Urteil des FG Hessen vom 30.06.2006

FG Frankfurt: medizinische betreuung, körperliche untersuchung, pflegebedürftigkeit, wiedereinsetzung in den vorigen stand, firma, eugh, steuerbefreiung, allgemeine vertragsbedingungen, gutachter

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2001, 2000, 1999,
1998, 1997
Aktenzeichen:
6 K 1521/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 UStG 1999, Art 13 Teil A
EWGRL 388/77, § 4 UStG 1993
(Keine Umsatzsteuerbefreiung bei der Erstellung von
Gutachten für die Pflegeversicherung)
Tatbestand
Streitig ist, ob die vom Kläger aus seiner Tätigkeit als Gutachter für die Firma A
erzielten Einnahmen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind.
Der Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin. Neben seiner Praxis übt er verschiedene
Nebentätigkeiten aus. Dabei erstellt er u. a. im Auftrag der Firma A Gutachten zur
Einstufung pflegebedürftiger Menschen in Pflegestufen für Zwecke der
Pflegeversicherung. Die Einnahmen hieraus betrugen 106.848,00 DM (1997),
100.756,-- DM (1998), 78.060,00 DM (1999), 67.603,00 DM (2000) sowie
16.440,00 DM (2001). Außerdem erbrachte der Kläger betriebswirtschaftliche
Beratungsleistungen gegenüber der Firma B sowie Betreuungsleistungen für
Neukunden gegenüber der Firma C und führte sog. Fallbeobachtungen für D
durch. Hieraus erzielte er Einnahmen in Höhe von 10.995,-- DM (1997), 6.932,--
DM (1998), 11.737,-- DM (1999), 6.667,-- DM (2000) und 6.637,-- DM (2001).
Für die Streitjahre 1997 - 2000 gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärungen ab.
In der am 28.02.2003 abgegebenen Umsatzsteuererklärung 2001 erklärte er zwar
steuerpflichtige Umsätze von 74.869,-- DM, die streitgegenständlichen Umsätze
aus den o. g. Nebentätigkeiten waren darin jedoch nicht enthalten.
Das FA führte vom 15.09.2003 bis zum 15.12.2003 eine Betriebsprüfung durch.
Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger aus seinen o. g.
Nebentätigkeiten erzielten Einnahmen nicht steuerfrei seien. Die Umsätze aus den
für die Firma A erstellten Gutachten - von denen sich ein Frau S. betreffendes in
den Akten (Bl. 7 - 15 Sonderband Betriebsprüfung) befindet - fielen auch nicht
unter die im Erlass des BMF vom 13.02.2001 getroffene Regelung hinsichtlich der
Anwendung des EuGH-Urteils vom 14.09.2000 in der Rechtssache C-384/98 (Tz
12a des Bp-Berichtes vom 07.01.2004).
Das FA erließ hierauf unter dem 20.04.2004 erstmalige Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 1997 - 2000 und einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das
Jahr 2001. Mit seinem dagegen eingelegten Einspruch machte der Kläger die
Umsatzsteuerfreiheit der Vergütungen für die bis zum 08.03.2001 erstellten
Pflegegutachten geltend und brachte vor, die Einnahmen aus der Tätigkeit für die
Firma B, D und die Firma C lägen innerhalb der Grenzen für die
Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte der Prozessbevollmächtigte ein vom
Kläger im Jahr 2004 erstelltes "Zweitgutachten nach Einwendungen gegen ein
Vorgutachten" vor und fügte die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen
zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des
Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien - BRI - ) bei. In diesen ist auf S. 9
unter B "Aufgaben des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK)
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unter B "Aufgaben des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK)
festgelegt, dass die wichtigste Aufgabe des MDK in der Pflegeversicherung die
Feststellung der Pflegebedürftigkeit sei und der MDK den Pflegekassen darüber
hinaus "Vorschläge über Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation und Art
und Umfang von Pflegeleistungen zu unterbreiten sowie einen individuellen
Pflegeplan zu empfehlen hat". Am 22.03.2005 übersandte der
Prozessbevollmächtigte eine Kopie der sog. Begutachtungsanleitung (Bl. 72 - 100
Sonderband "Einsprüche"), die bei der Anfertigung von Gutachten für die Firma A
zu beachten ist. Darin finden sich unter Tz 1.1. "Anforderungen an ein Gutachten"
folgende Aussagen:
"Die A GmbH vermittelt im Auftrag der privaten Pflegeversicherungen
Sachverständige, die auf der Grundlage eines Besuches im häuslichen Bereich
oder in stationären Pflegeeinrichtungen, Gutachten zur Pflegebedürftigkeit im
Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes bei privat versicherten Antragstellern
durchführen.
Diese Gutachten sind die Voraussetzungen für eine Leistungsentscheidung der
Versicherer. Ihre Aufgabe als sachverständiger Gutachter besteht dabei in der
ausführlichen Darstellung aller relevanten Sachverhalte, die dem jeweiligen
Versicherer diese Entscheidung ermöglicht und für ihn eine entsprechende
Argumentationsgrundlage bildet…Ein Sachverständiger erfüllt seine Aufgabe nur,
wenn es ihm gelingt, ein vollständiges Bild der individuellen Pflegesituation eines
Antragstellers, seiner krankheits- und behinderungsbedingten Fähigkeitsstörungen
und des daraus resultierenden Hilfebedarfs im Ablauf des täglichen Lebens wie
auch seiner noch vorhandenen Ressourcen und Selbständigkeiten
wiederzugeben".
Nach Tz. 3 der Anweisung enthalten die zu erstellenden Gutachten folgenden
Gliederungspunkte:
I. Derzeitige Betreuungs- und Versorgungssituation
II. Pflegerelevante Unterlagen und Anamnese
III. Gutachterliche Befunde
IV. Bestimmung der Pflegebedürftigkeit
V. Ergebnis
VI. Stellungnahme zum weiteren Verlauf
VII. Empfehlung zur Verbesserung der Pflegesituation
VIII. Allgemeine Bemerkungen
Mit der Einspruchsentscheidung vom 26.04.2005 wies das FA den Einspruch als
unbegründet zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die vom
Kläger gefertigten Gutachten zur Einstufung in Pflegestufen nicht der
Behandlungspflege, sondern lediglich der Feststellung des zeitlichen und
finanziellen Aufwandes zur Abdeckung der Grundpflege eines Menschen dienten.
Die im Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durchzuführende
Begutachtung nach § 18 SGB XI betreffe die Art und den Umfang der
erforderlichen Grundpflege (Körperpflege, Zubereitung und Aufnahme der
Nahrung, An- und Auskleiden, Aufstehen und Zubettgehen sowie die
hauswirtschaftliche Versorgung). Da die Gutachten anhand eines von der Firma A
vorgegebenen Fragebogens erstellt und hierzu Auskünfte von den versicherten
Personen selbst, den Angehörigen und/oder den Pflegepersonen eingeholt würden,
entspreche das Verfahren dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 28.06.2000
zugrunde liege. Die streitgegenständlichen Umsätze seien auch nicht aufgrund der
bis März 2001 gültigen Verwaltungsregelung in Abschnitt 80 Abs. 3 UStR
steuerfrei. Ärztliche Gutachten seien auch vor diesem Zeitpunkt bereits
umsatzsteuerpflichtig gewesen, wenn sie nicht unter den Begriff "Ausübung der
Heilkunde" subsumiert werden konnten. Es reiche nicht aus, dass ein Arzt eine
Tätigkeit ausübe, für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG müsse es sich um
eine Tätigkeit der Heilkunde handeln (BFH-Urteil vom 26.05.1977 V R 95/86, BStBl
II 1977, 879).
Mit seiner Klage vom 30.05.2005 verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzinteresse
weiter und trägt zur Begründung im Einzelnen vor:
a) Die von ihm angefertigten Gutachten seien zwar Entscheidungsgrundlage der
Versicherung, darüber hinaus erbringe er aber Leistungen, die als ärztliche
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Versicherung, darüber hinaus erbringe er aber Leistungen, die als ärztliche
Leistungen der Heilkunde anzusehen seien. So habe der Gutachter nach Tz 1.1.
der Begutachtungsanleitung neben der Wiedergabe der individuellen
Pflegesituation und seiner Fähigkeitsstörungen auch eine Bewertung der
erhobenen Befunde vorzunehmen. Außerdem sei nach der
Begutachtungsanleitung zu beurteilen, inwieweit ein Versorgungsdefizit vorliege
bzw. wie Gefährdungsmomente aufgrund des Körperzustandes beseitigt werden
könnten. Schließlich sei nach VII/1. der Begutachtungsanleitung aufgrund der
Krankheit des Pflegebedürftigen festzustellen, wie seine Mobilität, eigenständige
Lebensführung oder die Linderung von Beschwerden aus Sicht des Gutachters
verbessert werden könnten. Aus den Richtlinien zur Begutachtung von
Pflegebedürftigkeit nach SGB XI unter B 7.1. ergebe sich, dass auch die
Rehabilitationsmöglichkeiten aus ärztlicher Sicht zu untersuchen seien. Damit
dienten die Gutachten zwei Hauptzwecken: Einerseits solle eine Einordnung des
Patienten in die entsprechende Pflegestufe erfolgen, andererseits solle geprüft
werden, wie es sich mit persönlichen Voraussetzungen des Patienten hinsichtlich
der Rehabilitation verhält. Da die medizinische Betreuung eindeutig im
Vordergrund stehe, seien die Leistungen insgesamt umsatzsteuerfrei.
b) Die hier streitigen Gutachten seien allesamt zeitlich vor der Geltung des BMF-
Schreibens vom 13.02.2001 erstellt worden, diese Anwendungsregelung
hinsichtlich Gutachten sei jedoch nur auf solche Leistungen anzuwenden, die nach
der Veröffentlichung des BMF-Schreibens ausgeführt worden seien. Da die
Verwaltung bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens am 08. März 2001 die
streitgegenständlichen Gutachtenstätigkeiten als steuerfrei behandelt habe, sei es
willkürlich, dem Kläger gegenüber anders zu verfahren. Hinzu komme, dass dem
FA bei jeder Einkommensteuererklärung die Überschüsse aus der
Gutachtertätigkeit mitgeteilt worden seien. Trotz Kenntnis des gesamten
Sachverhaltes sei das FA gleichwohl nicht aktiv tätig geworden.
c) Der Kläger meint unter Hinweis auf § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO, es müsse
Vertrauensschutz gewährt werden. Zwar habe sich mit dem EuGH-Urteil vom
14.09.2000 nicht die Rechtsprechung des BFH geändert, auf die Änderung der
Rechtsprechung des EuGH sei § 176 aber analog anzuwenden.
d) Selbst wenn die vom Kläger erstellten Gutachten nur als
Entscheidungsgrundlage für die Pflegeversicherung anzusehen sei, lägen
steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG vor. Die Pflegeversicherung entscheide
zwar nach § 32 Abs. 1 SGB XI letztlich über die Pflegebedürftigkeit, dabei handele
es sich aber um eine gebundene Entscheidung, also einen rein formalen Akt
aufgrund der Stellungnahme des Gutachters. Es müsse daher auf die eigentlichen
Hauptzwecke der Gutachten abgestellt werden, diese bestünden im
Gesundheitsschutz und der vorbeugenden Gesundheitssicherung. Da eine Prüfung
von Leistungsvoraussetzungen durch die Pflegeversicherung im Grunde
genommen nicht stattfinde, sei die Annahme gerechtfertigt, dass unmittelbar die
Gesundheit geschützt werde.
e) Entgegen der Ansicht des FA seien die im Streitfall zu beurteilenden Umsätze
nicht schon aufgrund des BFH-Urteils vom 28.06.2000 V R 72/99 steuerpflichtig.
Dort sei es nicht um einen Arzt, sondern um einen Krankenpfleger gegangen.
Außerdem dienten die Gutachten im vorliegenden Fall nicht nur der Beurteilung
und Feststellung der Voraussetzungen der Pflegestufe, sondern es gehe auch um
die Linderung vorhandener Beschwerden und um die Behandlungspflege und
damit um die Ausübung von Heilkunde.
Nachdem der Kläger in der Klageschrift seiner Prozessbevollmächtigten vom
30.05.2005 zunächst beantragt hatte, die Umsatzsteuerbescheide 1997 - 2000
vom 20.04.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.04.2005
aufzuheben, hat er mit Schriftsatz vom 02.08.2005 die Klage auf den
Umsatzsteuerbescheid 2001 erweitert und zur Begründung vorgetragen, infolge
eines Tippfehlers sei nur Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 erhoben worden,
tatsächlich solle aber auch das Jahr 2001 erfasst sein. Zur Behauptung, dass ein
Tippfehler vorgelegen habe, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom
30.06.2006 Beweis angeboten durch Vernehmung der Zeugen E, F und G, alle zu
laden über die Kanzlei G und Partner.
Der Kläger beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 26.04.2005 sowie die
erstmaligen Umsatzsteuerbescheide 1997 - 2000 und den Umsatzsteuer-
Änderungsbescheid 2001 vom 20.04.2004 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist das FA auf die Einspruchsentscheidung vom 26.04.2005
und ergänzt sein Vorbringen in folgenden Punkten:
a) Hauptziel der vom Kläger erstellten Gutachten sei die Information für einen
Dritten (Pflegeversicherung), die diesem eine Entscheidung ermöglichten, die
gegenüber dem Pflegebedürftigen Rechtswirkungen erzeuge. Im Vordergrund der
Leistung stehe jedoch nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit der begutachteten Person. Soweit eine
körperliche Untersuchung des Patienten erfolge oder die Prüfung seiner
Krankheitsgeschichte, handele es sich um Nebenleistungen, die das Schicksal der
Hauptleistung teilten. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht von der Steuerfreiheit
erfasst, unabhängig davon, ob die Erstellung der Gutachten Anforderungen an die
medizinische Kompetenz des Unternehmers stelle und für den Arztberuf typische
Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Pflegebedürftigen oder die
Prüfung seiner Krankheitsgeschichte umfasse. Dass der Gutachter die
Feststellungen nur treffen könne, wenn er über entsprechende medizinische bzw.
ärztliche Kenntnisse verfüge, sei nicht entscheidungserheblich. Denn entgegen der
klägerischen Auffassung falle nicht jede von einem Arzt durchgeführte Leistung
oder Maßnahme unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG.
b) Soweit der Kläger behaupte, bei seiner Tätigkeit stehe die medizinische
Betreuung und vorbeugende Gesundheitspflege im Vordergrund, könne dem nicht
gefolgt werden. Die Gutachten enthielten lediglich unter VII. Empfehlungen zur
Verbesserung der Pflegesituation, wobei Angaben zur Versorgung mit
Pflegehilfsmitteln, Pflegeverbrauchsmitteln und zur Verbesserung/Veränderung
des individuellen Wohnumfeldes gemacht werden könnten. Die Beantwortung
dieser Fragen, die nur bei häuslicher Pflege erforderlich seien, diene als
Entscheidungshilfe dafür, ob u.a. die Pflegehilfsmittel von der Pflegeversicherung
erstattet würden.
c) Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da es an einer
verbindlichen Zusage oder Auskunft fehle. Soweit der Kläger auf seine Angaben in
der Einkommensteuererklärung verweise, habe er nicht angegeben, um welche Art
von Gutachten es sich gehandelt habe. Abgesehen davon gelte der Grundsatz der
Abschnittsbesteuerung.
d) Die von der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen resultierten nicht aus
einer Änderung der Rechtsprechung, da die streitgegenständlichen Umsätze
schon immer steuerbar und mangels Steuerbefreiung auch steuerpflichtig
gewesen sein. Das BFH-Urteil vom 28.02.2000 V R 72/99 habe dies lediglich
bestätigt. Der klägerische Einwand, dass das BFH-Urteil vom 28.02.2000 V R 72/99
keinen Arzt, sondern einen Krankenpfleger betreffe, sei unerheblich. Anders als
das Einkommensteuergesetz stelle das Umsatzsteuergesetz allein auf die zu
beurteilende Leistung ab. Voraussetzung für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14
UStG sei stets eine heilberufliche Tätigkeit. Der BFH habe daher in der o.g.
Entscheidung die Steuerbefreiung nicht deshalb abgelehnt, weil der Kläger
Krankenpfleger war, sondern weil die Gutachtertätigkeit keine ähnliche
heilberufliche Tätigkeit gewesen sei.
e) Das FA berufe sich nicht auf die neuen Anwendungsregeln des BMF-Schreibens
vom 13.02.2001, da bereits nach der BFH-Rechtsprechung zu § 4 Nr. 14 UStR
1967 nicht alle vom Arzt erbrachten Leistungen steuerfrei gewesen seien, sondern
nur diejenigen, die er in Ausübung seiner heilkundlichen Tätigkeit bewirke (BFH-
Urteil vom 26.05.1977 V R 95/76, BStBl II 1977, 879). Deshalb seien auch nicht alle
Gutachten, die von einem Arzt erstellt wurden, von der Umsatzsteuer befreit.
Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 1 UStR 1996 habe nur die Gutachten von der
Umsatzsteuer freigestellt, die nach den in Abs. 2 bezeichneten Grundsätzen unter
die Tätigkeit als Arzt fielen (= Ausübung der Heilkunde).
Durch Beschluss vom 19.01.2006 ist der Rechtsstreit gemäß §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 1
FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.
I. Die Klage wegen Umsatzsteuer 2001 ist unzulässig.
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1. Nach § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage
einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den
außergerichtlichen Rechtsbehelf.
a) Die Einspruchsentscheidung vom 26.04.2005 wurde ausweislich ihres
Verfügungsteils (Bl. 112 Sonderband Bp/Einspruchsverfahren) am 28.04.2005 zur
Post gegeben und gilt, da der dritte Tag ein Sonntag war, am 02.05 2005 als
bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die einmonatige Klagefrist endete somit
mit Ablauf des 02.06. 2005.
b) Mit Schriftsatz vom 30.05.2005 haben die Bevollmächtigten zwar rechtzeitig
Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 erhoben, nicht aber wegen Umsatzsteuer
2001.
2. Erst mit Schriftsatz vom 02.08.2005 und damit zwei Monate nach Ablauf der
Klagefrist wurde die Klage um die Umsatzsteuer 2001 erweitert und zur
Begründung vorgebracht, aufgrund eines Tippfehlers sei das Jahr 2001
versehentlich nicht erwähnt worden. Es werde höflich darum gebeten, dieses
Versehen zu entschuldigen und eine entsprechende "Berichtigung" vorzunehmen.
a) Für die von den Bevollmächtigten beantragte "Berichtigung" ist eine
Rechtsgrundlage nicht ersichtlich: § 107 Abs. 1 FGO sieht lediglich eine
Berichtigungsmöglichkeit für Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare
Unrichtigkeiten des Gerichts im Urteil - nicht aber für Prozesserklärungen eines
Bevollmächtigten - vor und § 108 Abs. 1 FGO ermöglicht allein dem Gericht eine
Berichtigung des Tatbestands eines Urteils, wenn dieser Unrichtigkeiten oder
Unklarheiten enthält. Eine Berichtigung kann auch nicht auf § 129 AO gestützt
werden, weil diese Vorschrift nur für offenbare Unrichtigkeiten der Finanzbehörde
beim Erlass eines Verwaltungsaktes gilt.
b) Das Berichtigungsbegehren der Bevollmächtigten kann auch nicht dahingehend
ausgelegt werden, dass die Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 das Jahr 2001
beinhaltet.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sind
Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen,
wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten
fehlt. Der in der Erklärung verkörperte Wille ist dabei anhand der dem Empfänger
erkennbaren Umstände zu ermitteln (Urteil des BFH vom 30.08.1994 VIII R 42/91,
BFH/NV 1995, 481; vom 19.06.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 01.09.1998
VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; vom 31.10.2000 VIII R 47/98 BFH/NV 2001, 589).
Eine Auslegung setzt jedoch Auslegungsbedürftigkeit voraus. Hieran fehlt es, wenn
die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Die
Auslegung einer Verfahrenserklärung darf nicht zur Annahme eines
Erklärungsinhalts führen, für den sich in der verkörperten Erklärung selbst keinerlei
Anhaltspunkte mehr finden lassen (von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, Vor §
33 Rn 16 m.w.N.).
bb) So liegen die Verhältnisse im Streitfall: Für das Gericht stellt sich der Inhalt der
Klageschrift vom 30.05.2005 als klar, eindeutig und widerspruchsfrei dar, sodass
für eine rechtschutzgewährende Auslegung kein Raum bleibt. Der Wille des
Klägers, gerichtlichen Rechtsschutz auch für den Umsatzsteuerbescheid 2001 in
Anspruch zu nehmen, ist in der Klageschrift vom 30.05.2005 in keiner Weise zum
Ausdruck gekommen. Mithin kann die Klageschrift nicht dahingehend ausgelegt
werden, dass mit ihr auch der Umsatzsteuerbescheid 2001 angefochten wurde.
Gegen die von Klägerseite begehrte Auslegung spricht aus der maßgeblichen Sicht
des Gerichts als Adressat der Klageschrift insbesondere, dass sich die
Prozessbevollmächtigten auf Seite 5 ihrer Klageschrift unter Nr. 4 darauf berufen,
die hier streitigen Gutachten läge allesamt zeitlich vor der Geltung der neuen
Anwendungsmaßstäbe. Ausweislich des BMF-Schreibens vom 13.02.2001 … sei
die neue Anwendungsregelung nur auf solche Leistungen anzuwenden, die nach
der Veröffentlichung des BMF-Schreibens ausgeführt worden seien. Daraus folgern
die Bevollmächtigten "für die USt-Bescheide der Zeiträume 1997-2000, dass diese
Leistungen vor März 2001 bereits steuerfrei waren". Die Behauptung, dass die
streitigen Gutachten "allesamt" vor der Geltung des BMF-Schreibens lägen, ist
sachlich unzutreffend für eine Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2001, dagegen
zutreffend und im Einklang stehend mit der nach dem Wortlaut erhobenen Klage
wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000. Diese Sichtweise wird dadurch bestätigt, dass
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wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000. Diese Sichtweise wird dadurch bestätigt, dass
die Bevollmächtigten ausdrücklich auf die nach ihrer Ansicht vorliegende
Steuerfreiheit für Leistungen vor März 2001 hinweisen. Wenn Klage auch wegen
Umsatzsteuer 2001 erhoben werden sollte, wäre für das Jahr 2001 eine Aufteilung
der Einnahmen bis Anfang März (steuerfrei) und die Zeit danach (steuerpflichtig)
erforderlich gewesen. Da dies nicht erfolgte, bestehen für das Gericht keine Zweifel
daran, dass nur Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 erhoben wurde.
Ansonsten wäre der Kläger bereits im Rahmen der Eingangsverfügung vom
01.06.2005 zu einer Ergänzung seiner Angaben nach § 65 Abs. 2 FGO
aufgefordert worden. Den Bevollmächtigten hätte jedoch aufgrund der
gerichtlichen Eingangsmitteilung vom 01.06.2005, des Beklagtenschriftsatzes vom
21.06.2005 sowie der gerichtlichen Verfügung vom 06.07.2005 bekannt sein
können und müssen, dass eine Klage nur wegen "Umsatzsteuer 1997 - 2000"
registriert worden war. Hierauf hätten sie gemäß § 56 FGO innerhalb von zwei
Wochen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung einer gesetzlichen Frist (Klagefrist) stellen können. Dies ist jedoch
nicht geschehen, da sie erst mit ihrem am 04.08.2005 eingegangenen
Schreiben - und damit verspätet - sinngemäß beantragt haben, dass die Klage
wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 auch das Jahr 2001 umfassen solle.
c) Die Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 kann auch nicht in eine Klage
wegen Umsatzsteuer 1997 - 2001 umgedeutet werden. Eine Umdeutung ist zwar
grundsätzlich auch bei Verfahrenserklärungen (vgl. BFH-Beschluss vom 23.11.
1978 I R 56/76 , BStBl II 1979, 173), namentlich im Verhältnis eines
außergerichtlichen Rechtsbehelfs zu einem außergerichtlichen Antrag etwa auf
Veranlagung denkbar (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO § 357 AO 1977 Tz
6; Haarmann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in
Steuersachen, Tz. 1006/5). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B.
Beschluss vom 24.09.1970 II B 28/70, BStBl II 1970, 813; Urteile vom 24.06. 1964 II
76/63, HFR 1965, 177; vom 27.11.1959 VI 211/58, HFR 1961, 39), der sich das
Gericht anschließt, kommt jedoch eine Umdeutung von Verfahrenserklärungen
rechtskundiger Personen - wie im Streitfall eines Fachanwaltes für Steuerrecht -
nicht in Betracht, weil bei diesen Personen davon ausgegangen werden kann, dass
sie sich über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen im klaren sind.
3. Soweit die Bevollmächtigten zum Nachweis ihrer Behauptung, es habe ein
"Tippfehler" vorgelegen, in der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2006 eine
Beweisaufnahme beantragt haben, hält das Gericht diese nicht für erforderlich:
a) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf unberücksichtigt bleiben, wenn
das angebotene Beweismittel für die zu treffende Entscheidung untauglich ist, weil
es auf die Beweistatsache nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr
unterstellt wird (Urteile des BFH vom 15. 05. 1996 X R 252-253/93, BFH/NV 1996,
096; vom 13.03.1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757; BFH-Beschluss vom
27.10.2004 XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564).
b) Im Streitfall ist die Klage wegen Umsatzsteuer 2001 auch dann unzulässig,
wenn das Vorliegen des behaupteten "Tippfehlers" als wahr unterstellt wird. Denn
nur ein offensichtlichen Versehen bei der Bezeichnung des anzufechtenden
Verwaltungsaktes, das der Adressat der Verfahrenserklärung - das erkennende
Gericht - hätte erkennen können, wäre für die Bestimmung des Erklärungsinhalts
irrelevant. Aus den unter 2b) im Einzelnen genannten Gründen war das -
behauptete und als wahr unterstellte - klägerische Versehen für das Gericht nicht
zu erkennen und damit nicht "offensichtlich".
II. Die Klage wegen Umsatzsteuer 1997 - 2000 ist unbegründet, die Klage wegen
Umsatzsteuer 2001 ist - auch - unbegründet. Die angefochtenen
Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger daher nicht in
seinen subjektiven Rechten.
Die vom Kläger erzielten Einnahmen aus Nebentätigkeiten für die Firmen A, B und
C sowie für D sind nicht steuerfrei und daher vom FA zu Recht der Umsatzsteuer
unterworfen worden.
1. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1996/1999 fallenden Umsätzen sind nach §
4 Nr. 14 UStG u.a. steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt.
Gemeinschaftsrechtliche Grundlage dieser Steuerbefreiung ist Art. 13 Teil A Abs. 1
der 6. EG-Richtlinie. Entsprechend Buchstabe c) dieser Richtlinie befreien die
Mitgliedstaaten von der Steuer "die Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden
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Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden
Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden".
a) Nach richtlinienkonformer Auslegung setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der
Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche
oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderlichen
Befähigungsnachweise besitzt (vgl. EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, UR
2002, 513; EuGH vom 06.11.2003 Rs. C-45/01, UR 2003, 585; BFH-Urteil vom
19.12.2002 V R 28/00, UR 2003, 284; BFH-Urteil vom 01.04.2004 V R 54/98, UR
2004, 472). Heilbehandlungen im Sinne des Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-
Richtlinie sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der
Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Das Hauptziel der
Leistung muss im Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit bestehen. Nicht unter die Befreiung fallen daher
Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose,
Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts sind.
b) Nach diesen Grundsätzen fällt die Erstellung von Gutachten nur dann unter die
Steuerbefreiung, wenn der Gegenstand des Gutachtens im unmittelbaren
Zusammenhang mit einer heilberuflichen Behandlung steht. Dies ist etwa dann
der Fall, wenn die Begutachtung einen unmittelbaren Bezug zur sog.
Behandlungspflege aufweist, also zu Pflegemaßnahmen, die durch eine
Erkrankung veranlasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2000 V R 72/99, HFR 2001,
S. 62). Die Mehrwertsteuerbefreiung gilt dagegen nicht für die Leistung eines
Arztes, die in der Erstellung eines Gutachtens zum Gesundheitszustand einer
Person im Hinblick darauf besteht, Anhaltspunkte zu gewinnen, die für oder gegen
einen Antrag auf Zahlung einer Invaliditätspension sprechen (EuGH-Urteil vom
20.11.2003 Rs. C-212/01 - Margarete Unterpertiger, UR 2004, S. 70 Rz 42).
Außerdem hat der EuGH im Urteil vom 20.11.2003 in der Rs C-307/01 -
D'Ambrumenil (HFR 2004, 278) entschieden, dass die Steuerbefreiung nicht für
folgende Leistungen gilt, die im Rahmen der Ausübung des Arztberufes erbracht
werden:
- das Ausstellen von ärztlichen Bescheinigungen für Zwecke eines
Kriegsrentenanspruchs,
- ärztliche Untersuchungen für die Erstellung von Gutachten für Haftungsfragen
und die Bemessung des Schadens von Personen, die die Erhebung einer Klage
wegen Körperverletzung in Erwägung ziehen,
- die Erstellung von ärztlichen Gutachten im Anschluss an solche Untersuchungen
sowie die Erstellung von Gutachten auf der Grundlage von Arztberichten ohne
Durchführung ärztlicher Untersuchungen,
- ärztliche Untersuchungen für die Erstellung von Gutachten über ärztliche
Kunstfehler für Personen, die die Erhebung einer Klage in Erwägung ziehen,
- die Erstellung von ärztlichen Gutachten im Anschluss an solche Untersuchungen
sowie die Erstellung von Gutachten auf der Grundlage von Arztberichten ohne
Durchführung ärztlicher Untersuchungen. Zur Begründung dieser Einschränkung
führt der EuGH aus, dass im Falle der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens das
Hauptziel, auch wenn die Erbringung der Leistung Anforderungen an die
medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf typische
Tätigkeiten, wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung
seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann, nicht der Schutz einschließlich der
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Person ist, über die
das Gutachten erstellt wird. Eine Leistung, die die im Gutachtenauftrag gestellten
Fragen beantworten soll, soll vielmehr einem Dritten den Erlass einer
Entscheidung ermöglichen, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen
Personen Rechtswirkungen erzeugt (EuGH-Urteil vom 20.11.2003 Rs C-307/01,
HFR 2004, 278 Tz 61). Daraus folgt, dass die Vergütung für die Erstellung solcher
ärztlicher Gutachten, die von Gerichten, Versicherungen oder anderen
Auftraggebern als Grundlage einer weitergehenden Entscheidung benötigt
werden, der Umsatzsteuer unterliegt.
c) Im Streitfall führen diese Grundsätze zur Überzeugung des erkennenden
Gerichts zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger erstellten Gutachten nicht unter
die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 14 UStG fallen. Das Hauptziel dieser Gutachten liegt
nicht im therapeutischen Bereich, sondern besteht vielmehr darin, der
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nicht im therapeutischen Bereich, sondern besteht vielmehr darin, der
Pflegeversicherung als Grundlage für deren Entscheidung über Leistungen nach §
28 i.V.m. §§ 36 - 45 SGB XI zu dienen:
aa) Als Gutachter hatte der Kläger in erster Linie Feststellungen darüber zu treffen,
ob Pflegebedürftigkeit vorliegt und welcher Pflegestufe die pflegebedürftige Person
zuzuordnen ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI solche Personen, die
wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung
für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf
des täglichen Lebens auf Dauer der Hilfe bedürfen. Die Stufen der
Pflegebedürftigkeit richten sich gemäß § 15 SGB XI nach dem Grad der
Einschränkungen bei den gewöhnlichen und regelmäßigen Verrichtungen, wobei
nach Abs. 3 an den zeitlichen Aufwand für die Grundpflege angeknüpft wird. Im
Einzelfall wurde der Kläger auf der Grundlage von sog. Gutachten-Aufträgen tätig,
die ihm von der Firma A erteilt wurden und zum Inhalt hatten: "Bitte begutachten
Sie die Pflegebedürftigkeit der/des Versicherten nach § 6 Abs. 2 MB/PPV". In § 6
Abs. 2 MB/PVV (Allgemeine Vertragsbedingungen für die private
Pflegepflichtversicherung) ist geregelt, dass Eintritt, Stufe und Fortdauer der
Pflegebedürftigkeit, die Eignung, Notwendigkeit und Zumutbarkeit von
Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung
der Pflegebedürftigkeit und die Notwendigkeit der Versorgung mit beantragten
Pflegehilfsmitteln und technischen Hilfen durch einen von dem Versicherer
beauftragten Arzt festzustellen sind. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben
und seinem jeweiligen Auftrag von der Firma A suchte der Kläger die zu
begutachtende Person in deren Wohnung auf ermittelte vornehmlich durch
Befragen der pflegebedürftigen Person, von Angehörigen und des ambulanten
Pflegedienstes die derzeitige Betreuungs- und Versorgungssituation,
pflegerelevante Unterlagen und die Krankheitsgeschichte, bewertete die
Alltagskompetenzen und bestimmte unter IV. und V. seines Gutachtens die
Pflegebedürftigkeit der begutachteten Person.
bb) Die Gutachten des Klägers wurden von der Pflegeversicherung als Grundlage
für deren Entscheidung über Leistungen nach der Pflegeversicherung benötigt.
Denn die Pflegeklassen haben nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (Verfahren zur
Feststellung der Pflegebedürftigkeit) durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der
Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift hat der Medizinische Dienst im Rahmen dieser
Prüfung durch eine Untersuchung des Antragstellers die Einschränkungen bei den
Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI festzustellen sowie Art, Umfang
und voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit zu ermitteln. Darüber hinaus sind
auch Feststellungen darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen
zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der
Pflegebedürftigkeit einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
geeignet, notwendig und zumutbar sind. § 18 Abs. 6 SGB XI regelt, dass der
Medizinische Dienst der Pflegekasse das Ergebnis seiner Prüfung mitzuteilen und
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Art und Umfang von Pflegeleistungen
sowie einen individuellen Pflegeplan zu empfehlen hat. Diesen Vorgaben
entsprechend legen die sog. Begutachtungs-Richtlinien der Spitzenverbände fest,
dass die wichtigste Aufgabe des Medizinischen Dienstes in der Pflegeversicherung
die Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist (S. 9 unter B "Aufgaben des
Medizinischen Dienstes). Schließlich ergibt sich aus der Begutachtungsanleitung
der Firma A, dass die Gutachten die Voraussetzungen für eine
Leistungsentscheidung der Versicherer darstellen (Tz 1.1. "Anforderungen an ein
Gutachten"). Der Sachverständige - so heißt es dort weiter - erfülle seine Aufgabe
nur, wenn es ihm gelinge, ein vollständiges Bild der individuellen Pflegesituation
eines Antragstellers, seiner krankheits- und behinderungsbedingten
Fähigkeitsstörungen und des daraus resultierenden Hilfebedarfs im Ablauf des
täglichen Lebens wie auch seiner noch vorhandenen Ressourcen und
Selbständigkeiten wiederzugeben.
cc) Soweit der Kläger behauptet, seine Gutachten enthielten auch Ausführungen
zur medizinische Betreuung, vorbeugenden Gesundheitspflege, Reha-Maßnahmen
und zur Verminderung von Gesundheitsschäden bzw. Gesundheitsstörungen,
findet dies jedenfalls in dem vorliegenden Gutachten betreffend Frau S (Bl. 7 - 15
Sonderband Bp/Einspruchsverfahren) keinerlei Bestätigung. Zum Nachweis seiner
Behauptung hat der Kläger im Klageverfahren auch keinerlei Gutachten vorgelegt.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde zwar ein "Zweitgutachten nach
Einwendungen gegen ein Vorgutachten" eingereicht, wonach er überprüfte, ob und
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Einwendungen gegen ein Vorgutachten" eingereicht, wonach er überprüfte, ob und
seit wann eine Höherstufung empfohlen werden kann. Abgesehen davon, dass
dieses Gutachten aus dem Jahr 2004 stammt und ihm daher für die Streitjahre
keine Bedeutung beigemessen werden kann, finden sich darin lediglich unter
"2.3.4. Maßnahmen der Behandlungspflege" und unter "2.3.5.
Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen" kurze Ausführungen zur Einnahme von
Medikamenten und deren Überwachung, zur prophylaktischen Behandlung der
Haut und zum An- und Ausziehen eines Kompressionsstrumpfes. Selbst wenn
zugunsten des Klägers davon ausgegangen würde, dass er vergleichbare
Ausführungen bzw. - wie behauptet - Ausführungen zur vorbeugenden
Gesundheitspflege, Reha-Maßnahmen und zur Verminderung von
Gesundheitsschäden bzw. Gesundheitsstörungen auch in den die Streitjahre
betreffenden Gutachten gemacht hätte, ergäbe sich daraus kein unmittelbarer
Zusammenhang der Gutachten mit einer heilberuflichen Behandlung. Im Übrigen
verkennt der Kläger, dass es nicht darauf ankommt, dass er im Rahmen der
Gutachtenerstellung auch ärztliche Leistungen erbringt. Entscheidend ist, dass das
Ziel dieser ärztlichen Tätigkeit nicht im therapeutischen Bereich liegt, sondern
diese ärztliche Tätigkeit im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der
Feststellung einer Pflegebedürftigkeit steht. Dies ergibt sich für das Gericht
zwingend aus der Überlegung, dass die Gutachten des Klägers ihren Zweck auch
dann erfüllen und für die Pflegekassen verwendbar sind, wenn in ihnen keine oder -
wie in dem eingereichten Zweitgutachten - nur beiläufige Ausführungen zu
Maßnahmen der "Behandlungspflege" bzw. zu "Krankheitsspezifischen
Pflegemaßnahmen" enthalten sind, der Gutachter dagegen seine gesetzlichen und
privatrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt, wenn er keine Feststellungen zur
Pflegebedürftigkeit und zur Einordnung in Pflegestufen trifft. Schließlich fallen
Maßnahmen, die therapeutischen Zielen in der Zukunft dienen, nicht in den
Risikobereich der Pflegeversicherung (vgl. BSG-Urteil vom 26.11.1998 B 3 P 20/97
R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 9).
d) Die Behauptung des Klägers, im Vordergrund seiner Gutachten stehe
ausschließlich oder nahezu ausschließlich die Begutachtung der sog.
Behandlungspflege, ist weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren substantiiert,
geschweige denn nachgewiesen worden. Wie oben bereits ausgeführt, finden sich
in einem nicht die Streitjahre betreffenden Zweitgutachten lediglich beiläufige
Ausführungen zur Behandlungspflege. Diese sind jedoch in keiner Weise geeignet,
dem Gutachten das Gepräge zu geben und teilen daher das Schicksal der
Hauptleistung.
e) Dass durch die betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen gegenüber der
Firma B, den Betreuungsleistungen für Neukunden gegenüber der Firma C und
den sog. Fallbeobachtungen für D keine heilberufliche und damit nach § 4 Nr. 14
UStG steuerfreie Tätigkeit ausgeübt wird, ist offensichtlich und wird auch von
Klägerseite zugestanden. Denn im Einspruchsverfahren wurde insoweit lediglich
vorgebracht, dass diese Einnahmen unterhalb der Grenzen des § 19 Abs. 1 UStG
lägen.
2. Der Kläger kann auch nicht mit seinem Hinweis auf Abschnitt 88 Absatz 2 i.V.m.
Absatz 3 Nr. 1 UStR 1996 durchdringen, wonach unter die Tätigkeit als Arzt im
Sinne des § 4 Nr. 14 UStG auch die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens fiel.
a) Bei Abschnitt 88 UStR handelt es sich um eine sog. norminterpretierende
Verwaltungsanweisung, da sie die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des
Gesetzes durch die nachgeordneten Behörden sicherstellen soll. Da derartige
Verwaltungsrichtlinien jedoch generell die Gerichte nicht binden können und
Abschnitt 88 Absatz 2 i.V.m. Absatz 3 Nr. 1 UStR 1996, der § 4 Nr. 14 UStG
unzutreffend auslegt, auch vom Inhalt her für ein Gericht keine
Entscheidungsgrundlage sein kann, kann sich der Kläger nicht auf die zitierte
Vorschrift in den Umsatzsteuerrichtlinien berufen (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1982
IV R 85/79, BStBl II 1982, 397, 399 unter Punkt 3 sowie BFH-Urteil vom 31.10.1990
I R 3/86, BStBl II 1991, 610, 612 unter 3a reSp).
b) Ob sich der Kläger gegenüber der Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der
Selbstbindung der Verwaltung an ihre Richtlinien - bis zur Einschränkung durch das
BMF-Schreiben vom 13.02.2001 - auf Abschnitt 80 Absatz 3 Nr. 1 UStR berufen
kann, braucht das Gericht im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn diese Frage
wäre im Rahmen eines von der Steuerfestsetzung gesonderten
Billigkeitsverfahrens nach §163 AO zu entscheiden. Die Berücksichtigung von
Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 AO im Rahmen eines die
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Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 AO im Rahmen eines die
Steuerfestsetzung betreffenden Verfahrens scheidet somit aus (vgl. BFH-Urteil
vom 11.10.1988 VIII R 419/83, BStBl II 1989, 284, 288 unter 5; BFH-Urteil vom
15.07.2004 V R 27/03, BStBl II 2004, 862, 864 unter 4).
3. Der Kläger verkennt die Rechtslage, wenn er meint, sich auf den in § 176 AO
normierten Vertrauensschutz berufen zu können.
a) Nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf bei der Aufhebung und Änderung eines
Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden,
dass ich die Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat,
die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt wurde.
aa) § 176 setzt somit voraus, dass zunächst vom FA erlassene Steuerbescheide
später aufgehoben oder geändert wurden. Diese Grundvoraussetzung für die
Inanspruchnahme von Vertrauensschutz liegt für die Streitjahre 1997 - 2000 nicht
vor, weil der Kläger für diese Jahre keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hat
und deshalb im Anschluss an die Betriebsprüfung keine Steuerbescheide
geändert, sondern erstmalige Bescheide erlassen wurden. Derartige Fälle werden
von dem eindeutigen Wortlaut des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht erfasst.
bb) Für das Streitjahr 2001 ist es zwar nach Abgabe einer Umsatzsteuererklärung
zu einer Steuerfestsetzung gekommen, die nach der Betriebsprüfung geändert
wurde, gleichwohl greift diese Vorschrift auch für das Streitjahr 2001 nicht. Denn es
fehlt insoweit an einer Änderung der Rechtsprechung: Der Bundesfinanzhof hatte
die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG schon im Urteil vom 26.05.1977
(BStBl II 1977, 879) einschränkend ausgelegt und erkannt, dass die Steuerfreiheit
die "Ausübung heilkundlicher Tätigkeit" voraussetzt. Darüber hinaus hatte der
EuGH mit Urteil vom 14.09.2000 Rs C-384/98 (UR 2000, 432) entschieden, dass
medizinische Leistungen, die nicht im Diagnostizieren und Behandeln einer
Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den
Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift fallen. Schließlich ergibt sich aus dem
BFH-Urteil vom 28.06.2000 V R 72/99 (BStBl II 2000, 554), dass im Auftrag des
Medizinischen Diensets einer Krankenversicherung für Zwecke der
Pflegeversicherung erstellte Gutachten nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr.
14 UStG fallen. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2001 beruhte also
nicht auf einer geänderten Rechtsprechung, sondern gerade auf der Anwendung
der im Streitjahr 2001 geltenden Rechtsprechung.
b) Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines
Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden,
dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Bundesbehörde von
einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht im
Einklang stehende bezeichnet worden ist. Diese Norm greift jedoch nach
allgemeiner Ansicht nicht ein, wenn - wie im Streitfall - das BMF selbst eine
Verwaltungsvorschrift aufhebt oder - wie Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 1 UStR 1996
durch das BMF-Schreiben vom 13.02.2001 - ändert (vgl. Loose in Tipke/Kruse,
Kommentar zur AO/FGO, § 176 Tz 23 m.w.N.).
4. Neben der Sache liegen die Ausführungen des Klägers, soweit er vorbringt, bei
der Entscheidung der Pflegeversicherung handele es sich - da eine Prüfung der
Leistungsvoraussetzungen nicht stattfinde - um eine gebundene Entscheidung,
sodass die Annahme gerechtfertigt sei, durch die Gutwachten werde die
Gesundheit unmittelbar geschützt. Wie bereits unter II.1. ausgeführt wurde, liegt
das Hauptziel der Gutachten gerade nicht in einer Heilbehandlung. Daran kann
sich auch dann nichts ändern, wenn der Entscheidung der Pflegeversicherung
lediglich formale Bedeutung beigemessen würde.
5. Schließlich kann der Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen, dass der Kläger
geltend macht, in dem BFH-Urteil vom 28.02.2000 (BStBl II 2000, 554) sei es um
einen Krankenpfleger gegangen, während er die Gutachten in seiner Funktion als
Arzt erstellt habe. Ob eine Gutachtertätigkeit als "heilberufliche" Tätigkeit
qualifiziert werden kann, richtet sich ausschließlich nach dem Gegenstand des
Gutachtens, d.h. danach, ob es im unmittelbaren Zusammenhang mit einer
heilberuflichen Behandlung steht. Es kommt somit nicht auf die Qualifikation des
Leistungserbringers, sondern auf die Art der erbrachten Leistung an.
III. Das Gericht sah sich durch die in der mündlichen Verhandlung erhobenen
Rügen nicht an einer Entscheidung gehindert. Denn es hält die von den
Bevollmächtigten erhobenen Rügen, dass der Termin nicht - wie beantragt -
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Bevollmächtigten erhobenen Rügen, dass der Termin nicht - wie beantragt -
verlegt wurde und dass der rechtliche Hinweis auf die Unzulässigkeit der Klage erst
am Vortrag der Sitzung gefaxt wurde, für offensichtlich unbegründet:
1. Indem es das Gericht durch Verfügung vom 23.06. 2006 den Antrag der
Prozessbevollmächtigten auf Terminsverlegung abgelehnt hat, wurde der
Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
a) Die Ablehnung der Terminsverlegung erfolgte auf der Grundlage des § 155 FGO
i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO, weil einer der Prozessbevollmächtigten das Vorliegen
eines "erheblichen Grundes" hinsichtlich seines Urlaubes nicht ausreichend
dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht hatte. Abgesehen davon ergab
sich aus der am 22.06.2006 auf Erinnerung des Einzelrichters vorgelegten
Prozessvollmacht, dass diese nicht - wie von RA G im Schreiben vom 22.06.2006
unzutreffenderweise behauptet - auf ihn lautet, sondern auf "G und Partner
Rechtsanwalt G - Rechtsanwältin H". Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die
gerichtliche Verfügung vom 23.06. 2006 verwiesen.
b) Im Übrigen ist im Termin zur mündlichen Verhandlung Frau Rechtsanwältin H im
Beistand des die Klage bearbeitenden Assessors I erschienen und hat für die
Klägerseite Anträge gestellt und zur Sache verhandelt. Unter solchen Umständen
hält das Gericht eine Verletzung rechtlichen Gehörs für ausgeschlossen.
2. Ein Verfahrensfehler ist auch nicht darin zu sehen, dies das Gericht die
Prozessbevollmächtigten am Vortrag der Sitzung auf Bedenken hinsichtlich der
Zulässigkeit der Klage wegen Umsatzsteuer 2001 hingewiesen hat.
a) Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass Formfehler
beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende
tatsächliche Angaben ergänzt werden. Das Gericht ist deshalb gehalten, durch
Hinweise den Weg zu zeigen, wie das erstrebte Prozessziel am wirksamsten und
einfachsten erreicht werden kann. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Gerichts,
Rechtsrat und Rechtauskunft zu geben (BFH-Urteil vom 28.11.1991 XI R 13/90,
BFH/NV 1992,609). Der BFH hat daher entschieden, dass die
Prozessförderungspflicht und Prozessfürsorgepflicht des Vorsitzenden nicht so weit
geht, dass er im Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit eines Rechtsmittels
den Rechtsmittelführer darauf hinweisen muss, um ihm Gelegenheit zur
Rücknahme des Rechtsmittels zu geben (BFH-Beschluss vom 10.01.1995 VII E 11
12/94, BFH/NV 1995, 722; BFH-Urteil vom 27.09.1994 VIII R 36/89, BStBl II 1995,
353ff, 356).
b) Besteht aber keine Pflicht des Gerichts, auf Mängel der Zulässigkeit
hinzuweisen, kann ein gleichwohl erfolgter Hinweis keinen Verfahrensfehler zur
Folge haben. Dies gilt umso mehr, als der Hinweis gerade dazu diente, der
Klägerseite in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme zu der bislang
nicht thematisierten Frage der Zulässigkeit der Klage zu ermöglichen. Die
Klägerseite hat diese Möglichkeit genutzt und darüber hinaus einen Beweisantrag
gestellt.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.