Urteil des FG Hamburg vom 19.02.2014

FG Hamburg: firma, zwangsvollstreckung, überwachung, zahlungsverzug, einspruch, energiesteuer, erhaltung, ratenzahlung, lieferung, rechtfertigung

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Verbrauchsteuerrecht: Vergütung von Energiesteuer nach § 60 Abs. 1 EnergieStG
1. Die Voraussetzung der laufenden Überwachung der Außenstände i. S. v. § 60 Abs. 1 EnergieStG meint,
dass der Berechtigte fortlaufend auf einen pünktlichen Zahlungseingang achten und bei Anzeichen für
bestehende Zahlungsschwierigkeiten entsprechend reagieren muss. Dabei ist auch das Bedienen von
Altschulden, für die eine Ratenzahlung vereinbart wurde, zu berücksichtigen.
2. Von einer rechtzeitigen gerichtlichen Anspruchsverfolgung i. S. v. § 60 Abs. 1 EnergieStG kann nicht
die Rede sein, wenn zwischen dem Erhalt eines Vollstreckungstitels und der Einleitung der
Zwangsvollstreckung über sieben Monate vergehen, ohne dass es dafür eine überzeugende und
anzuerkennende Begründung gibt.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 19.02.2014, 4 K 104/13
§ 60 Abs 1 EnergieStG
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Entlastung für im Verkaufspreis enthaltene Energiesteuer,
die beim Warenempfänger ausgefallen ist.
Über viele Jahre belieferte die Klägerin die Firma A GmbH (Firma A) regelmäßig mit Mineralöl. Es war u. a.
vereinbart, dass die Forderungen vom Konto der Firma A 30 Tage nach Rechnungsdatum abgebucht werden.
2006 kam es bei der Firma A zu Zahlungsschwierigkeiten. Im Dezember 2006 schlossen die Klägerin und die
Firma A eine Vereinbarung im Hinblick auf die Zahlung der offenen Forderungen in Höhe von 656.793,04 €.
Zur Absicherung wurden an die Klägerin seitens der Firma A Grundschulden über 570.388,53 € abgetreten.
Weiter wurde vereinbart, dass eine Verwertung der Sicherheiten nur erfolgen dürfe, wenn die Firma A
monatliche Tilgungsleistungen in Höhe von 7.000 € nicht erbringe und neue Treibstofflieferungen nicht binnen
30 Tagen per Abbuchung bezahle. Von den offenen 656.793,04 € waren im Dezember 2011 erst 160.802,28 €
gezahlt worden.
Im Zeitraum vom 27.11.2010 bis zum 22.12.2010 belieferte die Klägerin die Firma A ... mit Mineralöl. Die
Klägerin buchte die Forderungen vereinbarungsgemäß vom Konto der Firma A ab, es kam jedoch zu
Rücklastschriften.
Nach erfolgloser telefonischer Abmahnung und ausbleibenden Zahlungen beantragte die Klägerin am
14.01.2011 den Erlass eines Mahnbescheids, der am 18.01.2011 erlassen und am 20.01.2011 zugestellt
wurde. Nachdem die Firma A Widerspruch eingelegt hatte, erließ das Landgericht B am 11.07.2011 ein für
vorläufig vollstreckbar erklärtes Versäumnisurteil, mit dem die Firma A wegen der streitgegenständlichen
Lieferungen zur Zahlung von 192.344,50 € verurteilt wurde. Mit Urteil vom 05.12.2011 wurde das
Versäumnisurteil nach Einspruch der Firma A aufrechterhalten. Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung
beantragte die Klägerin am 05.03.2012 die Zwangsvollstreckung, woraufhin am 02.04.2012 ein Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss erlassen wurde. Die Pfändung verlief fruchtlos.
Am 16.04.2012 beantragte die Klägerin eine Energiesteuervergütung wegen Zahlungsausfalls der Firma A.
Auf entsprechende Nachfragen des Beklagten führte sie unter anderem aus, die ausgebliebenen Zahlungen
im Jahr 2006 hätten ihren Hintergrund in einem durch ... bedingten elektronischen Totalausfall bei der Firma
A. Es sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, damit die Firma A die Reparaturkosten habe
tragen können. An die Ratenzahlungsvereinbarung habe sich die Firma A grundsätzlich gehalten.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 06.07.2012 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin
habe ihre Außenstände nicht hinreichend laufend überwacht. Sie habe ungeachtet der regelmäßigen
Bezahlung laufender, neuer Kraftstofflieferungen gewusst, dass die Firma A die Tilgungsleistungen für die
Altforderungen nicht in der vereinbarten Höhe erbringe. Bei einem angenommenen Beginn ab dem 01.01.2007
hätten bis zur ausgefallenen Forderung gemäß Rechnung vom 27.11.2010 Altschulden in Höhe von 336.000 €
(7.000 € monatlich) beglichen worden sein müssen, tatsächlich seien aber ausweislich der Feststellungen
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des Landgerichts B lediglich 160.802,28 € beglichen worden. Aufgrund der schleppenden Tilgungsleistungen
hätte die Klägerin nicht darauf vertrauen dürfen, dass künftige Kraftstofflieferungen rechtzeitig bezahlt
würden. Es seien die gesamten Umstände der vorangegangenen Lieferungen einzubeziehen. Auch sei das
Tatbestandsmerkmal der rechtzeitigen gerichtlichen Verfolgung nicht erfüllt, da die Klägerin nach Erlass des
Urteils vom 11.07.2011 erst am 05.03.2012 Vollstreckungsmaßnahmen beantragt habe.
Am 13.07.2012 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie meinte, ein Zusammenhang zwischen den
antragsrelevanten Forderungen und den Altforderungen aus dem Jahre 2006 dürfe nicht hergestellt werden.
Aus der Geschäftsbeziehung bis Ende 2006 ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Zahlungsausfall der
Firma A im November/Dezember 2010. In der Zwischenzeit seien die laufenden Lieferungen an die Firma A
stets bezahlt worden. Zu bedenken sei auch, dass den Altschulden Sicherheiten gegenübergestanden hätten,
so dass ein Schuldensaldo nicht existiere. Angesichts der Sicherheiten sei auch kein Ausfallrisiko
ersichtlich. Im Zusammenhang mit der zivilgerichtlichen Anspruchsverfolgung übersehe der Beklagte die
zwischen der Rechtskraft des Urteils und der Zwangsvollstreckung notwendigen Verfahrensschritte und deren
Dauer.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2013 zurück. Er wiederholte die
Begründung des Bescheides vom 06.07.2012, hielt sie aber nur insoweit aufrecht, als der Klägerin die
fehlende Überwachung der Außenstände vorgeworfen wird. Er betonte, dass die Firma A die 2006
aufgelaufenen Altschulden nicht entsprechend der Ratenzahlungsvereinbarung bezahlt habe. Die ebenfalls
aus Mineralöllieferungen stammenden Altschulden seien in die Betrachtung einzubeziehen, die
unregelmäßige Ratenzahlung hätte der Klägerin zeigen müssen, dass die Firma A nicht in der Lage gewesen
sei, aktuelle Forderungen und Altforderungen zugleich zu bedienen. Sie hätte daher Sicherungsmaßnahmen
bezüglich der laufenden Lieferungen ergreifen müssen. Dass die Firma A die Rechnungen im Zeitraum von
Mai 2010 bis Mitte November 2010 rechtzeitig und in voller Höhe beglichen habe, ändere daran nichts.
Mit ihrer am 17.08.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie legt
dar, dass sich die Altschulden aus dem Jahre 2006 in Höhe von 656.793,04 € durch Ratenzahlungen auf
495.990,76 € reduziert hätten. Entsprechend der Ratenzahlungsvereinbarung hätte die Firma A beginnend ab
dem 01.12.2006 monatlich 7.000 € tilgen müssen. Die Forderung sei durch Abtretung von Grundschulden in
Höhe von 521.517,71 € gesichert worden. Wegen ausbleibender Zahlung der Raten werde seit geraumer Zeit
die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke betrieben. Einen Antrag auf Steuerentlastung habe sie wegen
der Altforderungen nicht gestellt. Sowohl bis Ende 2006 als auch danach seien laufende Kraftstofflieferungen
stets vereinbarungsgemäß bezahlt worden. Rücklastschriften habe es erstmals bezüglich der Lieferungen
aus November 2010 gegeben. Die im Hinblick auf die Altforderungen vereinbarten Raten seien über geraume
Zeit gezahlt worden. Sie sei bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht verpflichtet gewesen, wegen der
Altforderungen, die sich aus außergewöhnlichen Umständen (...) ergeben hätten, strengere Maßstäbe an
aktuelle Lieferungen anzulegen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.07.2013 zu verpflichten, ihr Energiesteuer in Höhe von 83.946 € zu
vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung. Er betont, dass ein Mineralölhändler die Gesamtheit der
offenen Forderungen überwachen müsse, um aus dem Zahlungsverhalten eventuelle Rückschlüsse auf die
wirtschaftliche Lage des Warenempfängers zu ziehen. Daher hätte die Klägerin auch berücksichtigen
müssen, dass die Firma A die Schulden nicht vereinbarungsgemäß mit 7.000 € je Monat getilgt habe. Sie
hätte erkennen müssen, dass die Warenempfängerin wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, aktuelle
Forderungen und Altforderungen zugleich zu bedienen. Daher hätte sie bezüglich der laufenden Lieferungen
weitere Sicherungsmaßnahmen ergreifen müssen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
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I.
Der Bescheid vom 06.07.2012 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2013 rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO. Der Klägerin steht kein Anspruch auf
Energiesteuervergütung zu.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 60 Abs. 1 EnergieStG. Danach wird dem Verkäufer von
nachweislich nach § 2 EnergieStG versteuerten Energieerzeugnissen auf Antrag eine Steuerentlastung für die
im Verkaufspreis enthaltene Steuer gewährt, die beim Warenempfänger wegen dessen Zahlungsunfähigkeit
ausfällt, wenn
1. Der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000 € übersteigt,
2. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem
Verkäufer herbeigeführt worden ist,
3. der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der
Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher
Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war,
4. Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind.
Danach besteht ein Vergütungsanspruch nicht, da die Klägerin es unterlassen hat, ihre Außenstände laufend
zu überwachen (1.) und den Anspruch rechtzeitig gerichtlich zu verfolgen (2.), wie dies nach § 60 Abs. 1 Nr. 3
EnergieStG Voraussetzung ist. Dabei kann offen bleiben, ob alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die
in § 60 Abs. 1 EnergieStG normierten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels
Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt
ist.
1.
Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass der Berechtigte die Außenstände laufend überwacht. Dabei bezieht
sich das Erfordernis einer laufenden Überwachung auf sämtliche Mineralöllieferungen, so dass eine isolierte
Betrachtung jeder einzelnen Lieferung nicht in Betracht kommt. Will der Vergütungsberechtigte seinen
Anspruch nicht verlieren, ist er gehalten, fortlaufend auf einen pünktlichen Zahlungseingang zu achten und
bei Anzeichen für bestehende Zahlungsschwierigkeiten entsprechend zu reagieren. Denn die vom
Verordnungsgeber angeordnete Überwachungspflicht kann nur dann Sinn machen und ihren Zweck erfüllen,
wenn der Vergütungsberechtigte die dabei gewonnenen Erkenntnisse zum Anlass nimmt, sein eigenes
Verhalten zu überprüfen und falls erforderlich, neuen Entwicklungen anzupassen. Der Gesetzgeber ging
offensichtlich davon aus, dass nur derjenige einen finanziellen Ausgleich seines Schadens durch die
Allgemeinheit verlangen kann, der im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer
Geschäftsführung beachtet und wie ein sorgfältiger Kaufmann handelt. Die Gewährung einer auf § 60
EnergieStG gestützten Energiesteuerentlastung setzt die Erfüllung dieses ungeschriebenen
Tatbestandsmerkmals voraus. Deshalb darf eine weitere Belieferung des Abnehmers erst gar nicht erfolgen,
wenn aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei vorangegangenen Lieferungen, wie z. B. fortgesetztem
Zahlungsverzug, die Verhängung einer sofortigen Liefersperre geboten ist. Dabei können im Interesse der
Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung neben der Verhängung einer Liefersperre auch andere, weniger
restriktive Maßnahmen zur Vermeidung des Forderungsausfalls, wie zum Beispiel Lieferung nur gegen
Vorkasse bzw. Barzahlung oder die Absicherung künftiger Forderungen durch Bürgschaften oder
Grundpfandrechte, in Betracht kommen. Führt der Vergütungsberechtigte dennoch weitere Lieferungen aus,
kann er sich gegenüber den Finanzbehörden nicht darauf berufen, dass der Zahlungsausfall nicht zu
vermeiden war (BFH, Urteil vom 17.01.2006, VII R 42/04 zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift § 53
MinöStV).
In Anwendung dieser vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätze, denen das Gericht folgt, kann eine
hinreichende laufende Überwachung der Außenstände nicht festgestellt werden. Dabei müssen, was der
Beklagte richtig erkannt hat, sämtliche Lieferungen an die Firma A und das aus diesen Lieferungen
abzulesende generelle Zahlungsverhalten dieses Käufers in den Blick genommen werden.
Zu diesen Lieferungen gehören auch die Lieferungen aus dem Jahre 2006, die von der Firma A bis heute
nicht vollständig bezahlt wurden. Es spricht viel dafür - kann aber letztlich offen bleiben -, dass im Lichte der
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 EnergieStG nicht zu beanstanden wäre, wenn ein Mineralölhändler dem
Warenempfänger Ratenzahlungen bewilligt, um ersichtlich vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten zu
überwinden und diesen Warenempfänger gleichwohl weiter beliefert. Dies setzt jedoch voraus, dass der
Warenempfänger die Raten - wie auch die Rechnungen für laufende Lieferungen - vereinbarungsgemäß zahlt
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und dadurch Zweifel an seiner Zahlungsfähigkeit ausschließt (vgl. auch BFH, Urteil vom 01.07.2008, VII R
31/07). So lag es im Streitfall jedoch gerade nicht. Die Firma A hat die Raten, mit denen die Rechnungen aus
vorangegangenen Lieferungen hätten bezahlt werden sollen, nur sehr unzuverlässig gezahlt. Unstreitig
beliefen sich die Forderungen für Lieferungen aus dem Jahr 2006 auf 656.793,04 € und es hätten monatlich
7.000 € gezahlt werden müssen. Tatsächlich hat die Firma A im Zeitraum zwischen dem 01.12.2006 und
Oktober 2010 unstreitig lediglich 160.802,28 € bezahlt, das entspricht ca. 23 Raten je 7.000 €. Im Zeitraum
zwischen Dezember 2006 und der ersten ausgefallenen Forderung im November 2010 hätten indes 47 Raten
(47 Raten x 7.000 € = 329.000 €) bezahlt werden müssen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Höhe der
Raten ab dem 31.08.2009 einvernehmlich auf 4.000 € reduziert wurde, was die Klägerin erstmals in der
mündlichen Verhandlung vom 19.02.2014 vorgetragen hat, ändert sich das Bild nicht erheblich. Nimmt man
nur den Zeitraum von Januar 2007 bis August 2009 hätten 32 Raten à 7.000 €, mithin 224.000 € gezahlt
worden sein müssen. Hinzu kämen die monatlichen 4.000 € ab September 2009. Die Firma A hat sich also
ersichtlich nicht an die Ratenzahlungsvereinbarung gehalten, ohne dass die Klägerin zeitnah erkennbar -
insbesondere durch die Besicherung laufender Lieferungen nach dem erstmaligen Ausbleiben der
Ratenzahlung - reagiert hätte. Insofern kann von einer laufenden Überwachung der Außenstände nicht die
Rede sein.
Die Klägerin musste davon ausgehen, dass die Firma A nicht gleichermaßen die Raten im Hinblick auf die
Altschulden bedienen und die Forderungen aus aktuellen Lieferungen zahlen kann. Sie konnte daher nicht
sicher sein, dass die laufenden Lieferungen jeweils bezahlt werden würden.
Dass sich die im Jahre 2006 ausgebliebenen Zahlungen durch eine hohe finanzielle Belastung der Firma A
infolge von durch ... verursachte Schäden erklären mögen, ist unerheblich. Weshalb ein Warenempfänger
nicht zahlt, ist für den Vergütungsanspruch des Mineralölverkäufers grundsätzlich unerheblich, auf
Verschulden kommt es insoweit nicht an.
2.
Zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG gehört weiter, dass der Berechtigte den Anspruch
rechtzeitig gerichtlich verfolgt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 53 Abs. 1
MinöStG, der inhaltlich § 60 Abs. 1 EnergieStG entspricht und die insofern nicht überholt ist, ist die
erforderliche rechtzeitige Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung im Zusammenhang mit der
nachfolgend angeordneten gerichtlichen Verfolgung zu sehen. Dem Schuldner soll eine letzte Chance
eingeräumt werden, den Zahlungsanspruch, mit dessen Erfüllung er in Verzug geraten ist, außergerichtlich,
das heißt ohne Einleitung einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs, zu erfüllen. Die Fristsetzung muss
somit einen letzten Zahlungstermin entweder nach dem Kalender oder wenigstens kalendermäßig bestimmbar
benennen, zu dem der Schuldner geleistet haben muss, ohne bis dahin eine gerichtliche Verfolgung des
Anspruchs befürchten zu müssen. Gleichzeitig muss aus der Mahnung unter Fristsetzung hervorgehen, dass
nach erfolglosem Ablauf dieser letzten Zahlungsfrist der Zahlungsanspruch unabkömmlich rechtshängig
gemacht wird (BFH, Beschluss vom 21.05.2001, VII B 53/00 und vom 08.02.2000, VII B 269/99).
"Gerichtlich verfolgen" bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die
rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den
Mitteln, die nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Verfügung stehen, rechtshängig zu
machen sind. Es ist zum Beispiel Klage zu erheben oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den
Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken, mit ggf. anschließender Überleitung ins streitige Verfahren (§
696 ZPO), und es ist aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung
vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Ob diese Handlungen letztlich zum Erfolg, das heißt zur Eintreibung
wenigstens eines Teils der offenen Forderungen führen, spielt keine Rolle (BFH, Urteil vom 17.12.1998, VII R
148/97).
Der Begriff "rechtzeitig" in § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG bezieht sich zwar nur auf die Mahnung, die
gerichtliche Verfolgung hat sich jedoch unmittelbar an den fruchtlosen Ablauf der dem Schuldner gesetzten
(letzten) Zahlungsfrist anzuschließen (BFH, Urteil vom 08.01.2003, VII R 7/02). Da der Bestimmung des § 60
Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG kein schuldnerschützender Charakter zukommt, die dem Gläubiger der Forderung
abverlangten Maßnahmen vielmehr im eigenen Interesse zur Erhaltung seines Vergütungsanspruchs
gegenüber dem Fiskus zu treffen sind, kann es für die Erhaltung des Anspruchs letzten Endes nicht darauf
ankommen, ob der Gläubiger im Falle des Zahlungsverzugs seines Schuldners den in der Vorschrift
aufgezeigten typischen Weg (letzten Mahnung unter Fristsetzung) einschlägt oder unter Verzicht auf diese
Präliminarien den Anspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Wenn die Vorschrift sicherstellen soll, dass der
Gläubiger seine Rechte gegenüber seinem Schuldner zügig verfolgt, damit Zahlungsausfälle möglichst
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verhindert werden, kann letztlich nur entscheidend sein, dass die gerichtliche Geltendmachung des
Anspruchs "rechtzeitig" im Sinne der Vorschrift erfolgt. Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die
gerichtliche Verfolgung des Anspruchs spätestens zwei Monate nach der Belieferung des Schuldners in die
Wege zu leiten ist (BFH, Urteile vom 08.01.2003, VII R 7/02 und vom 08.08.2006, VII R 15/06). Bei dieser
Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass der Mineralölhändler seinen
Vergütungsanspruch verliert, wenn er nicht spätestens zwei Monate nach der Belieferung seines Kunden
konkrete Schritte zur gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs unternommen hat (BFH, Urteil vom 08.01.2003,
VII R 7/02; FG Hamburg, Urteil vom 05.11.2003, IV R 208/03), wobei eine Fristüberschreitung unter den
besonderen Umständen des Einzelfalls hingenommen werden kann (BFH, Beschluss vom 06.02.2006, VII B
53/05 und vom 01.07.2008, VII B 31/07).
Weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung lässt sich entnehmen, innerhalb welcher Frist nach Erhalt
eines Vollstreckungstitels Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen zu ergreifen sind. In Bezug auf den Zeitraum,
innerhalb dessen die Durchführung des streitigen Verfahrens nach erfolgtem Widerspruch gegen einen
Mahnbescheid einzuleiten ist, hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 14.12.2010 (VII B 144/10)
erkannt, dass sich diese Frage nicht allgemeingültig klären sondern nur aufgrund der besonderen Umstände
des Einzelfalls beantworten lasse, wobei es aber eine sachliche Rechtfertigung für eine spätere Klagerhebung
geben könne. Generell hat der Bundesfinanzhof dem Mineralölhändler bei der Entscheidung darüber, mit
welchen Maßnahmen ausstehende Forderungen am effektivsten durchgesetzt werden können, einen
gewissen Beurteilungsspielraum eingeräumt (Urteil vom 01.07.2008, VII R 31/07).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, muss festgestellt werden, dass die Klägerin diesen
Anforderungen für die Erhaltung des Vergütungsanspruchs nicht vollen Umfangs gerecht geworden ist, da sie
ihren Anspruch nicht in dem genannten Sinne rechtzeitig gerichtlich verfolgt hat. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
Zwar hat die Klägerin, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, innerhalb der 2-Monatsfrist in Bezug auf
beide nicht beglichenen Forderungen einen Mahnbescheid beantragt, der auch kurz darauf erlassen wurde,
und zeitnah Vollstreckungstitel erwirkt, allerdings haben sich dem keine rechtzeitigen, hinreichend
nachdrücklichen Bemühungen angeschlossen. Die Klägerin hat gegen die Firma A zunächst ein
Versäumnisurteil erwirkt, das am 11.07.2011 verkündet wurde. Bereits am 13.07.2011 wurde der Klägerin
ausweislich eines Vermerks des Landgerichts B auf der Rückseite des Urteilsabdrucks eine Ausfertigung
zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt. Das Versäumnisurteil wurde dann mit Urteil des Landgerichts B
vom 05.12.2011 aufrechterhalten. Dieses Urteil war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Erst am
05.03.2012 - deutlich mehr als 7 Monate nach Erhalt eines Vollstreckungstitels - leitete die Klägerin
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Der sich zwischen diesen Daten errechnende Zeitraum, für dessen
Verstreichenlassen es keine tragfähige Erklärung gibt, ist zu lang, als dass man noch von rechtzeitiger
gerichtlicher Anspruchsverfolgung reden könnte.
Die vom Bundesfinanzhof aufgestellte 2-Monatsfrist bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf den Zeitraum
zwischen der letzten Belieferung und der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens, hier durch Antrag auf
Erlass eines Mahnbescheides, dies kann jedoch nicht bedeuten, dass die weitere Vorgehensweise auch in
zeitlicher Hinsicht in das Belieben des Mineralöllieferanten gestellt wäre. Vielmehr hat der Bundesfinanzhof in
ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass dem Erlass eines Mahnbescheides die weiteren nach der ZPO
zur gerichtlichen Anspruchsverfolgung vorgesehenen Schritte bis hin zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
zu folgen haben, und dass die gerichtliche Geltendmachung zu einem Zeitpunkt zu erfolgen hat, zu dem ein
im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und
wie ein sorgfältiger Kaufmann handelnder Mineralöllieferant erkennen muss, dass eine Durchsetzung des
Kaufpreisanspruchs die Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordert (BFH, Urteil vom 08.08.2006, VII R
15/06). Dann bezieht sich das Adjektiv "rechtzeitig" in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV (bzw. heute § 60 Abs. 1
EnergieStG) auf die gerichtliche Anspruchsverfolgung insgesamt und damit auch auf die Vornahme von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die so zügig erfolgen müssen, dass Zahlungsausfälle möglichst
vermieden werden, was bedeutet, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dann erfolgen müssen, wenn
deren Notwendigkeit erkennbar ist. Die Notwendigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen musste der
Klägerin bereits in dem Moment erkennbar geworden sein, in dem die vollstreckbare Ausfertigung des
Versäumnisurteils vorlag. Dafür, mit der Einleitung der Zwangsvollstreckung noch Monate nach Eingang des
Vollstreckungstitels zu warten, gab es keine sachliche Rechtfertigung. Die Klägerin musste davon ausgehen,
dass weiterer Zeitablauf das Risiko eines endgültigen Ausfalls der Forderungen erhöht. Der Bundesfinanzhof
hat auch erkannt, dass die Einleitung gerichtlicher Schritte nicht von einer Einschätzung der
Erfolgsaussichten abhängig gemacht werden darf; zumindest die Chance der Realisierung seiner Forderung
im Wege der Zwangsvollstreckung muss sich ein Mineralölhändler erhalten, wenn er den Vergütungsanspruch
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nicht verlieren will (BFH, Urteil vom 08.08.2006, VII R 15/06).
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Üblichkeit im Mineralölhandel berufen. Es mag sein, dass sie sich
angesichts der Marktbedingungen gehalten gesehen hat, nicht mit deutlichem Nachdruck auf das
Zahlungsverhalten der Firma A zu reagieren. Dies macht sie dann jedoch auf eigenes wirtschaftliches Risiko
und kann nicht beanspruchen, dass der ihr daraus erwachsende Schaden teilweise von der Allgemeinheit
getragen wird.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Gründe
des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.