Urteil des FG Hamburg vom 29.06.2012

FG Hamburg: seminar, reisekosten, geschäftsführer, berufliche tätigkeit, akte, gewinnausschüttung, gewerbesteuer, unternehmen, gesellschafter, mittelstand

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Körperschaftsteuer/Einkommensteuer: Verdeckte Gewinnausschüttung durch Seminare zur
Persönlichkeitsentwicklung
Aufwendungen der Kapitalgesellschaft für Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und für Reisekosten
des Gesellschafters und seiner Begleitung können verdeckte Gewinnausschüttungen sein; die
einkommensteuerliche Rechtsprechung zur fehlenden beruflichen oder betrieblichen Veranlassung von
Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung gilt sinngemäß.
FG Hamburg 3. Senat, Urteil vom 29.06.2012, 3 K 85/11
§ 8 Abs 3 KStG, § 4 Abs 4 EStG, § 12 EStG, § 7 GewStG
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Seminar- und Reisekosten des Gesellschafter-Geschäftsführers der
Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), verdeckte Gewinnausschüttungen sind.
I.
1. Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2001 (Akte Allgemeines --Allg-A-- Bl. 9 ff.) gegründet
und am ... 2002 in das Handelsregister eingetragen. Der alleinige Gesellschafter ist auch der Geschäftsführer.
Gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens:
"1. Beratung und Coaching für den Mittelstand in allen Problembereichen der Unternehmensführung mit den
Schwerpunkten:
a) Ganzheitliche Unternehmensanalyse
b) Strategieentwicklung
c) Coaching von Führungskräften
d) Sicherstellen von Unternehmensnachfolgen im Mittelstand durch Jungunternehmer.
2. Aufbereitung und Verwertung von Immobilien aller Art.
3. Vermittlung von Unternehmen aus dem Mittelstand an Unternehmensnachfolger.
4. Finanzierungsvermittlung für mittelständische Unternehmen und Unternehmensnachfolger."
2. Der Geschäftsführer besuchte die Seminare "Zellklarheit" in der Zeit vom 18. bis 19. Februar 2006 in A
sowie vom 05. bis 09. August 2006 in B in der Türkei. Die Seminarkosten betrugen für das 2-Tage-Seminar €
540,00 und für das 5-Tage-Seminar € 1.100,00 (Finanzgerichts-Anlagenband --FG-Anlbd. -- Anl. 3, 4a;
Betriebsprüfungs-Arbeitsakte --Bp-ArbA-- Bl. 148 f., 196 f.).
Anreisetag in der Türkei war der 04. August 2006. Abgereist ist der Geschäftsführer der Klägerin am 11.
August 2006. Dabei entstanden Reisekosten für den Flug sowie für das Hotel in Höhe von insgesamt € 639,45
(FG-Anlbd., Anl. 4b und 4c, Bp-ArbA Bl. 150 f., 196 f.).
Insgesamt machte die Klägerin somit Seminar- und Reisekosten in Höhe von (540,00 + 1.100,00 + 639,45 =) €
2.279,45 als Aufwendungen geltend.
3. Die besuchten Seminare hatten die "Steigerung des eigenen Potentials und Umsetzung im beruflichen
Alltag" zum Inhalt (Rechtsbehelfs-Akte --Rb-A-- Bl. 27, Bp-ArbA Bl. 132, 177 f., 187, 203 f.). Angeboten wurden
diese Seminare von einer Heilpraktikerin. In dem Seminar "Zellklarheit" würden - laut Internetauftritt der
Seminaranbieterin - Verhaltensmechanismen aufgebrochen und deren Herkunft geklärt. Damit werde das
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Selbstbild und das Wertesystem des Einzelnen verändert und Platz für ein neues Selbstwertgefühl geschaffen.
Das Seminar fließe somit in alle Lebensbereiche ein (Rb-A Bl. 32).
Zum Beispiel heißt es auf Internetseiten der Seminaranbieterin (Rb-A Bl. 27, 29, 31):
"Zellklarheit bedeutet, einen neuen Weg für sich zu beschreiten in Selbstverantwortung mit Lebensfreude und
Entscheidungskraft."
"Es werden Verhaltensmechanismen und deren Herkunft bewußt gemacht, die Emotionen gefühlt und gelöst.
Sie beginnen wieder zu fühlen ... und stellen damit wieder den inneren Kontakt zu sich her."
"Die Hauptursache warum Sie nur mit einem geringen Potential durch das Leben gehen, hängt mit
schmerzhaften Erfahrungen und Botschaften aus der Kindheit zusammen und genau da ist der Ansatz von
Zellklarheit."
"Sie fühlen bewusst die Verletzungen ihrer Vergangenheit und reinigen sie mit Farbfrequenzen. Damit
neutralisieren Sie die Emotionen und sie beginnen wieder in Ihrer Urfrequenz zu schwingen."
Das Seminar hat mit einer Einzelarbeit an zwei aufeinander folgenden Tagen begonnen, bei der zunächst die
schmerzhaften Erfahrungen und Botschaften aus der Kindheit analysiert und eine sog. "Grundreinigung" der
körpereigenen Zellen vorgenommen werden sollte (Rb-A Bl. 27, 33 ff.):
"Ich begleite Sie ... zu Ihren beeindruckenden und schmerzhaften Erfahrungen und Erlebnissen der
Vergangenheit. Sie ... fühlen Ihre ... Verletzungen und beginnen deren Heilung.
Damit erlösen Sie sich aus alten Reaktionsmustern.
Jede Einzelarbeit ist sehr persönlich und die Erlebnisse des Einzelnen sind nicht übertragbar auf andere."
Nach der Einzelarbeit folgte in einem zweiten Schritt das 5-Tage-Seminar, welches beinhaltete (Rb-A Bl. 35 f.):
"- Übung der Selbstwahrnehmung durch Spiegeln in anderen Menschen
- Aufdecken von Projektionen
- Hören auf das, was wir sagen und denken
- Bewusst und erfahrbar machen, was es heißt, im Alltag Resonanz zu leben
- Lösen alltäglicher, immer wiederkehrender Mechanismen
- Vertraut werden mit der wiedergewonnen Energie
- Üben im Kontakt mit sich selbst zu bleiben, damit dieser dem Alltag standhält und wächst
- Bewusst machen von Wertungen, Vorurteilen, Kontrollen und Ängsten
- Öffnen emotionaler Enttäuschungen und Verletzungen -sowohl in der Gegenwart, als auch aus
der Vergangenheit
- Fühlen und füllen
- Erinnern an die Herzsprache, dass das JA - ja und das NEIN - nein ist
- Klären
- Viel Farbe fließen lassen
- Aktivieren aller Körperzellen
- In Freiheit und Liebe kommen
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Es geht in diesem Seminar ... um Erkennen und Auflösen der Mechanismen im Alltag, damit Ihnen nicht immer
wieder das gleiche passiert. Sie beginnen eine Veränderung in Ihrem Leben mit Freude und Leichtigkeit."
II.
1. In der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2006 machte die Klägerin die Aufwendungen für die
Teilnahme an den Seminaren sowie die dazu gehörigen Reisekosten in Höhe von € 2.279,00 als
Betriebsausgaben geltend (Körperschaftsteuer-Akte --KSt-A-- Bl. 160 ff.).
2. Diese wurden vom Beklagten (Finanzamt -FA--) im Körperschaftsteuerbescheid vom 16. August 2007, der
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, in voller Höhe berücksichtigt. Die Körperschaftsteuer wurde auf €
0,00 festgesetzt. Des Weiteren erging am 16. August 2007 ein entsprechender Bescheid über die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer in Höhe von € 12.470,00 zum 31.
Dezember 2006.
Zugleich wurden der Gewerbesteuermessbescheid sowie der Bescheid über die gesonderte Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2006, beide jeweils vom 16. August 2007,
erklärungsgemäß erlassen (Gewerbesteuer-Akte --GewSt-A-- Bl. 34 ff.). Der Gewerbesteuermessbetrag wurde
auf € 0,00 festgesetzt; der Gewerbeverlust wurde auf € 13.932,00 festgestellt.
3. Nach einer bei der Klägerin aufgrund Prüfungsanordnung vom ... 2008 durchgeführten Außenprüfung sah die
Betriebsprüfung die Seminar- und Reisekosten in Höhe von zusammen € 2.279,00 als verdeckte
Gewinnausschüttung an (Bericht vom 05. November 2009, Betriebsprüfungs-Akte --Bp-A-- Bl. 5, Bp-ArbA Bl.
187).
4. Demgemäß änderte das FA den Körperschaftssteuerbescheid 2006 sowie den Gewerbesteuermessbescheid
2006 durch Bescheide vom 28. Dezember 2009, indem es statt € -2.482,00 ein zu versteuerndes Einkommen
bzw. einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von € -203,00 zugrunde legte, während die Körperschaftsteuer sowie
der Gewerbesteuermessbetrag bei € 0,00 verblieben. Zugleich änderte das FA die
Verlustfeststellungsbescheide und stellte nunmehr den körperschaftsteuerlich verbleibenden Verlustabzug auf
€ 10.394,00 und den vortragsfähige Gewerbeverlust auf € 11.653,00 fest (Rb-A Bl. 5 ff.).
5. Die Klägerin legte gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2006 und gegen den geänderten
Gewerbesteuermessbescheid 2006 mit Schreiben vom 27. Januar 2010 Einspruch ein (Rb-A Bl. 3, 19, 23, 24,
25).
Mit Einspruchsentscheidung vom 04. April 2011 wies das FA den Einspruch mit der Begründung zurück, dass
ein konkreter Zusammenhang der Aufwendungen zur Geschäftstätigkeit der Klägerin nicht erkennbar sei und
diese folglich nicht den Gewinn der Klägerin mindern dürften (Rb-A Bl. 46 ff.).
III.
1. Am 06. Mai 2011 hat die Klägerin Klage erhoben "wegen der Entscheidung über die Einsprüche vom 27.
Januar 2012 gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 2006 vom 28.
Dezember 2009 und den Körperschaftsteuerbescheid 2006 vom 28. Dezember 2009" (FG-A Bl. 1).
2. Die Klägerin trägt in Anknüpfung an ihr Einspruchsvorbringen im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 7):
Ihr Geschäftsführer habe an den Seminaren zwecks betrieblicher Fortbildung teilgenommen. Sie, die Klägerin,
habe sich in den letzten Jahren von strategischen und operativen Bereichen auch zu lösungsorientierten
Hilfestellungen zwischenmenschlicher Konflikte innerhalb der Unternehmen erweitert. Die in den Seminaren
vermittelten Inhalte würden im Rahmen der Unternehmensberatung eingesetzt. Die frühere Anreise sowie die
verspätete Abreise aus der Türkei hätten der mentalen Vorbereitung bzw. Nachbereitung gedient.
Die Klägerin beantragt sinngemäß (FG-A Bl. 1, 7, 30),
den Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid 2006 und den Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuer-
Änderungsbescheid 2006, jeweils vom 28. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
04. April 2011, aufzuheben oder dahin zu ändern, dass Einkommen bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb
um Seminaraufwendungen von 2.279,45 Euro niedriger zugrunde gelegt werden.
3. Das FA beantragt (FG-A Bl. 12, 30),
die Klage abzuweisen.
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die Klage abzuweisen.
Das FA trägt in Ergänzung der Einspruchsentscheidung vor (FG-A Bl.13):
Die Aufwendungen für die Seminare beträfen die Lebensführung des Gesellschafter-Geschäftsführers, so dass
eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. Gegenstand der Seminare seien ausschließlich Themen der
Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung. Dabei habe die Klägerin nicht vorgetragen, wie diese Inhalte in
ihrem Coachingalltag vermittelt würden und welche unternehmensfördernde Kenntnisse der Geschäftsführer
erworben habe. Insbesondere seien die Einzelseminare überwiegend auf persönlichkeitsformende bzw. -
erweiternde, individuelle Kriterien ausgerichtet und somit der Gesellschaftersphäre zuzuordnen. In den
Seminaren werde nicht vermittelt, wie "Zellklarheit" an andere Menschen weitergegeben werden könne, was für
die Beratungspraxis der Klägerin relevant wäre. Ferner sei hinsichtlich der früheren An- und späteren Abreise
des Geschäftsführers auch keine Aufteilung der Reisekosten in einen privaten und einen beruflich veranlassten
Teil möglich, da es an einem nachvollziehbaren Aufteilungsmaßstab fehle.
IV.
1. Das Gericht hat der Klägerin am 08. Juni 2012 eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Finanzgerichtsordnung
(FGO) bis zum 25. Juni 2012 gesetzt, die Beweismittel zu ihren Behauptungen vorzulegen, dass die streitigen
Seminar- und Reisekosten betrieblich veranlasst seien, insbesondere Seminarprogramme, Schriftstücke aus
den Seminarinhalten, Teilnehmerlisten sowie Dokumente vorzulegen, welche die Weitergabe der Inhalte an die
Kunden betreffen (FG-A Bl. 22).
Diese Frist ließ die Klägerin fruchtlos verstreichen.
2. Mit Beschluss vom 11. Juni 2012 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen (FG-A Bl.
20).
3. Nach fristgerechter Ladung mit Hinweis auf die Möglichkeit der Entscheidung bei Ausbleiben der Beteiligten
sind diese zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen (FG-A Bl. 25 ff.).
4. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Verhandlungsprotokoll vom 29. Juni 2012 (FG-A Bl. 29 f.) sowie
auf die oben angeführten Vorgänge und die damit zusammenhängenden Unterlagen aus der Finanzgerichtsakte
(FG-A) nebst Anlagenband (FG-Anlbd.) sowie aus folgenden Steuerakten:
- Akte Allgemeines (Allg-A),
- Rechtsbehelfsakte (Rb-A),
- Körperschaftsteuerakte (KSt-A),
- Gewerbesteuerakte (GewSt-A),
- Bp-Arbeitsakte (Bp-ArbA).
Ferner haben dem Gericht folgende Steuerakten vorgelegen:
- Bilanz- und Bilanzberichtsakte,
- Akte betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals.
Entscheidungsgründe
B.
Die Klage ist unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
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1. Die Klage ist nicht bereits wegen eines fehlenden bestimmten Antrags der Klägerin unzulässig. Aus der
gegen den Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid und gegen den Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuer-
Änderungsbescheid gerichteten Klageschrift und Klagebegründung ergibt sich das Klagebegehren betreffend
die Seminaraufwendungen sinngemäß (§ 65 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
2. Die Klage ist jedoch unzulässig, da der Klägerin die Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 FGO fehlt. Durch die
Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags auf € 0,00 ist der Steuerpflichtige
grundsätzlich nicht belastet (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2007 VIII B 106/06, BFH/NV 2007, 1164; BFH-
Urteil vom 15. Februar 2001 III R 10/99, BFH/NV 2001, 1125). Nach der für das Streitjahr geltenden Rechtslage
ist der Steuerpflichtige vielmehr gehalten, die jeweiligen Verlustfeststellungbescheide anzufechten, da der
Körperschaftsteuer- sowie der Gewerbesteuermessbescheid nicht für die Verlustfeststellungsbescheide
bindend waren. Die Einkommensermittlung sowie die Gewinnermittlung stellten nur unselbständige
Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 157 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) dar und bildeten folglich einen mit
Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids.
II.
Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet, da der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid sowie der
Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheid, jeweils vom 28. Dezember 2009, rechtmäßig sind und die
Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Zu Recht hat das FA die von der Klägerin getragenen Seminar- und Reisekosten als verdeckte
Gewinnausschüttung behandelt, d. h. außerbilanziell wieder hinzugerechnet, weil diese Aufwendungen durch
die Gesellschafterstellung des geschäftsführenden Gesellschafters veranlasst waren (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i. V.
m. § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz --KStG--, § 4 Abs. 4, § 12 Einkommensteuergesetz --EStG--, § 7
Gewerbesteuergesetz --GewStG--).
1. Eine verdeckten Gewinnausschüttung i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wird in ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) definiert als eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die
durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages i. S. d. § 4 Abs.
1 Satz 1 EStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteile vom
19. Oktober 2005 I R 40/04, BFH/NV 2006, 822; vom 07. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004,
131). Davon abzugrenzen sind Vermögensminderungen, die durch den Betrieb der Gesellschaft veranlasst sind
(§ 4 Abs. 4 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG).
2. Für die Frage, ob Seminar- oder Bildungsaufwendungen des geschäftsführenden Gesellschafters durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, kommt es darauf an, ob ein ordentlicher und gewissenhafter
Geschäftsführer die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung gegenüber einem Mitarbeiter,
der nicht Gesellschafter ist, unter sonst gleichen Umständen hingenommen hätte. Ein ordentlicher und
gewissenhafter Geschäftsführer würde gerade nicht die Kosten der allgemeinen Lebensführung eines
Beschäftigten übernehmen (vgl. Urteile des FG Baden-Württemberg vom 18. Juli 2001 3 K 189/00; des FG
Nürnberg vom 10. September 1999 I 308/97, EFG 1999, 1249).
3. Für die Entscheidung, ob Aufwendungen für ein Seminar, welches die eigene Persönlichkeitsentfaltung des
Teilnehmers zum Gegenstand hat, durch den Betrieb der Gesellschaft oder durch die Gesellschafterstellung
bzw. privat veranlasst sind, kommt es darauf an, ob der Lehrgang primär auf die spezifischen Bedürfnisse der
von der Klägerin ausgeübten wirtschaftlichen Betätigung gerichtet ist. Insofern gilt sinngemäß die
Rechtsprechung über die fehlende berufliche Veranlassung von Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung (vgl.
Urteile des BFH vom 06. März 1995 VI R 79/94, BFHE 177, 199, BStBl II 1995, 393; des FG Hamburg vom 04.
Oktober 1995 V 186/93, EFG 1996, 136; des FG Baden-Württemberg vom 23. Mai 1990 XII K 1015/85, EFG
1991, 76; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rd. 545 "Fortbildung").
Indizien für die betriebliche Veranlassung wären dagegen ein berufsmäßig qualifizierter Veranstalter,
spezifische Lehrinhalte und deren konkrete Anwendung in der betrieblichen Tätigkeit sowie ein homogener
Teilnehmerkreis (Schmidt, EStG, 31. A., § 12 Rd. 25 "Persönlichkeitsentfaltung" m. w. N.). Für den
homogenen Teilnehmerkreis ist es nicht erforderlich, dass alle Teilnehmer derselben Berufsgruppe angehören.
Entscheidend ist vielmehr, dass die Kursteilnehmer aufgrund der Art ihrer beruflichen Tätigkeit gleichgerichtete
fachliche Interessen haben (vgl. BFH-Urteile vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70;
vom 24. April 1992 VI R 110/89, BFH/NV 1992, 801).
4. Letztere Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
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a) In Anbetracht der - trotz Ausschlussfristsetzung (oben A IV 1) -unzureichenden Substantiierung durch
Unterlagen seitens der Klägerin ist es bereits nicht möglich, die Inhalte des Seminars "Zellklarheit" bei den
konkreten Besuchen näher nachzuvollziehen, erst recht nicht eine anschließende Verwendbarkeit oder
Verwendung im Betrieb der Klägerin überhaupt (vgl. zum unzureichendem Nachweis der Veranlassung von
Fortbildungskosten und ähnlichen Aufwendungen die Urteile des Finanzgericht Köln vom 27. Mai 1993 10 K
5147/88, EFG 1994, 25; des BFH vom 09. Juni 1988 VI R 132/87, BFH/NV 1988, 708; vom 23. Juni 1978 VI R
127/77, BFHE 125, 265, BStBl II 1978, 543).
b) Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens mit den über den Seminarinhalt allgemein vorhandenen
Unterlagen steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 96 FGO fest, dass das Seminar, welches der
Geschäftsführer der Klägerin durchlief, auf die Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmer selbst, insbesondere
ihre seelische Stärkung und Therapie abzielte und kein bestimmtes unternehmens- bzw. berufsspezifisches
Wissen vermittelte.
aa) Im ersten Teil des Seminars steht die eigene Therapieerfahrung der Teilnehmer im Vordergrund, da
ausschließlich die Erlebnisse aus der Vergangenheit des Einzelnen analysiert werden. Die dabei gewonnen
Ergebnisse sind daher auch nach Angaben der Seminaranbieterin konsequenterweise nicht auf andere
übertragbar (oben A I 3). Die Einzelarbeit stellt folglich eine ausschließlich persönlichkeitsformende Maßnahme
für den Teilnehmer dar und vermittelt keine erkennbar für die Unternehmensberatung nützlichen Erkenntnisse.
bb) Im zweiten Teil des Seminars werden Verhaltensmechanismen der Teilnehmer geübt, damit diese nicht
wieder in ihre alten Gewohnheiten verfallen (oben A I 3). Der Seminarschwerpunkt lag somit auch im zweiten
Teil nicht auf der Erlernung therapeutischer Fähigkeiten, sondern auf dem persönlichen Nutzen der erlernten
Erkenntnisse für die Teilnehmer selbst. Aus dem Internetauftritt der Seminaranbieterin geht bereits hervor,
dass das Seminar in alle Lebensbereiche einfließen soll (oben A I 3). Eine primäre Ausrichtung auf die
spezifischen Bedürfnisse der in der hiesigen Unternehmensberatung ausgeübten Tätigkeit ist somit nicht durch
das Seminar gegeben. Es ist auch von der Klägerin selbst - trotz Ausschlussfrist (oben A IV 1) - nicht
dargelegt worden, wie die Seminarinhalte im Rahmen der Unternehmensberatung eingesetzt bzw. die erlernten
Methoden an andere Menschen weitergegeben werden könnten.
cc) Gegen eine besondere Ausrichtung der Tätigkeit der Seminaranbieterin auf die Unternehmensberatung oder
andere Unternehmensgegenstände spricht auch die insoweit unzureichende und fachfremde berufsmäßige
Qualifikation der Seminaranbieterin als Heilpraktikerin (oben A I 3).
dd) Weiterhin richtet sich das Seminar nicht an einen homogenen Teilnehmerkreis und nicht an
Unternehmensberater als Zielgruppe. Die Teilnahme setzt keine bestimmte berufliche Tätigkeit voraus, sondern
steht allen Interessierten offen, die "den Mut zur Ehrlichkeit mit sich selbst" haben (oben A I 3).
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 115 Abs. 2 FGO.
3. Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter nach Übertragung des Rechtsstreits gemäß § 6 FGO (oben
A V 1).
4. Das Gericht kann in der Sache gemäß § 91 Abs. 2 FGO entscheiden, obwohl die Beteiligten zur mündlichen
Verhandlung nicht erschienen sind; sie wurden mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß zum
Termin geladen (oben A V 3).