Urteil des FG Hamburg vom 18.02.2014

FG Hamburg: china, firma, hafen, europäische union, form, irrtum, geschäftsführer, anzeige, sicherheit, wahrscheinlichkeit

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Zollrecht: Nacherhebung von Antidumpingzoll
1. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Nacherhebung von Antidumpingzoll, hier also des Ursprungs
der Waren, ist der Beklagte beweispflichtig, wobei es ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung
von Antidumpingzoll führt.
2. Zu Fragen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Ursprungseigenschaft.
3. Die Gewährung von Zollpräferenzen gemäß Art. 20 Abs. 3 Zollkodex setzt ein Abkommen mit den
betreffenden Ländern bzw. einen Erlass der Union über die Gewährung der Präferenz voraus. Nordkorea
war in den Jahren 2001/2002 dem allgemeinen Präferenzsystem nicht angeschlossen und konnte daher
keine Ursprungszeugnisse Form A ausstellen.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 18.02.2014, 4 K 6/13
Art 220 Abs 1 ZK, Art 1 EGV 2155/97, Art 1 EGV 2501/2001
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Antidumpingzoll für die Einfuhr von Schuhen.
Im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 19.02.2003 überführte die Klägerin aus Asien importierte Schuhe aus
Textil bzw. Kunststoff der Warenlistennummer 6404 1990 90 0 in den freien Verkehr. In den
streitgegenständlichen 6 Fällen, die Einfuhren im Zeitraum vom 17.01.2002 bis zum 27.02.2002 betreffen
(Fälle Nr. XX-3 und XX5-XX9), gab die Klägerin in den Zollanmeldungen als Ursprungsland jeweils Nordkorea
an. Als Ausführer war jeweils die Firma S Import and Export mit Sitz in B angegeben. Verschifft wurden die
Schuhe vom Hafen C, China, direkt nach Hamburg. In den Sachakten finden sich Akkreditiveröffnungen, in
denen die Firma S begünstigt wird. Die vorliegenden Handelsrechnungen, Packlisten und Proforma-
Rechnungen, wurden von der Firma S ge- bzw. erstellt. Weiter finden sich in den Sachakten für die Einfuhren
von einer Behörde in Pjöngjang, Nordkorea, ausgestellte Ursprungszeugnisse Form A, in denen der
nordkoreanische Ursprung bescheinigt wird. Darin ist als Transportweg die Verschiffung von "F Port via China
Port to Hamburg, Germany by sea" angegeben. In Feld 10 der Ursprungsnachweise wird auf die von der
Firma S gestellte Handelsrechnung Bezug genommen. Die Bill of Lading, die sich in den Sachakten befinden,
sind über die Verschiffung von C nach Hamburg ausgestellt. Aus einem Vermerk des Zollfahndungsamts
Hamburg vom 16.09.2002 (Sachakte Heft I Bl. 32) ergibt sich, dass Nordkorea laut Auskunft der Zentralstelle
Ursprungsnachprüfungen nicht dem GSP (Generalized System of Preferences) angeschlossen sei. In allen 6
Fällen seien die Container am 11.12.2001 bzw. 31.01.2002 leer im Depot dem Verlader in C, China, zur
Verfügung gestellt und jeweils einen Tag später bereits voll in C auf die beiden Seefrachtschiffe verladen
worden. Die Container hätten sich demzufolge nie in Nordkorea befunden.
Anlässlich von im Rahmen einer Außenprüfung im Sommer 2000 gemachten Feststellungen nahm das
Zollfahndungsamt E Ermittlungen auf. In den vorläufigen Ermittlungsberichten heißt es unter anderem, die
Klägerin habe Schuhe aus China eingeführt und falsche Ursprungszeugnisse mit den Ursprungsangaben
Vietnam, Bangladesch, Malaysia, Kambodscha oder Nordkorea vorgelegt. Damit habe der bei der Einfuhr von
Schuhen chinesischen Ursprungs zu erhebende Antidumpingzoll vermieden werden sollen. Teilweise seien
unzutreffende Warenlistennummern und unterfakturierte Rechnungen vorgelegt worden. Nordkorea sei dem
Allgemeinen Präferenzsystem für Entwicklungsländer (APS) nicht angeschlossen, könne also kein Formblatt
A ausstellen. Die angeblich aus Nordkorea stammenden Schuhe seien ausweislich der Frachtpapiere in C,
China, verladen worden. Eine unbekannte Firma aus Hongkong habe die Klägerin beschuldigt, chinesische
Schuhe mit gefälschten nordkoreanischen Ursprungszeugnissen nach Deutschland einzuführen (anonyme
Anzeige, Ermittlungsakte Bl. 362).
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt
606.793,55 € (83.695,66 € Einfuhrumsatzsteuer und 523.097,89 € Antidumpingzoll) nach. Ermittlungen hätten
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ergeben, dass die Klägerin Schuhe aus China eingeführt und unter Vorlage falscher Ursprungszeugnisse
Form A in den zollrechtlich freien Verkehr überführt habe. Der Bescheid bezieht sich auf 52 Einfuhrfälle,
darunter befinden sich die 6 streitgegenständlichen Einfuhren, für die Antidumpingzoll in Höhe von 94.913,62
€ erhoben wurde. Wegen der Berechnung wird auf den Bescheid nebst Anlage verwiesen.
Am 25.09.2006 legte die Klägerin Einspruch ein. In Bezug auf die streitigen Einfuhrfälle trug sie vor, sie habe
die Schuhe bei der Firma S, einem großen staatlichen chinesischen Handelsunternehmen, mit dem ihr
Geschäftsführer 2001 auf einer Messe in China in Kontakt gekommen sei, bestellt. Ihm seien dort in
Nordkorea produzierte Schuhe zum Verkauf angeboten worden. Die Schuhe seien nur deshalb von China aus
verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung geeigneten Hafen gegeben habe.
Die Ware sei mit Zubringerschiffen vom Hafen F in Nordkorea nach C in China, dem nächstgelegenen
Überseehafen, verbracht worden. Die Container seien dann in C beladen worden. Wären die Schuhe in China
produziert worden, wären die Container bereits am Produktionsstandort beladen und dann voll per Lkw zum
Überseehafen verbracht worden. Ein nordkoreanisches Ursprungszeugnis habe sie vorgelegt. Die Firma S
verfüge über Produktionsstätten in B und G. Hätte sie die Schuhe selbst produziert, wären sie über den
Hafen B ausgeführt worden. Die anonyme Anzeige sei nicht zu verwerten. Niemand könne alle
Schuhproduktionsstätten im Fernen Osten kennen. Der anonymen Anzeige sei ein Ursprungszeugnis vom
05.03.2003 beigefügt gewesen. Da der Antidumpingzoll für Einfuhren aus China jedoch bereits im November
2002 aufgehoben worden sei, hätte sie überhaupt keinen Anlass gehabt, noch im März 2003 für chinesische
Waren einen unzutreffenden Ursprung anzugeben. Zudem seien die Schuhe entgegen der Anmeldung in die
Warennummer 6404 1100 einzureihen. Schließlich berief sie sich auf Verjährung.
Mit seit dem ... 2007 rechtskräftigen Urteil (..., Sachakte Bl. 159) verurteilte das Landgericht E die
Geschäftsführer der Klägerin, Herrn H und Herrn J, wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§§ 373 Abs. 1, 370
Abs. 1 Nr. 1 AO) in 59 Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die
Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil bezieht sich nicht auf die streitgegenständlichen,
sondern auf andere Einfuhren im Zeitraum von Januar 1999 bis Februar 2003. Aus den Feststellungen des
Landgerichts E ergibt sich, dass die Geschäftsführer der Klägerin in den abgeurteilten Fällen Schuhe
chinesischen Ursprungs einführten und, um u. a. den für derartige Schuhe zu erhebenden Antidumpingzoll zu
umgehen, in den Zollanmeldungen angaben, das Ursprungsland sei Kambodscha, Bangladesch bzw.
Malaysia. Das Urteil beruht auf umfangreichen Geständnissen der Geschäftsführer.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 wurden die Einsprüche - sofern sie nicht zwischenzeitlich
zurückgenommen worden waren - zurückgewiesen. Zunächst führte der Beklagte aus, die Abgabenerhebung
sei nicht verjährt. Gem. Art. 221 Abs. 4 ZK verlängere sich die Verjährungsfrist, da die Zollschuld aufgrund
einer strafbaren Handlung - einer Steuerhinterziehung gem. § 370 AO - entstanden sei. Die Festsetzungsfrist
betrage daher gem. § 169 Abs. 2 AO 10 Jahre. In Bezug auf die streitgegenständlichen Fälle begründete er
die Einspruchsentscheidung damit, dass Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem im Jahr 2002 noch
nicht angeschlossen gewesen sei und es sich daher bei den Präferenzpapieren nicht um ordnungsgemäß
erstellte Ursprungszeugnisse gehandelt habe. Ihnen komme daher keine Nachweiskraft zu. Ausweislich der
Aktenlage habe die Klägerin die in den falschen Ursprungszeugnissen benannte nordkoreanische Firma nie
kontaktiert. In einer E-Mail vom 11.10.2002 sei der Geschäftsführer der Klägerin, Herr J, von der Firma S
darauf hingewiesen worden, dass sich der Kaufpreis um 0,10 US-Dollar je Schuhpaar erhöhe, sofern
nordkoreanische Ursprungszeugnisse Form A benötigt würden. Im regulären Geschäftsverkehr wirke sich die
Einholung eines Präferenznachweises nicht dergestalt auf den Einkaufspreis aus. Zweifel an der
angemeldeten Warennummer bestünden nicht.
Mit ihrer am 11.01.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie
wiederholt im Wesentlichen die Einspruchsbegründung und betont, die Firma S handele mit Schuhen aus
chinesischer Produktion, aber auch aus anderen Produktionsländern. Im Oktober 2001 sei ihr im Rahmen
einer Messe angeboten worden, in Nordkorea produzierte Schuhe zu verkaufen. Die Schuhe seien nur
deshalb in China verladen und verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung
geeigneten Hafen gegeben habe. Daher hätten die Schuhe mit einem Zubringerschiff überwiegend vom
nordkoreanischen Hafen F zum nächsten Überseehafen verbracht werden müssen. Der nächstgelegene
Überseehafen sei C in China gewesen. Da sich die Produktionsstandorte der Firma S in B und G befänden,
wären die Schuhe - wären sie dort produziert worden - über B verschifft worden. Der betreffende Container
habe am 11.12.2001 leer im Hafen von C gestanden und sei am 12.12.2001 beladen und auf das Schiff
verbracht worden. Er müsse also im Hafen C beladen worden sein. Wären die Schuhe in China produziert
worden, wäre der Container nicht erst im Hafen von C, sondern bereits am Produktionsort beladen und dann
zum Überseehafen verbracht worden. Dies belege, dass die Schuhe aus Nordkorea stammten. Vertragliche
Beziehungen der Klägerin hätten ausschließlich zur Firma S bestanden, daher sei auch nur mit dieser und
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nicht mit nordkoreanischen Firmen korrespondiert worden. Die anonyme Anzeige beweise nichts. Ob in
Nordkorea Schuhe hergestellt würden, könne der Verfasser nicht beurteilen. 2003 habe es keinen
Antidumpingzoll für Schuhe aus China mehr gegeben. Das der anonymen Anzeige beigelegte
Ursprungszeugnis vom 05.03.2003 mache für die Umgehung von Antidumpingzoll daher keinen Sinn.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
11.12.2012 aufzuheben, soweit mit diesen Bescheiden in Bezug auf die Zollanmeldungen A-1 vom
17.01.2002 (Nr. XX3), A-2 vom 25.02.2002 (Nr. XX5), A-3 vom 25.02.2002 (Nr. XX6), A-4 vom
26.02.2002 (Nr. XX7), A-5 vom 26.02.2013 (Nr. XX8) und A-6 vom 27.02.2002 (Nr. XX9)
Antidumpingzoll nacherhoben worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und betont, dass anhand der Frachtbriefe (Bill of Lading)
dokumentiert sei, dass die Waren in C, China, auf ein Seeschiff verladen und von dort nach Europa befördert
worden seien. Ein Vortransport aus Nordkorea sei in den Bill of Lading nicht beurkundet. Sonstige
Frachtunterlagen über die Beförderung von Nordkorea nach C seien nicht vorgelegt worden. Allein die Nähe
dieses Hafens zu Nordkorea und die Tatsache, dass sich die Produktionsstandorte der Firma S im Süden
Chinas befänden, lasse einen Rückschluss auf eine Produktion in Nordkorea nicht zu. Es sei gängige Praxis,
dass antidumpingzollpflichtige Waren über Häfen anderer Länder nach Europa verschifft würden, um einen
Warenursprung in diesen Ländern vorzutäuschen. Das Vorbringen der Klägerin sei auch nicht glaubhaft. Die
Messe, auf der sie Kontakt zur Firma S aufgenommen haben wolle, habe vom 15. bis zum 30.10.2001
stattgefunden. Die Waren seien am 31.10.2001 bzw. 24.10.2001 bestellt worden. Beide Bestellungen
bezögen sich auf vorliegende Warenmuster. In den Bestellungen seien als Lieferdaten der 08.12.2001 bzw.
der 10.01.2002 festgelegt. Nach den Angaben in den Akkreditiven seien die Schuhe spätestens am
16.12.2001 bzw. am 31.01.2002 zu versenden gewesen. Es sei daher auszuschließen, dass sie in einer der
erst 2002 errichteten Sonderwirtschaftszonen hergestellt worden seien. Es habe sich um Schuhe in
unterschiedlichen Ausführungen gehandelt und Musterschuhe hätten nach den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin drei Wochen vor dem festgelegten Verschiffungstermin - also etwa Mitte
November 2001 - übersandt werden müssen. Dies sei angesichts der planwirtschaftlichen Strukturen in
Nordkorea nicht möglich. Es sei nicht zutreffend, dass es in Nordkorea keine für die Überseeverschiffung
geeigneten Häfen gebe. Den Nachweis des nordkoreanischen Ursprungs könnten die Ursprungszeugnisse
nicht erbringen, weil Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem nicht angeschlossen gewesen sei. Gegen
ein in Nordkorea ausgestelltes Präferenzpapier spreche auch, dass die Ursprungszeugnisse in Feld 10 auf
die chinesischen Rechnungen Bezug nähmen.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten und Ermittlungsakten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs.
1 S. 1 FGO.
I.
Der Beklagte hat zu Recht für die streitgegenständlichen Einfuhren von Schuhen Antidumpingzoll
nacherhoben. Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 ZK. Danach hat eine
buchmäßige Erfassung des nachzuerhebenden Betrages zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld
entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Die
Voraussetzungen für die Nacherhebung eines Antidumpingzolls liegen vor.
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Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung von Antidumpingzoll stützt sich auf die Verordnung (EG)
Nr. 2155/97 des Rates vom 29.10.1997 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren
bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Spinnstoffen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Indonesien
und zur endgültigen Vereinnahmung der Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Zoll (VO Nr. 2155/97). In
Art 1 VO Nr. 2155/97 wurde für Schuhe des KN-Codes 6404 1990 mit Ursprung in der Volksrepublik China
und Indonesien ein endgültiger Antidumpingzoll in Höhe von 49,2 % festgesetzt.
Zunächst geht der Senat davon aus, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen um solche der
Warennummer 6404 1990 90 gehandelt hat. Anlass, an der Richtigkeit der in den Zollanmeldungen
angegeben und im Abgabenbescheid vom 19.06.2006 zugrunde gelegten Warennummer 6404 1990 90 zu
zweifeln, hat der Senat nicht. Die Klägerin hat diese Einreihung zwar im Einspruchsverfahren beanstandet,
dies jedoch im Klageverfahren nicht erkennbar aufrechterhalten. In ihrer Klagebegründung nimmt sie auf die
Einspruchsbegründung nicht Bezug und der in der Klageerwiderung vom Beklagten geäußerten Feststellung,
die Klägerin mache keine abweichende Einreihungsauffassung mehr geltend, hat sie nicht widersprochen.
Hinsichtlich der Nacherhebungsvoraussetzungen, hier also des Ursprungs der Schuhe, ist der Beklagte
beweispflichtig, wobei es ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen
werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führt (vgl. FG
Hamburg, Urteile vom 07.10.2008, 4 K 137/05 und vom 02.03.2011, 4 K 25/10). Im Lichte dieser
Beweislastverteilung und nach Gesamtwürdigung des Sachverhalts geht der Senat weiter davon aus, dass
die Schuhe nicht nordkoreanischen, sondern chinesischen Ursprungs waren.
Zunächst ist auszuschließen, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in Nordkorea hatten, da es dafür
keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Die Klägerin stützt sich ausschließlich auf angebliche, nicht weiter
belegte Angaben der chinesischen Firma S anlässlich einer Messe in China und - insbesondere - auf die
vorgelegten nordkoreanischen Ursprungszeugnisse Form A. Diesen Ursprungszeugnissen kommt kein
Beweiswert zu. Der Beklagte hat zutreffend dargelegt, dass Nordkorea dem allgemeinen Präferenzsystem
2001/2002 nicht angeschlossen war und daher keine Ursprungszeugnisse Form A ausstellen konnte. Die
Gewährung von Zollpräferenzen gemäß Art. 20 Abs. 3 ZK setzt ein Abkommen mit den betreffenden Ländern
bzw. einen Erlass der Union über die Gewährung der Präferenz voraus. Fehlt es an der Gewährung von
Zollpräferenzen i. S. v. Art. 67 ZK-DVO, handelt es sich mithin nicht um ein begünstigtes Land, kommt auch
die Ausstellung von Ursprungszeugnissen Form A nicht in Betracht, Art. 81 Abs. 2 ZK-DVO. Die Europäische
Union gewährt bestimmten Entwicklungsländern allgemeine Zollpräferenzen. Mit der Verordnung (EG) Nr.
2501/2001 des Rates vom 10.12.2001 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum vom
01.01.2002 bis 31.12.2004 (VO Nr. 2501/2001) wird, wie sich aus deren Art. 1 ergibt, das gemeinschaftliche
System allgemeiner Zollpräferenzen fortgeschrieben. Das Präferenzsystem gilt für die Einfuhr im Einzelnen
genannter Waren, Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2501/2001. In der Anlage I zur VO Nr. 2005/2001 sind die
Entwicklungsländer aufgelistet, für die das allgemeine Präferenzschema der Union gilt. Zu diesen Ländern
gehörte im Jahre 2002 Nordkorea nicht. Abgesehen davon spricht gegen die Richtigkeit der
Ursprungszeugnisse auch der Umstand, dass sie zwar einen nordkoreanischen Ausführer erwähnen, aber
nicht auf dessen Rechnung, sondern auf die der Klägerin seitens der chinesischen Firma S gestellte
Handelsrechnung verweisen. Dieser Umstand, auf den der Beklagte hingewiesen hat, ist jedenfalls
erklärungsbedürftig. Die Klägerin hat sich dazu nicht eingelassen. Weder aus der Aktenlage noch aus dem
Vorbringen der Beteiligten lassen sich ansonsten Anhaltspunkte für einen nordkoreanischen Warenursprung
entnehmen. Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Beförderung der Waren von Nordkorea nach China, es gibt
keinerlei Korrespondenz mit einer nordkoreanischen Firma und es findet sich keine Bestätigung der Firma S
über die Bestellung der Schuhe in Nordkorea. Die Ausführungen der Klägerin zu Seehäfen in Nordkorea, zur
Nutzung chinesischer Häfen für Ausfuhren von in Südchina hergestellten Waren und zu der Frage, wo die
Transportcontainer typischerweise befüllt werden, sind letztlich spekulativ und nicht belegt. Auch unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass - wie bereits dargelegt - nicht die Klägerin, sondern der Beklagte für
die Nacherhebungsvoraussetzungen beweispflichtig ist, sieht der Senat den nordkoreanischen
Warenursprung aufgrund der Gesamtumstände als widerlegt an.
Nach den Gesamtumständen ist vielmehr mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Schuhe
tatsächlich chinesischen Ursprungs sind. Abgesehen von den nicht beweiskräftigen Ursprungszeugnissen
sprechen alle Anhaltspunkte, die sich im Streitfall zum möglichen Warenursprung finden, dafür. In sämtlichen
Fällen liegen Handelsrechnungen der chinesischen Firma S vor. Die Packlisten wurden ebenfalls von der
chinesischen Firma S erstellt. Die Verschiffung nach Hamburg erfolgte vom chinesischen Hafen C und die
Bill of Lading sind über den Transportweg von C nach Hamburg ausgestellt worden. In keinem der genannten
Dokumente findet sich ein Anhaltspunkt, der daran zweifeln lassen könnte, dass die Schuhe in China
produziert wurden. Dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum tatsächlich Schuhe mit chinesischem Ursprung
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eingeführt, durch unrichtige Ursprungsangaben in den Zollanmeldungen jedoch versucht hat, den
Antidumpingzoll zu umgehen, zeigt das Strafurteil des Landgerichts E (...), in dem dieser Sachverhalt auch
nach Geständnissen der Geschäftsführer der Klägerin festgestellt worden ist. Auch wenn dieses Urteil nicht
die streitgegenständlichen Einfuhren betrifft, belegt es doch die grundsätzlichen Geschäftspraktiken der
Klägerin und weckt erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens. Auch wenn der chinesische
Warenursprung durch die vorliegenden Unterlagen und sonstigen Anhaltspunkte nicht bewiesen ist, kann -
zumal nichts erkennbar für einen Warenursprung in einem anderen Land spricht - doch mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in China
haben. Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, sieht der Senat nicht.
Es ist auch keine Verjährung eingetreten. Art. 221 Abs. 3 ZK sieht für die Nacherhebung eine Frist von drei
Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld vor. In den streitigen Einfuhrfällen ist die
Zollschuld mit der Einfuhr im Januar bzw. Februar 2002 entstanden, im Zeitpunkt der Nacherhebung mit
Bescheid vom 19.09.2006 wäre die Frist mithin abgelaufen. Allerdings kann die Mitteilung gem. Art. 221 Abs.
4 ZK, wenn die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen
wurde, strafbar war, unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf
der Dreijahresfrist erfolgen. Diese Norm verweist auf die Verjährungsvorschriften des nationalen Rechts, also
auf die §§ 169 ff. AO. Gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre, soweit eine
Steuer hinterzogen worden ist. Indem bei den Zollanmeldungen der nordkoreanische Warenursprung
angegeben und so die Erhebung des Antidumpingzolls umgangen wurde, wurden dem Beklagten i. S. v. §
370 Abs. 1 Nr. 1 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern
verkürzt. Insofern wurde der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht. Davon, dass die
Vertreter der Klägerin vorsätzlich handelten, ist auszugehen. Die Vortäuschung eines anderen
Warenursprungs lässt sich nur mit dem Bemühen erklären, den Antidumpingzoll zu umgehen. Dass die
Voraussetzungen der Steuerhinterziehung vorliegen, bestreitet die Klägerin selbst nicht substantiiert. Sie hat
sich zwar auf Verjährung berufen, sie hat dies jedoch in keiner Weise begründet, insbesondere hat sie nichts
zu den Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 S. 1 AO vorgetragen.
Schließlich greift kein Nacherhebungsverbot gem. Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK. Danach erfolgt keine
nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines
Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom
Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften
über die Zollanmeldungen eingehalten hat. Im Streitfall fehlt es - neben der erheblich zweifelhaften
Gutgläubigkeit der Klägerin - an einem Irrtum des Beklagten. Einen Anspruch auf Absehen von der
Nacherhebung der Einfuhrabgaben begründet nur ein Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde
zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der
Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständig Angaben des Abgabenschuldners unterlag (BFH,
Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). In den streitigen Einfuhrfällen ist die Abgabenfestsetzung auf die
unzutreffende Ursprungsangabe zurückzuführen, so dass ein aktiver Irrtum ausscheidet.
Zweifel an der Höhe des festgesetzten Antidumpingzolls bestehen nicht, auch die Klägerin äußert insoweit
keine Bedenken. Weiterer Ausführungen des Senats bedarf es daher nicht.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die
Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.