Urteil des FG Hamburg vom 01.04.2014

FG Hamburg: wiederaufnahme des verfahrens, verordnung, ware, kommission, antidumping, erlass, china, daten, hersteller, sorgfalt

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Antidumpingzoll: Vorabentscheidungsersuchen: Rechtmäßigkeit einer im
Wiederaufnahmeverfahren erlassenen Antidumpingzoll-Verordnung
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird im Hinblick auf folgende Frage um Auslegung des Unionsrechts im Wege der
Vorabentscheidung ersucht:
Ist die "Durchführungsverordnung (EU) Nr. 158/2013 des Rates vom 18.02.2013 zur Wiedereinführung eines endgültigen
Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit
Ursprung in der Volksrepublik China" (ABl. L 49 vom 22.02.2013, S. 29) gültig, obwohl nicht zeitnah vor ihrem Erlass eine
eigenständige Antidumping-Untersuchung durchgeführt worden ist, sondern nur eine seinerzeit bereits für den Zeitraum
vom 01.10.2006 bis 30.09.2007 erfolgte Antidumping-Untersuchung weitergeführt wurde, wobei diese Untersuchung
allerdings nach den Feststellungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 22.05.2012 (Rs. C-338/10)
unter Missachtung der Erfordernisse der "Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen
gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern" (ABl. L 56 vom 06.03.1996, S. 1), in der
Fassung der "Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21.12.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 384/96 über
den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern" (ABl. L 340 vom
23.12.2005, S 17) durchgeführt worden war, was zur Folge hatte, dass der Gerichtshof die auf diese Untersuchung hin
erlassene "Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18.12.2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und
zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter
Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China" (ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 35) in dem
genannten Urteil für ungültig erklärt hat?
FG Hamburg 4. Senat, Beschluss vom 01.04.2014, 4 K 82/13
EUV 158/2013, Art 6 Abs 9 EGV 1225/2009, EGV 1355/2008, EGV 642/2008, Art 6 Abs 9 EGV
384/96, EWGV 2176/84, Art 74 Abs 1 ZKDV, Art 74 Abs 2 ZKDV
Verfahrensgang
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben. Die Beteiligten
streiten über die Rechtmäßigkeit einer Antidumpingzoll-Verordnung für bestimmte
zubereitete oder haltbar gemachte Zitrusfrüchte (Ware) mit Ursprung in der Volksrepublik
(VR) China.
Der Beklagte hat die streitigen Abgaben auf der Grundlage der Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 158/2013 des Rates vom 18.02.2013 zur Wiedereinführung eines endgültigen
Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter
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Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 49 vom
22.02.2013, S. 29 - im Folgenden: VO Nr. 158/2013) erhoben.
1.
a) Bereits mit der Verordnung (EG) Nr. 642/2008 der Kommission vom 04.07.2008 (ABl. L
178 vom 05.07.2008, S.19) wurde für die Ware mit Ursprung in der VR China ab dem
06.07.2008 ein vorläufiger Antidumpingzoll in Form einer Sicherheit in Höhe von EUR
482,20 EUR je Tonne Nettogewicht festgesetzt.
b) Mit der Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18.12.2008 (ABl. L 350 vom
30.12.2008, S. 35 - VO Nr. 1355/2008 -) wurde für die Dauer von zunächst 5 Jahren die
Erhebung von Antidumpingzoll für die Ware bestimmt und die mit der erstgenannten
Verordnung eingeführten vorläufigen Maßnahmen für endgültig erklärt.
Untersuchungszeitraum für diese Maßnahmen war das Jahr zwischen dem 01.10.2006
und dem 30.09.2007, das der Einleitung des Verfahrens gemäß Veröffentlichung vom
20.10.2007 unmittelbar vorausgegangen war.
c) Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des ersuchenden Senats vom 11.05.2010
(4 K 123/09) sprach der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 22.03.2012
(C-338/10), den Schlussanträgen des Generalanwalts folgend, die Ungültigkeit der VO Nr.
1355/2008 aus. Kommission und Rat hätten die Erfordernisse nach Art. 2 Abs. 7a der
seinerzeit geltenden Grundverordnung für den Erlass von Antidumpingzoll-Verordnungen,
der VO (EG) Nr. 384/96 vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus
nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 56 vom 06.03.1996, S.
1 - VO Nr. 384/96 -), in der durch die VO (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 01.12.2005
(ABl. L 340 vom 23.12.2005, S. 17) geänderten Fassung, missachtet, weil sie den
Normalwert der Ware auf der Grundlage der für gleichartige Waren in der Union
tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt hatten, ohne die gebotene
Sorgfalt aufzubieten, um diesen Wert auf der Grundlage der für die gleiche Ware in einem
Drittland mit Marktwirtschaft üblichen Preise festzulegen (Rz. 36 des Urteils).
d) Die Kommission beschloss daraufhin die teilweise Wiederaufnahme der Antidumping-
Untersuchung; am 18.02.2013 erließ der Rat sodann die VO Nr. 158/2013, mit der er den
endgültigen Antidumpingzoll mit Wirkung ab 23.02.2013 "wiedereinführte" (Art. 1 Abs. 1
VO Nr. 158/2013). In den Erwägungen der VO Nr. 158/2013 ist das dem Erlass
vorangehende Verfahren ausführlich dargestellt.
2. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 03.04.2013 erhob der Beklagte von der Klägerin
Einfuhrabgaben, darunter auf der Grundlage von VO Nr. 158/2013 Antidumpingzoll in
Höhe von EUR 62.983,52.
Ihren Einspruch vom 30.04.2013 begründete die Klägerin ausschließlich mit der
Rechtswidrigkeit der VO Nr. 158/2013. Der Beklagte wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 24.05.2013 als unbegründet zurück. Er habe keine
Kompetenz, Verordnungen von Unionsorganen auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Die VO
Nr. 158/2013 selbst sei im Streitfall fehlerfrei angewendet worden.
3. Hiergegen hat die Klägerin am 26.06.2013 Klage erhoben. Die Klägerin meint, die VO
Nr. 158/2013 verstoße gegen vorrangiges Unionsrecht und sei damit rechtswidrig und
ungültig, weil sie in teilweiser Wiederaufnahme des Antidumping-Verfahrens der VO Nr.
1355/2008 ergangen sei, wofür sich eine Rechtsgrundlage weder in der Verordnung
selbst noch in der Grundverordnung VO Nr. 384/96 oder in der sie ersetzenden
Grundverordnung - der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30.11.2009 über
den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft
gehörenden Ländern (ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 51 - VO Nr. 1225/2009 -) - finde.
Die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens lasse sich im vorliegenden Fall auch
nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 03.10.2000 (C-458/98
P) ableiten. In jener Entscheidung habe es der Gerichtshof zwar nicht beanstandet, dass
die Kommission das Antidumping-Verfahren einer vom Gerichtshof bereits für nichtig
erklärten Antidumping-Verordnung wieder aufgenommen habe, um weitere
Feststellungen zum Erfordernis der Schädigung eines Wirtschaftszweigs der
Gemeinschaft zu treffen. Allerdings habe im dortigen Fall bereits festgestanden, dass
gedumpte Waren eingeführt worden seien. Habe dagegen der Gerichtshof - wie
vorliegend - eine Antidumping-Verordnung deswegen für ungültig erklärt, weil es an einer
ordnungsgemäßen Ermittlung des Normalwertes gefehlt habe, könne das frühere
Verfahren nicht wieder aufgenommen werden, denn es fehle bereits an der erforderlichen
Erkenntnis, dass überhaupt eine Dumpingsituation gegeben sei. Aus jenem Urteil ergebe
sich zudem, dass für den Erlass einer neuen Antidumping-Verordnung auf einen
zeitnahen, also aktualisierten Untersuchungszeitraum abgestellt werden müsse, was im
vorliegenden Fall unterblieben sei.
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Die Klägerin wendet weiter ein, dass die VO Nr. 158/2013 erst nach Ablauf der in Art. 6
Abs. 9 VO (EG) Nr. 1225/2009 geregelten Frist von 15 Monaten erlassen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 03.04.2013 (AT/G/ ...), soweit
darin Antidumpingzoll erhoben worden ist, in Gestalt der Einspruchsentscheidung
des Beklagten vom 24.05.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung.
II.
Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74
Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union
gemäß § 267 Satz 1 Buchst b) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.
Nach Auffassung des beschließenden Senats sind für die Lösung des Streitfalls die
folgenden Rechtsvorschriften maßgeblich:
1. Rechtlicher Rahmen
a) Verordnung (EWG) Nr. 2176/84 des Rates vom 23.07.1984 über den Schutz gegen
gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 201 vom 30.07.1984, S. 1) Art. 7
Abs. (9) a) Eine Untersuchung wird abgeschlossen, indem sie eingestellt wird oder indem
endgültige Maßnahmen ergriffen werden. Sie muß in der Regel innerhalb eines Jahres
nach der Verfahrenseinleitung abgeschlossen sein.
b) Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen
gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl.
L 56 vom 06.03.1996, S. 1) Artikel 6 Untersuchung
...
(9) Bei Verfahren nach Artikel 5 Absatz 9 wird die Untersuchung, wenn möglich, innerhalb
eines Jahres abgeschlossen. In jedem Fall werden solche Untersuchungen innerhalb von
15 Monaten nach ihrer Einleitung auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse
abgeschlossen.
c) Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30.11.2009 über den Schutz gegen
gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl.
L 343 vom 22.12.2009, S. 51) Artikel 6 Untersuchung
...
(9) Bei Verfahren nach Artikel 5 Absatz 9 wird die Untersuchung, wenn möglich, innerhalb
eines Jahres abgeschlossen. In jedem Fall werden solche Untersuchungen innerhalb von
15 Monaten nach ihrer Einleitung auf der Grundlage der gemäß Artikel 8 für
Verpflichtungen und gemäß Artikel 9 für endgültige Maßnahmen getroffenen
Feststellungen abgeschlossen.
d) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 158/2013 des Rates vom 18.02.2013 zur
Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter
zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der
Volksrepublik China (ABl. L 49 vom 22.02.2013, S. 29) ...in Erwägung nachstehender
Gründe:
1. VERFAHREN
...
(31) Die Maßnahmen betrafen die in der ursprünglichen Verordnung wie folgt definierte
Ware: unter die KN-Position 2008 fallende zubereitete oder haltbar gemachte Mandarinen
(einschließlich Tangerinen und Satsumas), Clementinen, Wilkings und ähnliche
Kreuzungen von Zitrusfrüchten, ohne Zusatz von Alkohol, auch mit Zusatz von Zucker
oder anderen Süßmitteln, die derzeit unter den KN-Codes 2008 30 55, 2008 30 75 und ex
2008 30 90 (TARIC-Codes 2008 30 90 61, 2008 30 90 63, 2008 30 90 65, 2008 30 90 67
und 2008 30 90 69) eingereiht werden, mit Ursprung in der VR China.
(32) Diesbezüglich interpretierte der Gerichtshof in seinem Vergleichslandurteil die
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Statistiken, die die Kommission dem Gerichtshof am 27. Juli 2011 übermittelt hatte, als
ausschließlich auf die betroffene Ware bezogene Daten. Die Kommission hat den
vollständigen Umfang aller in den Statistiken erscheinenden KN-Codes erneut untersucht,
und es ist anzumerken, dass diese Statistiken mehr umfassen als die von den
Maßnahmen betroffene Ware, denn sie betreffen die gesamten KN-Codes 2008 30 55,
2008 30 75 und 2008 30 90. Die statistischen Daten zu den KN-Codes 2008 30 55 und
2008 30 75, die nur die betroffene Ware oder die gleichartige Ware betreffen, stellen sich
für die obengenannten Länder im Untersuchungszeitraum wie folgt dar:
...
(33) In Bezug auf den KN-Code 2008 30 90 waren in die Statistiken auch andere Waren
als die betroffene Ware einbezogen. Daher können zu den Einfuhren der gleichartigen
Ware unter diesem KN-Code keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Mithin kann
aus den Statistiken nicht abgeleitet werden, dass die gleichartige Ware während des
Untersuchungszeitraums in erheblichen Mengen aus Israel oder Swasiland eingeführt
wurde.
...
(54) Unter Berücksichtigung der von den Parteien übermittelten Stellungnahmen und ihrer
Analyse und der - trotz der erheblichen Anstrengungen der Kommissionsdienststellen -
mangelnden Kooperationsbereitschaft potenzieller Hersteller in Drittländern wurde der
Schluss gezogen, dass ein Normalwert auf der Grundlage des Preises oder des
rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft nach Artikel 2 Absatz
7 Buchstabe a der Grundverordnung nicht ermittelt werden konnte.
...
5.3.7. Schlussfolgerung zum Normalwert
(58) Da diesbezüglich keine weiteren Stellungnahmen vorliegen und es trotz der
erheblichen Anstrengungen der Kommissionsdienststellen, einen mitarbeitenden
Hersteller in einem Vergleichsland zu ermitteln, nicht möglich war, auf den
Untersuchungszeitraum bezogene Daten von einem Hersteller in einem Vergleichsland
zu erlangen, werden die Feststellungen in den Erwägungsgründen 38 bis 45 der
vorläufigen Verordnung bestätigt.
2. Entscheidungserheblichkeit
Die Beantwortung der vorgelegten Frage ist entscheidungserheblich. Der Ausgang des
Klageverfahrens hängt ausschließlich davon ab, ob die angegriffene Verordnung wirksam
ist oder wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für ungültig erklärt wird.
3. Rechtliche Überlegungen des Senats
Die rechtliche Würdigung der VO Nr. 158/2013 ist nach Ansicht des ersuchenden Senats
unionsrechtlich zweifelhaft.
a) Der ersuchende Senat hat insbesondere Bedenken in Bezug auf die Gültigkeit der VO
Nr. 158/2013, weil die streitgegenständliche Antidumpingzoll-Verordnung im Jahr 2013
Antidumpingzoll auf der Grundlage eines mehr als fünf Jahre zurück liegenden
Untersuchungszeitraums vom 01.10.2006 bis 30.09.2007 festsetzt.
Sowohl die ursprüngliche Grundverordnung, die VO Nr. 384/96, als auch ihre
Nachfolgeverordnung, die VO Nr. 1225/2009, enthalten jeweils in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 eine
Regelung, dass die Untersuchung, wenn möglich, innerhalb eines Jahres abgeschlossen
wird, und in dem nachfolgenden Satz 2 sogar die Bestimmung, dass die Antidumping
Untersuchung in jedem Fall innerhalb von 15 Monaten nach ihrer Einleitung
abgeschlossen wird. Diese Frist von 15 Monaten ist bei Berücksichtigung der
Wiederaufnahme des Verfahrens im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden.
Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die
Untersuchung, die durchzuführen ist, um die zum Schutz der Gemeinschaftsindustrie
gegen Dumpingpraktiken erforderlichen Antidumpingzölle festsetzen zu können, auf der
Grundlage möglichst aktueller Daten durchzuführen (vgl. insoweit das Urteil vom
03.10.2000, C-458/98 P, Rdnr. 92, das zur Vorgängerverordnung VO (EWG) Nr. 2176/84
ergangen ist, die noch gar keine Bestimmung einer auf jeden Fall einzuhaltenden Frist
enthielt, sondern nur, dass die Untersuchung "in der Regel innerhalb eines Jahres nach
der Verfahrenseinleitung abgeschlossen sein soll", Art. 7 Abs. 9 Buchst. a), Satz 2).
b) Die Zweifel des ersuchenden Senats an der Rechtmäßigkeit der VO Nr. 158/13
gründen sich auch darauf, dass die als maßgeblich in Betracht kommenden
Grundverordnungen - VO Nr. 384/96 bzw. ihre Nachfolge-Verordnung, die VO Nr.
1225/2009 - keine Regeln enthalten, nach denen ein Untersuchungsverfahren wieder
aufgenommen wird, nachdem die Antidumpingzoll-Verordnung, die aufgrund des
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seinerzeitigen Untersuchungsverfahrens erlassen wurde, von einem europäischen
Gericht für ungültig erklärt worden ist.
Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen solcher Regelungen die Wiederaufnahme des
Verfahrens und den Erlass einer neuen Antidumpingzoll-Verordnung nicht in jedem Fall
ausschließt, wie sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu
einem entsprechenden Fall ergibt (Urteil vom 03.10.2000, C-458/98 P). In jenem
Entscheidungsfall beruhte die Nichtigerklärung der ursprünglichen Antidumpingzoll-
Verordnung in einem ersten Gerichtsverfahren darauf, dass die Schädigung des
Gemeinschaftserzeugers nicht korrekt festgestellt worden war. Daraufhin hatte die
Kommission das ursprüngliche Verfahren wieder aufgenommen, für einen aktualisierten
Referenzzeitraum eine neue Untersuchung (nur) zur Frage der Schädigung durchgeführt
und auf dieser Grundlage eine neue Antidumpingzoll-Verordnung erlassen. In einem
dann anschließenden zweiten Gerichtsverfahren bestätigte der Gerichtshof der
Europäischen Union diese Verfahrensweise. Er stellte fest, dass die Maßnahmen zur
Vorbereitung der Untersuchung, die zum Erlass der ursprünglichen, dann für ungültig
erklärten Antidumpingzoll-Verordnung geführt hatten, insbesondere die Eröffnung des
Verfahrens, von der Feststellung der Rechtswidrigkeit im ersten Gerichtsverfahren nicht
berührt worden waren. Daher hatte die Kommission das Untersuchungsverfahren
wiedereröffnen und sich dabei auf diese Verfahrenshandlungen stützen können und
sodann eine neue Untersuchung der Schädigung für einen anderen Referenzzeitraum
durchführen dürfen. Im Ergebnis entschied der Gerichtshof, die Kommission habe die für
die dort streitgegenständliche Antidumpingzoll-Verordnung problematische Feststellung
der Schädigung im Rahmen des, wie es im Urteil des Gerichtshofs heißt, "nach wie vor
laufenden Antidumpingverfahrens" auf der Grundlage eines anderen Referenzzeitraums
treffen können, ohne gegen die Nichtigkeitsentscheidung zu verstoßen, weil, wie es in
den Urteilsgründen weiter heißt, das ursprüngliche Verfahren nicht für nichtig erklärt
worden sei und die Dumpingpraktiken fortbestanden hätten (Rz. 85, 96 des Urteils).
Der ersuchende Senat hat Zweifel, ob sich die jener Entscheidung zugrunde liegenden
Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragen lassen. Zum einen, weil bis zur
Wiederaufnahme des im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Verfahrens noch
überhaupt nicht wirksam festgestellt worden war, dass überhaupt Dumpingpraktiken
bestanden hatten, die hätten fortbestehen können. Denn die vom Gerichtshof in seinem
Urteil vom 22.03.2012 (C-338/10) bemängelte Ermittlung des Normalwerts betrifft eine der
Grundlagen, ohne die eine Feststellung von Dumpingpraktiken überhaupt nicht möglich
ist (vgl. EuG, Urteil vom 11.07.2013, T-459/07). Zum anderen, weil bei Wiederaufnahme
des Verfahrens für die Dosenmandarinen - anders als im Fall, der dem Urteil des
Gerichtshofs vom 03.10.2000 (C-458/98 P) zugrunde lag - als Gegenstand weiterer
Ermittlungen kein aktualisierter Zeitraum gewählt wurde, obwohl dies nach den
Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil vom 03.10.2000 geboten gewesen sein dürfte
(vgl. Rz. 92 des Urteils).
c) Selbst wenn es grundsätzlich gleichwohl möglich sein sollte, auf der Grundlage eines
weit zurückliegenden, nicht aktualisierten Untersuchungszeitraums eine
("nachgebesserte") Antidumpingzoll-Verordnung zu erlassen, hat der ersuchende Senat
für Fälle wie den vorliegenden deswegen erhebliche Bedenken, weil der Mangel,
aufgrund dessen die ursprüngliche Antidumpingzoll-Verordnung VO Nr. 1355/2008 vom
Gerichtshof mit seinem Urteil vom 22.03.2012 (C-338/10) für ungültig erklärt worden ist,
und der darin liegt, dass bei der Ermittlung des Normalwerts die gebotene Sorgfalt nicht
aufgeboten worden war, noch immer nicht sicher ausgeräumt ist.
Aus den Erwägungen der nach Wiederaufnahme des Verfahrens erlassenen
streitgegenständlichen Verordnung VO Nr. 158/2013 (Rz. 54 und 58) ergibt sich, dass ein
Normalwert trotz erheblicher Anstrengungen der Kommissionsdienststellen angesichts
der mangelnden Kooperationsbereitschaft potentieller Hersteller in Drittländern nicht
ermittelt werden konnte. Aus diesem Grund sind (lediglich) die Feststellungen in den
Erwägungsgründen der vorläufigen Verordnung bestätigt worden.
Nach Ansicht des ersuchenden Senats ist es nicht hinreichend sicher auszuschließen,
dass der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 22.03.2012 (C-338/10) festgestellte
Pflichtenverstoß, der darin bestand, dass die Normalwertuntersuchung seinerzeit nicht
sorgfältig durchgeführt worden war, eine Ursache auch für die Ergebnislosigkeit der
sodann wiederaufgenommenen Ermittlungen gewesen ist. Denn er hält es für
naheliegend, dass die Bereitschaft von Drittlandsunternehmen zur Beantwortung von
Ermittlungsanfragen mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum relevanten
Ermittlungszeitraum - hier erfolgte die Befragung mehrere Jahre später - grundsätzlich
abnimmt. Vor diesem Hintergrund hält es der ersuchende Senat für bedenklich, wenn der
Umstand, dass die nach der Wiederaufnahme vorgenommenen weiteren Untersuchungen
ohne konkretes Ergebnis geblieben sind, eine beizeiten sorgfältig durchgeführte
Normalwertermittlung ersetzen und für die Feststellung einer Dumpingsituation
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ausreichen soll.
d) Diese Bedenken werden auch nicht dadurch gegenstandslos, dass nach dem weiteren
Inhalt der Erwägungen zum Erlass der VO Nr. 158/2013 die Feststellung des Gerichtshofs
in seinem Urteil vom 22.3.2012, dass die Unionsorgane im ursprünglichen
Antidumpingverfahren die aus den Daten der Eurostat-Statistiken hervorgehenden
Informationen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft haben, auf einer ungeeigneten
Grundlage getroffen sein soll.
Nach dem Inhalt der Erwägungen der VO Nr. 158/2013 in Rz. 30 ff. soll die Feststellung
des Gerichtshofs auf der Grundlage von Statistiken erfolgt sein, die auch andere als die
von der Antidumpingzoll-Verordnung erfassten Waren enthalten haben. Die von dem
Gerichtshof zugrunde gelegten Statistiken waren ihm von der Kommission übermittelt
worden (vgl. Rz. 16, 33 des Urteils vom 22.03.2012,C-388/10). Sollte es sich bei den von
der Kommission übermittelten Statistiken tatsächlich nicht um die maßgeblichen
Statistiken gehandelt haben und sollten die Abweichung der übermittelten gegenüber den
eigentlich maßgeblichen Statistiken für die Feststellung, ob es Antidumpingpraktiken
gegeben hat, von Bedeutung gewesen sein, dann wäre nach Ansicht des ersuchenden
Senats erst recht zu erwägen, ob jedenfalls dieser Umstand ein neues
Antidumpingverfahren erfordert hätte und einer Wiederaufnahme des alten Verfahrens
(zusätzlich) entgegensteht.
4. Wegen der vorstehend erläuterten Zweifel hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof
der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die im Tenor dieses Beschlusses
gestellte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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