Urteil des FG Hamburg vom 12.12.2012

FG Hamburg: pension, prostituierte, rechtskräftiges urteil, dienstleistung, bezahlung, berufliche tätigkeit, internet adresse, haus, gesellschafter, buchhaltung

2
3
4
5
7
8
1
6
9
Umsatzsteuer: Zurechnung von Prostitutionsleistungen
Die Leistungen von Prostituierten, die im Rahmen eines Bordellbetriebs erbracht wurden, sind dem
Bordellbetreiber zuzurechnen, wenn er im Außenverhältnis als leistender Unternehmer auftritt.
FG Hamburg 2. Senat, Urteil vom 12.12.2012, 2 K 88/11
§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG, § 2 Abs 1 UStG, § 14 UStG, § 14a UStG, § 15 Abs 1 Nr 1 UStG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Zurechnung von Prostitutionsleistungen.
Die Klägerin - eine Personengesellschaft - betrieb nach Auffassung des Beklagten in den Streitjahren 1999 bis
2005 als rechtlich selbstständiger Teil des A Nightclubs einen Bordellbetrieb. Der A Nightclub war in zwei
Bereiche aufgeteilt. In einen Barbereich, in dem Getränke verzehrt und Kontakt zu Prostituierten aufgenommen
werden konnte. Der Barbereich wurde in den Streitjahren rechtlich selbstständig durch unterschiedliche GmbHs
oder als Einzelfirma geführt. Daneben gab es in einem selbstständigen Hinterhofgebäude den Steigenbereich
(Pension), in dem Zimmer vorhanden waren, in denen die Kunden die Prostitutionsleistungen von den
Prostituierten aus dem Barbereich in Anspruch nehmen konnten. Der Steigenbereich wurde in den Streitjahren
formal als Einzelunternehmen der Gesellschafterin der Klägerin B unter der Firma Pension C betrieben.
Ausgehend von einer im Jahr 2004 begonnene Außenprüfung beim Einzelunternehmen Pension C wurde ein
umfangreiches Steuerstrafverfahren eröffnet, u. a. gegen die Gesellschafter der Klägerin. Die Gesellschafter D,
E und F wurden durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2011 (...) jeweils wegen
Steuerhinterziehung in 67 Fällen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Gegenstand der Verurteilung waren
unter anderem Umsatzsteuerhinterziehungen in den Jahren 2000-2005 in Höhe von insgesamt 2.060.520,50 €
durch Abgabe zu niedriger Umsatzsteuererklärungen oder Voranmeldungen für die Pension C.
Nach dem Urteil des Landgerichts haben die Angeklagten in der Pension C mittäterschaftlich dafür gesorgt,
dass die aus den sexuellen Dienstleistungen erzielten unbaren Umsätze und Einnahmen mithilfe eines speziell
von ihnen entwickelten detaillierten Abrechnungsmodells nur etwa zur Hälfte gewinn- und umsatzwirksam
erfasst und der Umsatz-und Ertragsbesteuerung unterworfen wurden. Zudem sind danach in bar kassierte
Umsätze und Einnahmen aus den sexuellen Dienstleistungen grundsätzlich nicht in die Buchführung
aufgenommen und entsprechend auch nicht steuerlich erklärt worden.
Dem Urteil ist eine Verständigung nach § 257c der Strafprozessordnung (StPO) vorausgegangen. Teil dieser
Verständigung waren umfassende Geständnisse der Angeklagten sowie eine teilweise
Schadenswiedergutmachung in Höhe von 700.000 €.
In tatsächlicher Hinsicht hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Die Angeklagten traten zur Verschleierung ihrer Verantwortlichkeit formal nicht als Verantwortliche des A
Nightclubs auf, sondern setzten verschiedene Strohleute als Geschäftsführer oder Einzelkaufleute ein, die
tatsächlich keinen Einfluss auf die Geschäftsführung hatten. Inhaber und Gesellschafter sowie verantwortlich
Handelnde waren die Angeklagten. Sie bestimmten die Unternehmensführung, steuerten die Buchhaltung und
Bilanzführung, trafen die Entscheidungen über steuerliche Angelegenheiten, organisierten die Betriebe und
Betriebsabläufe, schlossen Verträge und bestimmten die Preise für die gewährten Leistungen. Der A Nightclub
wurde von ihnen als ein einheitlicher Betrieb behandelt, obwohl das Bordell formell in einen Gastronomie- und
einen Steigenbereich aufgeteilt war, deren Rechtsform und Strohleute mehrmals wechselten. Der
Steigenbereich wurde von den Angeklagten in den Jahren 1999 bis 2005 unter der Pension C betrieben. Als
formale Inhaberin und Geschäftsführerin setzten die Angeklagten die ehemalige Lebensgefährtin des
Angeklagten E, B, ein.
Nach außen trat nur einheitlich der A Nightclub in Erscheinung. Für ihn wurde durch die Beschilderung am
Gebäude vor Ort und in Zeitungen geworben. Zum A Nightclub war unter der Internet-Adresse www.A-
Nightclub.de in der Rubrik "ÜBER UNS" zu lesen:
"ÜBER UNS
10
13
14
15
16
17
18
11
12
Der A-Nightclub ist der größte und einer der bekanntesten Clubs in ..., der durch Film, Funk und Fernsehen
auch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist. Die gehobene und exklusive Ausstattung steht für
höchste Ansprüche. Unser Ziel und Wunsch ist es, dass sich Kunden, viele davon langjährige Stammkunden,
zu jeder Gelegenheit und zu jedem Anlass bei uns wohl fühlen. Wir bieten Ihnen absolute Diskretion und unser
Vertrauen, damit sie absolut entspannte Stunden in unserem Hause genießen können. Unsere gemütliche und
wunderschön eingerichtete Bar bietet Ihnen jegliche Art an Getränken und Sie können sich entspannt die
Auftritte unserer Modelle auf der Bühne ansehen. Neben elegant eingerichteten Zimmern bietet der A-Nightclub
einen wunderschönen Wellness-Bereich mit einem großen Pool, einer Sauna und einem Whirlpool. Entscheiden
Sie selbst, wo Sie sich am wohlsten fühlen."
In der folgenden Rubrik "UNSER SERVICE" heißt es dann:
"SERVICE
Während unserer Öffnungszeiten erwarten Sie täglich bis zu 40 äußerst gut aussehende Damen, die nur darauf
warten, Ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Unsere internationalen Damen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt und
bieten exzellenten Service bei 100 %iger Diskretion. Die Zufriedenheit unserer Kunden steht uns an erster
Stelle. Selbstverständlich steht Ihnen auch die Nutzung unseres Wellness-Bereiches während Ihres
Aufenthaltes uneingeschränkt zur Verfügung. Auch unsere Damen freuen sich darauf, zusammen mit unseren
Gästen den Whirlpool oder die Sauna zu besuchen. Auch wenn Sie sich mal nur bei einem Gläschen
Champagner oder bei einem Whiskey "on the rocks" entspannen möchten, kommen Sie vorbei und seien Sie
unser Gast. Überzeugen Sie sich selbst von der Nr. 1 der Nightclubs in ... und kommen Sie uns bei nächster
Gelegenheit besuchen. Wir akzeptieren alle Kreditkarten! Wir freuen uns auf Sie!"
Der A Nichtclub war von Montag bis Freitag von 13:00 Uhr bis 4:00 Uhr und samstags sowie sonntags von
20:00 Uhr bis 4:00 Uhr geöffnet. Im Gastronomiebereich des Clubs hielten sich bis zu 40 Prostituierte auf. Die
Angeklagten stellten sicher, dass sich zu bestimmten Öffnungszeiten, die für die Prostituierten aufgrund des
geringen Kundenaufkommens finanziell nicht sehr lukrativ waren, zumindest eine ausreichende Anzahl
Prostituierter in dem Club aufhielt. Die Prostituierten erhielten dafür eine garantierte Zahlung von zuletzt 50 €.
Den Prostituierten war es von den Angeklagten freigestellt, wann und wie lange sie sich im Club aufhalten
wollten.
Der Kunde betrat den Club über den Gastronomiebereich. Dort konnte er Getränke konsumieren und
gegebenenfalls Kontakt zu den sich dort aufhaltenden Prostituierten aufnehmen. Die Rechnung aus dem
Besuch des Gastronomiebereichs bezahlte er in der Regel bereits beim Verlassen dieses Bereichs in einem
gesonderten Zahlungsvorgang. Wollte der Kunde die angebotenen sexuellen Dienstleistungen in Anspruch
nehmen, so erfragte er den Preis, wenn dieser nicht anderweitig bereits bekannt war. Auskunft hierüber gaben
die Prostituierten oder das übrige Personal des Clubs, wie z. B. die Tresenkräfte. Der Preis war von den
Angeklagten vorgegeben und nicht verhandelbar. Er berechnete sich stundenweise und umfasste die
Prostitutionsleistung und das Zimmer, in dem die Leistung erfolgen sollte. Der Preis variierte je nach
Ausstattung der Zimmer im Steigenbereich. Er betrug für eine Stunde zuletzt 220,- bis 230,- €.
Um die sexuellen Handlungen durchführen zu können, mussten der Gast und die Prostituierte den
Gastronomiebereich verlassen und den Steigenbereich (Pension) aufsuchen, der in einem Hinterhofgebäude
untergebracht war. Dort teilten sie den an der Rezeption der Pension tätigen Mitarbeitern die Dauer des
Aufenthaltes und das gewünschte Zimmer mit. Die Mitarbeiter wiesen ihnen ein freies, ihrem Wunsch
entsprechendes Zimmer zu. Von den Zimmern aus konnten auch Getränke bestellt werden.
Die Bezahlung des Preises für das Zimmer und die sexuelle Dienstleistung erfolgte überwiegend vor
Leistungserbringung an der Rezeption der Pension. Zahlungen konnten sowohl in bar als auch mit Kreditkarte
oder mit EC-Karte erfolgen. Gemischte Zahlungen waren ebenfalls möglich. Sowohl im Bar- als auch im
Steigenbereich befanden sich elektronische Registrierkassen zur Erstellung von Belegen und der
Vereinnahmung von Barzahlungen. Zur Bezahlung mit Kredit-und EC-Karten befanden sich im Bar- und
Steigenbereich Kartenlesegeräte. Teilweise bezahlten bestimmte Kunden, etwa bekannte Stammgäste, aber
auch erst nach Leistungserbringung. Der Kunde, der mit Kreditkarte zahlte, erhielt an der Rezeption den kleinen
schmalen Kartenzahlungsbeleg vorgelegt, auf dem er mit seiner Unterschrift den Rechnungsbetrag zu
bestätigen hatte. Der Durchschlag wurde ihm grundsätzlich ausgehändigt. Verlängerte der Gast den
Zimmerbesuch, so informierte die Prostituierte die Mitarbeiter an der Rezeption. Diese suchten sodann zur
Bezahlung des zusätzlichen Stundenpreises die Gäste direkt in den Zimmern auf.
Auf Nachfrage des Kunden, aber auch auf Initiative der Mitarbeiter des Clubs oder der Prostituierten konnte der
Kunde den Club auch mit einer oder mehreren Prostituierten verlassen. Es war ferner möglich, die
19
20
21
22
23
24
Prostituierten telefonisch zu Haus-oder Hotelbesuchen zu ordern. Für diese Leistung musste vorher jeweils
eine Erlaubnis eines Mitarbeiters oder eines der anwesenden Angeklagten eingeholt werden. Der Preis für diese
Außer-Haus-Leistung belief sich pro Prostituierte zuletzt auf 520,- € und umfasste 3 Stunden inklusive An-und
Abreise. Die Angeklagten unterhielten einen Fahrservice für die Prostituierten. Bei diesen Leistungen bezahlte
der Kunde die sexuellen Dienstleistungen teilweise bereits im Voraus im Club. Zum Teil beglich er die
Rechnung aber auch in bar und übergab der Prostituierten das Geld.
Soweit der Gast den Preis für die sexuelle Dienstleistung bar entrichtete, zahlte er diesen an der Rezeption der
Pension an die dort tätigen Mitarbeiter. Lediglich in Einzelfällen händigten die Mitarbeiter den Anteil der
Prostituierten sofort direkt in bar und im Beisein des Kunden wieder aus. Überwiegend bewahrten die
Mitarbeiter an der Rezeption die für die Prostituierte von den Angeklagten bestimmte Summe bis an das Ende
ihrer Arbeitszeit auf. Bei Außer-Haus-Leistungen erhielten die Prostituierten ihr Geld erst nach der Rückkehr in
den Club oder am Ende ihrer Arbeitszeit. Eine direkte Bezahlung von Bargeld durch den Gast an die
Prostituierte erfolgte nur im Ausnahmefall. Zahlte der Gast den Preis für die sexuelle Dienstleistung mit Kredit-
oder EC-Karte, so erhielt die Prostituierte ihre von den Angeklagten bestimmte Summe am Ende ihrer
Arbeitszeit von der an der Rezeption der Pension tätigen Person ausgehändigt. Bei dieser Art der Bezahlung
behielten die Angeklagten vom Lohn der Frauen einen als Bearbeitungs-bzw. Servicegebühr bezeichneten
Betrag ein, der rund 10% des Lohnes der Prostituierten ausmachte.
Bei Kartenzahlungen wurde sowohl für In-Haus- als auch für Außer-Haus-Leistungen bei der Bezahlung durch
die Mitarbeiter an der Rezeption der Pension mithilfe der Registrierkasse ein "Guest-Check" erstellt, in dem -
wie bei einem Kassenbon - die gesamten von dem Kunden georderten Leistungen mit Einzelpreisen und einem
Gesamtpreis als Summe aufgeführt waren. Der Gast erhielt diesen "Guest-Check" nur im Ausnahmefall
ausgehändigt. Meistens nahm er von dessen Erstellung oder seinem Inhalt keine Kenntnis. Er erhielt nur den
kleinen schmalen Kartenzahlungsbeleg vorgelegt und ausgehändigt, der lediglich die Gesamtsumme enthielt.
Der für die Buchhaltung bestimmte "Guest-Check" wies dagegen - abhängig von der jeweils gewährten Leistung
- folgende Abrechnungspositionen auf:
- Getränk
- Zimmermiete
- Pool
- Schwimmbad
- Barauszahlung
- Auszahlung Gast
Dabei handelte es sich bei den Positionen "Barauszahlung" oder "Auszahlung Gast" um den
Prostituiertenanteil sowie teilweise auch um Entgelte für Getränkeverkäufe auf den Zimmern. Darauf wurde, im
Gegensatz zu den Positionen "Zimmermiete", "Pool" oder "Schwimmbad", keine Umsatzsteuer berechnet. In
der Buchhaltung wurde zunächst der gesamte Zahlungsbetrag als Einnahme erfasst und sodann der Teil des
Zahlungsbetrages betreffend "Barauszahlung" und "Auszahlung Gast" einnahmemindernd wieder ausgebucht.
Ertrags-und umsatzsteuerrechtlich wurden diese Beträge als durchlaufende Posten behandelt. Die
Formulierungen "Barauszahlung" und "Auszahlung Gast" wurde gewählt, um vorzuspiegeln, dass die
Prostituierten die sexuellen Dienstleistungen und Getränke direkt mit dem Kunden abrechnen würden.
Tatsächlich erhielten die Kunden aber keine Bargeldzahlungen, um die Prostituierten direkt zu bezahlen.
Soweit die Leistungen durch Bargeldzahlungen der Kunden beglichen wurden, wurden die Einnahmen und
Umsätze in der Buchhaltung der Pension C nur zu einem äußerst geringen Teil von 0,38 % erfasst. Tatsächlich
belief sich der Barzahlungsanteil aber auf rund 40 % der in der Buchhaltung erfassten Einnahmen.
Einige Kunden erhielten von den Angeklagten oder nach Rücksprache mit ihnen aus verschiedenen Gründen
die Möglichkeit, die Leistungen auch später zu bezahlen. Dies galt sowohl für die Leistungen in der Bar als
auch von der Pension. Diese den Kunden eingeräumten Stundungen wurden nicht in der Buchführung erfasst.
Weder wurde zunächst eine offene Forderung noch wurde bei späterer Zahlung der Eingang dieser Gelder
gebucht.
25
26
27
28
29
30
31
32
33
Auf Kundenwunsch wurden diesen in Einzelfällen Rechnungen ausgestellt, um dem Gast die Möglichkeit zu
eröffnen, die Rechnung in die Buchführung seines Unternehmens einzubringen. Diese Rechnungen wiesen
sämtliche auf den "Guest-Checks" abgerechneten Leistungen aus. Diese wurden allerdings in der Regel nur
einheitlich und verschleiernd bezeichnet. Auf den Gesamtnettobetrag wurde Umsatzsteuer berechnet."
Die Gesellschafterin B, wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom ... 2012 (...) wegen
Steuerhinterziehung in 4 Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit versuchter Steuerhinterziehung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt. Verfahrensgegenstand der Verurteilung waren
Unterschriften unter Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen 2001 bis 2004 für das Einzelunternehmen
"Pension C".
Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 05. Dezember 2006 für die Jahre 1999 bis 2005, geändert durch
Bescheide vom 03. Juli 2007, gegenüber der Klägerin Umsatzsteuern in folgender Höhe fest:
- 1999: 679.942,- DM (347.648,82 €)
- 2000: 741.031,- DM (378.883,13 €)
- 2001: 661.164,- DM (338.047,79 €)
- 2002: 422.489,05 €
- 2003: 391.275,37 €
- 2004: 411.859,60 €
- 2005: 411.988,91 €
In sämtlichen Bescheiden wurden die nach den Feststellungen der Steuerfahndung von dem
Einzelunternehmen "Pension C" nicht erklärten Umsätze hinzugeschätzt. Die Höhe der Hinzuschätzungen ist
zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin legte am 04. Januar 2007 gegen die Umsatzsteuerbescheide Einsprüche ein. Zur Begründung trug
sie im Wesentlichen vor, dass die Prostitutionsleistungen von den jeweiligen Prostituierten zu versteuern und
nicht beim Pensionsbetrieb zu erfassen seien. Sie seien in der Buchhaltung zutreffend als durchlaufende
Posten behandelt worden. Die Pension habe lediglich als Inkassostelle der Prostituierten fungiert. Aus Sicht
der Kunden sei es auch deutlich gewesen, dass die Prostituierten jeweils die Leistung an sie erbracht hätten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2008 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die Erträge aus den Prostitutionsleistungen seien der Klägerin zuzurechnen. Dies sei unabhängig von der
Frage zu bejahen, ob die Prostituierten als Arbeitnehmerinnen einzustufen seien oder als selbstständige
Subunternehmer. Die Klägerin sei den Kunden gegenüber nicht nur als Zimmervermietung gegenüber getreten,
sondern als Bordellbetrieb, der den Gästen auch die Verschaffung von Geschlechtsverkehr angeboten habe.
Sie habe dafür gesorgt, dass die Ausstattung der Räume auf die Erbringung sexueller Dienstleistungen
zugeschnitten gewesen sei, dafür benötigte Utensilien zur Verfügung gestanden hätten, der Betrieb reibungslos
gelaufen, eine unbare Bezahlung möglich gewesen sei und sich in den Barräumen ausreichend viele
Prostituierte aufgehalten hätten.
Die Klägerin hat am 28. Februar 2008 Klage erhoben (2 K 49/08). Das Verfahren ruhte bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Strafverfahrens gegen die Gesellschafter F, E und D und wurde anschließend unter dem
jetzigen Aktenzeichen wieder aufgenommen.
Die Klägerin trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofes (BFH) in Bezug auf die dort vorgebrachten Argumente, soweit sie sich auf vorherige
Rechtsprechung des BFH beziehe, nicht auf die Bordellfälle übertragbar sei. Eine Zuordnung der Leistung der
Prostituierten zum Betreiber komme nach umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten nur in Betracht, wenn es sich
um eine einheitliche Leistung handele. Es komme insoweit auf die zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse an.
Jeder Umsatz sei in der Regel als eigene Leistung zu qualifizieren. Der Kunde habe in zwei Tranchen gezahlt
und spätestens beim Lesen seiner Kontoauszüge erkennen können, dass er zwei Dienstleistungen in Anspruch
genommen habe, vornehmlich die Zimmermiete und die sexuelle Dienstleistung. Erstere sei durch den
35
36
41
34
37
38
39
40
43
44
45
42
Betreiber, Letztere durch die Prostituierten erbracht worden. Die Prostituierten seien selbständig tätig gewesen.
Deshalb scheide eine gemeinsame Versteuerung ihrer Umsätze mit denen des Betreibers aus. Das Interesse
des Kunden bestehe an der Dienstleistung der Prostituierten. Die Zimmermiete stelle lediglich eine
Nebenleistung zu dieser Hauptleistung dar. Auf den einheitlichen Außenauftritt des Bordells könne nicht
abgestellt werden. Dies werde auch in anderen Fällen nicht getan, etwa bei Tankstellen oder bei Restaurants
im Franchisesystem. Auch auf das Hilfsmerkmal "einheitliche festgelegte Preise" könne nicht zur Begründung
einer einheitlichen Leistung von Bordellbetreibern und Prostituierten abgestellt werden. Die Prostituierten hätten
möglicherweise auf den Zimmern auch Zusatzleistungen direkt mit den Kunden abgerechnet und bei
Leistungsstörungen einzustehen gehabt.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2005 vom 03. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 31. Januar 2008 dergestalt zu ändern, dass der Klägerin Umsätze bzw. Einnahmen aus
Prostitutionsdienstleistungen in Höhe von
2.615.184 DM (1.337.122 €) für 1999,
2.930.456 DM (1.498.318 €) für 2000,
2.581.317 DM (1.319.806 €) für 2001,
1.673.605 €
für 2002,
1.510.134 €
für 2003,
1.139.568 €
für 2004 und
1.099.074 €
für 2005
nicht zugerechnet werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der
beigezogenen Steuerakten des Beklagten und den der beigezogenen Akten zu den Strafverfahren ...
(Landgericht Hamburg) und ... (Amtsgerichts Hamburg) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2005 vom 03. Juli 2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2008 sind rechtmäßig.
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Umsätze aus den
Prostitutionsleistungen als eigene Leistung erbracht und zu versteuern hat.
I.
1) Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die
Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines
Unternehmens ausführt. Für die Besteuerung eines Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG) als Steuerschuldner (§
13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, früher § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG a. F.) ist demnach maßgebend, ob und welche
Lieferungen oder sonstige Leistungen von ihm erbracht werden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10,
BFH/NV 2012, 2094; vom 16. März 2000 V R 44/99, BStBl II 2000, 361).
Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen steuerbar und unterliegen der Steuer, wenn
46
47
48
49
50
51
Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen steuerbar und unterliegen der Steuer, wenn
zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich
dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in
dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die
Leistung bildet (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; vom 05. Dezember
2007 V R 60/05, BStBl II 2009, 486, m. w. N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union).
Nach diesem Rechtsverhältnis bestimmt sich auch die Person des Leistenden und die des
Leistungsempfängers (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; vom 23. September
2009 XI R 14/08, BStBl II 2010, 243). Die Beteiligten eines Leistungsaustauschs ergeben sich mithin aus den
schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094 m.
w. N.).
Im Rahmen der Bestimmung der Leistungen und Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass derjenige, der im
eigenen Laden Waren verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler und nicht als Vermittler
anzusehen ist (sog. Ladenrechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 09. April 1970 V R 80/66, BStBl II 1970,
506; vom 14. Mai 1970 V R 77-78/66, BStBl II 1970, 511; vom 16. Dezember 1987 X R 32/82, BFH/NV 1988,
331; vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094). Denn der Kunde, der in einem Laden Waren kauft,
will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind im Regelfall etwaige
Vereinbarungen zwischen dem Ladeninhaber und einem Dritten, wonach es sich lediglich um eine
Vermittlungstätigkeit handeln soll, nicht bekannt. Sie werden ihn im Allgemeinen auch nicht interessieren.
Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht, und dem
Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Auf das Innenverhältnis des Ladeninhabers zu
seinem Vertragspartner, der Waren oder Leistungen zur Verfügung stellt, kommt es für die Frage, ob
Eigenhandels- oder Vermittlungsgeschäfte vorliegen, nicht entscheidend an. Wesentlich ist das
Außenverhältnis, d. h. das Auftreten des Ladeninhabers dem Kunden gegenüber. Nur wenn der Ladeninhaber in
eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird,
also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich
ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann die Vermittlereigenschaft des
Ladeninhabers umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10,
BFH/NV 2012, 2094 m. w. N.). Diese Grundsätze gelten auch für die Erbringung von sonstigen Leistungen (vgl.
BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; Bunjes/Robisch, UStG, 11. Aufl., § 1 Rz 98).
Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist demnach grundsätzlich derjenige, der als Unternehmer nach
außen auftritt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; BFH-Beschluss vom 29.
Januar 2008, BFH/NV 2008, 827, jeweils m. w. N.).
Dementsprechend sind Umsätze eines Bordellbetriebs, auch soweit sie nicht höchstpersönlich erbracht
werden, demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an die
Leistungsempfänger erbringt. Bietet der Inhaber eines Bordellbetriebs die Verschaffung der Gelegenheit zum
Geschlechtsverkehr nach außen hin an, so ist er - wie in Ladengeschäften - umsatzsteuerlich Leistender
gegenüber den Kunden, denen er im Rahmen seines Unternehmens mit Hilfe der bei ihm tätigen Prostituierten
die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschafft. Für diese Beurteilung ist es ohne Bedeutung, ob die
Prostituierten als Arbeitnehmer oder als Subunternehmer des Bordellbetreibers an dem Leistungsaustausch
beteiligt sind (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 11/91, BFH/NV 1991, 844; BFH-Beschlüsse vom 31.
März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; vom 15.
Dezember 2011 XI B 50/11, BFH/NV 2012, 810; FG Köln, Urteil vom 20. Januar 2005 13 K 12/02, EFG 2005,
986; FG München, Urteil vom 25. Oktober 2011 2 K 1938/08, juris).
Hieran hat sich nichts durch das am 01. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der
Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG; BGBl. I 2001, 3983) geändert. Das ProstG trifft keine Aussage
darüber, zwischen wem bei Sachverhalten wie dem vorliegenden eine umsatzsteuerrechtliche
Leistungsbeziehung begründet wird. Aus § 1 Satz 1 ProstG ergibt sich nur, dass eine rechtswirksame
Forderung begründet wird, wenn eine Vereinbarung über die Vornahme sexueller Handlungen gegen ein vorher
vereinbartes Entgelt getroffen wird. § 1 Satz 2 ProstG regelt, dass das Gleiche gilt, wenn sich eine Person im
Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher
vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält (vgl. FG München, Urteil vom 25. Oktober 2011 2
K 1939/08, juris).
Deshalb sind die Umsätze eines Bordellbetriebes, auch soweit sie nicht höchstpersönlich erbracht werden,
demjenigen zuzurechnen, der sie im Außenverhältnis im eigenen Namen an die Leistungsempfänger erbringt
(vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 11/91, BFH/NV 1991, 844; BFH-Beschlüsse vom 31. März 2006 V
53
54
55
56
57
58
52
B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; vom 15. Dezember 2011
XI B 50/11, BFH/NV 2012, 810; FG Köln, Urteil vom 20. Januar 2005 13 K 12/02, EFG 2005, 986; FG
München, Urteil vom 25. Oktober 2011 2 K 1939/08, juris).
2) Vorliegend ist dies nach Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalles die Klägerin gewesen.
Das Gericht macht sich dabei die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts Hamburg im Urteil vom ... 2011
(...) zu Eigen. Die Klägerin hat dagegen keine substantiierten Einwendungen vorgetragen, die Zweifel an der
Richtigkeit dieser Feststellungen begründen könnten (vgl. BFH-Urteil vom 07. März 2006 X R 8/05, BStBl II
2007, 594). Sie hält diese Feststellungen vielmehr im Wesentlichen für zutreffend, ohne auf mögliche Fehler
einzugehen.
Daraus ergibt sich, dass nicht die einzelne Prostituierte nach Außen als Anbieterin der sexuellen Dienstleistung
aufgetreten ist, sondern der A Nightclub - und damit auch die Pension C -. Dieser warb insbesondere im
Internet auf seiner Homepage damit, sexuelle Dienstleistungen anzubieten. Durch die Darstellung unter der
Rubrik "UNSER SERVICE", dass ständig eine höhere Anzahl an Damen im Club bereitstünden, die mehrmals
als "unsere Damen" bezeichnet werden, sowie die Betonung, dass die Zufriedenheit "unserer Kunden" an erster
Stelle stehe, kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Bordellbetreiber die sexuelle Dienstleistung im eigenen
Namen und auf eigene Rechnung anbieten will. Anhaltspunkte dafür, dass der Club insoweit nur eine
Vermittlerfunktion für selbstständig tätige Prostituierte erfüllen will, ergeben sich aus dieser Werbung nicht.
Auch durch die äußeren Umstände des Bordellbetriebs und den Ablauf bis zur Ausführung der sexuellen
Dienstleistung wird deutlich, dass aus der maßgeblichen Sicht des Kunden nicht die Prostituierte, sondern der
Bordellbetrieb Vertragspartner und Leistungserbringer sein musste:
Der Kunde konnte sich im Barbereich des A Nightclubs eine Prostituierte aussuchen, ohne mit ihr über den
Preis verhandeln zu können. Dieser war vielmehr von den Gesellschaftern der Klägerin F, D und E
stundenweise fest vorgegeben und variierte je nach Ausstattung der Zimmer. Er war einheitlich und nicht
aufgegliedert in Zimmermiete und Prostitutionsleistungen. Bei Außer-Haus-Leistungen war ein Festpreis pro
Prostituierter vorgegeben, der drei Stunden inklusive An- und Abreise beinhaltete. Auskünfte über die Preise
gaben nicht nur die Prostituierten, sondern auch das übrige Personal des Clubs. Wenn die Prostituierte auf
eigene Rechnung einen Vertrag über die sexuelle Dienstleistung hätte schließen wollen, hätte es
demgegenüber nahe gelegen, dass der Preis verhandelbar gewesen wäre.
Ferner hat der Kunde die Prostituierte bei In-Haus-Leistungen nicht direkt entlohnt. Die Bezahlung erfolgte
vielmehr vor oder nach der Leistungserbringung an der Rezeption der Pension. Bei Verlängerungen wurde der
zusätzliche Stundenpreis von Mitarbeitern der Pension auf den Zimmer vereinnahmt. Die Rezeption nahm die
Barbeträge in Empfang oder erstellte die Kredit- oder EC-Kartenabrechnung. Der Kunde konnte nicht erkennen,
dass sein Zahlbetrag abrechnungstechnisch aufgespalten war. Er erhielt den "Guest-Check", aus dem sich
dies ergab, nur im Ausnahmefall. Bei Kartenzahlung erhielt er lediglich den schmalen Kartenzahlungsbeleg,
aus dem sich nur die gezahlte Gesamtsumme ergab. Dem Kunden, dem ja nur der Stundenpreis bekannt war,
konnte somit nicht bewusst werden, dass sich dieser aus einer Zimmermiete und dem Entgelt für die
Prostitutionsleistung zusammensetzen sollte. Für ihn war somit auch nicht erkennbar, dass er in
Vertragsbeziehungen mit verschiedenen Leistenden getreten sein könnte (Pension als Zimmervermieter,
Prostituierte für die sexuelle Dienstleistung). Auch wenn die Mitarbeiter an der Rezeption der Pension der
Prostituierten deren Anteil in Einzelfällen direkt in bar und im Beisein des Gastes ausgehändigt haben, musste
bei diesem nicht der Eindruck entstehen, dass er eine Vertragsbeziehung mit der Prostituierten eingegangen
ist. Auf Grund der Außendarstellung des Clubs, des Festpreises und der Einbindung der Prostituierten in den
organisatorischen Ablauf des Bordells musste der Kunde daraus in solchen Fällen eher schließen, dass die
Prostituierte ihren Lohn (als Arbeitnehmerin oder Subunternehmerin des Clubs) vorab erhält. Der Eindruck,
dass es sich bei der Rezeption der Pension nur um eine Inkassostelle für die Prostituierten handeln könnte, lag
demgegenüber eher fern.
Bei Außer-Haus-Leistungen kam es zwar teilweise zu direkten Bargeldzahlungen an die Prostituierten durch die
Kunden. Auch insoweit konnte der Kunde auf Grund der Außendarstellung des Clubs, des Festpreises und der
Einbindung der Prostituierten in den organisatorischen Ablauf des Bordells nicht von einer direkten
Vertragsbeziehung mit der Prostituierten ausgehen. Dies insbesondere auch deshalb, weil vorher die Erlaubnis
eines Mitarbeiters des Clubs oder der Gesellschafter F, E oder D eingeholt werden musste und die
Prostituierten durch einen Fahrservice des Clubs chauffiert wurden. Eine Erlaubnis des Clubs wäre bei einer
selbstständig tätigen Prostituierten nicht einzuholen gewesen. Ferner wäre zu erwarten gewesen, dass diese
sich eigenständig um ihren Transport kümmern.
59
60
61
62
63
64
65
66
Zudem wurden einigen Gästen Zahlungsstundungen eingeräumt, ohne dass die Prostituierten gefragt oder
eingebunden wurden. Hierüber haben vielmehr letztlich die Gesellschafter F, D und E entschieden. Dies
verdeutlicht ebenfalls, dass aus Sicht der Kunden nur eine Vertragsbeziehung mit dem Bordellbetreiber und
nicht mit den Prostituierten bestehen konnte.
Soweit die Klägerin die Möglichkeit anführt, dass die Prostituierten auf den Zimmern Zusatzleistungen direkt
mit den Kunden abgerechnet haben und Prostituierte bei Leistungsstörungen in Anspruch genommen worden
sein könnten, ergibt sich dafür weder etwas aus den Feststellungen des Landgerichts Hamburg im Urteil vom
... 2011 (...) noch aus dem Inhalt der dem Gericht vorgelegenen Akten. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit
unsubstantiiert und nicht durch Beispiele unterlegt. Das Gericht kann deshalb entsprechende Feststellungen
nicht treffen und in die Gesamtwürdigung der Umstände einbeziehen. Unterstellt, es wäre in Einzelfällen zu
solchen Vorkommnissen gekommen, würden diese im Übrigen die dargestellte Gesamtwürdigung der äußeren
Umstände nicht erschüttern. Sie änderten nichts daran, dass aus den genannten Gründen aus der
maßgeblichen Sicht der Kunden nicht die Prostituierte sondern der Bordellbetrieb Vertragspartner war.
3) Diese Vertragsbeziehung ist mit dem Betreiber der Pension und nicht mit dem des Barbereichs zustande
gekommen. Der Pensionsbetreiber ist insoweit als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen (§ 2 Abs. 1
UStG).
Ein neuer Kunde konnte bei Betreten des Barbereichs und Auswahl der Prostituierten noch nicht erkennen, wer
ihm als "Bordellbetreiber" und damit Anbieter der sexuellen Dienstleistung entgegentritt. In der Werbung trat nur
der A Nightclub auf, so dass es eigentlich nahe lag, aus Sicht der Kunden von einem einheitlichen
Bordellbetrieb auszugehen, der als Leistungsanbieter anzusehen ist. Um die sexuellen Handlungen durchführen
zu können, mussten der Kunde und die Prostituierte aber den Gastronomiebereich verlassen und das
eigenständige Hinterhofgebäude mit dem Pensionsbereich aufsuchen. Dort wurde an der Rezeption das
Zimmer zugeteilt und der Stundenpreis bezahlt. Im Gastronomiebereich musste im Regelfall vor dessen
Verlassen die dort entstandene Rechnung in einem gesonderten Zahlungsvorgang beglichen werden. Der
Kunde musste deshalb auf Grund dieser äußeren Umstände davon ausgehen, dass die Pension für die
Zimmergestellung und die sexuellen Dienstleistung sein Vertragspartner ist. Sie bot die Räumlichkeiten und die
ansonsten erforderliche Ausstattung und bei ihr wurde dafür gezahlt. Bei einer Verlängerung des
Zimmerbesuches informierte die Prostituierte die Mitarbeiter an der Rezeption. Diese suchten sodann zur
Bezahlung des zusätzlichen Stundenpreises den Gast direkt in den Zimmern auf. Der Barbereich hat den
Getränkekonsum demgegenüber gesondert abgerechnet und war räumlich vom Steigenbereich (Pension)
getrennt.
Es kann dahinstehen, ob der Vertrag über die sexuelle Dienstleistung bereits nach Auswahl der Prostituierten
im Barbereich geschlossen wurde oder erst an der Rezeption der Pension. Auf Grund der geschilderten
Umstände konnte der Kunde die Prostituierte nicht als Vertragspartnerin, sondern in Bezug auf einen
Vertragsschluss nur als Stellvertreterin des Bordellbetreibers in Form der Pension ansehen, deren
Willenserklärung dem Betreiber zuzurechnen ist (§ 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
II.
Der Beklagte geht auch zutreffend davon aus, dass der umsatzsteuerliche Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) für
die hier in Rede stehenden Leistungen die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Sinne von §
705 ff. BGB ist und nicht B als Einzelunternehmerin.
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG).
Dies war in Bezug auf die Pension C entgegen der formalrechtliche Anmeldung nicht B, sondern diese fungierte
nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg im Urteil vom ... 2011 (...), die sich das Gericht auch
insoweit zu Eigen macht, nur als Strohfrau. Tatsächliche Inhaber und sowie verantwortlich Handelnde waren
danach die Gesellschafter D, F und E. Sie bestimmten die Unternehmensführung, steuerten die Buchhaltung
und die Bilanzführung, trafen die Entscheidungen in steuerlichen Angelegenheiten, organisierten die Betriebe
und Betriebsabläufe, schlossen Verträge und bestimmten die Preise für die gewährten Leistungen. Einwände
gegen diese Feststellungen sind von den Beteiligten nicht erhoben worden. Mangels besonderer vertraglicher
Vereinbarungen sind D, F und E somit als Gesellschafter eine GbR nach § 705 BGB anzusehen, die jeden
Zweck haben kann, somit auch den Betrieb eines Bordells. Die Frage, ob B ebenfalls Gesellschafterin dieser
GbR ist, kann umsatzsteuerlich dahinstehen.
III.
Die Umsatzsteuerfestsetzungen beruhen auf Schätzungen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO), weil sich
66
67
68
69
der Umfang der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Klägerin nicht aus einer ordnungsgemäßen
Buchführung unter Erfüllung der Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG ergibt. Die Schätzungen sind dem
Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig.
Ein Vorsteuerabzug in Bezug auf die Leistungen der Prostituierten an die Klägerin kommt nicht in Betracht.
Falls insoweit von einem Subunternehmerverhältnis auszugehen sein sollte, fehlte an Rechnungen nach §§ 14,
14a UStG (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 UStG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.