Urteil des FG Hamburg vom 05.06.2014

FG Hamburg: kontradiktorisches verfahren, vergütung, fristbeginn, beendigung, bach, genehmigung, einzelrichter, fax, absicht, sorgfalt

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Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG): Gerichtliche Festsetzung der
Sachverständigen-Vergütung)
1. Bei der Festsetzung der Sachverständigen-Vergütung durch Beschluss des (Beweisaufnahme-)Gerichts handelt sich nicht
um ein Erinnerungs- oder kontradiktorisches Verfahren; das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit es dies für
angemessen hält, unabhängig davon, ob bereits eine Entscheidung des Urkundsbeamten vorliegt.
2. Der Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist für den Vergütungsantrag des Sachverständigen setzt zumindest voraus,
dass die Heranziehung des Sachverständigen abgeschlossen ist (hier einschließlich Durchsicht des Protokolls und
Genehmigung seiner Erklärungen).
FG Hamburg 3. Senat, Beschluss vom 05.06.2014, 3 KO 35/14
§ 2 Abs 1 JVEG, § 4 Abs 1 JVEG, § 4 Abs 7 JVEG, § 133 FGO
Verfahrensgang
Tatbestand
I. 1. Der vorliegende Antrag des Sachverständigen auf Festsetzung seiner Vergütung
durch gerichtlichen Beschluss ist zulässig, sei es zumindest nach § 4 Abs. 1 JVEG oder
sei es zugleich nach § 133 FGO (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., JVEG § 4 Rz. 1;
Schneider, JVEG, § 4 Rz. 8; vgl. i. V. m. § 16 ZSEG i. d. F. bis 2004 FG Baden-
Württemberg vom 26.09.1974 V 48/74, EFG 1975, 35).
Abgesehen davon entscheidet über die Festsetzung der Vergütung das Gericht durch
Beschluss, soweit es nach § 4 Abs. 1 JVEG die Festsetzung durch gerichtlichen
Beschluss für angemessen hält, unabhängig davon, ob eine Entscheidung des
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Urkundsbeamten vorliegt.
2. Das Verfahren der gerichtlichen Vergütungs-Festsetzung nach § 4 JVEG stellt kein
Erinnerungs- oder kontradiktorisches Verfahren mit den bisherigen Beteiligten i. S. v. § 57
FGO dar (vgl. zu § 16 ZSEG Beschlüsse OLG Koblenz vom 14.01.1985 14 W 1/85,
Rpfleger 1985, 333; OLG Stuttgart vom 03.12.1982 4 Ws 377/82, WM 1983, 462;
Schneider, JVEG, § 4 Rz. 12).
a) Der Vertreter der Staatskasse ist beteiligt, soweit er gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG den
Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt hat, anders als hier, oder soweit er gemäß § 4
Abs. 3 JVEG beschwerdeberechtigt ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.1984 1
Ws 464/84, MDR 1985, 257; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 4 Rz. 6 f.),
anders als hier gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 JVEG. Ansonsten gibt es im finanzgerichtlichen
Vergütungs-Festsetzungsverfahren neben dem Antragsteller keinen weiteren Beteiligten
(vgl. FG Köln, Beschluss vom 26.06.2002 15 S 5806/00, EFG 2002, 1327 zu § 16 ZSEG;
allg. a. A. Schneider, JVEG, § 4 Rz. 14).
b) Unabhängig davon, ob eine Entscheidung des Urkunds- und Kostenbeamten ergangen
ist, und ohne deren Anfechtung, Änderung oder Aufhebung und ohne Erinnerung
entscheidet das Gericht selbst in vollem Umfang über den Vergütungsanspruch und wird
damit ggf. eine Entscheidung des Urkunds- und Kostenbeamten ohne weiteres hinfällig
(vgl. zum ZSEG Beschlüsse FG Köln vom 26.06.2002 15 S 5806/00, EFG 2002, 1327 m.
w. N.; FG Baden-Württemberg vom 26.09.1974 V 48/74, EFG 1995, 38, 39; LSG Hamburg
vom 10.12.1963 I SV 20/62, NJW 1964, 1243, 1245; Beermann in
Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen Rz. 10859/28).
Bei letzterer und bei dem internen Informationsaustausch zwischen dem Spruchkörper
des Gerichts einerseits sowie dem Urkunds- und Kostenbeamten andererseits handelt es
sich nur um ein Verwaltungsverfahren (BGH, Beschluss vom 05.11.1968 RiZ {R} 4/68,
BGHZ 51, 148, Juris Rz. 2 7 f.; Schneider, JVEG, § 4 Rz. 32 f.).
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Vergütungsantrag ist begründet hinsichtlich des Zeitaufwands, der
Honorargruppe und der nur angesetzten niedrigeren Beträge nach § 9 i. V. m. Anlage 1
JVEG i. d. F. vor August 2013.
2. Die - abweichend von § 15 ZSEG - durch das JVEG in dessen § 2 außerordentlich
streng mit der Rechtsfolge des vollständigen Anspruchsverlusts innerhalb von nur drei
Monaten geregelte kürzeste Frist für den Vergütungsantrag (vgl. Hans. OLG Bremen,
Beschluss vom 21.03.2013 5 W 4/13, JurBüro 2013, 486) hat der Sachverständige nach
Erhalt und Durchsicht des ihm - versehentlich erst auf seine Nachfrage - am 9. Januar
2014 übersandten Protokolls des Ortstermins (vgl. FG-A Bl. 78, 84, 88, 98) durch seinen
am 14. Januar 2014 eingegangen Vergütungsantrag eingehalten (FG-A Bl. 96 ff.).
a) Dabei richtet sich die Frist im vorliegenden Fall nach der allgemeinen Drei-Monats-
Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG und beginnt diese Frist nach Beendigung der
Heranziehung oder des Auftrags.
aa) Zwar bestimmt sich der Fristbeginn grundsätzlich und vorrangig nach den hierfür
getroffenen Spezialregelungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 JVEG.
bb) Deren Fristbeginn deckt allerdings nicht die Beendigung des vorliegend gemäß § 82
FGO i. V. m. § 404a ZPO bestimmten Umfangs des Sachverständigen-Auftrags ab.
Weder kann hier auf den Eingang eines schriftlichen Gutachtens i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 JVEG abgestellt werden, das nicht in Auftrag gegeben worden ist; noch war der
Auftrag mit der Beendigung einer (bloßen) Vernehmung i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
JVEG abgeschlossen.
cc) Der Fristbeginn setzt zumindest voraus, dass die Leistung des Sachverständigen
abgeschlossen ist; abgesehen von dem weiteren Erfordernis dass dem Sachverständigen
deutlich ist oder durch das Gericht deutlich gemacht wird, dass seine Leistung
abgeschlossen ist (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 21.03.2013 5 W 4/13, JurBüro
2013, 486).
Ein früherer Beginn der drei-Monats-Frist entspräche nicht mehr einer
verfassungsgerechten und rechtsstaatlichen Auslegung (Art. 12, 20 Abs. 3 GG), sondern
könnte sonst den Ablauf der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 2 JVEG vor
Auftragsbeendigung zur Folge haben, wie der vorliegende Fall deutlich macht.
b) Der Zeitpunkt des Fristbeginns und der Beendigung der Heranziehung und des
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Auftrags i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG bestimmt sich hier nach der Durchsicht des dem
Sachverständigen zur Prüfung der gesamten Tondiktat-Übertragung übersandten
Ortstermin-Protokolls, einschließlich der Genehmigung seiner darin enthaltenen
Erklärungen.
aa) Die Beauftragungen von (insbesondere Immobilien-)Sachverständigen im hiesigen
FG-Bewertungssenat und -dezernat richten sich nämlich seit 1997 regelmäßig - wie auch
hier - weder auf eine schriftliche Begutachtung noch auf eine bloße - mit einer
Zeugenvernehmung vergleichbare - "Vernehmung".
bb) Inhalt des einheitlichen Auftrags sind vielmehr
- Vorbereitung anhand Gerichtsakten, Finanzamtsakten, Grund- und Bauakten, ggf.
Denkmalschutzakten; nach eigenem Bedarf Recherchen und - im generellen
Einverständnis - Vorabbesichtigung(en);
- im Rahmen eines gerichtlichen Ortstermins - wie hier - mündliche Begutachtung in
Verbindung mit richterlicher Augenscheinseinnahme, anschließend Beantwortung von
Rückfragen bis zum Ende der Erörterung oder Verhandlung, meistens - wie hier - bis zur
Einigung mit tatsächlicher Verständigung, Abhilfezusage und beiderseitiger
Erledigungserklärung sowie Kostenregelung;
- Durchsicht des in Schriftform übertragenen Protokolls.
cc) Das heißt, dass der hier insgesamt einheitlich an den jeweiligen Sachverständigen
erteilte Auftrag im Ortstermin noch nicht abgeschlossen ist. Vielmehr werden die hiesigen
Sachverständigen generell nach mündlichen Bewertungsgutachten noch zur Durchsicht
des Protokolls herangezogen, das vor Ort richterlich diktiert und nach dem Termin in
Schriftform übertragen und dem jeweiligen Sachverständigen durch die Geschäftsstelle
übersandt wird.
Das Absehen von einem schriftlichen Gutachten und von dem damit verbundenen
mehrfachen Kostenaufwand bringt es mit sich, dass das Ortstermins-Protokoll ausführlich
zu diktieren ist, nämlich mit allen wesentlichen tatsächlichen Feststellungen und deren
sachverständiger Begutachtung - einschließlich der Fachbegriffe - und mit allen in das
Gesamtergebnis einfließenden Flächenangaben und Werten (vgl. z. B. FG Hamburg,
Urteile vom 30.08.2013 3 K 206/01, EFG 2014, 113; vom 22.02.2010 3 K 159/09, EFG
2010, 1294, DStRE 2010, 1453).
Wegen der häufig zahlreichen - u. a. durch Geräusche vor Ort verursachten - Fehler bei
der Diktatübertragung in die Schriftform würde eine Genehmigung des Tondiktats vor Ort
nicht ausreichen und ist nicht nur eine sorgfältige richterliche Korrektur erforderlich,
sondern wird das Protokoll auch an den Sachverständigen zur Durchsicht und zum
Abgleich mit den von ihm notierten und erklärten Zahlen oder Zahlenwerken übersandt
(vgl. Äußerung nach Protokoll 3 V 99/12 mit Erledigungen 3 K 175/12 und 3 K 34/14).
Dazu gehören nicht nur die ausdrücklich als seine Erklärungen diktierten Inhalte, sondern
sämtliche in seiner Begleitung und mit seiner Hilfe getroffenen Feststellungen, auch
soweit sie, ohne ihn jedes mal als Sachverständigen oder mit Namen zu zitieren, von ihm
durch Gericht oder Beteiligte übernommen wurden (vgl. FG-A Bl. 78-84), und zwar
einschließlich der besonders fehleranfälligen Daten, Flächen- und Wertangaben (vgl. FG-
A Bl. 79, 82-84).
Durch diese Sorgfalt und nötigenfalls Protokollberichtigungen werden Folgestreitigkeiten
über den Inhalt einer Begutachtung oder Verständigung sowie Abhilfezusage weitgehend
vermieden und begrenzt (vgl. FG Hamburg Urteil vom 07.10.2011 3 K 122/10, DStRE
2012, 759).
dd) Im Übrigen gehört diese Protokoll-Durchsicht ebenso untrennbar mit der mündlichen
Begutachtung zusammen, wie die Genehmigung der schriftlich protokollierten Aussage
eines Zeugen zu dessen Aussage gehört.
c) Schließlich wird die vorstehende Auslegung der generellen Fristregelung im Obersatz
§ 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG (oben a) bestätigt durch die vor Protokolldurchsicht und
Auftragsbeendigung vom Januar 2014 bereits mit Wirkung ab August 2013 in § 4 Abs. 1
Satz 3 JVEG eingefügte Regelung, dass selbst bei mehrfacher Heranziehung deren
letztere für den Fristbeginn insgesamt maßgeblich ist (zur Absicht des Gesetzgebers,
Missverständnisse über den Fristbeginn zu beseitigen, vgl. BT-Drs. 517/12 S. 398 f.;
Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 2 Rz. 3 Seite 37 f.).
3. Danach kommt es hier weder auf die Frage einer Wiedereinsetzung nach § 2 Abs. 4
JVEG an; noch auf einen vorangegangenen mündlichen Antrag auf Vergütung (vgl. im
Fax-Schreiben des Vorsitzenden vom 10. Januar 2014 zitiertes Gespräch; FG-A Bl. 89)
oder zumindest sinngemäß auf Fristverlängerung (vgl. Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG,
26. A., § 2 Rz. 2; Schneider, JVEG, § 2 Rz. 3;).
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Die Entscheidung über die gerichtliche Festsetzung der Sachverständigen-
Vergütungsfestsetzung trifft als Gericht der Beweisaufnahme der Einzelrichter nach § 6
FGO (FG Bremen, Beschluss vom 14.08.1995 2 95 151 E 2, EFG 1995, 1079); hier
zugleich als originärer Einzelrichter nach § 4 Abs. 7 JVEG (vgl. Beschlüsse OLG Dresden
vom 08.10.2009 3 W 1016/09, Juris; OLG Rostock vom 08.04.2008 1 U 32/08, OLGR
Rostock 2009, 226; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 4 Rz. 10 c).
Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG und § 128 Abs. 4 FGO.