Bauherr
war die Firma A/B KG gewesen, deren Gesellschafter Herr A (Komplementär) und
Herr B (Kommanditist) waren. Ausweislich des Mietvertrags über gewerbliche
Räume (Groß- und Einzelhandel mit Textilien) vom 21.02.1980 sind Büro- und
Lagerräume im Erdgeschoss des Gebäudes vermietet worden. Die Firma GmbH
hat nach Neubeginn zum 01.01.1979 die bisherige Geschäftstätigkeit der Firma
A/B KG übernommen. In 1982 ist die Firma A/B KG ohne Liquidation erloschen. Das
Grundvermögen der Gesellschaft ist auf die beiden Gesellschafter A und B als
Gesellschaft bürgerlichen Rechts übergegangen. Die Einzelheiten folgen aus
Sonderband Bp.
Erdgeschoss und Teile des 1. Obergeschosses sind nach wie vor an die
Firma GmbH vermietet. Der restliche Teil des 1. Obergeschosses und das 2. und
3. Obergeschoss sind fremdvermietet.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts – so der Prüfer weiter – und unter
Berücksichtigung der seit 1993 ergangenen Urteile liege zwischen der GbR A/B und
der Firma GmbH eine Betriebsaufspaltung vor.
Laut Textziffer des Berichts wurde der an die Firma GmbH vermietete Anteil mit
48,38 % der Fläche ermittelt.
Nach dem Aktenvermerk für das dem Prüfungszeitraum nachfolgende
Kalenderjahr 1997 vom 09.10.1999 lagen nach Auffassung der
Großbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts 1 teils gewerbliche Einkünfte teils
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor.
In dem Einspruchsverfahren gegen die aufgrund der Bp geänderten
Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1994 bis 1997 vom 21.03.2000 wandte sich
die GbR gegen die Prüfungsfeststellungen und trug insbesondere vor, dass das
Gebäude keinen speziellen Zuschnitt aufweise; die Lagerung der Ware erfordere
keinerlei räumliche Besonderheiten; die Waren würden auf fahrbaren
Kleiderständern und einfachen Holzregalen gelagert. Insbesondere wurde unter
Hinweis auf diverse OFD-Verfügungen die Ansicht vertreten, dass ein reines Büro- /
Verwaltungsgebäude im Allgemeinen nicht für die Bedürfnisse der
Betriebsgesellschaft gestaltet sei. Es liege keine Lagerhalle vor, sondern
gewerbliche Räume würden als Lager genutzt. Nur wegen des BFH-Urteils vom
26.05.1993 X R 78/91, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993, 718 solle nunmehr eine
Betriebsaufspaltung vorliegen.
Am 10.08.2000 wurde eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Der wesentliche Inhalt
des Vermerks über die Ortsbesichtigung vom 18.08.2000 lässt sich wie folgt
zusammenfassen:
Das Grundstück liegt im Industriegebiet. Der Einheitswert zum 01.01.1983
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Das Grundstück liegt im Industriegebiet. Der Einheitswert zum 01.01.1983
beträgt DM (Geschäftsgrundstück). Als Gebäudeart ist vom Finanzamt Lager-
und Bürogebäude angegeben worden. Die Herstellungskosten laut AfA-Tabelle
betrugen DM. Baujahr ist das Kalenderjahr 1980. Die Anschaffungskosten für
das Grundstück betrugen ca. ,-- DM. Das Erdgeschoss (1.787 m²) und Teile des
1. Obergeschosses (537 m²) werden durch die Firma GmbH genutzt. Der restliche
Teil des 1. Obergeschosses, das 2. Obergeschoss und das 3. Obergeschoss sind
fremdvermietet. Das Gebäude verfügt über zwei Treppenhäuser, je eines für den
vorderen und den hinteren Bereich des Gebäudes. In der Mitte der Halle befinden
sich drei Laderampen für LKW. Angelieferte Ware kann nach Zwischenlagerung in
dahinter liegende Stauräume über einen Lastenaufzug nach oben befördert
werden. Der Aufzug hat links und rechts Türen, so dass Ware entweder im
vorderen oder im hinteren Bereich der Halle ausgeladen werden kann. Hinter dem
Aufzugsraum befinden sich in der Mitte der Halle Stahltüren. Jedes Stockwerk kann
dadurch so abgegrenzt und aufgeteilt werden, dass der vordere und hintere
Bereich an verschiedene Parteien vermietet werden kann. Entsprechend sind für
jeden Bereich Sanitärräume (WC etc.) vorhanden. Die Hallen haben größtenteils
keine feste Raumaufteilung. Die Raumaufteilung kann von den Mietern durch
Leichtbauwände selbst vorgenommen oder geändert werden.
Unter dem Stichpunkt „Ergebnis der Besprechung“ führt das FA aus, dass die
Halle vielseitig nutzbar sei. Im Erdgeschoss seien aber die Büro- und Lagerräume
von vornherein für den Betrieb der KG vorgesehen gewesen (Hinweis auf
Baupläne in den Einheitswertakten). Laut der Einheitswerterklärung sollte das
Gebäude ab der Fertigstellung für einen Textilgroßhandel genutzt werden.
Im Anschluss an die Ortsbesichtigung fertigte das FA unter dem 25.08.2000 einen
rechtlichen Hinweis. Unter anderem wurde darin ausgeführt, dass die Firma GmbH
als Betriebsgesellschaft nicht auf die Büro- und Lagerräume verzichten könne, so
dass das Grundstück allein schon aus diesem Grund eine wesentliche
Betriebsgrundlage darstelle. Dass im Laufe der Zeit in der Halle
Umbaumaßnahmen (z. B. Schaffung zusätzlicher Lagerräume für
Musterkollektionen, Vergrößerung der Besprechungsräume zur Ausrichtung von
Modeschauen etc.) wegen Änderung interner Betriebsabläufe und Expansion des
Betriebes erforderlich waren, die Laderampe und Einfahrt nur für kleine LKW
nutzbar sein solle, ändere nichts an der Eignung des Grundstücks für den Betrieb
der GmbH, weil die GmbH seit Jahren mit den vorhandenen Gegebenheiten
ausgekommen sei.
Mit Entscheidung vom 15.11.2000 wies das Finanzamt den Einspruch wegen
Gewerbesteuermessbescheiden 1994 bis 1997 zurück. Im Wesentlichen wurde zur
Begründung angeführt, dass alle betrieblichen Tätigkeiten der GmbH auf dem
Grundstück abgewickelt würden (Büro-, Besprechungs-, Sozial-, Vorführräume für
Modeschauen, Arbeits- / Lagerflächen, Parkplätze). Es handele sich um kein reines
Bürogebäude. Klage wurde insoweit nicht erhoben.
Laut Urkunde des Notars vom 22.12.2000 schenkte Herr A seinen volljährigen
Kindern Aa und Ab je 12,5 % seines ursprünglich 50 %-igen Gesellschaftsanteils an
der GbR. Dementsprechend wurde unter dem 22.12.2000 der
„Gesellschaftsvertrag der Gebrüder A/B Grundstücksgemeinschaft GbR“ geändert.
Gemäß §§ 5 und 6 des Gesellschaftsvertrags sind zur Geschäftsführung und
Vertretung nur die Gesellschafter gemeinschaftlich berechtigt und jede
Beschlussfassung bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter.
Deshalb ging das FA – das ist zwischen den Beteiligten unstreitig – davon aus,
dass eine personelle Verflechtung zum 22.12.2000 entfallen ist. Die Einzelheiten
der vertraglichen Vereinbarung und des Aktenvermerks ergeben sich aus der
grünen Heftspange.
Aufgrund der Ende 2000 vollzogenen Beendigung der Betriebsaufspaltung forderte
der Beklagte eine baufachliche Stellungnahme in Bezug auf das Grundstück -
Straße 1 in X beim Finanzamt 2 an. Der amtliche Bausachverständige des
Finanzamts 2 führte nach Aktenlage am 18.09.2001 eine (weitere)
Ortsbesichtigung durch und erstellte zum Stichtag 22.12.2000 eine
Verkehrswertermittlung. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Verkehrswertermittlung vom 04.12.2001 Bezug genommen.
In Bezug auf das Feststellungsverfahren für das Kalenderjahr 2000 wies das
Finanzamt die Kläger unter dem 12.12.2001 darauf hin, dass aufgrund der
Aufnahme neuer Gesellschafter in die GbR seit dem 22.12.2000 keine
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Aufnahme neuer Gesellschafter in die GbR seit dem 22.12.2000 keine
Betriebsaufspaltung mehr vorliege. Damit sei gleichzeitig der Tatbestand der
Betriebsaufgabe erfüllt. Sowohl die GmbH-Anteile als auch der an die GmbH
vermietete Grundstücksanteil werde im Rahmen dieser Betriebsaufgabe in das
Privatvermögen entnommen. Der Aufgabegewinn sei zu ermitteln und unterliege
der ermäßigten Besteuerung (§§ 16 Abs. 3 und 34 des
Einkommensteuergesetzes).
Der Entnahmegewinn der Beteiligung an der GmbH wurde mit ,- DM ermittelt.
Ausgangspunkt für die Wertermittlung des Entnahmewerts sei – so das FA – der
Veräußerungspreis von DM am 12.07.2001 für die Veräußerung der GmbH-
Anteile (Buchwert ,-- DM) von Herrn A. Bezüglich Grund und Boden, Außenanlagen
und Gebäude wurde der Buchwert zum 22.12.2000 dem jeweiligen Entnahmewert
zum 22.12.2000 (jeweils in Höhe von 48,38 %) gegenübergestellt. Die Einzelheiten
folgen aus Bl….Heftspange.
Mit Schreiben vom 18.12.2001 wandten sich die steuerlichen Berater gegen die
zwischenzeitlich ergangenen Gewerbesteuermessbescheide 1998 und 1999, beide
vom 31.01.2001, gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2000 vom 22.05.2001,
gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1998 bis 1999, beide vom 29.01.2001
sowie gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 vom 21.05.2001 und
bezeichneten diesen Schriftsatz – trotz der längst abgelaufenen
Rechtsbehelfsfristen – als Einspruch. Bezug nehmend auf das BMF-Schreiben vom
18.09.2001 in BStBl I 2001, Seite 634 wurde die Nichtanwendung des BFH-Urteils
vom 23.05.2000 VIII R 11/99, BStBl II 2000, Seite 621 beantragt.
Das Finanzamt wies die steuerlichen Berater mit Schreiben vom 11.01.2002
darauf hin, dass die Einsprüche verfristet seien. Da alle Bescheide jedoch unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien, sei eine Änderung zwar
grundsätzlich möglich. Die vom steuerlichen Berater genannten Gründe
rechtfertigten aber eine Änderung nicht. Das Urteil des VIII. Senats des
Bundesfinanzhofs vom 23.05.2000 beziehe sich lediglich auf „reine“ Büro- und
Verwaltungsgebäude und sei deshalb nur auf gleichgelagerte Fälle anzuwenden.
Das Finanzamt stütze aber seine Entscheidung nicht auf das BFH-Urteil vom
23.05.2000. Darüber hinaus handele es sich im Streitfall auch nicht um ein
„reines“ Büro- und Verwaltungsgebäude, das an die GmbH vermietet sei, sondern
um ein Lager- und Bürogebäude.
Unter dem 12.02.2002 teilten die steuerlichen Berater mit, dass ihre Einsprüche
als Antrag auf Anwendung des BMF-Schreibens vom 18.09.2001 zu verstehen sei,
da es sich im Streitfall um ein reines Bürogebäude handele. Für den Fall der
Annahme einer Betriebsaufspaltung dürfe sich der mögliche Entnahmegewinn nur
auf den Zeitraum der Begründung einer Betriebsaufspaltung in 1994 bis zu deren
Beendigung Ende 2000 beziehen. Deshalb seien die Einlagewerte für 1994 zu
ermitteln.
Mit Verfügung vom 28.02.2002 lehnte das FA den Antrag auf Änderung nach § 164
Abs. 2 der Abgabenordnung der Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000
sowie der Feststellungsbescheide 1998 bis 2000 ab. Unter anderem wurde
ausgeführt, dass sich die Rechtsprechung durch das Urteil vom 23.05.2000 nicht
geändert habe, sondern lediglich bestätigt worden sei. Überdies handele es sich
nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung auch nicht um ein reines Büro- und
Verwaltungsgebäude.
Gegen diese Verfügung erhoben die steuerlichen Berater mit Schriftsatz vom
27.03.2002 Einspruch.
Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens richteten die steuerlichen Berater auch eine
Eingabe an das Bundesministerium der Finanzen, die – nachdem das Finanzamt 3
gegenüber der Oberfinanzdirektion berichtet hatte – mit Verfügung vom
01.08.2002 von der Oberfinanzdirektion abschlägig beschieden wurde. Gleichzeitig
wies die Oberfinanzdirektion das FA darauf hin, dass es sich bei dem
Besitzunternehmen um eine Personengesellschaft mit Gesamthandsvermögen
handele, bei der die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes –EStG– zur Anwendung komme. Dies bedeute, dass
alle Wirtschaftsgüter, die sich im Eigentum der Personengesellschaft befänden, zu
deren gewerblichem Betriebsvermögen gehörten und alle Einkünfte, die die
Personengesellschaft erziele, solche aus Gewerbebetrieb darstellten. Dies gelte
auch für Wirtschaftsgüter und Einkünfte, die nicht mit der Betriebsaufspaltung in
Zusammenhang stünden. Deshalb sollten die Einkünfte der GbR in vollem Umfang
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Zusammenhang stünden. Deshalb sollten die Einkünfte der GbR in vollem Umfang
als solche aus Gewerbebetrieb behandelt werden und für die unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stehenden einheitlich und gesonderten Feststellungen der
Einkünfte und Festsetzungen der einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge 1998
bis 2000 entsprechende Änderungen ergehen; bezüglich der Betriebsaufgabe
wegen der Beendigung der Betriebsaufspaltung in 2000 sei für das gesamte
Grundstück der Aufgabegewinn zu ermitteln.
Im Ergebnis hielt auch die Oberfinanzdirektion die so genannte Übergangsregelung
des BMF für nicht anwendbar.
Entsprechend der Anregung der OFD ermittelte das Finanzamt nunmehr unter
dem 06.08.2002 einen Aufgabegewinn in Höhe von insgesamt …DM. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.08.2002, Bezug genommen.
Mit Einspruchsentscheidungen, beide vom 20.09.2002, lehnte das Finanzamt den
Antrag auf Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1998 bis 2000 und der
Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 ab. Im Ergebnis wurden sämtliche
Einkünfte der GbR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert festgestellt. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidungen vom 20.09.2002 sowie auf
die Anlagen Bezug genommen.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage wegen Gewerbesteuermessbeträgen machen
die Kläger in erster Linie geltend, die Bescheide über die
Gewerbesteuermessbeträge 1998 bis 2000 seien aufzuheben, weil mangels
sachlicher Verflechtung keine Betriebsaufspaltung vorliege. Hilfsweise, für den Fall
der Annahme einer Betriebsaufspaltung, begehren sie die Änderung der
Gewerbesteuermessbescheide dahin, dass nur die aus der Vermietung an
die GmbH bezogenen Einkünfte als gewerbliche Einkünfte festgestellt werden und
bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns für das Kalenderjahr 2000 nur der
anteilige Entnahmewert für Grund und Boden, aufstehende Gebäude und
Außenanlagen angesetzt wird und Grund und Boden, aufstehende Gebäude,
Außenanlagen sowie GmbH-Anteile nicht mit den historischen Kosten, sondern mit
dem Teilwert im Zeitpunkt der erstmaligen Annahme einer Betriebsaufspaltung
bewertet werden.
In der Gewinnfeststellungssache machen die Kläger zusätzlich geltend, dass für
den Betriebsaufgabegewinn 2000 die Tarifermäßigung des § 34 EStG in Form des
halben Steuersatzes zu gewähren sei.
Sie tragen vor:
Eine sachliche Verflechtung liege im Streitfall nicht vor.
Der an die Firma GmbH vermietete Anteil der Fläche habe seit 1980 stets unter
50 % betragen; selbst zwei vorangegangene Betriebsprüfungen hätten mangels
vorliegender sachlicher Verflechtung keine Betriebsaufspaltung angenommen.
Eine sachliche Verflechtung sei selbst in Ansehung des BFH-Urteils vom
23.05.2000, BStBl II 2000, 621 und der Folgerechtsprechung nicht anzunehmen,
weil jedenfalls der X. Senat die Rechtslage bezüglich Büro- / Verwaltungs- oder
Lagergebäuden noch nicht abschließend geklärt habe.
Das Gebäude in X sei auch nicht als „wesentlich“ zu beurteilen, weil das
Grundstück weder von der Lage, dem speziellen Zuschnitt noch von der
innerbetrieblichen Angewiesenheit als wesentliche Betriebsgrundlage einzuordnen
sei.
Gegen eine sachliche Verflechtung spreche im Besonderen, dass es sich bei dem
Grundstück in X nicht um das einzige Betriebsgrundstück handele. Die GmbH
habe in Y ab 1991 ein weiteres Grundstück angemietet, das die GmbH in 1997
ersteigert habe. Damit würden nur 25 % der gesamten zur Verfügung stehenden
Fläche von der Betriebsgesellschaft genutzt.
Allein der zuvor beschriebene Umstand eines zweiten Standorts belege eine
andere Bewertung als den „Normalfall“. Die räumlich / funktionale Grundlage dürfe
nicht extensiv interpretiert werden. Eine Verlegung der in dem Gebäude
ausgeübten Verwaltungs- / Lagertätigkeit würde nicht zu einem „tiefgreifenden
Eingriff in die innerbetriebliche Struktur“ des Betriebsunternehmens führen.
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Gegen eine extensive Auslegung der Wesentlichkeitsmerkmale spreche auch, dass
gerade kein – die Betriebsaufspaltung rechtfertigender – einheitlicher gewerblicher
Betätigungswille vorliege, sondern nur ein Teil eines Gebäudes fremdüblich
vermietet sei.
Selbst wenn man eine sachliche Verflechtung unterstellen wollte, fiele der Streitfall
in den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 18.09.2001, BStBl I 2001,
634. Danach habe sich die Verwaltung schon im Steuerfestsetzungsverfahren
selbst gebunden. Das Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 01.08.2002 stünde
einer Anwendung des BMF-Schreibens im Streitfall nicht entgegen, weil eine
Scheinabgrenzung vorgenommen werde. Es liege kein trennscharfer Maßstab,
keine genaue Definition vor. Die Einordnung eines Gebäudes müsse nach den
objektiv baulichen Gegebenheiten – und nicht nach der Art der Nutzung –
vollzogen werden. Das Gebäude weise gerade nicht t1pische bauliche Kennzeichen
einer Lagerhalle auf.
Unterstellt, die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung seien erfüllt, könnte
sich das Finanzamt nicht auf die Infektionswirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
berufen. Die partielle Gewerblichkeit der Nutzungsüberlassung begründe nicht die
Gewerblichkeit der Gesamteinkünfte und auch nicht die
Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks insgesamt.
Die Vorschrift setze zwei verschiedenartige und trennbare Tätigkeiten voraus, die
im Streitfall nicht vorlägen, weil hier nur eine einheitliche, nicht teilbare entgeltliche
Nutzungsüberlassung anzunehmen sei. Es handele sich insgesamt um eine
gemischte Tätigkeit, nämlich eine teils gewerbliche, teils nicht gewerbliche
Vermietungstätigkeit. Insoweit müsse bei der Gesamtbetätigung auf den
prägenden Schwerpunkt abgestellt werden, also den Umfang der vermieteten
Fläche und die Höhe der erzielten Erträge. Danach stehe die
vermögensverwaltende Tätigkeit prägend im Vordergrund.
Bei anderer Auslegung erweise sich § 15 Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz als
verfassungswidrig. Die Verfassungsgemäßheit der Vorschrift sei seit ihrer
Einführung in 1986 heftig umstritten. So habe der IX. Senat des BFH – trotz des
klaren Gesetzeswortlauts – eine infektionsunschädliche Bagatellgrenze anerkannt.
Der I. und der IV. Senat des Bundesfinanzhofs würden den geäußerten Bedenken
an der Verfassungsgemäßheit die Erwägung entgegensetzen, es liege in der Hand
des Steuerpflichtigen, die Anwendung der Vorschrift durch eine entsprechende
vorsorgende Gestaltung – so genanntes „Auslagerungsmodell“ – zu vermeiden.
Eine Vermeidungsmöglichkeit habe aber im Streitfall nicht bestanden. Gerade erst
durch die Verschärfung des Richterrechts der Betriebsaufspaltung durch die
aktuelle Rechtsprechung sei die Besitzgesellschaft in in die Betriebsaufspaltung
„hineingewachsen“.
Insoweit werde vorsorglich die Vorlage der Rechtssache an das
Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens
beantragt.
Gehe man von einer Betriebsaufspaltung aus, seien bei der Ermittlung des
Betriebsaufgabegewinns im Veranlagungszeitraum 2000 die zum notwendigen
Betriebsvermögen der GbR als Besitzunternehmen zu rechnenden
Wirtschaftsgüter (Grundstück, Gebäude, Außenanlagen sowie die Anteile an der
Betriebsgesellschaft) mit den Teilwerten anzusetzen, die sie in dem Zeitpunkt
hatten, in dem die GbR in die Betriebsaufspaltung hineingewachsen sei.
Das Finanzamt habe im vorliegenden Fall in Würdigung der damals erkennbaren
Rechtslage zu Recht oder jeweils in rechtlich gut vertretbarer Weise für die Jahre
jedenfalls vor 1991 die Tatbestandsmerkmale einer Betriebsaufspaltung als nicht
erfüllt angesehen. Dies werde auch im Schreiben der Oberfinanzdirektion vom
01.08.2002 zum Ausdruck gebracht, wo es heißt: „Grundlage für die Beurteilung
des hier vorliegenden Sachverhalts ist – wie Sie dem Bp-Bericht vom 24.01.2000
entnehmen können – die Rechtsprechung der Jahre 1991 bis 1998.“
Dem Begehren auf Ansatz des Teilwerts könne nicht der Einwand
entgegengebracht werden, dass der Bundesfinanzhof nach eigenem
Selbstverständnis das von ihm kreierte Richterrecht der Betriebsaufspaltung nicht
als rechtsverschärfend, sondern nur als rechtskonkretisierend ansieht. Die
Rechtsfolge des Teilwertansatzes sei jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu
und Glauben geboten. Die Vermietung des Objekts durch die aus den Klägern
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und Glauben geboten. Die Vermietung des Objekts durch die aus den Klägern
gebildete GbR an die personen- und beteiligungsidentische GmbH sei dem
Finanzamt von Anfang an bekannt gewesen und die Mietverträge seien vom
Finanzamt über einen Zeitraum von fast 20 Jahren hinweg nie beanstandet
worden. Damit habe das Finanzamt einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Es
liege auch eine Disposition der Steuerpflichtigen vor, weil sie aufgrund des
nachhaltigen Verhaltens des Finanzamts darauf verzichtet hätten, die
Besteuerung der stillen Reserven des Grundstücks sowie der GmbH-Anteile durch
zeitnahe Beendigung der Betriebsaufspaltung zu minimieren.
Der Ansatz der historischen Kosten wäre zudem eine unzulässige Nachholung der
Besteuerung. Wie sich aus den Verjährungsvorschriften ergebe, dürfe eine
Besteuerung – selbst im Fall einer Steuerhinterziehung – mit Anlaufhemmung
maximal 13 Jahre zurückreichen. Der Umstand, dass sich die Verjährung nicht auf
die einzelne Besteuerungsgrundlage erstrecke, dürfe nicht zu Lasten des
Steuerpflichtigen ausschlagen. Insoweit liege eine gesetzgeberische Lücke vor,
bezüglich derer die Verjährungsvorschriften analog anzuwenden seien.
Zur Höhe des Teilwerts werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens
beantragt.
Für den Fall, dass ein Betriebsaufgabegewinn in 2000 dem Grunde nach zu
erfassen sei, müsse der halbe Steuersatz in verfassungskonformer Anwendung
des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung bis 1998 bzw. des
§ 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung ab 2001 gewährt werden.
Entsprechend der Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf (EFG 2002, 457) habe es
der Gesetzgeber grundgesetzwidrig unterlassen, die in 1999 und 2000
verwirklichten Veräußerungsvorgänge – und damit auch die diesen
gleichzustellenden Ersatztatbestände wie hier die Betriebsaufgabe – in die zum
01.01.2001 wieder eingeführte Steuersatzermäßigung einzubeziehen. Nach
ständiger Rechtsprechung sei im Feststellungsverfahren auch darüber zu befinden,
ob und in welchem Umfang es sich bei gesondert und einheitlich festzustellenden
Einkünften um begünstigte Einkünfte nach § 34 EStG handele.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor:
Eine sachliche Verflechtung liege im Streitfall vor.
Zur Finanzierung der Herstellungskosten des Gebäudes habe die Mieterin, die
Firma GmbH, der Vermieterin ein anfänglich unverzinsliches Darlehen in Höhe von
ca. 1,5 Mio. DM gewährt. Es sei hervorzuheben, dass die GmbH die angemieteten
Flächen bis zum heutigen Tage für ihre betrieblichen Zwecke nutze. Zwei
Betriebsprüfungen (1981 und 1984) hätten die Voraussetzungen für das Vorliegen
einer Betriebsaufspaltung als erfüllt angesehen, während der
Veranlagungsteilbezirk eine sachliche Verflechtung verneint habe, weil keine
besondere Herrichtung des Gebäudes angenommen worden sei. Die in 1999
durchgeführte Betriebsprüfung habe ausweislich des Betriebsprüfungsberichts eine
Betriebsaufspaltung bejaht; der Veranlagungsteilbezirk habe für den Zeitraum
1994 bis 1997 erstmals Gewerbesteuermessbescheide erlassen. Ebenso seien für
den Zeitraum 1994 bis 1997 bestandskräftige Feststellungsbescheide erlassen
worden. Der gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1994 bis 1997 erhobene
Einspruch sei mit Einspruchsentscheidung zurückgewiesen worden; auch insoweit
sei Bestandskraft eingetreten, weil keine Klage erhoben worden sei.
Eine sachliche Verflechtung habe seit Beginn der 80er-Jahre vorgelegen.
Das Gebäude sei von der A/B KG für eigene betriebliche Zwecke erworben und
bebaut worden.
Vor Fertigstellung des Gebäudes habe die KG ihre geschäftlichen Aktivitäten
eingestellt, so dass die KG keine eigenbetriebliche Nutzung vollzogen habe.
Bei der KG bzw. der GmbH handele es sich nicht um einen reinen Textilhandel; es
seien Mode entworfen und Muster hergestellt worden; die kreierte Mode sei im
Ausland hergestellt und im Inland an Großabnehmer verkauft worden; dies habe
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Ausland hergestellt und im Inland an Großabnehmer verkauft worden; dies habe
Räume für Design, Musterfertigung usw. bedingt. Die Ware sei per Luftfracht
bezogen worden, so dass der Standort X in der Nähe des Flughafens von Vorteil
gewesen sei. Für diese Zwecke sei das Grundstück erworben, das Gebäude
geplant, bebaut und – zumindest teilweise – für diese Zwecke von der
Betriebsgesellschaft genutzt worden.
Insoweit sei in rechtlicher Hinsicht anzumerken, dass es nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs gerade nicht erforderlich sei, dass es sich bei dem
Betriebsgrundstück um die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage handele; es
genüge eine wesentliche Betriebsgrundlage. Bereits nach der damaligen
höchstrichterlichen Rechtsprechung seien die Voraussetzungen einer wesentlichen
Betriebsgrundlage als erfüllt anzusehen, weil das Grundstück besonders gestaltet
und nicht nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei.
Jedenfalls liege kein reines Bürogebäude vor. Entscheidend sei vielmehr die
wirtschaftliche Bedeutung des Grundstücks für die Betriebsgesellschaft. Im
Streitfall habe das Grundstück in X die räumliche und funktionale Grundlage für
die GmbH dargestellt. Eine branchenspezifische Ausgestaltung sei nach der
Rechtsprechung des BFH hierfür nicht erforderlich.
Die Fremdvermietung eines anderen Teils des Gebäudes in X sowie der zweite
Standort des Betriebs in Y seien im Ergebnis nicht entscheidend, weil die GmbH
immerhin 31,78 % der Gesamtfläche beider Standorte nutze. Insoweit könne man
nicht mehr von einer untergeordneten Bedeutung des Wirtschaftsguts sprechen.
Das BMF-Schreiben finde schon deshalb keine Anwendung auf den Streitfall, weil
es sich gerade nicht um ein reines Bürogebäude handele. Vielmehr seien Flächen
als Büro und Lager genutzt worden; im Gebäude befinde sich ein Lastenaufzug;
ferner verfüge das Gebäude über Laderampen.
In Bezug auf die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes sei anzumerken, dass das Vorliegen von zwei
Tätigkeiten – entgegen der Ansicht der Kläger – nicht erforderlich sei. Entscheidend
sei gerade nicht, welche Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gebe, sondern
es gehe um die so genannte Abfärbetheorie.
Aufgrund diverser BFH-Entscheidungen liege auch keine Verfassungswidrigkeit vor.
Die GbR sei auch nicht durch eine verschärfte Rechtsprechung in die
Betriebsaufspaltung hineingewachsen.
Hinsichtlich der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns habe das Finanzamt 2 2
zu Recht die ursprünglichen Anschaffungs- / Herstellungskosten angesetzt. Die
Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung hätten von Anfang an vorgelegen,
seien vom Finanzamt nur rechtsfehlerhaft nicht erkannt worden. Die Frage des
Vertrauensschutzes wegen der Änderung einer Rechtsprechung stelle sich nicht;
es gelte das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Auch sei keine rechtsverbindliche
Zusage erteilt worden. Bei dem Ansatz der historischen Anschaffungs- /
Herstellungskosten handele es sich nicht um eine unzulässige Nachholung der
Besteuerung. Die Bestandskraft der Veranlagungen bzw. Feststellungen für
frühere Zeiträume stünde dem Ansatz der historischen Kosten nicht entgegen,
weil die Entwicklung des Verkehrswerts des Grundstücks – und damit
gegebenenfalls ein Zuwachs an stillen Reserven – in die Ermittlung der Einkünfte
aus Vermietung und Verpachtung nicht einfließe und deshalb von der
Bestandskraftwirkung nicht erfasst werde.
Der Verkehrswert im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung sei durch
einen amtlichen Bausachverständigen beurteilt worden.
Die Ermittlung des Teilwerts der Beteiligung an der GmbH sei aus dem
Anteilsverkauf vom 12.07.2001 abgeleitet worden.
Der halbe Steuersatz sei für den Betriebsaufgabegewinn des Kalenderjahres 2000
nicht anwendbar, weil das Einkommensteuergesetz in der für das Kalenderjahr
2000 gültigen Fassung eine entsprechende Regelung gerade nicht vorsah.
Überdies habe der Bundesfinanzhof in der Entscheidung BFH/NV 2002, 1568 keine
ernstlichen Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 34 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes geäußert. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs bestehe ein weitreichender Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers. Überdies müssten die Regelungen der Steuerermäßigung vor dem
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Gesetzgebers. Überdies müssten die Regelungen der Steuerermäßigung vor dem
Hintergrund gesehen werden, dass damals das System der Besteuerung von
Körperschaften grundlegend geändert worden sei.
Zur Unterstützung seiner Auffassung hat das Finanzamt den
Grundstückskaufvertrag vom 23.03.1978, zwei Bauzeichnungen, die
Verkehrswertermittlung für das Grundstück vom 04.12.2001 sowie die erwähnte
Anteilsübertragung vom 12.07.2001 beigefügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Dem erkennenden Senat haben 6 Bände Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Der Beklagte hat zu Recht in den angefochtenen Feststellungsbescheiden die
Einkünfte aus der Verpachtung des Grundstücks -Straße 1, X, durch die Kläger an
die GmbH als gewerbliche Einkünfte – und nicht als Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung – qualifiziert, denn die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung
sind im Streitfall erfüllt.
Grundsätzlich stellt die bloße Vermietung oder Verpachtung von beweglichen und
unbeweglichen Wirtschaftsgütern keinen Gewerbebetrieb dar, sondern vollzieht
sich in der Regel im Rahmen einer Vermögensverwaltung (vgl. § 9
Gewerbesteuerdurchführungsverordnung und ab dem 01.01.1977 § 14 Satz 3 AO).
Etwas anderes gilt jedoch für die Vermietung und Verpachtung von
Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Hier geht die
Verpachtung bzw. Vermietung über den Rahmen einer bloßen
Vermögensverwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den
wesentlichen Grundlagen des pachtenden Betriebsunternehmens gehören
(sachliche Verflechtung) und zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen enge
personelle Verflechtungen bestehen.
Liegen die Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vor, so
handelt es sich um eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung. Das
Besitzunternehmen ist in diesem Fall ein Gewerbebetrieb (vgl. den grundlegenden
Beschluss des BFH vom 08.11.1971 GrS 2/71, BStBl II 1972, 63).
An dieser Rechtsprechung hat der BFH auch nach Aufgabe der so genannten
Geprägerechtsprechung in seinem Beschluss vom 25.06.1984 (GrS 4/82, BStBl II
1984, 751) festgehalten (vgl. BFH-Urteile vom 12.11.1985 VIII R 240/81, BStBl II
1986, 296; vom 18.02.1986 VIII R 125/85, BStBl II 1986, 611). Die Rechtsprechung
des BFH zur Betriebsaufspaltung und die Fortentwicklung derselben verstößt auch
nicht gegen Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 12.03.1985 1 BvR 571/81 u. a., BStBl II
1985, 475 im Anschluss an den Beschluss des BVerfG vom 14.01.1969
1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389).
1. Im Streitfall sind die Beteiligten übereinstimmend – und zu Recht – vom
Vorhandensein einer personellen Verflechtung ausgegangen, denn an der
Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft, der GmbH, waren beide Kläger in
den Streitjahren je zur Hälfte beteiligt.
2. Entgegen der Ansicht der Kläger liegt im Streitfall auch eine sachliche
Verflechtung vor.
a)Eine sachliche Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung erfordert die
unmittelbare Überlassung materieller oder immaterieller Wirtschaftsgüter an die
Betriebsgesellschaft, was auf schuldrechtlicher oder dinglicher Grundlage
geschehen kann. Das überlassene Wirtschaftsgut muss für die
Betriebsgesellschaft eine ihrer wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, das
heißt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zur Erreichung des Betriebszwecks
erforderlich sein und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (Wacker
in Schmidt, EStG, 29. Auflage 2010, § 15 Rdnr. 808 mit zahlreichen BFH-
Rechtsprechungsnachweisen).
Das eine wesentliche Betriebsgrundlage und damit die sachliche Verflechtung
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Das eine wesentliche Betriebsgrundlage und damit die sachliche Verflechtung
begründende besondere Gewicht des vermieteten / verpachteten Grundstücks hat
der X. Senat des BFH in zahlreichen Urteilen dahingehend umschrieben, dass das
Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer
Bedeutung ist (BFH, Urteil vom 24.10.2001 X R 118/98, BFH/NV 2002, 1130, 1131
unter 2. a) mit weiteren Nachweisen). Von dieser Rechtsprechung gehen auch die
übrigen Ertragsteuersenate aus (BFH, Urteile vom 04.11.1992 XI R 1/92, BStBl II
1993, 245; vom 19.07.1994 VIII R 75/93, BFH/NV 1995, 597; vom 27.08.1998
III R 96/96, BFH/NV 1999, 758 und Beschluss vom 03.04.2001 IV B 111/00, BFH/NV
2001, 1252).
Danach ist eine wirtschaftliche Bedeutung insbesondere dann anzunehmen, wenn
das Betriebsunternehmen in seiner Betriebsführung auf das ihm zur Nutzung
überlassene Grundstück angewiesen ist, weil
Übereinstimmung besteht in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weiter
dahin, dass auch Büro-, Verwaltungs- und Lagergebäude – sowohl bei Fabrikations-
als auch bei Dienstleistungsunternehmen – eine wesentliche Betriebsgrundlage
sein können, wenn ein Gebäude zum Zwecke der büro- und verwaltungsmäßigen
Nutzung an die Betriebsgesellschaft vermietet wird, für deren Zwecke es
hergerichtet oder gestaltet worden ist. Dabei spielt es nach zutreffender Ansicht
aller BFH-Senate keine Rolle, ob das Grundstück bzw. die Baulichkeiten auch von
anderen Unternehmen genutzt werden können (BFH, Urteil vom 24.10.2001,
a. a. O., 1132 mit weiteren Nachweisen). Ob das Gebäude eine wirtschaftliche
Bedeutung für das Betriebsunternehmen hat, ist nach dem Gesamtbild der
Eingliederung des Grundstücks in die innere Struktur des jeweiligen
Betriebsunternehmens zu beurteilen (so bereits BFH, Urteil vom 26.05.1993
X R 78/91, a. a. O.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat
anschließt, liegt im Streitfall eine sachliche Verflechtung vor.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse war das Grundstück -Straße 1 in X für die
Erreichung des Betriebszwecks der GmbH schon deshalb erforderlich, weil alle
betrieblichen Aktivitäten der Betriebsgesellschaft – über rund zwei Jahrzehnte – auf
diesem Grundstück bzw. im angemieteten Teil des Gebäudes entfaltet worden
sind.
Entgegen der Ansicht der Kläger hat das Grundstück auch besonderes Gewicht für
die Betriebsführung der Betriebsgesellschaft.
So ist zunächst zu berücksichtigen, dass das streitige Grundstück – wie der
Bausachverständige des Finanzamts 2 unstreitig festgestellt hat – über eine gute
Verkehrsanbindung verfügt, weil der Autobahnanschluss nur 1,5 km entfernt liegt.
Auf eine gute Verkehrsanbindung war (und ist) die GmbH – auch wenn die
Betriebsführung durch die Lage des Grundstücks nicht bestimmt wird – als
Großhandelsunternehmen der Textilbranche angewiesen.
Ferner ist nach der Rechtsprechung des BFH bei einem unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang zwischen der Errichtung des Betriebsgebäudes, der Vermietung
und der Aufnahme des Betriebs in diesem Gebäude regelmäßig davon
auszugehen, dass das Gebäude durch seine Gliederung oder sonstige Bauart
dauernd für den Betrieb eingerichtet oder nach Lage, Größe und Grundriss auf den
Betrieb zugeschnitten ist (BFH, Urteil vom 17.09.1992 IV R 49/91, BFH/NV 1993, 95
ff., 96 rechte Spalte mit weiteren Nachweisen).
Ein entsprechender zeitlicher Zusammenhang liegt hier vor, denn die Firma A/B
KG, deren Gesellschafter ebenfalls die beiden Kläger waren, hat das Grundstück
Ende März 1978 erworben, in 1979 und 1980 mit einem Büro- und Lagergebäude
sowie einer Werkstatt für Feinmechanik bebaut und bereits Ende Februar 1980 an
die Betriebsgesellschaft, die GmbH, vermietet, die nach Aktenlage schon zum
01.01.1979 die bisherige Geschäftstätigkeit der A/B KG übernommen hatte.
Weiter ist hervorzuheben, dass die Betriebsgesellschaft ab dem Beginn der
Nutzung des Gebäudes in 1980 – bezogen auf den Standort X – alle geschäftlichen
Aktivitäten zur Verwirklichung ihres Betriebszwecks auf dem Grundstück bzw. im
angemieteten Teil des Gebäudes entfaltet hat. Soweit das Finanzamt im
Anschluss an eine (erste) Ortsbesichtigung im Rahmen eines rechtlichen
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Anschluss an eine (erste) Ortsbesichtigung im Rahmen eines rechtlichen
Hinweises im August 2000 – unwidersprochen – ausgeführt hat, die im Laufe der
Zeit verrichteten Umbaumaßnahmen – Schaffung zusätzlicher Lagerräume für
Musterkollektionen, Vergrößerung der Besprechungsräume zur Ausrichtung von
Modeschauen, Veränderung der vorhandenen Laderampen – änderten nichts an
der Eignung des Grundstücks für den Betrieb der GmbH, ist dem nicht nur
beizupflichten, sondern darüber hinaus zu betonen, dass das Grundstück und das
Gebäude durch diese Umbaumaßnahmen den sich weiterentwickelnden
betrieblichen Zwecken der Betriebsgesellschaft fortlaufend angepasst worden sind.
Danach war das Grundstück für die Zwecke der GmbH besonders gestaltet und
bildete in den Streitjahren die räumlich-funktionale Grundlage des Betriebs.
Entgegen der Ansicht der Kläger führt auch der Umstand, dass die GmbH in 1997
einen weiteren Standort in Y gegründet hat, zu keiner anderen Beurteilung. Denn
in der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, ist anerkannt,
einer
auch ausreichend ist (BFH, Urteil vom 17.11.1992 VIII R 36/91, BStBl II 1993, 233
ff.; ebenso: Wacker in Schmidt, a. a. O.).
Aus der Begründung eines weiteren Standorts der GmbH in Y und der Anmietung
von lediglich knapp 50 % der Gesamtnutzfläche am Standort X folgt auch keine
quantitative Ausnahme vom Vorliegen einer wesentlichen Betriebsgrundlage (vgl.
hierzu: Wacker in Schmidt, a. a. O., § 15 Rdnr. 812). Bei der Größe der durch
die GmbH in X angemieteten Fläche – gut 2.300 m² –, der Ausstattung von
Grundstück und Gebäude – 3 LKW-Rampen, Lastenaufzug – und einer Nutzung der
Gesamtfläche beider Standorte in einem Umfang von immerhin rund 25 % kann
nicht davon ausgegangen werden, dass die angemieteten Flächen in X nur geringe
wirtschaftliche Bedeutung hatten oder „entbehrlich“ waren.
Danach ist festzuhalten, dass das Grundstück in X besonderes Gewicht für die
Betriebsführung der GmbH hatte und damit eine wesentliche Betriebsgrundlage
darstellt. Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, so dass die Voraussetzungen
einer Betriebsaufspaltung erfüllt sind.
3. Entgegen der Ansicht der Kläger fällt der Streitfall auch nicht in den
Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 18.09.2001, BStBl I 2001, 634.
Danach werden unter anderem in Fällen, in denen nur deshalb eine
Betriebsaufspaltung vorliegt, weil die Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils
vom 23.05.2000 VIII R 11/99, BStBl II 2000, 621 f. zu einer Änderung der vorherigen
Verwaltungspraxis geführt hat, die steuerlichen Konsequenzen aus der
Betriebsaufspaltung auf Antrag erst für die Zeit nach dem 31.12.2001 gezogen.
Der VIII. Senat des BFH hatte in dem vorgenannten Urteil entschieden, dass ein
Büro- und Verwaltungsgebäude jedenfalls dann eine wesentliche
Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur
Betriebsaufspaltung ist, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage der
Betriebsgesellschaft bildet.
Im Streitfall ist das BMF-Schreiben schon deshalb nicht anzuwenden, weil es sich
nicht um ein (reines) Büro- und Verwaltungsgebäude handelt. Nach der
Rechtsprechung des X. Senat des BFH dient ein (reines) Büro- und
ausschließlichen
Nutzung (BFH, Urteil vom 02.04.1997 X R 21/93, BStBl II 1997, 565 ff., 566 unter 2.
d)). Davon kann aufgrund des Zuschnitts des Gebäudes auf die betrieblichen
Belange der GmbH, der durchgeführten Umbaumaßnahmen und insbesondere
der oben unter 2. b) dargestellten – weitreichenden – Nutzung des Gebäudes
durch die Betriebsgesellschaft keine Rede sein. Die in diesem Zusammenhang von
den Klägern befürwortete Einordnung des Gebäudes nach den baulichen
Gegebenheiten widerspricht der BFH-Rechtsprechung, denn diese wird maßgeblich
– wie oben dargelegt – durch die Nutzung des Gebäudes durch die
Betriebsgesellschaft bestimmt.
Darüber hinaus hat eine Anwendung des BFH-Urteils vom 23.05.2000 gerade nicht
zu einer Annahme einer Betriebsaufspaltung und damit zu einer Änderung der
vorherigen Verwaltungspraxis geführt. Der Beklagte hatte – völlig zu Recht – die
Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung bereits für 1994 bis 1997 als erfüllt
angesehen und für diesen Zeitraum (bestandskräftige)
Gewerbesteuermessbescheide erlassen.
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II. Die Hilfsanträge zu 1. bis 3. sind unbegründet.
1. Die durch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung
bedingte partielle Gewerblichkeit der Nutzungsüberlassung führt aufgrund von § 15
Abs. 3 Nr. 1 EStG zur Gewerblichkeit der Gesamteinkünfte der Kläger und
begründet die Betriebsvermögenseigenschaft des Grundstücks insgesamt.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt in vollem Umfang als Gewerbebetrieb die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer offenen
Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen
Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 bezieht.
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung – wie oben
dargelegt – vor, so dass sich die Überlassung des Grundstücks -Straße 1 und der
Teilfläche des Gebäudes als gewerbliche Tätigkeit darstellt. Deshalb gilt die
Tätigkeit der Kläger in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.
Die von den Klägern vertretene Auslegung der Vorschrift entspricht nicht der
höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insbesondere führt die gesetzliche Fiktion
eines Gewerbebetriebs nicht zur Verletzung verfassungsmäßiger Rechte.
Wie der Bundesfinanzhof mehrfach entschieden hat, führt die Regelung des § 15
Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der
Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen, denn der Eintritt der
Abfärbewirkung kann durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine
personenidentische zweite Gesellschaft vermieden werden. Die unterschiedliche
Behandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist sachlich
gerechtfertigt. Das Steuerrecht folgt nämlich den gesellschaftsrechtlichen
Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, dass Personengesellschaften nur eine
einheitliche Tätigkeit ausüben können und dass diese insgesamt als kaufmännisch
anzusehen ist, wenn diese Voraussetzungen auch nur partiell erfüllt sind. Nur bei
einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Tätigkeit greift die umqualifizierende
Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein (BFH, Urteil vom 29.11.2001
IV R 91/99, BStBl II 2002, 221 ff., 224 unter 3. b) cc) mit zahlreichen weiteren
Nachweisen).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
bestätigt und bei der gleichheitsrechtlichen Abwägung insbesondere
berücksichtigt, inwieweit den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen
verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen. Dabei hat
das Bundesverfassungsgericht vor allem das praktische Bedürfnis einer klaren
Zuordnung der Einkünfte einer Personengesellschaft als sachlichen
Differenzierungsgrund angesehen. Steuerpflichtige werden zur Vermeidung der
Rechtsfolgen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf alternative Sachverhaltsgestaltungen
– wie z. B. die Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine gegebenenfalls
personenidentische Gesellschaft – verwiesen. Zudem hat das
ausdrücklich
auch in solchen Fällen gilt, in denen erst die Grundsätze zur Betriebsaufspaltung
zur möglichen Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führen (BVerfG, Beschluss
vom 26.10.2004 2 BvR 246/98, FR 2005, 139, 140). Auch der 1. Senat des
Bundesverfassungsgerichts hält die Abfärberegelung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
für verfassungskonform (BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008 1 BvL 2/04, DB 2008,
1243 ff., 1246 ff. mit ausführlicher Begründung).
Im Streitfall konnten die Kläger – entgegen der Ansicht der
Prozessbevollmächtigten – die drohende Erstreckung der Gewerbesteuer auf
Einkünfte aus anderen Einkunftsarten und die entsprechende Verstrickung der
dazugehörigen Vermögenswerte weitgehend risikolos und ohne größeren Aufwand
durch Gründung einer zweiten personenidentischen Gesellschaft vermeiden.
Unabhängig von der zuvor dargestellten Ausweichmöglichkeit hätten die nach
Aktenlage stets steuerlich vertretenen Kläger durch eine frühere als erst Ende
2000 durchgeführte personelle Entflechtung die Rechtsfolgen der Abfärberegelung
vermeiden können, zumal hierzu durch die unterschiedlichen Rechtsansichten der
Betriebsprüfung und des Veranlagungsteilbezirks sowie der sich fortentwickelnden
höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichende Veranlassung bestand.
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Eine Vorlage des Streitfalles an das Bundesverfassungsgericht – wie von den
Prozessbevollmächtigten beantragt – kommt bei dieser Sach- und Rechtslage
nicht in Betracht.
2. Bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns im Veranlagungszeitraum 2000
sind die zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens zu
rechnenden Wirtschaftsgüter nicht mit den Teilwerten anzusetzen, die sie in dem
Zeitpunkt hatten, in dem die Besitzgesellschaft in die Betriebsaufspaltung
hineinwuchs, sondern – wie geschehen – mit den ursprünglichen Anschaffungs-
bzw. Herstellungskosten.
Hat ein Gewerbetreibender von Beginn seiner Tätigkeit an keine Bilanzen
aufgestellt und kann mit steuerlicher Wirkung auch rückwirkend bis zum
Eröffnungszeitpunkt keine Bilanzaufstellung mehr erfolgen, ist auf den Beginn des
ersten noch offenen Jahres eine Anfangsbilanz aufzustellen. In dieser Bilanz sind
die zu erfassenden Wirtschaftsgüter nach der Rechtsprechung des IV. Senats des
Bundesfinanzhofs, der der erkennende Senat folgt, mit den Werten anzusetzen,
die sich bei ordnungsgemäßer Fortführung einer gedachten Eröffnungsbilanz
ergeben hätten (BFH, Urteil vom 30.10.1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578 ff.).
Das kann allerdings nicht aus den Grundsätzen zur Bilanzberichtigung entnommen
werden, denn sie folgen zum Teil auch aus dem formellen Bilanzzusammenhang,
an dem es aber fehlt, wenn der Zusammenhang mangels einer Schlussbilanz des
Vorjahres durchbrochen ist oder noch nie bestanden hat. Besteht aber in Fällen
der Bilanzberichtigung keine Bindung an fehlerhafte vorangegangene
Bilanzansätze, ist ein Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, mit dem es bei
von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Nichts anderes kann
für den – vorliegenden – Fall gelten, in dem eine Bilanz nicht nachträglich durch
Einbuchung eines Wirtschaftsguts korrigiert, sondern überhaupt erstmalig
aufgestellt wird (BFH, a. a. O., 579 unter 3. mit weiteren Nachweisen; ebenso:
Schoor, Bilanzierung bei zunächst nicht erkannter Betriebsaufspaltung, Die
steuerliche Betriebsprüfung 2002, 208 ff., 210 und Kempermann, Aktuelle
Entwicklungen bei der Betriebsaufspaltung, NWB Fach 3, Seite 12501 ff., 12507;
andere Ansicht: Wacker in Schmidt, EStG, 29. Auflage 2010, § 15 Rdnr. 865 a. E.
unter Hinweis auf die Kommentierung in der 23. Auflage 2004).
Aus der Tatsache, dass die beklagte Behörde den Sachverhalt trotz der
durchgeführten Betriebsprüfungen in der Vergangenheit unzutreffend gewürdigt
hat, folgt kein Vertrauensschutz mit der Folge, dass entsprechend der Auffassung
der Kläger die Teilwerte des verpachteten Grundstücks zum 01.01.1994
anzusetzen wären. Denn nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung
– hierauf hat der Beklagte zu Recht verwiesen – hat das Finanzamt in jedem
Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich
zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss zum
frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben werden. Dies gilt selbst dann, wenn die
frühere Auffassung in einem Betriebsprüfungsbericht niedergelegt oder über eine
längere Zeitspanne vertreten worden ist. Eine Bindung an eine bisherige
(unrichtige) Rechtsauffassung tritt auch nicht dadurch ein, dass der
Steuerpflichtige auf deren Fortbestand vertraut und in diesem Vertrauen
Dispositionen getroffen hat (BFH, a. a. O., 579 unter 2. mit weiteren Nachweisen).
Im Streitfall hat der Beklagte zu Recht die ursprünglichen Anschaffungs- und
Herstellungskosten (von Grundstück, Gebäude, Außenanlagen und Anteile an der
Betriebsgesellschaft) in Ansatz gebracht. Insoweit sind die durch den amtlichen
Bausachverständigen zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung
ermittelten Werte ebenso wenig konkret beanstandet worden wie die Ableitung des
Werts der Anteile an der Betriebsgesellschaft aus dem im Sommer 2001 erfolgten
Verkauf.
Eine Bindung des Finanzamts nach Treu und Glauben aufgrund einer erteilten
Zusage oder der Schaffung eines anderen Vertrauenstatbestands ist nicht
ersichtlich. Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist durch die Vorlage der
Mietverträge und deren Nichtbeanstandung durch das Finanzamt kein
Vertrauenstatbestand geschaffen worden.
3. Auf den Betriebsaufgabegewinn 2000 ist auch nicht in verfassungskonformer
Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung bis 1998 bzw. des § 34
Abs. 3 EStG in der Fassung ab 2001 der halbe Steuersatz, sondern die so
genannte Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG in der Fassung des
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genannte Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG in der Fassung des
Steuerentlastungsgesetzes 1999, 2000, 2002 anzuwenden.
Insoweit bestehen schon deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die
personelle Entflechtung, und damit die Beendigung der Betriebsaufspaltung,
unstreitig erst im Dezember 2000, also nach dem Zeitraum erfolgt ist (Anfang
1999), der von einem Rückwirkungsverbot erfasst sein könnte (vgl. hierzu: BFH,
Urteil vom 06.12.2006 X R 22/06, BFH/NV 2007, 442 ff.; BFH, Beschluss vom
10.07.2002 XI B 68/02, BFH/NV 2002, 1568 ff.). Die Vorlagebeschlüsse des
XI. Senats des Bundesfinanzhofs (vom 06.11.2002 XI R 42/01, BStBl II 2003, 257 ff.;
vom 02.08.2006 XI R 34/02, BFH/NV 2006, 2184 ff. und vom 02.08.2006 XI R 30/03,
BFH/NV 2006, 2191 ff.) sind nicht einschlägig.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
IV. Entsprechend dem Antrag der Kläger war die Revision nach Maßgabe von § 115
Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
Zum einen ist das BFH-Urteil vom 30.10.1997 IV R 76/96 (a. a. O.) im Schrifttum
nicht unbestritten geblieben. Es ist fraglich, über welchen Zeitraum das Finanzamt
eine als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung korrigieren darf und auf welchen
Zeitpunkt ein Teilwert zu ermitteln wäre. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich
die Rechtsprechung des BFH durch das Urteil in Bundessteuerblatt II 1993, 718 ff.
nach Auffassung des erkennenden Senats nicht verschärft, sondern lediglich
konkretisiert hat. Zum anderen ist nicht eindeutig, ob der Ansatz eines Teilwerts
überhaupt in dem vorliegenden Steuerfestsetzungsverfahren oder in einem
Billigkeitsverfahren nach Maßgabe von § 163 AO (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1997
IV R 76/96, a. a. O., 579 unter 2. b) mittlere Spalte) vorzunehmen wäre.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.