Urteil des FG Hamburg vom 17.06.2014

FG Hamburg: vietnam, verordnung, china, gas, ware, kommission, europäische union, unternehmen, republik, montage

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Zollrecht: Vorabentscheidungsersuchen
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 260/2013 vom 18.03.2013 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr.
1458/2007 eingeführten Antidumpingzolls auf Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit
Ursprung in der Volksrepublik China auf aus der Sozialistischen Republik Vietnam versandte nicht nachfüllbare
Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas, ob als Ursprungserzeugnis Vietnams angemeldet oder nicht (ABl. L 82 vom
22.03.2013, S. 10-17, im Folgenden: VO Nr. 260/2013), unwirksam, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der VO Nr. 260/2013 der mit
der Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 eingeführte Antidumpingzoll, dessen Ausweitung angeordnet werden sollte, bereits
ausgelaufen war?
Sofern Frage 1 verneint wird:
2. Ist die VO Nr. 260/2013 unwirksam, weil eine im Sinne des Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 260/2013 Umgehung der mit der Verordnung
(EG) Nr. 1458/2007 (ABl. Nr. L 326 vom 12.12.2007, S. 1) angeordneten Maßnahme nicht festzustellen ist.
FG Hamburg 4. Senat, Beschluss vom 17.06.2014, 4 K 88/13
Art 1 EUV 260/2013, Art 2 EUV 260/2013, Art 13 EGV 1225/2009, Art 14 EGV 1225/2009, Art 1
EGV 1458/2007, Art 1 EUV 548/2012, Art 2 EUV 548/2012
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Antidumpingzolls.
Die Klägerin betreibt eine internationale Spedition und ist Inhaberin einer Bewilligung
eines privaten Zolllagers des Typs D. Im Zeitraum von August bis Dezember 2012
überführte sie mit insgesamt fünf - mittlerweile bestandskräftigen - ergänzenden
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Zollanmeldungen insgesamt 4.024.080 Stück nicht nachfüllbare Taschenfeuerzeuge mit
Feuerstein für Gas aus der Sozialistischen Republik Vietnam in den freien Verkehr der
Europäischen Union.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 26.03.2013 (.../..01) erhob der Beklagte gemäß Art. 220
der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des
Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302 vom 19.10.1992, Seite 1-50) in der Fassung
der Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363 vom
20.12.2006, Seite 1-80, im Folgenden: Zollkodex) Antidumpingzoll i. H. v. 261.565,20 €
nach. Er stützte sich dabei auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 260/2013 des
Rates vom 18.03.2013 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 1458/2007
eingeführten Antidumpingzolls auf Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit
Feuerstein für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China auf aus der Sozialistischen
Republik Vietnam versandte nicht nachfüllbare Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für
Gas, ob als Ursprungserzeugnis Vietnams angemeldet oder nicht (ABl. L 82 vom
22.03.2013, Seite 10-17, im Folgenden: VO Nr. 260/2013).
Am 15.04.2013 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2013 ein,
den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 (...) zurückwies.
Mit ihrer am 05.07.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, die Klage richte sich in der Sache gegen
die VO Nr. 260/2013, auf die der Beklagte die Erhebung des Antidumpingzolls stütze, und
die sie für rechtswidrig und damit unwirksam halte.
Sie meint, die Voraussetzungen des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1225/2009 des
Rates vom 30.11.2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur
Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 51-73,
im Folgenden: VO Nr. 1225/2009) hätten zum Zeitpunkt des Erlasses der VO Nr.
260/2013 schon deshalb nicht vorgelegen, weil die Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 des
Rates vom 10.12.2007 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die
Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in
der Volksrepublik China und versandt über bzw. mit Ursprung in Taiwan sowie auf die
Einfuhren bestimmter nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein mit Ursprung in
der Volksrepublik China und versandt über bzw. mit Ursprung in Taiwan (ABl. L 326 vom
12.12.2007, S. 1-17, im Folgenden: VO Nr. 1458/2007) mit Bekanntmachung vom
12.12.2012 (ABl. C 382 vom 12.12.2012, Seite 12) bereits außer Kraft getreten sei.
Die Einführung eines Antidumpingzolls für einen in der Vergangenheit liegenden
Zeitraum könne auch nicht isoliert auf Art. 13 Abs. 3 S. 6 VO Nr. 1225/2009 gestützt
werden. Diese Bestimmung setze eine positive Entscheidung nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO
Nr. 1225/2009 voraus, um dann den Zeitraum zwischen der Einleitung der Untersuchung
und der Entscheidung abzudecken, um zu verhindern, dass es ab dem Zeitpunkt der
Bekanntmachung der Einleitung einer Untersuchung zu einem Anstieg der Einfuhren aus
dem jeweiligen Land komme, wodurch die Wirksamkeit der nach Abschluss der
Untersuchung einzuführenden Maßnahmen infrage gestellt würde.
Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Ausweitung des Antidumpingzolls nach
Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 VO Nr. 1225/2009 nicht vor. Eine Veränderung des Handelsgefüges
im Sinne von Art. 13 VO Nr. 1225/2009 liege nicht vor, da ein Zusammenhang zwischen
der Einführung des Antidumpingzolls und der Veränderung in den Warenströmen nicht
gegeben sei. Für ein solches Erfordernis spreche die Regelung in Art. 13 Abs. 2 VO Nr.
1225/2009. Es sei auch erst 2007, also 16 Jahre nach Einführung des Antidumpingzolls
für die Volksrepublik China im Jahre 1991, zu einem Anstieg der Einfuhren von
Feuerzeugen aus Vietnam gekommen. Es könne nicht auf das Jahr 2007 als
Vergleichsjahr abgestellt werden, da die bisherigen Maßnahmen in 2007 lediglich
aufrechterhalten worden seien, ohne dass es zu inhaltlichen Veränderungen gekommen
sei. Zudem habe die Ausfuhr von Feuerzeugteilen aus der Volksrepublik China nach
Vietnam bereits im Jahre 1999, also acht Jahre vor dem Anstieg der Einfuhren aus
Vietnam in die Europäische Union begonnen. Tatsächlicher Hintergrund für den Anstieg
der Produktion in Vietnam sei die Entwicklung des Lohnniveaus, worauf die
Erwägungsgründe der VO Nr. 260/2013 selbst eingingen (Rz. 51). Jedenfalls fraglich sei
das Vorliegen einer Schädigung oder einer Untergrabung der Abhilfewirkung des
bestehenden Zolls. Eine Schädigung sei nicht geprüft worden und eine Untergrabung der
Abhilfewirkung sei auszuschließen, weil die eigentliche Maßnahme für die Volksrepublik
China nicht verlängert worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 26.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 05.06.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass er nicht ermächtigt sei, die Gültigkeit Europäischer Rechtsakte zu
überprüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung
(FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 S. 1 lit. b)
des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor
genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die rechtliche Würdigung des Falles ist
unionsrechtlich zweifelhaft.
1. Rechtlicher Rahmen
Nach Ansicht des Senats sind folgende unionsrechtliche Vorschriften für die Lösung des
Rechtsstreits von Bedeutung:
a. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 260/2013 des Rates vom 18. März 2013 zur
Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 eingeführten Antidumpingzolls
auf Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit Ursprung
in der Volksrepublik China auf aus der Sozialistischen Republik Vietnam versandte nicht
nachfüllbare Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas, ob als Ursprungserzeugnis
Vietnams angemeldet oder nicht (ABl. L 82 vom 22.03.2013, Seite 10-17, im Folgenden:
VO Nr. 260/2013):
Artikel 1
(1) Der mit Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 eingeführte endgültige
Antidumpingzoll auf die Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein
für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China wird auf aus der Sozialistischen Republik
Vietnam versandte Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für
Gas, ob als Ursprungserzeugnis Vietnams angemeldet oder nicht, die derzeit unter dem
KN-Code ex96131000 eingereiht werden, ausgeweitet.
(2) Der mit Absatz 1 ausgeweitete Zoll wird für den Zeitraum vom 27. Juni 2012 bis zum
13. Dezember 2012 auf aus Vietnam versandte Einfuhren erhoben, ob als
Ursprungserzeugnis Vietnams angemeldet oder nicht, die nach Artikel 2 der Verordnung
(EU) Nr. 548/2012 sowie Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung (EG)
Nr. 1225/2009 zollamtlich erfasst wurden.
(3) Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen
Union in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem
Mitgliedstaat.
b. Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz
gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden
Ländern (ABl. L vom 22.12.2009, Seite 51-73, im Folgenden: VO Nr. 1255/2009):
Artikel 13
Umgehung
(1) Die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle können auf die
Einfuhren der gleichartigen Ware aus Drittländern, geringfügig verändert oder nicht, auf
die Einfuhren der geringfügig veränderten gleichartigen Ware aus dem von Maßnahmen
betroffenen Land oder auf die Einfuhren von Teilen dieser Ware ausgeweitet werden,
wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Antidumpingzölle, die den
gemäß Artikel 9 Absatz 5 eingeführten residualen Antidumpingzoll nicht übersteigen,
können auf die Einfuhren von Unternehmen in den von Maßnahmen betroffenen Ländern,
für die ein unternehmensspezifischer Zoll gilt, ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung
der geltenden Maßnahmen stattfindet. Die Umgehung wird als eine Veränderung des
Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft oder zwischen
einzelnen Unternehmen in dem von Maßnahmen betroffenen Land und der Gemeinschaft
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definiert, die sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergibt, für
die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder
wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und wenn Beweise für eine Schädigung oder dafür
vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen
der gleichartigen Ware untergraben wird, und wenn erforderlichenfalls im Einklang mit
Artikel 2 ermittelte Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten, die für die
gleichartige Ware vorher festgestellt wurden, vorliegen.
Als Praxis, Fertigungsprozess oder Arbeit im Sinne des Unterabsatzes 1 gelten unter
anderem geringfügige Veränderungen der betroffenen Ware, so dass sie unter Zollcodes
fällt, für die die Maßnahmen normalerweise nicht gelten, sofern die Veränderungen ihre
wesentlichen Eigenschaften nicht berühren, der Versand der von Maßnahmen betroffenen
Ware über Drittländer, die Neuorganisation der Vertriebsmuster und -kanäle durch die
Ausführer in dem von Maßnahmen betroffenen Land, so dass sie ihre Waren letztlich über
Hersteller in die Gemeinschaft ausführen können, für die ein niedrigerer
unternehmensspezifischer Zoll gilt als für die Waren der Ausführer, und, unter den in
Absatz 2 genannten Umständen, die Montage von Teilen durch einen Montagevorgang in
der Gemeinschaft oder einem Drittland.
(2) Ein Montagevorgang in der Gemeinschaft oder in einem Drittland wird als Umgehung
der geltenden Maßnahmen angesehen, wenn
a) die Montage seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen
oder erheblich ausgeweitet wurde und die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land
haben, für das Maßnahmen gelten,
b) der Wert dieser Teile 60 v. H. oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten
Ware ausmacht; als Umgehung gilt jedoch nicht der Fall, in dem der Wert, der während
der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde,
mehr als 25 v. H. der Herstellkosten beträgt, und
c) die Abhilfewirkung des Zolls durch die Preise und/oder Mengen der montierten
gleichartigen Ware untergraben wird und Beweise für Dumping im Verhältnis zu den
Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt
wurden.
(3) Untersuchungen werden nach Maßgabe dieses Artikels auf Initiative der Kommission
oder auf Antrag eines Mitgliedstaats oder jeder anderen interessierten Partei eingeleitet,
wenn der Antrag ausreichende Beweise für die in Absatz 1 genannten Faktoren enthält.
Die Einleitung erfolgt nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss durch eine
Verordnung der Kommission, in der gleichzeitig den Zollbehörden Anweisung gegeben
werden kann, die Einfuhren gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich zu erfassen oder
Sicherheitsleistungen zu verlangen. Die Untersuchungen werden von der Kommission
durchgeführt, die von den Zollbehörden unterstützt werden kann, und innerhalb von neun
Monaten abgeschlossen. Rechtfertigen die endgültig ermittelten Tatsachen die
Ausweitung der Maßnahmen, wird diese Ausweitung vom Rat auf Vorschlag der
Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss eingeführt. Der Vorschlag
wird vom Rat angenommen, es sei denn, der Rat beschließt innerhalb eines Monats nach
dessen Vorlage durch die Kommission mit einfacher Mehrheit, den Vorschlag
abzulehnen. Die Ausweitung gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem die Einfuhren gemäß Artikel
14 Absatz 5 zollamtlich erfasst wurden oder zu dem Sicherheiten verlangt wurden. Die
einschlägigen Verfahrensbestimmungen dieser Verordnung zur Einleitung und
Durchführung von Untersuchungen finden Anwendung.
(4) - (5) ...
Artikel 14
Allgemeine Bestimmungen
(1) - (4) ...
(5) Die Kommission kann nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss die
Zollbehörden anweisen, geeignete Schritte zu unternehmen, um die Einfuhren zollamtlich
zu erfassen, so dass in der Folge Maßnahmen gegenüber diesen Einfuhren vom
Zeitpunkt dieser zollamtlichen Erfassung an eingeführt werden können. Die zollamtliche
Erfassung der Einfuhren kann auf einen Antrag des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft
vorgenommen werden, der ausreichende Beweise für die Rechtfertigung dieser
Maßnahme enthält. Die zollamtliche Erfassung wird durch eine Verordnung eingeführt, in
der der Zweck dieser Erfassung und, soweit angemessen, der geschätzte Betrag der
möglichen zukünftigen Zollschuld angegeben werden. Die Einfuhren dürfen nicht länger
als neun Monate zollamtlich erfasst werden.
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(6) - (7) ...
c. Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 des Rates vom 10. Dezember 2007 zur Einführung
eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren nicht nachfüllbarer
Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China und
versandt über bzw. mit Ursprung in Taiwan sowie auf die Einfuhren bestimmter
nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein mit Ursprung in der Volksrepublik China
und versandt über bzw. mit Ursprung in Taiwan (ABl. L 326 vom 12.12.2007, Seite 1-17,
im Folgenden: VO Nr. 1458/2007):
Artikel 1
(1) Auf die Einfuhren von nicht nachfüllbaren Taschenfeuerzeugen mit Feuerstein für Gas
mit Ursprung in der Volksrepublik China, die unter KN-Code ex96131010 (TARIC-Code
9613100019) eingereiht werden, wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt.
(2) Auf den Nettopreis frei Grenze der Gemeinschaft, unverzollt, gilt ein Zollsatz von 0,065
EUR je Feuerzeug.
d. Verordnung (EU) Nr. 548/2012 der Kommission vom 25. Juni 2012 zur Einleitung einer
Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Verordnung (EG) Nr.
1458/2007 des Rates eingeführten Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren
nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in der
Volksrepublik China durch aus Vietnam versandte Einfuhren nicht nachfüllbarer
Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas, ob als Ursprungserzeugnisse Vietnams
angemeldet oder nicht, und zur zollamtlichen Erfassung dieser Einfuhren (ABl. L 165 vom
26.06.2012, S. 37-40, im Folgenden: VO Nr. 548/2012
Artikel 1
Es wird eine Untersuchung nach Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009
eingeleitet, um festzustellen, ob durch aus Vietnam in die Union versandte Einfuhren nicht
nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas, ob als Ursprungserzeugnisse
Vietnams angemeldet oder nicht, die derzeit unter dem KN-Code 96131000 (TARIC-Code
9613100012) eingereiht werden, die mit der Verordnung (EG) Nr. 1458/2007 eingeführten
Maßnahmen umgangen werden.
Artikel 2
Die Zollbehörden unternehmen nach Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der
Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 geeignete Schritte, um die in Artikel 1 genannten
Einfuhren in die Union zollamtlich zu erfassen.
Die zollamtliche Erfassung endet neun Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung.
(...)
2. Entscheidungserheblichkeit
Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Nacherhebung des
Antidumpingzolls vorliegen, sofern sich die VO Nr. 260/2013 als wirksam erweist. Die
Klägerin hat zudem ausdrücklich erklärt, dass sich die Klage, mit der formal die
Aufhebung des Einfuhrabgabenbescheides vom 26.03.2013 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 05.06.2013 beantragt wird, in der Sache gegen die VO Nr.
260/2013 richte. Insofern hängt der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich von der
Wirksamkeit der VO Nr. 260/2013 ab.
3. Rechtliche Überlegungen des Senats
Zu Frage 1:
Der Senat geht davon aus, dass die Rechtmäßigkeit der am 18.03.2013 ausgefertigten
VO Nr. 260/2013 insbesondere davon abhängig ist, dass die Voraussetzungen des Art. 13
VO Nr. 1225/2009, auf die sich die VO Nr. 260/2013 ausdrücklich stützt, erfüllt sind. Dabei
hält es der Senat für unionsrechtlich zweifelhaft, ob eine Ausweitung des mit der VO Nr.
1458/2007 eingeführten Antidumpingzolls auf Einfuhren nicht nachfüllbarer
Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China auf
Einfuhren von aus der Sozialistischen Republik Vietnam stammenden entsprechenden
Feuerzeugen zulässig war, obwohl die VO Nr. 1458/2007 bereits am 13.12.2012 außer
Kraft getreten (Bekanntmachung der Europäischen Kommission, ABl. C 127 vom
01.05.2012, Seite 3) und daher der Antidumpingzoll auf Einfuhren von entsprechenden
Feuerzeugen aus der Volksrepublik China zum Zeitpunkt des Erlasses der VO Nr.
260/2013 bereits aufgehoben worden war.
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Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 1225/2009 sieht die Möglichkeit vor, Antidumpingzölle auf die
Einfuhren gleichartiger Waren aus Drittländern auszuweiten, wenn eine "Umgehung der
geltenden Maßnahmen" stattfindet. Aus dieser Formulierung könnte man schließen, dass
eine Maßnahme nur ausgeweitet werden kann, wenn und solange sie gilt, also in Kraft ist,
und eine Umgehung auch tatsächlich stattfinden kann. Eine Maßnahme gilt indes nicht
mehr, wenn sie aufgehoben wurde.
Es ist zweifelhaft, ob es ausreicht, dass während der Geltung einer
Antidumpingmaßnahme eine Umgehung derselben stattgefunden hat, auch wenn diese
Umgehung zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung, mit der der Antidumpingzoll
ausgeweitet werden soll, nicht mehr stattfinden kann, weil die Antidumpingmaßnahme,
um deren Umgehung es geht, nicht mehr gilt. Vielmehr könnte auf den Zeitpunkt des
Erlasses der die Ausweitung des Antidumpingzolls festlegenden Verordnung und nicht
auf den Geltungszeitraum der Maßnahme (hier nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 260/2013 der
Zeitraum vom 27.06. bis 13.12.2012) abzustellen sein. Die Zugrundelegung der
englischen Sprachfassung führt insoweit nicht zu einer anderen Betrachtung, im
Gegenteil: Dort heißt es in Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO Nr. 1225/2009: "...when circumvention of
the measures in force is taking place". Auch nach der englischen Sprachfassung wird also
an die in Kraft ("in force") befindlichen Maßnahmen angeknüpft und in Bezug auf den
Zeitpunkt der Umgehung die Gegenwartsform verwandt ("is taking place").
Auch Überlegungen in Bezug auf Sinn und Zweck von Antidumpingmaßnahmen könnten
für diese Auslegung sprechen. Die Einführung von Antidumpingmaßnahmen versetzt die
Union in die Lage, ihre produzierende Wirtschaft vor gedumpten bzw. subventionierten
Einfuhren und daraus folgenden Verschiebungen der Handelsströme zu schützen. Die
Einführung von Antidumpingzöllen stellt keine Sanktion für ein früheres Verhalten dar,
sondern eine Verteidigungs- und Schutzmaßnahme gegen den unlauteren Wettbewerb,
der sich aus Dumpingpraktiken ergibt (EuG, Urteil vom 04.03.2010, T-401/06). Wenn aber
Antidumpingmaßnahmen für einen zurückliegenden, zum Zeitpunkt des Erlasses der
diese Maßnahmen einführenden Verordnung bereits abgeschlossenen Zeitraum
festgesetzt werden, kann dieser Zweck nicht mehr zwangsläufig erreicht werden. Es ist
vorstellbar, dass die Maßnahmen dann ausschließlich Einfuhren betreffen, die bereits
durchgeführt und für die Einfuhrabgaben festgesetzt worden sind. Dann kommt ein Schutz
der produzierenden Wirtschaft der Mitgliedstaaten, der typischerweise in die Zukunft
gerichtet künftige Einfuhren gedumpter Waren verhindern bzw. wirtschaftlich
uninteressanter machen soll, nicht mehr in Betracht. Die Maßnahme läuft dann auf eine
Abschöpfung von Gewinnen der einführenden Unternehmen hinaus, bei der zweifelhaft
ist, ob sie vom Sinn und Zweck der Antidumpingmaßnahmen noch gedeckt ist.
Andererseits kam die Ausweitung des Antidumpingzolls durch die VO Nr. 260/2013
insoweit nicht überraschend, als die Kommission die Einleitung einer Untersuchung und
die zollamtliche Erfassung von Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit
Feuerstein für Gas mit Ursprung in Vietnam bereits mit der VO Nr. 548/2012 beschlossen
und am 26.06.2012 veröffentlicht hatte. Bei Einfuhren nach diesem Zeitpunkt mussten die
Einführer also mit der Einführung von Antidumpingzoll rechnen, was bereits zu einem
gewissen Schutz der produzierenden Wirtschaft der Mitgliedstaaten geführt haben könnte,
womit dem grundsätzlichen Sinn und Zweck von Antidumpingmaßnahmen jedenfalls
teilweise entsprochen worden wäre.
Auch sieht Art. 13 Abs. 3 S. 6 VO Nr. 1225/2009 ausdrücklich eine rückwirkende
Ausweitung eines Antidumpingzolls ab dem Zeitpunkt, zu dem die Einfuhren gemäß Art.
14 Abs. 5 VO Nr. 1225/2009 zollamtlich erfasst wurden, vor. Art. 14 Abs. 5 S. 4 VO Nr.
1225/2009 legt fest, dass Einfuhren nicht länger als neun Monate zollamtlich erfasst
werden. Dem trägt die VO Nr. 260/2013 insoweit Rechnung, als die Ausweitung, worauf in
der 70. Begründungserwägung auch hingewiesen wurde, nur aus Vietnam versandte
zollamtlich erfasste Einfuhren betraf. Materiell bezog sich der mit der VO Nr. 260/2013
ausgeweitete Antidumpingzoll auf einen Zeitraum, der innerhalb des Geltungszeitraums
des mit der VO Nr. 1458/2007 festgesetzten ursprünglichen Antidumpingzolls liegt. Der
Zeitraum erstreckte sich vom Zeitpunkt der Erfassung gemäß VO Nr. 548/2012, dem
27.06.2012, bis zu dem Tag, an dem die ursprünglichen Antidumpingmaßnahmen außer
Kraft traten, dem 13.12.2012.
Vor dem Hintergrund der grundsätzlich zulässigen Rückwirkung könnte die im Präsenz
gefasste Formulierung "wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet" in
Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO Nr. 1225/2009 auch dahin verstanden werden, dass sie sich
(lediglich) auf den Wirkungszeitraum der Ausweitung des Antidumpingzolls bezieht und
nicht an den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweitungsverordnung anknüpft. Hierfür könnte
auch sprechen, dass es für die Ausweitung eines Antidumpingzolls maßgeblich auf das
Vorliegen der materiellen Voraussetzungen ankommen dürfte, soll doch eine Verordnung
zur Ausweitung eines Antidumpingzolls nach dem Zweck und der Systematik der
Grundverordnung allein bezwecken, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten und ihre
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Umgehung zu verhindern (vgl. EuGH, Urteil vom 06.06.2013, C-667/11, Rz. 28). Vor
diesem Hintergrund erweist sich die Ausweitung eines endgültigen Antidumpingzolls im
Verhältnis zum ursprünglichen diesen Rechtsakt einführenden Zoll als eine lediglich
flankierende Maßnahme mit akzessorischem Charakter (vgl. EuGH, Urteil vom
06.06.2013, C-667/11, Rz. 28), was zugleich erhellen dürfte, dass die Regelung des Art.
13 VO Nr. 1225/2009 keinen Zeitpunkt enthält, bis zu dem der Erlass einer Verordnung
zur Ausweitung eines Antidumpingzolls erfolgen kann.
Schließlich hat der Senat erwogen, dass die Prüfung einerseits, ob Umgehungspraktiken
die Abhilfewirkung der ursprünglichen Maßnahmen eventuell untergraben, und die
Prüfung bezüglich der Notwendigkeit einer Auslaufüberprüfung auf
Untersuchungsergebnisse zur Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten
Auftretens des Dumpings und der Schädigung andererseits sich auf unterschiedliche
Zeiträume beziehen (vgl. 64. Erwägungsgrund der VO Nr. 260/2013). Gelangt die
Kommission nach Eingang und Annahme eines gültigen Antrags auf Einleitung einer
Umgehungsuntersuchung im Rahmen der nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 3 VO Nr.
1225/2009 durchzuführenden Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des
Art. 13 VO Nr. 1225/2009 für die Feststellung einer Umgehung erfüllt sind, hat sie die
Maßnahmen auf Einfuhren aus dem Drittland auszuweiten, solange und soweit die
ursprünglichen Maßnahmen in Kraft sind, vorliegend also begrenzt bis zum 13.12.2012.
Zu Frage 2:
Unionsrechtlich zweifelhaft ist zudem, ob die in Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 VO Nr. 1225/2009
formulierten Voraussetzungen für eine Ausweitung eines Antidumpingzolls erfüllt sind.
Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1225/2009 können die gemäß der Verordnung Nr.
1225/2009 eingeführten Antidumpingzölle auf die Einfuhren der gleichartigen Ware aus
Drittländern, geringfügig verändert oder nicht, auf die Einfuhren der geringfügig
veränderten gleichartigen Ware aus dem von Maßnahmen betroffenen Land oder auf die
Einfuhren von Teilen dieser Ware ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der
geltenden Maßnahmen stattfindet. Die Umgehung wird in Art. 13 Abs. 1 Satz 3 VO Nr.
1225/2009 als eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der
Gemeinschaft oder zwischen einzelnen Unternehmen in dem von Maßnahmen
betroffenen Land und der Gemeinschaft definiert, die sich aus einer Praxis, einem
Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergibt, für die es außer der Einführung des Zolls
keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und wenn
Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im
Hinblick auf die Preise und/oder Mengen der gleichartigen Waren untergraben wird. Da
es in Bezug auf die VO Nr. 260/2013 um eine (vorgebliche) Umgehung in Form von
Montagevorgängen geht, müssen zudem die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr.
1225/2009 erfüllt sein. Dass diese Voraussetzungen in Bezug auf die
streitgegenständlichen Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein
für Gas aus Vietnam erfüllt sind, hält der beschließende Senat für unionsrechtlich
zweifelhaft.
a) Der Senat hat bereits und vor allem Zweifel, ob die in Art. 13 Abs. 1 Satz 3 VO Nr.
1225/2009 normierte Voraussetzung der Veränderung des Handelsgefüges zwischen den
Drittländern - scil. der Volksrepublik China und Vietnam - einerseits und der Union
andererseits zu bejahen ist.
(1) In den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 260/2013 findet sich zum einen die
Feststellung, dass die Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in der Volksrepublik
China seit Einführung der Maßnahmen im Jahre 1991 zurückgegangen und auch nach
den verschiedenen Änderungen und Ausweitungen der Maßnahmen in den Jahren 1995,
1999, 2001 und 2007 auf einem geringen Niveau geblieben seien (38. Erwägungsgrund).
Diese Feststellung wird indes durch konkretes Zahlenmaterial nicht belegt. Der
erläuternde Hinweis im 39. Erwägungsgrund, wonach im Zeitraum vom 01.01.2008 bis
zum 31.03.2012 die Einfuhren von Feuerzeugen aus der Volksrepublik China mit rund 50
Mio. Stück (2008 und 2009), 70 Mio. Stück (2010) bzw. 60 Mio. Stück (2011 und
Berichtszeitraum) relativ stabil gewesen seien, ist insoweit wenig behilflich und erhellend,
da sich diese Zahlen auf nachfüllbare Modelle und elektrische Piezo-Feuerzeuge
beziehen, die gerade nicht Gegenstand der Maßnahmen sind, was die Kommission am
Ende des 39. Erwägungsgrundes dann auch selbst einräumt.
In den Erwägungsgründen der VO Nr. 260/2013 wird zum anderen hervorgehoben, dass
die Einfuhren der untersuchten Ware aus Vietnam im Laufe der Zeit gestiegen seien (40.
Erwägungsgrund). Insoweit wird zwar erläuternd ausgeführt, dass es 1997 praktisch keine
Einfuhren der untersuchten Ware aus Vietnam gegeben habe, während die Einfuhren der
untersuchten Ware seit 2007 drastisch gestiegen seien (40. Erwägungsgrund, Satz 2).
Indes ist auch diese Feststellung und Erläuterung selbst vor dem weiteren Hinweis, dass
in den Jahren 2008 bis einschließlich des Berichtszeitraumes 80 % (2008) bzw. 84 %
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(2009 bis 2011 sowie BZ) aller Einfuhren nicht nachfüllbarer Feuerzeuge in die Union aus
Vietnam stammten, wenig aussagefähig und förderlich, da dieses statistische
Datenmaterial zum einen den Vergleichszeitraum 2007 und früher ausspart und zum
anderen nur unvollkommen in Beziehung gesetzt werden kann zu den Erläuterungen im
42. Erwägungsgrund betreffend die Ausfuhren von Feuerzeugteilen aus der Volksrepublik
China nach Vietnam. Denn die Feststellung im 42. Erwägungsgrund, Vietnam sei das
wichtigste Ausfuhrland für aus der Volksrepublik China stammende Bauteile für
Feuerzeuge mit Feuerstein, wird weder in der Chronologie zahlenmäßig belegt noch auf
den Berichtszeitraum fortgeschrieben. Hinzu kommt, dass dem 42. Erwägungsgrund nicht
zuverlässig entnommen werden kann, ob sich die dort angeführten Aussagen allein auf
die streitgegenständliche Ware oder die Ausfuhren von Feuerzeugteilen aus der
Volksrepublik China nach Vietnam insgesamt beziehen. Die Formulierung "1999
handelte es sich bei weniger als 3 % der Gesamtausfuhren aus der Volksrepublik China
nach Vietnam um Feuerzeugteile; 2010 war Vietnam mit 26 % der Ausfuhren das
wichtigste Ausfuhrziel für Feuerzeugteile" (42. Erwägungsgrund, Satz 4) deutet eher in die
Richtung, dass hier nicht differenziert wird zwischen Ausfuhren von Teilen für Feuerzeuge
mit Feuerstein einerseits und Ausfuhren von sonstigen Feuerzeugteilen andererseits,
zumal diese Angaben von der Kommission nicht verifiziert, sondern dem Antrag des
Unionsherstellers lediglich entnommen wurden (vgl. 42. Erwägungsgrund, Satz 3).
(2) Der Senat hat aus einem weiteren Grunde Zweifel, ob eine Veränderung des
Handelsgefüges im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 1225/2009 gegeben ist. Der
Antidumpingzoll auf die Einfuhren nicht nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein
für Gas mit Ursprung in der Volksrepublik China wurde bereits mit der Verordnung (EWG)
Nr. 3433/91 endgültig eingeführt. Erst 2007 und damit etwa 16 Jahre nach Einführung des
ursprünglichen Antidumpingzolls stiegen indes die Einfuhren von entsprechenden
Feuerzeugen aus Vietnam drastisch an (40. Erwägungsgrund). Diese Entwicklung ist mit
Blick darauf bemerkenswert, dass die Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in der
Volksrepublik China bereits seit Einführung der Maßnahme im Jahr 1991
zurückgegangen waren (vgl. 38. Erwägungsgrund). Eine Erklärung für das zeitliche
Auseinanderfallen des Rückgangs der Einfuhren nicht nachfüllbarer Feuerzeuge mit
Feuerstein für Gas aus der Volksrepublik China einerseits und des Anstiegs der
Ausfuhren von Feuerzeugteilen aus der Volksrepublik China nach Vietnam andererseits
findet sich in den Erwägungsgründen jedoch nicht. Es kommt hinzu, dass seit 1999 und
damit 8 Jahre vor dem Anstieg von Einfuhren der untersuchten Ware aus Vietnam (vgl. 40.
Erwägungsgrund) die Ausfuhren von Feuerzeugteilen aus der Volksrepublik China nach
Vietnam erheblich zugenommen hatten (42. Erwägungsgrund). Den Erwägungsgründen
lässt sich indes weder entnehmen, wie sich der seit 1999 zu beobachtende Anstieg der
Einfuhren der streitgegenständlichen Ware aus Vietnam, der mit keinem Anstieg der
Ausfuhren von Feuerzeugteilen aus der Volksrepublik China nach Vietnam einherging,
erklärt, noch geben die Erwägungsgründe Aufschluss darüber, ob der Anstieg der
Einfuhren von Feuerzeugen aus Vietnam seit 2007 mit einem Rückgang der Einfuhren
von Feuerzeugen aus China in vergleichbarer Größenordnung korrespondiert. Im 38.
Erwägungsgrund heißt es lediglich, dass die Einfuhren der betroffenen Waren mit
Ursprung in der Volksrepublik China seit Einführung der Maßnahme im Jahr 1991
zurückgegangen und seitdem auf einem geringen Niveau geblieben seien.
Der beschließende Senat ist sich bewusst, dass Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 1225/2009 in
Bezug auf die Veränderung des Handelsgefüges keine konkreten Anforderungen in
zeitlicher Hinsicht normiert, vielmehr genügt für die Ausweitung eines Antidumpingzolls
die objektive Feststellung der Umgehung der geltenden Maßnahme. Auch Art. 13 Abs. 2
lit. a) VO Nr. 1225/2009 verlangt nicht, dass die Umgehung zeitnah zur Einführung des
ursprünglichen Antidumpingzolls stattgefunden haben muss. Die Formulierung, dass "die
Montage seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpingzolluntersuchung begonnen
oder erheblich ausgeweitet wurde, ..." besagt lediglich, dass die Umgehung der Einleitung
der Antidumpingzolluntersuchung zeitlich nachfolgen muss. Allerdings hält der
beschließende Senat dafür, dass es einer besonderen Erklärung bedarf, wenn die
Einführung eines Antidumpingzolls - wie hier - erst viele Jahre später zu einer
Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Union geführt
haben soll.
b) Der Senat hält es zudem für unionsrechtlich zweifelhaft, ob bezogen auf die aus
Vietnam versandten nicht nachfüllbaren Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas die
weiteren in Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 1225/2009 normierten Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach Art. 13 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 1225/2009 wird ein Montagevorgang in einem Drittland
als Umgehung der geltenden Maßnahmen angesehen, wenn die Montage seit oder kurz
vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen oder erheblich ausgeweitet
wurde und die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das
Maßnahmen gelten. Der Senat hat bereits aufgezeigt, dass ausweislich der
Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 260/2013 die Einführung der ursprünglichen
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Antidumpingmaßnahme im Jahre 1991 zu keiner Veränderung des Handelsgefüges
zwischen den in Rede stehenden Drittländern und der Union geführt hatte. Entsprechend
verhielt es sich in den Jahren 1995, 1999 und 2001, als die Maßnahme verschiedentlich
verändert und ausgeweitet wurde (vgl. 38. Erwägungsgrund). Vor diesem besonderen
Hintergrund vermag der Senat nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, dass die in Vietnam
unstreitig stattfindenden Montagevorgänge - so wie es Art. 13 Abs. 2 lit. a) VO Nr.
1225/2009 verlangt - "seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung
begonnen oder erheblich ausgeweitet" wurden.
Der beschließende Senat hat überdies Zweifel, ob die in Vietnam erfolgenden
Montagevorgänge keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche
Rechtfertigung als die Vermeidung der ursprünglichen Maßnahmen gegenüber der
betroffenen Ware haben. Den Erwägungsgründen der Verordnung 260/2013 ist zu
entnehmen, dass die vietnamesischen Hersteller geltend gemacht haben, dass die
niedrigen Lohnkosten in Vietnam der Grund für die Verlagerung der Produktion nach
Vietnam gewesen seien (vgl. 51. Erwägungsgrund). Dieser Einlassung ist zwar entgegen
zu halten, dass ein allgemeines Lohngefälle nicht erklären kann, warum die Produktion in
einer bestimmten Branche (Feuerzeuge) nach Vietnam verlagert wird, während andere
Produkte, z. B. Feuerzeugteile, weiterhin in der Volksrepublik China hergestellt werden (in
diesem Sinne ausdrücklich der 51. Erwägungsgrund, Satz 4). Nicht erklärlich bleibt indes,
warum eine Verlagerung der Produktion nach Vietnam nicht bereits zu einem früheren
Zeitpunkt erfolgte und warum die Einfuhren aus Vietnam erst 2007 drastisch anstiegen.
c) Wegen der vorstehend erläuterten Zweifel hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof
der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union die im Tenor dieses Beschlusses gestellten Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen.