Urteil des FG Hamburg vom 13.06.2012

FG Hamburg: grundstück, gebäude, bebauungsplan, wohnhaus, hamburger, nummer, fassade, abgrenzung, erhaltungsgebot, einfamilienhaus

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1. Ein Erhaltungsbereich kann zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart auch für einzelne bauliche
Anlagen festgesetzt werden. Wenn die Anlage das Stadt- oder Ortsbild selbst nicht prägt, setzt dies voraus,
dass sie jedenfalls in sonstiger Weise von spezifischer städtebaulicher Bedeutung ist.
2. Eine einzelne stadt- oder ortshistorisch bedeutsame bauliche Anlage ist bodenrechtlich dann
erhaltenswert, wenn sie - optisch - eine stadtgestalterische Aufgabe erfüllt, indem sie die Umgebung
räumlich mitgestaltet und zur Unverwechselbarkeit der Ansicht eines Ortsteils, Platzes oder Straßenzugs
beisteuert.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 2. Senat, Urteil vom 13.06.2012, 2 E 2/08.N
§ 172 Abs 1 S 1 Nr 1 BauGB, § 172 Abs 3 S 1 BauGB
Tenor
Die Verordnung über den Bebauungsplan S. wird für unwirksam erklärt, soweit sie für das Grundstück A.-Str.
10 einen Erhaltungsbereich festsetzt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. der
beizutreibenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks A-Str. 10, das mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus
aus dem Jahre 1925 bebaut ist. Er wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Verordnung über den
Bebauungsplan S., soweit sein Grundstück darin als Erhaltungsbereich bezeichnet wird.
Der Bebauungsplan erfasst ein rund 310.000 m² großes Gebiet nordwestlich des Bahnhofs, das sich zwischen
der S.- und A.-Str. und der B.-Str. bzw. dem W. erstreckt. Mit dem Plan soll die vorhandene Wohnbebauung
mit zum Teil großzügig geschnittenen Gärten als Milieu bestimmendes Element erhalten und vor nachteiligen
baulichen Veränderungen geschützt werden. Zu diesem Zwecke legt der Plan u.a. zehn Erhaltungsbereiche mit
insgesamt 38 Grundstücken fest. Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Grundstück B.-Str. 48, das
Grundstück B-.Str. 70, das Grundstück B.-Str. 90, die Grundstücke B.-Str. 37, 39 und 41, die Grundstücke D.-
Str. 19 und 21 sowie B.-Str. 47, 49, 51, 53, 57, 59, 63, 69 und 71, die Grundstücke D.-Str. 5, 7, 9 und 11, die
Grundstücke D.-Str. 4, 6, 8, 10 und 12/12a, die Grundstücke A.-Str. 8 und 10, das Grundstück A.-Str. 4 und
die Grundstücke S.-Str. 84, 86, 88, 90 und 92 sowie B.-Str.1, 3, 5, 7 und 9. Hierzu heißt es in § 2 Nr. 1 der
Planverordnung:
„In den nach § 172 des Baugesetzbuchs als „Erhaltungsbereiche“ bezeichneten Gebieten bedürfen zur
Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt der
Rückbau, die Änderung, die Nutzungsänderung oder die Errichtung baulicher Anlagen einer
Genehmigung, und zwar auch dann, wenn nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften eine
Genehmigung nicht erforderlich ist. Die Genehmigung zum Rückbau, zur Änderung oder zur
Nutzungsänderung darf nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang
mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder
sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die
Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche
Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.“
Das Planverfahren wurde durch den Aufstellungsbeschluss … eingeleitet. In der Zeit vom … bis zum … wurde
der Planentwurf öffentlich ausgelegt.
Mit Schreiben vom 19. März 2006 wandte sich der Antragsteller gegen die vorgesehene Bezeichnung seines
Grundstücks als Erhaltungsgebiet und machte im Einzelnen geltend, dass sein Wohnhaus in der Bausubstanz
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so tiefgreifend geschädigt sei, dass es in absehbarer Zeit nicht mehr mit wirtschaftlichen Mitteln zu erhalten
sein werde. Zudem sei die Erhaltung des Gebäudes aus Gründen der städtebaulichen Eigenart nicht
erforderlich. Es präge nicht die Bebauung an der A.-Str. und B.-Str., sondern falle vielmehr als atypisch aus
dem Rahmen. Das Bild dieses Straßenzugs werde im Wesentlichen von Eigentumswohnanlagen bestimmt, die
aus der Zeit nach 1960 stammten. Bei den um die Wende des 19./20. Jahrhunderts errichteten Gebäuden A.-
Str. 4 und 8 handele es sich ebenfalls nicht um Einfamilienhäuser, sondern um Mehrfamilienhäuser, die zudem
als Putzbauten ausgebildet seien.
In seiner Sitzung am 18. April 2006 hielt der Arbeitskreis II an der Ausweisung des Grundstücks des
Antragstellers als Erhaltungsbereich fest. In dem der Sitzung zugrundeliegenden Arbeitsvermerk heißt es
hierzu:
„Das Erhaltungsgebot ist als Genehmigungsvorbehalt zu verstehen. Vor einem geplanten Abbruch
wäre zu prüfen, ob sich das Gebäude in einem erhaltenswerten Zustand befindet. Falls der Eigentümer
die Erhaltung des Gebäudes aufgrund von umfangreichen baulichen Aufwendungen finanziell nicht
aufbringen kann und damit eine nicht zumutbare Härte entsteht, kann auf den Erhalt des Gebäudes
verzichtet werden. Ein Neubau wäre gestalterisch in das erhaltenswerte Umfeld anzupassen und dürfte
das benachbarte erhaltenswerte Gebäude nicht beeinträchtigen. …“
Nachdem die Bezirksversammlung des Bezirksamts X dem Bebauungsplanentwurf … zugestimmt hatte,
wurde die Verordnung über den Bebauungsplan S. durch den Bezirksamtsleiter festgestellt und … im
Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet.
In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es auszugsweise wie folgt:
„2. Anlass der Planung
Mit dem Bebauungsplan soll in dem reinen Wohngebiet die Einzelhausbebauung mit z.T. großzügig
geschnittenen Gärten als milieubestimmendes Element erhalten und geschützt werden. Milieu prägend
und schützenswert ist die Einzelhausbebauung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unter
Ausschöpfung aller baurechtlichen Möglichkeiten wurden in neuerer Zeit Mehrfamilienhäuser mit 10
und mehr Wohnungen gebaut. Weitere Planungen größerer Wohnkomplexe liegen vor. Eine derartige
Bebauung ist Maßstab sprengend und würde im Laufe der Zeit eine nachhaltige Veränderung mit sich
bringen, die sowohl von Anwohnern, als auch stadtplanerisch nicht gewollt ist. Die Rechtslage allein,
wie sie mit den Baustufenplänen derzeit besteht, ist nicht ausreichend, um einem solchen
Veränderungsdruck stand zu halten. Deshalb werden in dem Plan ergänzende Baubeschränkungen
festgesetzt und schützenswerte Bausubstanz unter ein Erhaltungsgebot gesetzt. …
5.3 Erhaltungsbereiche
… Die … erwarb große Waldstücke nördlich der S.- und A.-Str., parzellierte das erworbene Land und
legte mit der Trassenführung der Straßen auch die Baufluchtlinien fest.
In den Jahren 1907 bis 1910 entstand eine verbindliche Bauordnung ... Das Plangebiet lag in der
Baustufe 1, in der eine landhausmäßige Bebauung zwingend war mit einer Grundfläche von maximal
0,2 des Areals, einem Bauwich von mindestens 3,50 m, einer Beschränkung auf zwei Vollgeschosse
zuzüglich Dachgeschoss und nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen in einem Gebäude.
Auch die Landhauskolonie W. legte eine Bauvorschrift für die eigenen Parzellen vor: “Alle
herzustellenden Gebäude müssen herrschaftlicher Natur sein.“ So wird eine Zweigeschossigkeit
festgelegt, Abstandsflächen genauestens beschrieben. Auch für die Grundstücksteilungen gab es
genaue Vorschriften: Grundstücke mit einer Fläche unter 1000 m² durften nicht bebaut werden. Auch
der Gartenbereich wurde einbezogen: „Die Vorgärten sollen einzig Ziergärten bilden“.
Diese Bauvorschriften führten zu der heute milieuprägenden Einzelhausbebauung auf großen
Grundstücksflächen.
Eine eher zögerliche Bebauung … setzte ab 1890 ein. Bis 1950 entstanden relativ wenige Landhäuser
oder Einfamilienhäuser. Grund dafür mag die erheblich große Entfernung zum … Bahnhof sein. So
zeigt der Baustufenplan von 1951 noch den überwiegenden Teil der Flurstücke als unbebaute Fläche.
Erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts setzte eine verstärkte Bautätigkeit ein, die
heute zu gehäuften Grundstücksteilungen und rückwärtigen Bebauungen führt.
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Die Gebäude, Ensembles und die südliche Bebauung der B.-Str. sind gebietsprägende Zeugnisse der
Besiedelung aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts und bedürfen des Schutzes vor einer
Umstrukturierung. Insbesondere aus ihrer geschichtlichen Bedeutung heraus werden diese Gebäude
nach § 172 unter Erhaltungsgebot gesetzt und im Folgenden beschrieben. (Eine Foto-Dokumentation
ist der Bauakte beigelegt): …“
Zu den beiden Erhaltungsbereichen an der A.-Str. wird sodann ausgeführt:
„Nummer 4: Das wohl älteste Wohnhaus des Bebauungsplangebiets steht in der A.-Str. 4. Das
Gebäudealter ist unbekannt, der erste Anbau des Wohnhauses fand 1901 statt. Es ist ein einfaches
„Kleinwohnhaus“ mit geputzter Fassade, das zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss ein
Stuckgesims aufweist. Das flache Satteldach setzt innerhalb des Obergeschosses an und zeigt in der
Giebelspitze eine sichtbare Pfetten- und Zangenkonstruktion. An das Gebäude schließen sich die alten
Stallungen und die ehemalige Remise an, die heute ausgebaut auch teilweise Wohnzwecken dient.
In der Nummer 8 steht eine prachtvolle zweigeschossige Villa aus dem Jahre 1909. Es ist ein Putzbau
mit vielerlei Versprüngen in der Fassade und Stuckapplikationen, die Jugendstilelemente aufnehmen.
Das Schindel gedeckte Walmdach wird aufgelockert von einer Dachgaube und einem Zwerchhaus, das
mit geschnitzten sichtbaren Pfetten versehen ist. Die unterschiedlichen Fensterformen und
Stuckrahmungen geben dem Gebäude ein bewegtes Äußeres.
Nummer 10: Das Wohnhaus von 1925 entspricht dem unter B.-Str. Nummer 48, 49, 51 und 53
beschriebenen „Hamburger Kaffeemühlentyp“ mit geklinkertem, quaderförmigem Baukorpus,
Pyramidendach (Zeltdach), streng symmetrisch gegliederter Fassade und einem Vorbau zur Straße,
der im Obergeschoss zu einem Balkon ausgebildet ist.“
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26. März 2008 an das Bezirksamt X rügte der
Antragsteller, dass die Festlegung seines Grundstücks als Erhaltungsbereich fehlerhaft sei: Die
Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung lägen nicht vor. Bei der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 BauGB gehe es um eine flächenbezogene Regelung und nicht um die isolierte Erhaltung baulicher
Anlagen. Die Bedeutung der Vorschrift liege im städtebaulichen Ensembleschutz. Von einem schützenswerten
Ensemble könne hier indes nicht die Rede sein. Auch als Einzelobjekt entfalte sein Einfamilienhaus vom Typ
„Hamburger Kaffeemühle“ keine prägende Wirkung. Es stehe eindeutig im Schatten der prachtvollen
zweigeschossigen Villa auf dem Nachbargrundstück A.-Str.. Ebenso wenig handele es sich um eine Anlage
von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung i.S.v. § 172 Abs. 3 Satz 1 2.
Alt. BauGB. Im Rahmen dieser Alternative müsse nämlich ebenfalls verlangt werden, dass die Anlage ihre
Umgebung städtebaulich nicht nur unwesentlich mitgestalte oder dass sie im städtebaulichen Gefüge wegen
ihrer besonderen städtebaulichen Bedeutung dazugehöre. Ferner werde gerügt, dass der festgelegte
Erhaltungsbereich zu klein ausgefallen sei, um einen sinnvollen Schutz zu gewährleisten. Auch die
Zurückweisung seiner erhobenen Einwendung unter Hinweis auf die Zweigleisigkeit des Verfahrens überzeuge
nicht.
Am 9. April 2008 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung nimmt er auf seine
Schreiben vom 19. März 2006 und 26. März 2008 Bezug und vertieft seine dortigen Ausführungen im
Wesentlichen wie folgt:
An der A.-Str. seien lediglich zwei sehr kleine Erhaltungsbereiche ausgewiesen worden, nämlich zum einen auf
seinem Grundstück und dem angrenzenden Grundstück mit der Hausnummer 8, zum anderen auf dem
Grundstück mit der Hausnummer 4. Dabei handele es sich nach der Begründung zum Bebauungsplan bei dem
Gebäude A.-Str. um „eine prachtvolle zweigeschossige Villa aus dem Jahre 1909“ und bei dem Gebäude A.-
Str. 4 um ein „einfaches Kleinwohnhaus“. Mit diesen beiden Putzbauten habe sein Einfamilienhaus vom Typ
„Hamburger Kaffeemühle“ mit seinem geklinkerten quaderförmigen Korpus im Erscheinungsbild nichts gemein.
Die anderen im Bebauungsplan festgelegten Erhaltungsbereiche seien zu weit entfernt, um für die Frage, ob ein
schützenswertes städtebauliches Ensemble vorliege, eine Rolle spielen zu können. Insbesondere betrage die
Entfernung zu den übrigen Häusern des „Hamburger Kaffeemühlentyps“ mehrere 100 m. Die beiden isolierten
Erhaltungsbereiche mit nur drei Gebäuden, die jeweils verschiedene Baustile repräsentierten, sich in ihrem
Äußeren stark unterschieden und auch keine herausragende städtebauliche Bedeutung hätten, seien nicht in
der Lage, die städtebauliche Eigenart des Gebiets zu erhalten. Zwar müsse in einem großzügig abgegrenzten
Erhaltungsgebiet nicht jedes einzelne Gebäude erhaltenswert sein. Die Antragsgegnerin habe hier aber gerade
nicht pauschal ein größeres Gebiet als Erhaltungsbereich ausgewiesen, sondern trennscharf ausschließlich
diejenigen Grundstücke erfasst, deren vermeintlich erhaltungswürdiger Baubestand in der Begründung zum
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Bebauungsplan einzeln erläutert worden sei. Aus diesem Grunde seien strengere Anforderungen an die
Abgrenzung der Erhaltungsgebiete zu stellen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsverordnung … über den Bebauungsplan S. für unwirksam zu erklären, soweit sie für das
Grundstück A.-Str. 10 einen Erhaltungsbereich festsetzt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor:
Die Ausweisung des Grundstücks A.-Str. 10 als Erhaltungsbereich diene dem Ziel des städtebaulichen
Ensembleschutzes, da es städtebaulich die Qualität des ehemaligen Vororts Y widerspiegele. Anhand alten
Kartenmaterials sei zu erkennen, dass bevorzugt bahnhofsnahe Flurstücke zuerst bebaut worden seien. Der
Baustufenplan aus dem Jahre 1955, dessen Kartierung noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stamme,
zeige auf der Nordseite der A.-Str. in der Umgebung des Grundstücks des Antragstellers nur wenige Gebäude.
Die Tatsache der zögerlichen Bebauung auf bahnhofsfernen Flurstücken präge das in Rede stehende Gebiet.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund stehe das Wohnhaus des Antragstellers sehr wohl in einem
städtebaulichen Ensemble mit den aus verschiedenen Jahrzehnten stammenden Wohnhäusern an der A.-Str..
Dass die anderen, mit Häusern des „Hamburger Kaffeemühlentyps“ bebauten und ebenfalls als
Erhaltungsbereich ausgewiesen Grundstücke mehrere 100 m entfernt lägen, sei für das Vorliegen eines
Ensembles unerheblich. Unabhängig hiervon befänden sich solche Häuser aber auch auf der Südseite der A.-
Str., die nicht zum Plangebiet gehöre. Dem Gebäude des Antragstellers komme auch eine städtebauliche,
insbesondere geschichtliche Bedeutung zu. Bei ihm seien noch originale bzw. originalgetreue Bauteile, wie z.B.
die Sprossenfenster, die Stabholzgeländer des Balkons im Obergeschoss und die Überdachung des Eingangs
erhalten. Mit dieser Architektur präge es den Bebauungsstil und die historische Entwicklung des Gebiets. Der
Plangeber habe auch eine sachgerechte Gebietsabgrenzung vorgenommen. § 172 BauGB gebe eine
Mindestgröße nicht vor. Je nach Umständen könne eine Erhaltungssatzung sogar auf ein einzelnes
Grundstück beschränkt werden, wenn die Voraussetzungen für die Festsetzung allein auf diesem Grundstück
erfüllt seien. Der bauliche Zustand des Hauses des Antragstellers und die Rentabilität einer Renovierung sei im
Hinblick auf das in § 172 BauGB zweistufig ausgestaltete Verfahren ohne Belang.
Das Gericht hat in seiner mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2012 die an der A.-Str., der B.-Str. und der
Straße D.-Str. festgesetzten Erhaltungsbereiche in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der
Ortsbesichtigung wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und
der Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin (5 Ordner) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg. Die
Verordnung über den Bebauungsplan S. ist unwirksam, soweit sie das Grundstück des Antragstellers als
Erhaltungsbereich bezeichnet.
I.
Der Antrag ist zulässig.
Gemäß § 195 Abs. 7 VwGO gilt für die am 30. Juni 2006 verkündete Planverordnung noch die zweijährige
Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2006 geltenden Fassung.
Sie ist mit Eingang des Antrags bei Gericht am 9. April 2008 gewahrt. Der Antragsteller ist auch i.S.v. § 47
Abs. 2 Satz 2 VwGO antragsbefugt. Zwar kann allein die förmliche Gebietsfestlegung noch keine
Rechtsverletzung der betroffenen Grundeigentümer begründen. Sie konkretisiert jedoch deren allgemeine
Handlungsfreiheit und eröffnet die Möglichkeit, dass ihnen gegenüber ein belastender Verwaltungsakt erlassen
wird. Als Eigentümer eines in ein Erhaltungsgebiet einbezogenen Grundstücks muss auch der Antragsteller bei
etwaigen Änderungen seines Gebäudes damit rechnen, dass die nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2
BauGB erforderliche Genehmigung versagt wird. Das reicht zur Begründung der Antragsbefugnis aus (vgl.
Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand April 2012,§ 172 Rn. 213; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO,
3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 157; OVG Schleswig, Urt. v. 25.11.1991, 1 K 1/91, juris, Rn. 51). Das erforderliche
Rechtsschutzinteresse steht ebenfalls außer Frage.
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II.
Der Antrag ist auch begründet. Zu Recht rügt der Antragsteller eine fehlerhafte Abgrenzung des
Erhaltungsgebiets. Die Einbeziehung seines Grundstücks ist nicht durch die Regelung des § 172 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BauGB gedeckt.
1. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt die Gemeinde, in einem Bebauungsplan Gebiete zu
bezeichnen, in denen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen
Gestalt der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung und - nach Satz 2 der Vorschrift - außerdem
die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Dieses allgemeine Erhaltungsziel wird durch die
in § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB normierten Gründe für die Versagung der Genehmigung konkretisiert.
Dementsprechend müssen in dem Gebiet bauliche Anlagen vorhanden sein, die allein oder im Zusammenhang
mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen oder sonst von
städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v.
11.4.2002, 2 Bf 625/98; Stock, a.a.O., § 172 Rn. 29; Bank in: Brügelmann, BauGB, Stand Mai 2012, § 172 Rn.
18 ff.). Dass alle in einem festgelegten Erhaltungsgebiet vorhandenen baulichen Anlagen nach diesen Kriterien
erhaltungswürdig sind, ist im Hinblick auf das zweistufig ausgestaltete Verfahren (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.
3.7.1987, BVerwGE 78, 23, 26) für die Gültigkeit der Erhaltungssatzung grundsätzlich nicht erforderlich. Mit der
Festlegung durch Bebauungsplan oder sonstige Satzung werden auf der ersten Stufe zunächst nur der
Erhaltungsbereich flächenmäßig bezeichnet und bestimmte Vorhaben einem besonderen
Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Eine rechtsverbindliche Nutzungsregelung wird noch nicht getroffen. Von
daher reicht es aus, dass das Gebiet insgesamt Besonderheiten aufweist, die die Erhaltung baulicher Anlagen
aus den Festlegungsgründen in seiner Gesamtheit rechtfertigen, was aufgrund einer summarischen und
flächenbezogenen Prüfung festgestellt werden kann (vgl. Stock, a.a.O., § 172 Rn. 38; Köhler in: Schrödter,
BauGB, 7. Aufl. 2006, § 172 Rn. 26; vgl. ferner zu den Anforderungen an eine Fremdenverkehrsgebietssatzung
nach § 22 BauGB: BVerwG, Urt. v. 15.5.1997, BVerwGE 105, 1, 5). Erst im Genehmigungsverfahren wird auf
der zweiten Stufe darüber entschieden, ob eine konkrete bauliche Anlage erhalten werden soll. Die Abgrenzung
des Erhaltungsgebiets darf deshalb mit einer gewissen Großzügigkeit und Pauschalität vorgenommen werden
(vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 31.7.2008, BauR 2009, 81, 83). Allerdings ist der Plan- bzw. Satzungsgeber nicht
ermächtigt, den Geltungsbereich der Erhaltungssatzung über die Reichweite der ortsbildprägenden Bebauung
oder die - vor allem optischen - Auswirkungen der Bauwerke von städtebaulicher Bedeutung hinaus zu
erstrecken (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.4.1983, NJW 1984, 2905, 2908; Lemmel in: Berliner Kommentar
zum BauGB,3. Aufl. 2002, Stand Juni 2012, § 172 Rn. 7).
Gemessen hieran hält die Einbeziehung des Grundstücks des Antragstellers in das Erhaltungsgebiet der
gerichtlichen Prüfung nicht stand. Die Antragsgegnerin hat sich bereits bei der Grenzziehung von einem
kleinräumigen und parzellenscharfen Maßstab und einer konkreten gebäudebezogenen Bestandsaufnahme
leiten lassen und im Plangebiet insgesamt zehn Erhaltungsbereiche festgelegt, die überwiegend nur wenige
oder gar einzelne Grundstücke erfassen. Das wird auch und gerade in dem hier in Rede stehenden Bereich an
der A.-Str. deutlich, in dem die Antragsgegnerin zum einen das Grundstück des Antragstellers und das
benachbarte Grundstück A.-Str. 8 und zum anderen das Grundstück A.-Str. 4 als jeweils gesonderte
Erhaltungsbereiche festgesetzt, das dazwischen liegende Grundstück A.-Str. 6 hingegen ausgenommen hat.
Angesichts dieser kleinräumigen und trennscharfen Abgrenzung kann der ersichtlich auf eine großflächigere
und pauschalere Abgrenzung des Gebiets zugeschnittene Grundsatz, dass nicht alle in dem festgelegten
Erhaltungsgebiet vorhandenen baulichen Anlagen erhaltenswürdig sein müssen, hier keine Geltung
beanspruchen. Die Grenzen des Grundstücks des Antragstellers und des Grundstücks A.-Str. 8 markieren -
mit Ausnahme ihrer gemeinsamen Grenze - zugleich die Außengrenzen eines eigenständigen
Erhaltungsbereichs. Unter diesen Umständen wäre die Grenzziehung unter Einbeziehung des Grundstücks des
Antragstellers nur dann nicht zu beanstanden, wenn auch auf seinem Grundstück eine nach den Kriterien des §
173 Abs. 3 Satz 1 BauGB erhaltenswerte Bebauung vorhanden wäre. Das ist nach dem Ergebnis der
Ortsbesichtigung jedoch nicht der Fall.
2. Der Begründung zum Bebauungsplan lässt sich nicht eindeutig entnehmen, welche der beiden in § 172 Abs.
3 Satz 1 BauGB genannten Alternativen die Antragsgegnerin hinsichtlich des hier streitigen Erhaltungsbereichs
für einschlägig erachtet hat. Die Kriterien vermischen sich, wenn es unter Nummer 5.3 (S. 11) zu den im
Plangebiet insgesamt festgelegten zehn Erhaltungsbereichen undifferenziert heißt, dass die Gebäude,
Ensembles und die südliche Bebauung der B.-Str. „gebietsprägende Zeugnisse der Besiedelung aus der ersten
Hälfte des letzten Jahrhunderts“ seien und insbesondere aus ihrer „geschichtlichen Bedeutung“ heraus unter
Erhaltungsgebot gesetzt würden. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung kann jedoch weder festgestellt
werden, dass das Wohnhaus des Antragstellers alleine oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen
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das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt noch dass es sonst von städtebaulicher,
insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist.
a) Eine Prägung des - hier allein in Betracht kommenden - Ortsbildes liegt nur vor, wenn eine bauliche Anlage
allein oder zusammen mit anderen baulichen Anlagen eine gesteigerte Bedeutung für die äußere Erscheinung
eines Ortsteils, Straßenzuges, Platzes oder sonstigen Bebauungszusammenhangs hat. Sie muss ihren
räumlichen Wirkungsbereich im positiven Sinne nicht nur unwesentlich gestalterisch beeinflussen. Erfasst
werden damit ausschließlich Wirkungen optischer Art. Anlagen, die für sich genommen die erforderliche
prägende Wirkung nicht entfalten, aber Bestandteil eines die Eigenart der näheren Umgebung bestimmenden
Ensembles sind, sind in dieser Eigenschaft geschützt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14.4.2011, ZfBR 2012, 48,
51 und v. 12.12.2007, NordÖR 2008, 216m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Wohnhaus des
Antragstellers, das zu den Vertretern des umgangssprachlich als „Hamburger Kaffeemühle“ bezeichneten
Baustils gehört, weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung anderer Bauten in seiner Umgebung.
Mit seinem rot geklinkerten, quaderförmigen Korpus, seinem pfannengedeckten Pyramidendach und seiner
streng symmetrisch gegliederten, schmucklosen Fassade erweckt es einen auf Zurückhaltung bedachten
Eindruck, der auch durch den im Obergeschoss zu einem Balkon ausgebildeten straßenseitigen Vorbau, die
kleinteiligen Sprossenfenster und die Dachgaube keine Modifizierung erfährt. In seiner geradlinigen,
schnörkellosen Schlichtheit hat es nicht die Kraft, seine Umgebung gestalterisch wesentlich zu beeinflussen,
zumal die benachbarte, in der Begründung zum Bebauungsplan als „prachtvoll“ bezeichnete Villa auf dem
Grundstück A.-Str. 8 ersichtlich dominiert. Bei ihr handelt es sich um einen schon von der Grundfläche her
deutlich größeren farbigen Putzbau, der über vielerlei Versprünge in der Fassade, Stuckapplikationen, ein durch
Dachgauben und ein Zwerchhaus mit geschnitzten Pfetten aufgelockertes Walmdach sowie unterschiedliche
Fensterformen mit Stuckrahmungen verfügt. Diese zahlreichen Gestaltungsmerkmale verleihen der Villa ein
bewegtes Äußeres und machen sie zu einem im Straßenbild auffallenden Gebäude, das die ohnehin kaum über
den eigenen Baukörper hinausreichende optische Ausstrahlung des Wohnhauses des Antragstellers noch
zusätzlich schwächt.
Ebenso wenig ist das Gebäude des Antragstellers als Bestandteil eines ortsbildprägenden Ensembles
anzusehen. Nicht jede Gruppe von baulichen Anlagen stellt ein städtebauliches Ensemble dar. Ein
Bauensemble setzt vielmehr ein einheitliches gestalterisches Bindeglied im Sinne einer einheitlichen baulichen
Aussage voraus. Es muss sich um eine Gesamtheit baulicher Anlagen handeln, die bestimmte einheitliche
Gestaltungsmerkmale aufweist oder die als solche eine bestimmte städtebauliche Ordnung erkennen lässt (vgl.
Köhler, a.a.O., § 172 Rn. 71 m.w.N.). Das schließt zwar nicht aus, dass die einzelnen Gebäude und Elemente
auch bei einem Ensemble in ihrer Funktion und Gestalt durchaus unterschiedlich sein können. Das Wohnhaus
des Antragstellers hat jedoch äußerlich sowohl mit der benachbarten Villa auf dem Grundstück A.-Str. 8 als
auch mit dem „einfachen Kleinwohnhaus“ mit geputzter Fassade und flachem Satteldach auf dem Grundstück
A.-Str. 4 so wenig gemein und lässt zu diesen auch sonst so wenig einen Bezug erkennen, dass von einem
gestalterischen Zusammenspiel bzw. ihrer Wahrnehmung als „Gruppe“ nicht die Rede sein kann. Ihr einziges
Bindeglied ist der Umstand, dass alle drei Gebäude aus der Zeit vor 1926 stammen. Auch wenn dieser
Umstand an den Gebäuden optisch ablesbar ist, reicht er nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme für sich
genommen nicht aus, um ihnen die besondere städtebauliche Qualität eines erhaltenswerten Ensembles zu
verleihen. Hinzu kommt, dass die Entfernung zum Haus auf dem Grundstück A.-Str. 4 ohnehin rund 55 m
beträgt und es nach der Stellung der Baukörper und dem Verlauf der Straße nicht mehr in einem gemeinsamen
Blickfeld mit dem Gebäude des Antragstellers liegt.
Hinsichtlich der drei älteren Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite (A.-Str. 9, 11 und 13) ergibt sich
nichts anderes. Zwar steht deren Berücksichtigung nicht entgegen, dass sie außerhalb des Plangebiets liegen
und für sie auch kein entsprechendes Erhaltungsgebot gilt. Denn ob ein Gebiet i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BauGB aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt eine städtebauliche Eigenart aufweist, hängt allein von den
tatsächlichen Verhältnissen ab. Der Erlass einer Erhaltungssatzung setzt die entsprechenden Verhältnisse
voraus und ist nicht etwa umgekehrt für das Vorhandensein einer städtebaulichen Eigenart des Gebiets
aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt konstitutiv. Auch diese drei Gebäude - eine größere verputzte Villa, ein
verklinkertes Einfamilienhaus und ein verputztes Einfamilienhaus - sind nach dem Eindruck vor Ort aber nicht
geeignet, die optische Wirkung des Wohnhauses des Antragstellers zu unterstützen und dieses als Teil eines
ortsbildprägenden Ensembles erscheinen zu lassen. Es fehlt wiederum an einem einheitlichen gestalterischen
Bindeglied im Sinne einer einheitlichen baulichen Aussage.
Eine Prägung des Ortsbildes zusammen mit den Altbauten, welche die Antragsgegnerin in den übrigen
Erhaltungsbereichen an der S.-Str., der B.-Str. und der Straße D.-Str. unter den Schutz des § 172 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 BauGB gestellt hat, scheidet schließlich allein schon deshalb aus, weil diese Bebauung zu weit vom
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Haus des Antragstellers entfernt ist. Sie ist nicht gemeinsam mit diesem wahrnehmbar und schließt sich nach
der Ortsbesichtigung auch sonst nicht in so dichter Folge an, als dass noch ein Zusammenhang mit diesem
hergestellt werden könnte. Der Eindruck einer Zusammengehörigkeit wird durch die dazwischen liegende
Neubebauung durchgreifend gestört. Aus diesem Grunde sind auch die übrigen im Plangebiet anzutreffenden
Häuser vom Typ „Hamburger Kaffeemühle“ nicht von Bedeutung. Sie befinden sich auf den Grundstücken B.-
Str. 48, 49, 51 und 53 und liegen mehrere 100 m vom Grundstück des Antragstellers entfernt.
b) Das Gericht hat sich auch nicht davon überzeugen können, dass das Gebäude des Antragstellers sonst von
städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher Bedeutung ist. Geschichtliche Bedeutung hat eine bauliche
Anlage dann, wenn sie für die geschichtswissenschaftliche Forschung oder Erkenntnis, insbesondere in der
Zukunft, von Bedeutung ist. In Betracht kommen historisch wertvolle Bauwerke, welche die bauliche
Entwicklung einer bestimmten Epoche wiederspiegeln, sei es dass es sich um typische Vertreter der Baukultur
ihrer Zeit handelt, sei es dass sie gerade ein ungewöhnliches oder gar außergewöhnliches Zeugnis der
Baukunst aus dieser Epoche darstellen (vgl. Stock, a.a.O., § 172 Rn. 162; Lemmel, a.a.O., § 172 Rn. 29;
Bank, a.a.O., § 172 Rn. 79). Dass das Wohnhaus des Antragstellers einen historischen Eigenwert in diesem
Sinne hat, muss trotz seines noch unverfälscht erhaltenen Baustils bezweifelt werden. Allerdings sind auch
unterhalb dieser eher hoch angesiedelten Schwelle Fälle von geschichtlicher Bedeutung denkbar, insbesondere
unter dem Gesichtspunkt der Ortsgeschichte. Hiervon hat sich ersichtlich auch die Antragsgegnerin leiten
lassen, wie die Ausführungen zur Entstehung der Bebauung nördlich der S.-Str. und A.-Str. unter Nummer 5.3
der Begründung zum Bebauungsplan (S. 10 f.), ihr Vortrag im Schriftsatz vom 11. Dezember 2008 sowie der
Umstand zeigen, dass sie - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ausschließlich Gebäude aus verschiedenen
Jahrzehnten der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts und damit jene Bauwerke in die insgesamt zehn
Erhaltungsbereiche im Plangebiet einbezogen hat, die von den Anfängen der Besiedelung des Gebiets zeugen.
Dieser ortsgeschichtliche Aspekt trifft auch auf das aus dem Jahre 1925 stammende Wohnhaus des
Antragstellers zu.
Auch eine historisch bedeutsame bauliche Anlage ist bodenrechtlich jedoch nur dann erhaltenswert, wenn sie
eine stadtgestalterische Aufgabe erfüllt. Die geschichtliche Bedeutung ist lediglich ein Unterfall der
städtebaulichen Bedeutung. Die zweite Alternative des § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB erstreckt den
Erhaltungsgedanken auf bauliche Anlagen, die das Erscheinungsbild ihrer Umgebung zwar nicht prägen, aber
doch zur „städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt“ beitragen, indem sie
die Umgebung räumlich mitgestalten und zur Unverwechselbarkeit der Ansicht eines Ortsteils, Platzes oder
Straßenzugs beisteuern (vgl. Stock, a.a.O., § 172 Rn. 160). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier
ebenfalls.
Das Wohnhaus des Antragstellers ist aus den bereits oben dargelegten Gründen zu unauffällig, um für sich
genommen einen Beitrag zur Unverwechselbarkeit des Ortsbilds oder zumindest des Straßenbilds zu
leisten.Ebenso wenig erfüllt es eine stadtgestalterische Aufgabe als Teil einer jedenfalls in ihrer Gesamtheit
identifikationsstiftenden Bebauung. Während sich im Eckbereich S.-Str./B.-Str., im weiteren Verlauf der B.-Str.
und in der Straße D.-Str. der Eindruck einer jedenfalls noch in so dichter Abfolge vorhandenen Bebauung aus
der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ergibt, dass diese als ein im Straßenbild immer wiederkehrendes
Element das spezifische Gesicht dieser Straßenzüge mit gestaltet, reißt dieser Eindruck an der A.-Str. ab. Die
räumliche Distanz und der störende Einfluss der Neubebauung lassen das Gebäude des Antragstellers auch
nicht in loser Folge als Fortsetzung der identifikationsstiftenden Bebauung in den genannten Bereichen
erscheinen. Das gilt umso mehr, als insbesondere die dem Grundstück des Antragstellers am nächsten
gelegenen Grundstücke an der D.-Str. eine andere Struktur aufweisen. Die dortige Altbebauung ist in tiefe,
stark durchgrünte und vielfach mit alten Bäumen bestandene Vorgärten eingebettet, die den repräsentativen
Charakter der anfänglichen Besiedelung des Gebiets wesentlich unterstreichen. Diese Struktur findet sich so
weder auf dem Grundstück des Antragstellers noch auf den übrigen Altbaugrundstücken in seinem Umfeld an
der A.-Str. wieder. Die wenigen dort noch vorhandenen Gebäude aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts
sind - mit Ausnahme der Villa mit der Hausnummer 8 - von geringer Ausdruckskraft und in ihrem
Erscheinungsbild völlig unterschiedlich. Zusammen mit den zahlreich vertretenen und durchweg erheblich
größeren neuen Wohnanlagen ergibt sich ein diffuses Straßenbild, das so oder ähnlich in vielen Stadtteilen
Hamburgs anzutreffen und von einer gewissen Beliebigkeit ist. Der Eindruck einer von dem Wohnhaus des
Antragstellers mitgetragenen Unverwechselbarkeit des Straßenbildes stellt sich für den Betrachter unter diesen
Umständen nicht ein. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, der besondere Charakter des Gebiets ergebe
sich aus dem Umstand der nur zögerlichen Bebauung der bahnhofsfernen Grundstücke, kann diese Auffassung
nicht überzeugen. Denn die Grundstücke mit Gebäuden jüngeren Datums lassen nicht erkennen, ob es sich um
ehemalige Baulücken handelt oder ob auf diesen Grundstücken zuvor vorhandener Altbestand abgebrochen
worden ist. Die historische Tatsache der sukzessiven Besiedelung des Gebiets ist im Straßenbild nicht optisch
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präsent.
3. Das Gericht hat schließlich erwogen, ob die Erstreckung des Erhaltungsbereichs auf das Grundstück des
Antragstellers gleichwohl aus Gründen eines Umgebungsschutzes für die benachbarte Villa auf dem
Grundstück A.-Str. 8 gerechtfertigt sein könnte, deren Erhaltungswürdigkeit hier unterstellt werden mag. Dieser
Gesichtspunkt klingt in dem der Sitzung des Arbeitskreises II vom 18. April 2006 zugrunde liegenden
Arbeitsvermerk an, in dem es heißt, dass ein Neubau auf dem Grundstück des Antragstellers gestalterisch an
das erhaltenswerte Umfeld anzupassen wäre und das benachbarte erhaltenswerte Gebäude nicht
beinträchtigen dürfte. Er greift im Ergebnis aber allein schon deshalb nicht durch, weil eine hierauf gestützte
Gebietsabgrenzung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstieße. Der
Gleichheitssatz wird verletzt, wenn der Plangeber eine Gruppe von Grundstückseigentümern im Vergleich zu
anderen Grundstückseigentümern anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von
solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl.
BVerfG, Beschl. v. 29.5.1990, BVerfGE 82, 60, 86 und v. 7.10.1980, BVerfGE 55, 72, 88; OVG Hamburg, Urt.
v. 12.1.2011, 2 E 10/06.N). Das wäre hier der Fall, da die Antragsgegnerin das Grundstück A.-Str. 6 nicht als
Erhaltungsgebiet bezeichnet hat, obwohl sich dessen Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt eines
Umgebungsschutzes erst recht hätte aufdrängen müssen. Denn es grenzt nicht nur mit seiner Nordwestseite
an das Grundstück A.-Str. 8 an, sondern mit seiner Südostseite auch an das Grundstück A.-Str. 4, welches die
Antragsgegnerin ebenfalls als Erhaltungsgebiet festgelegt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus §167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Ein Grund, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision
zuzulassen, besteht nicht.