Urteil des FG Hamburg vom 23.07.2014

FG Hamburg: geschlossene bauweise, bebauungsplan, aufschiebende wirkung, grundstück, gebäude, inzidente normenkontrolle, gemischte nutzung, garage, bauarbeiten, ausnahme

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1. Eine gegen einen Beschluss nach §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO eingelegte Beschwerde ist nicht unzulässig, wenn der
Rechtsmittelführer während der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht zusätzlich einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2
VwGO stellt, mit dem er ebenfalls eine nachträgliche Änderung der Sachlage geltend macht.
2. Ob eine angefochtene Baugenehmigung einen Nachbarn in seinen subjektiven Rechten verletzt, beurteilt sich
grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung. Nachträgliche Änderungen
der Sach- oder Rechtslage sind jedoch im Rahmen der prozessrechtlichen Beachtlichkeit im gerichtlichen Verfahren zu
berücksichtigen, wenn sie sich zu Gunsten des Bauherren auswirken.
3. Soweit eine grenzständige Tiefgarage über die natürliche Geländeoberfläche i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 4 HBauO hinausragt,
finden die Abstandsregelungen des § 6 HBauO Anwendung. Auf eine Verletzung seines subjektiven Rechts auf Einhaltung
eines Mindestabstands zur Grundstücksgrenze aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO kann sich ein Nachbar (nur) berufen, wenn kein
abstandsrechtlicher Privilegierungstatbestand nach § 6 Abs. 7 HBauO sowie keine (vorrangige) abweichende Regelung des
Bauplanungsrechts, etwa die zulässige geschlossene Bauweise, Anwendung findet.
4. Ob im Falle der Unwirksamkeit einer Rechtsverordnung über einen Bebauungsplan der durch die Verordnung ausdrücklich
aufgehobene, zuvor geltende Bebauungsplan wieder Geltung beansprucht oder die planungsrechtliche Lage nach § 34
BauGB zu beurteilen ist, ist im Einzelfall durch Auslegung der Regelungen der Verordnung und der Festsetzungen des
Bebauungsplans zu ermitteln.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 2. Senat, Beschluss vom 23.07.2014, 2 Bs 111/14
§ 80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7 S 2 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 6 BauO HA, § 71 Abs 2 Nr 1
BauO HA, § 22 Abs 3 BauNVO
Verfahrensgang
vorgehend VG Hamburg, 30. April 2014, Az: 9 E 1778/14, Beschluss
Tenor
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Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des
Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. April 2014 mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung geändert und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung vom 14. Mai 2013 i.d.F. des Änderungsbescheids Nr. 1 vom 16. Mai
2014 abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Widersprüche gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit Nachträgen
und einer Änderung zur Errichtung eines „Loftgebäudes“ mit 10 Wohneinheiten, eines
rückwärtigen Gebäudes mit 3 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit 11 Stellplätzen
und Fahrradstellplätzen.
Die Antragstellerin ist u.a. Eigentümerin des 573 m² großen Grundstücks S.-weg 5/5a
........ (Flurstück X der Gemarkung U.), das im vorderen straßennahen Bereich mit einem
dreigeschossigen Gebäude und im rückwärtigen Bereich mit einem viergeschossigen
Gebäude bebaut ist. Beide Gebäude werden gewerblich genutzt.
Die Beigeladene ist u.a. Eigentümerin des nach Süden angrenzenden Grundstücks S.-
weg 7/7a (Flurstück X der Gemarkung U.). Es war bisher im straßennahen Bereich mit
einem dreigeschossigen und im rückwärtigen Bereich ebenfalls mit einem
dreigeschossigen Gebäude grenzständig mit der Bebauung auf dem Grundstück der
Antragstellerin bebaut. Die ursprünglich gewerblich genutzten Gebäude dienten zuletzt
jedenfalls teilweise auch Wohnzwecken.
Beide Grundstücke befanden sich bis vor kurzem im Geltungsbereich des
Bebauungsplans U. 9 vom 6. März 1972 (HmbGVBl. S. 50), der beide Grundstücke –
sowie seinen gesamten weiteren Geltungsbereich - als Gewerbegebiet (GE IV/GRZ
0,8/GFZ 2,0) auswies. Außer straßenparallelen vorderen Baugrenzen enthielt der
Bebauungsplan keine weiteren Baugrenzen oder Regelungen zur Bauweise. Während
des Beschwerdeverfahrens nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ist dieser
Bebauungsplan durch den Bebauungsplan U. 14 vom 11. Juni 2014 ersetzt worden, der
am 20. Juni 2014 (HmbGVBl. S. 209) bekannt gemacht worden ist. Dieser
Bebauungsplan setzt für die Grundstücke ein Mischgebiet mit geschlossener Bauweise
(GRZ 0,6/GFZ 2,2) fest. Beide Grundstücke sind auf 17 m Tiefe straßennah nunmehr
fünfgeschossig und im gesamten weiteren rückwärtigen Teil dreigeschossig bebaubar.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2013 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf einen
Antrag vom Dezember 2012 antragsgemäß eine Baugenehmigung im vereinfachten
Verfahren (§ 61 HBauO) für die Errichtung eines fünfgeschossigen Vorderhauses mit
Staffelgeschoss und 10 Wohneinheiten und eines rückwärtigen zweigeschossigen
Hauses mit Staffelgeschoss und 3 Wohneinheiten sowie einer unter beiden Gebäuden
liegenden, vom Vorderhaus zugänglichen Tiefgarage mit 11 Stellplätzen. Die
Baugenehmigung wurde gemäß § 33 BauGB im Hinblick auf den in Aufstellung
befindlichen Bebauungsplan U. 14 erteilt.
Die Antragstellerin erhob im Oktober 2013 gegen die Baugenehmigung sowie die
inzwischen ergangenen Ergänzungsbescheide Nr. 1 und 2, die ihr nicht bekannt gegeben
worden waren, Widerspruch und machte zunächst vor allem Bedenken gegen die
Standsicherheit ihres Grenzbaus geltend, da die neuen Gebäude der Beigeladenen tiefer
als ihre Bebauung gegründet werden sollen. Mit Ergänzungsbescheid Nr. 3 vom 13.
November 2013 genehmigte die Antragsgegnerin u.a. die Prüfung des
Standsicherheitsnachweises, auch insoweit legte die Antragstellerin in der Folge
Widerspruch ein. Im März 2013 begründete die Antragstellerin ihre Widersprüche näher
dahin, dass die Tiefgarage nach den genehmigten Plänen zwischen Vorder- und
Hinterhaus auf einer Länge von ca. 11,5 m grenzständig um jedenfalls 0,81 m über die
natürliche Geländeoberfläche hinausrage und sie mit der vorgesehenen
Bodenaufschüttung von 0,55 m Stärke, der hierfür erforderlichen Abstützung an ihrer
Grundstücksgrenze sowie einer zusätzlichen dichten Gartenmauer von weiteren 0,64 m
Höhe zu einer durchgängig jedenfalls 2 m hohen Wand an ihrer südlichen
Grundstücksgrenze führe. Die Tiefgarage sei abstandsflächenrelevant und partizipiere als
Nebenanlage nicht von einer etwaigen geschlossenen Bauweise. Dies verletze sie in
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ihrem subjektiven Recht nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO auf Einhaltung eines
Mindestabstands von 2,5 m zu ihrer Grenze, da sie keine entsprechende Zustimmung
erteilt habe.
Nachdem die Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit nicht
beschied, hat die Antragstellerin Anfang April 2014 den gerichtlichen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Wegen des Fortschritts der Bauarbeiten
hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. April 2014 die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs vorläufig angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde der
Beigeladenen hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 17. April 2014
zurückgewiesen (2 Bs 90/14).
Mit Beschluss vom 30. April 2014 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs der Antragstellerin angeordnet und im Wesentlichen ausgeführt:
Das Bauvorhaben verletze die Antragstellerin voraussichtlich in ihrem subjektiven Recht
auf Einhaltung einer Mindestabstandsfläche von 2,5 m aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO
durch die Tiefgarage an der Grundstücksgrenze. Sie sei ein Gebäude i.S.v. § 2 Abs. 2
HBauO, das nach § 6 Abs. 5 HBauO einen Abstand zur gemeinsamen
Grundstücksgrenze einzuhalten habe. Besondere Regelungen, die einen Verzicht auf
diesen Abstand zuließen, griffen nicht ein. Die Privilegierung aus § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1
HBauO für eingeschossige Garagen greife nicht, da ihre Länge entlang der
Grundstücksgrenze mehr als 9 m betrage. Die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 7 Satz 1
Nr. 3 HBauO für bis zu 2 m hohe Stützmauern oder Einfriedigungen an der
Grundstückgrenze greife nicht, da diese Ausnahmevorschrift einer erweiternden
Auslegung mit Anwendung auf Teile eines Gebäudes nicht zugänglich sei. Zur HBauO
vorrangige bauplanungsrechtliche Festsetzungen ließen einen Verzicht auf den
Grenzabstand ebenfalls nicht zu. Solches sei auch unter Anwendung der zukünftigen
Festsetzungen des Bebauungsplans U. 14 nicht zulässig. Die Festsetzung der
geschlossenen Bauweise beziehe sich nur auf Gebäude der Hauptnutzung. Die
Zulässigkeit von Nebenanlagen richte sich ausschließlich nach Bauordnungsrecht. Auch
nach den gesonderten Regelungen des Bebauungsplans sei die Tiefgarage nicht
grenzständig zulässig. Die festgesetzte Grundflächenzahl von 0,6 zeige, dass – auch
wenn Tiefgaragen ausdrücklich vom Plan privilegiert werden sollten – eine vollständige
Unterbauung eines Grundstücks nicht zulässig sein solle und dies erst recht nicht für
Tiefgaragen gelte, die über die natürliche Geländeoberfläche hinausragten. Eine
wirksame Zustimmungserklärung für die Nichteinhaltung des Abstands von 2,5 m habe
die Antragstellerin für das nunmehr genehmigte Bauvorhaben nicht abgegeben.
Gegen den der Antragsgegnerin am 8. Mai 2014 und der Beigeladenen am 9. Mai 2014
zugestellten Beschluss legten diese am 21. Mai 2014 Beschwerde ein.
Zuvor hatte die Beigeladene am 14. Mai 2014 einen Änderungsantrag für das
Bauvorhaben gestellt, den die Antragsgegnerin unter dem 16. Mai 2014 als
Änderungsbescheid Nr. 1 genehmigte. Danach sollen über eine Länge von 9 m entlang
der gemeinsamen Grundstücksgrenze und einer Tiefe von 2,51 m zur Grenze in der
Tiefgarage nur Fahrradstellplätze eingerichtet, die Oberkante des Daches der Tiefgarage
auf das natürliche Geländeniveau an der Grenze abgesenkt sowie in diesem Bereich auf
einen Substratauftrag verzichtet werden.
Ferner hat die Beigeladene am 20. Mai 2014 beim Verwaltungsgericht unter Berufung auf
diesen Änderungsbescheid einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf
Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung gestellt, den das Verwaltungsgericht mit
Beschluss vom 5. Juni 2014 mangels Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt hat.
Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 2. Juni 2014 beruft sich die Antragsgegnerin auf
die durch die Änderungsgenehmigung veränderte Sachlage, die ein
Zustimmungserfordernis nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO durch die Antragstellerin
ausschließe. Da für die Baugenehmigung wegen § 33 BauGB im Übrigen der Entwurf des
Bebauungsplans U. 14 maßgeblich sei, könne sich die Antragstellerin nicht – wie
geschehen – auf einen Gebietserhaltungsanspruch auf Wahrung der Gebietsausweisung
„Gewerbegebiet“ stützen, da bereits die Ausweisung Mischgebiet anzuwenden sei, die
das Bauvorhaben der Beigeladenen zulasse. Eine inzidente Normenkontrolle finde im
gerichtlichen Aussetzungsverfahren im Stadium des § 33 BauGB nicht statt. Im Übrigen
habe die Antragstellerin erstinstanzlich keine Abwägungsfehler geltend gemacht.
Die Beigeladene hält in ihrer Beschwerdebegründung vom 10. Juni 2014 (Dienstag nach
Pfingsten) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits auf der Basis der
ursprünglichen Genehmigung für unzutreffend, da die Tiefgarage aus verschiedenen
bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten wie eine vollständig unterirdische Tiefgarage
zu behandeln sei und aus diesem Grunde an der Grenze ohne Nachbarzustimmung
errichtet werden dürfe. Stütz- und Gartenmauer seien bauordnungsrechtlich nicht
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abstandsflächenrelevant. Aber auch bauplanungsrechtlich sei die Tiefgarage bereits auf
der Basis des Bebauungsplans U. 9 an der Grundstücksgrenze zulässig, weil auch dieser
Bebauungsplan eine geschlossene Bauweise zulasse und die Garage keine
Nebenanlage sei. Auf einen Gebietserhaltungsanspruch könne sich die Antragstellerin
nicht berufen. Maßgeblich sei insofern die Festsetzung Mischgebiet im Entwurf des
Bebauungsplans U. 14, die eine Wohnnutzung einschließe. Die genehmigten
Lofteinheiten könnten im Übrigen im Einklang mit dem Bebauungsplan U. 9 auch
gewerblich genutzt werden. Auf § 71 HBauO könne sich die Antragstellerin nicht berufen,
da sie im Jahre 2011 bereits einer Wohnbebauung auf dem Grundstück zugestimmt habe
und sich daran festhalten lassen müsse. Ferner sei die veränderte Sachlage durch den
Änderungsbescheid Nr. 1 zu beachten. Auf etwaige Fehler im Aufstellungsverfahren des
Bebauungsplans U. 14 könne sich die Antragstellerin nicht berufen.
Die Antragstellerin macht im Hinblick auf die Beschwerdebegründungen und die danach
erfolgte Bekanntmachung des Bebauungsplans U. 14 im Wesentlichen geltend, die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei aufrecht zu erhalten, weil dieser
Bebauungsplan aufgrund von Fehlern bei der Auslegung umweltrelevanter Unterlagen im
Planaufstellungsverfahren auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts unwirksam sei, wie sie zwischenzeitlich auch bereits gemäß
§ 215 BauGB gegenüber der Antragsgegnerin gerügt habe. Deshalb sei weiterhin der
Bebauungsplan U. 9 für die Genehmigung des Vorhabens maßgeblich. Die Zulassung
von Wohnungen auf dem Nachbargrundstück verstoße deshalb weiterhin gegen ihren
Gebietserhaltungsanspruch auf Wahrung der Nutzung als Gewerbegebiet.
II.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben mit ihren zulässigen Beschwerden (1.)
die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entsprechend § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in
ihrer tragenden Begründung hinreichend in Zweifel gezogen (2.). Die dem
Beschwerdegericht daraufhin obliegende umfassende summarische Prüfung des
Streitgegenstands führt auf der Basis der nunmehr maßgeblichen Sach- und Rechtslage
bei summarischer Prüfung und unter Abwägung der zu berücksichtigenden Belange dazu,
dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten
Baugenehmigung entsprechend § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem
Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem
Nachbargrundstück zukommt (3.).
1. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben ihre Beschwerden innerhalb der
gesetzlichen Fristen der §§ 147 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereicht und
begründet.
Der Zulässigkeit der Beschwerde der Beigeladenen steht nicht der Umstand entgegen,
dass sie unter Berufung auf neue, nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts
entstandene Tatsachen bereits am 20. Mai 2014 – und damit einen Tag vor Einlegung der
Beschwerde – beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Antrag auf Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen einer
nachträglichen Änderung der Sachlage gestellt hatte. Dieser Antrag führt nicht zur
Unzulässigkeit der Beschwerde wegen doppelter Rechtshängigkeit oder wegen Wegfall
des Rechtsschutzinteresses.
Beide Rechtsbehelfe verfolgen unterschiedliche Ziele und haben eine unterschiedliche
Reichweite. Die Beschwerde ist das regelhafte Rechtsmittel der unterlegenen Partei
gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO. Sie
geht in Prüfungsumfang und Reichweite über den auf die Geltendmachung nachträglicher
Veränderungen der Sach- oder Rechtslage begrenzten – allerdings nicht an die
Beschwerdefrist gebundenen - Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO deutlich hinaus.
Denn das Beschwerdegericht prüft auf den entsprechenden Vortrag des
Beschwerdeführers ggf. umfassend, ob die Entscheidung des Ausgangsgerichts
zutreffend ist, und hat dabei nachträgliche, während der Beschwerdebegründungsfrist
eingetretene und geltend gemachte Veränderungen der Sach- oder Rechtslage nur neben
der übrigen inhaltlichen Überprüfung der angegriffenen Ausgangsentscheidung zu
berücksichtigen. Dementsprechend wird zu Recht nicht die Auffassung vertreten, dass die
Beschwerde eines Beteiligten unzulässig ist, wenn dieser Beschwerdeführer zeitlich vor
oder gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung auch einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz
2 VwGO gestellt hat; unzulässig ist in einem derartigen Fall nach weit überwiegender
Auffassung allenfalls der noch während der Beschwerdefrist (parallel) gestellte
Änderungsantrag (vgl. z.B. Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80 Rn. 362;
Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 198, § 146 Rn. 42; Schmidt in: Eyermann,
VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 108a, jew. m.w.N.).
2. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung über die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die
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Baugenehmigung vom 13. Mai 2013 ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 71 Abs. 2
Nr. 1 HBauO gestützt, weil die genehmigte Tiefgarage, die zusammen mit einer auf dem
Garagendach zu errichtenden Mauer eine Höhe von jedenfalls ca. 2 m über der
natürlichen Geländeoberfläche erreicht, ohne die – fehlende - Zustimmung der
Antragstellerin nicht ohne Wahrung eines Abstands von 2,50 m errichtet werden dürfe.
Alle weiteren Erwägungen betrafen lediglich die - verneinte - Frage, ob diese
Zustimmungspflicht ggf. durch vorrangige Regelungen entfalle.
Mit der Beschwerde haben Antragsgegnerin und Beigeladene innerhalb der gesetzlichen
Beschwerdebegründungsfrist dargelegt, dass – in Reaktion auf die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts – eine Umplanung des Vorhabens erfolgt ist und die
Antragsgegnerin diese mit Änderungsbescheid Nr. 1 vom 16. Mai 2014 genehmigt hat.
Dabei sieht die Umplanung nach den Darlegungen der Beschwerdeführerinnen vor, dass
der über die natürliche Erdoberfläche hinausragende Bereich der Tiefgarage gegenüber
der gemeinsamen Grundstücksgrenze um 2,51 m zurückverlegt wird. Jedenfalls aufgrund
dieser Änderung des Bauvorhabens sei eine Nachbarzustimmung der Antragstellerin
nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO nicht erforderlich.
Auf der Basis dieses in sich schlüssigen Vorbringens über eine veränderte Sachlage, die
innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist von der Antragsgegnerin und der
Beigeladenen geltend gemacht worden ist, wird der allein tragenden Begründung des
Verwaltungsgerichts für seine Entscheidung der Boden entzogen, da das
Verwaltungsgericht über etwaige weitere Verletzungen subjektiver Rechte der
Antragstellerin ausdrücklich keine Feststellungen getroffen hat. Ob eine angefochtene
Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar
grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.
Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben.
Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind aber, wie hier, zu berücksichtigen.
Dies beruht darauf, dass es im Hauptsacheverfahren mit der nach Maßgabe des
einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des
Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung
wieder erteilt werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 23.4.1998, Buchholz 406.11 § 9 BauGB
Nr. 87; OVG Hamburg, Beschl. v. 28.9.2011, 2 Bs 144/11).
Ob die umfangreichen weiteren Erwägungen der Beigeladenen in ihrer Beschwerde
darüber hinaus geeignet wären, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu
stellen, bedarf deshalb keiner weiteren Prüfung.
Soweit die Antragstellerin die Entscheidungserheblichkeit dieser Begründung der
Beschwerde mit der Erwägung in Zweifel zieht, der verfügende Teil der
Änderungsgenehmigung Nr. 1 vom 16. Mai 2014 lasse im Unklaren, ob der Beigeladenen
nunmehr im Sinne einer weiteren Teilbaugenehmigung eine alternative Bauausführung
gestattet werde, so dass sie die Wahl habe, welche der beiden Alternativen sie in der
tatsächlichen Bauausführung verwirkliche, ist dieser Zweifel unberechtigt. Denn der
Änderungsbescheid Nr. 1 erklärt unmissverständlich die ursprünglich genehmigten
Bauvorlagen 111/9, 111/10 und 111/24, die die Gestaltung der Tiefgarage betrafen, als
Bestandteil der Baugenehmigung für ungültig und macht die Bauvorlagen 111/41 – 43 im
Rahmen des Prüfungsumfangs nach § 61 HBauO nunmehr zur alleinigen
Rechtsgrundlage für das unterste Geschoss des genehmigten Bauvorhabens. Die in den
Raum gestellte Wahlmöglichkeit der Beigeladenen besteht deshalb nicht. Auch ein
etwaiger zusätzlicher Verzicht der Beigeladenen auf die Ausnutzung eines Teils der
Ausgangsgenehmigung ist nicht erforderlich, da der Bescheid vom 16. Mai 2014 diese
nicht ergänzt, sondern insoweit konstitutiv abändert.
Wird mit der Beschwerde die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts im
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO in Frage gestellt, führt dies nicht zum Erfolg des
Rechtsmittels des jeweiligen Rechtsmittelführers, sondern eröffnet dieser Umstand nach
der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts diesem nur die Berechtigung und
Verpflichtung, im Beschwerdeverfahren nunmehr eine eigene Prüfung nach den
Maßstäben des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmen (st. Rspr. des Senats vgl. z.B. OVG
Hamburg, Beschl. v. 22.10.2013, NordÖR 2014, 26, 27).
3. Die dem Beschwerdegericht im Rahmen der Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO
obliegende summarische rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs und
einer nachfolgenden Klage der Antragstellerin führt auf der Basis der nunmehr
maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (a)
und unter Abwägung der zu berücksichtigenden Belange (b) dazu, dass dem Interesse
der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung entsprechend §
212a Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einem
weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zukommt.
a) Bei summarischer Prüfung anhand der nunmehr maßgeblichen Sach- und Rechtslage
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dürfte eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin durch das der Beigeladenen
genehmigte Vorhaben voraussichtlich nicht eintreten.
aa) Subjektive öffentliche Rechte, die der Antragstellerin durch das hamburgische
Bauordnungsrecht eingeräumt sind, werden durch die im vereinfachten Verfahren nach §
61 HBauO erteilte Baugenehmigung vom 13. Mai 2013 in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 16. Mai 2014 voraussichtlich nicht verletzt.
Die nachbarschützende Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO wird durch diese Fassung
der Baugenehmigung nicht deshalb verletzt, weil die Antragstellerin insoweit durch ihre
vertretungsbefugten Organe keine Zustimmung zu diesem Bauvorhaben erteilt hat. Denn
über einen Bereich von 9 m der Hoffläche zwischen dem Vorder- und Hinterhaus des
Bauvorhabens der Beigeladenen hält das Vorhaben nach den im Gesamtzusammenhang
mit den weiteren genehmigten Bauvorlagen, insbesondere jener zur Höhenlage
(Bauvorlage 111/43), in Höhe der natürlichen Geländeoberfläche nunmehr einen
Grenzabstand von jedenfalls 2,50 m ein. Soweit in diesem Bereich an der gemeinsamen
Grenze nach der Bauvorlage 111/43 (neu) ein ca. 1 m hoher Grenzzaun vorgesehen ist,
ist dieser nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO ohne Abstandsfläche und damit nach der
Gesetzessystematik auch ohne Nachbarzustimmung zulässig.
Allerdings geht das Vorbringen von Antragsgegnerin und Beigeladener insoweit fehl,
wenn es dahin zu verstehen sein soll, dass der über dem natürlichen Geländeverlauf
liegende Teil der Tiefgarage durch die Umplanung – außerhalb des Vorder- und
Hinterhauses – nunmehr im gesamten Hofbereich einen Abstand von 2,50 m zur
gemeinsamen Grundstücksgrenze mit der Antragstellerin einhalte. Denn aus der
Bauvorlage 111/42 ergibt sich, dass der ursprüngliche grenznahe Verlauf der
Tiefgaragenwand sowie der Abschlussmauer auf einem unmittelbar an das Vorderhaus
anschließendem Abschnitt von jedenfalls 1,23 m Länge beibehalten werden soll und erst
danach der Rücksprung auf 2,51 m von der Grundstücksgrenze erfolgt. Dieses ist dem
aus der Bauvorlage 111/41 ersichtlichen Umstand geschuldet, dass andernfalls im
Einfahrtsbereich in die Tiefgarage die erforderliche Deckenhöhe nicht erreicht werden
könnte.
Ein Zustimmungsvorbehalt für die Antragstellerin nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO folgt
hieraus jedoch nicht.
Sollte die Tiefgarage als selbständige Garage einzuordnen sein, wie das
Verwaltungsgericht gemeint hat, wäre sie nunmehr bereits bauordnungsrechtlich gemäß §
6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO ohne eigene Abstandsfläche an der Grundstücksgrenze
zulässig, da sie nur (noch) über eine Länge von ca. 1,23 m näher als 2,50 m an die
Grundstücksgrenze heranrückt. Die auf der Garagendecke in diesem Bereich errichtete
Stützmauer zur Abfangung des auf der Garage vorgesehenen Bodensubstrats in Höhe
von ca. 0,55 m bzw. die darüber hinausgehende Gartenmauer in Höhe von 0,65 m in
diesem Abschnitt wären nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO privilegiert, da sie mit dem
aus der natürlichen Geländeoberfläche herausragenden Teil der Tiefgarage nach der
Vermaßung der neu genehmigten Bauvorlage 111/43 insgesamt nicht höher als 2 m sind.
Allein der Umstand, dass es sich um drei in unterschiedlichen Normteilen des § 6 Abs. 7
Satz 1 HBauO privilegierte Anlagenteile handelt, führt nicht dazu, dass die Regelung des
§ 6 Abs. 7 HBauO insgesamt nicht anwendbar ist. Denn in ihrer nachbarrelevanten
Wirkung bleiben sie auch in der Summierung hinter jenen Wirkungen zurück, für die der
Gesetzgeber im Grenzbereich zweier Grundstücke die Ausnahme zur
Zustimmungsbedürftigkeit des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO vorgesehen hat. Auf eine
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Grenzbebauung durch die Garage aufgrund von §
6 Abs. 1 Satz 3 HBauO und die damit verbundenen planungsrechtlichen Fragen, wie sie
vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss erörtert worden sind, kommt es in
diesem Fall bereits im Ansatz nicht an.
Allerdings spricht Vieles dafür, dass die Tiefgarage schon bauordnungsrechtlich keine
selbständige bauliche Anlage darstellt, sondern nach den genehmigten Bauvorlagen nur
ein unselbständiger Bestandteil des der Beigeladenen genehmigten Vorderhauses ist.
Sie ist nur durch bauliche Vorkehrungen im Vorderhaus – Einfahrt im Erdgeschoss – zu
befahren, ist im regelmäßigen Betrieb für Fußgänger nur über das Treppenhaus des
Vorderhauses zu erreichen und zu verlassen und in technischer Hinsicht – Beleuchtung
pp. – nach den Bauvorlagen nicht mit eigenen Anschlüssen bzw. Räumlichkeiten hierfür
ausgestattet. Dass die Garage im Eingangstor nach der genehmigten Planzeichnung
auch über eine sog. Schlupftür verfügt, die insbesondere das Verlassen der Garage über
diese Tür ermöglicht, stellt die funktionale Zusammengehörigkeit nicht in Frage, sondern
ist vor allem der Notwendigkeit eines zweiten Rettungsweges nach § 15 Abs. 1 GarVO
geschuldet. Ist die Tiefgarage Bestandteil des Vorderhauses, unterliegt sie
abstandrechtlich denselben rechtlichen Anforderungen wie das Vorderhaus mit der
zugelassenen Hauptnutzung, weil sie ein Teil dieses Gebäudes ist (vgl. Niere in:
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Alexejew, HBauO, Stand 1/2012, § 6 Rn. 109 m.w.N.). In der Konsequenz hat sie dann
zum Grundstück der Antragstellerin – (nur) oberhalb der natürlichen Geländeoberfläche
i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 4 HBauO - bauordnungsrechtlich einen Abstand zur
Grundstücksgrenze einzuhalten, wenn das Gebäude der Hauptnutzung einen Abstand
einzuhalten hat oder darf an der Grenze errichtet werden, wenn dieses keinen
Grenzabstand einhalten muss.
Auch in diesem Fall bedarf das genehmigte Bauvorhaben jedoch voraussichtlich keiner
Zustimmung seitens der Antragstellerin nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO, weil das Vorhaben
dann einschließlich der Tiefgarage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nach
planungsrechtlichen Vorschriften an der Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder
gebaut werden darf. Planungsrechtlich dürfte das Bauvorhaben dann einschließlich der
gegenwärtig genehmigten Form der Tiefgarage als Grenzbebauung zum Grundstück der
Antragstellerin zulässig sein, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, welche
planungsrechtliche Festsetzung für die rechtliche Würdigung letztendlich zugrunde zu
legen ist.
Da für die Beurteilung der Rechtslage im Rahmen der unbeschränkten Prüfung des
Begehrens der Antragstellerin auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung
abzustellen ist, wenn, wie bereits ausgeführt, eine Rechtsänderung zu Gunsten des
Bauherrn eintritt, ist insoweit nunmehr auf die Rechtslage unter Geltung des
Bebauungsplans U. 14 vom 11. Juni 2014 abzustellen, der am 20. Juni 2014 (HmbGVBl.
S. 209) bekannt gemacht worden ist. Dieser Bebauungsplan lässt zukünftig eine
Bebauung in geschlossener Bauweise gemäß § 22 Abs. 3 BauNVO und nach § 23 Abs. 4
BauNVO im Umfang bis zu drei Vollgeschossen über die gesamte Grundstückstiefe zu, so
dass danach der über die Geländeoberfläche hinausragende Teil der Tiefgarage als
Bestandteil des Vordergebäudes insoweit mit den planungsrechtlichen Anforderungen in
Einklang steht. Auch bauplanungsrechtlich wird die Tiefgarage als Teil des genehmigten
Vordergebäudes anzusehen sein. Denn soweit die planungsrechtliche Regelung über die
Bauweise in § 22 Abs. 3 BauNVO nicht auf Nebenanlagen anwendbar ist, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt dies nur für selbständige
Nebenanlagen, die also nicht selbst baulich und funktionell Teil des Gebäudes der
Hauptnutzung sind (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., 2008, §14 Rn. 4.1).
Soweit sich in einem Hauptsache- oder in einem Normenkontrollverfahren ergeben sollte,
dass der Bebauungsplan U. 14 aufgrund der von der Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren geltend gemachten Fehler unwirksam ist, dürfte planungsrechtlich
nichts anderes gelten. Auch in diesem Fall spricht Überwiegendes dafür, dass die
geschlossene Bauweise und die genehmigte Bautiefe des Vorderhauses in dem nunmehr
vorgesehenen Umfang kraft Bundesrechts zulässig sind, und dieser Umstand im Rahmen
von § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO zu berücksichtigen ist. Dabei kann gegenwärtig ebenfalls
dahinstehen, ob dann der Bebauungsplan U. 9 wieder Anwendung finden würde oder die
Zulässigkeit von Vorhaben im Plangebiet in diesem Fall insgesamt nach § 34 Abs. 1
BauGB zu beurteilen wäre. Denn bundesrechtlich wäre in beiden Fällen auch eine
geschlossene Bauweise in der genehmigten Form zulässig. Im ersteren Falle ergäbe sich
dies daraus, dass eine bestimmte Bauweise vom Plangeber wegen des Charakters des
Gewerbegebiets offenbar bewusst – und zulässigerweise – nicht festgesetzt worden war
und deshalb planungsrechtlich sowohl die offene wie die geschlossene Bauweise
zulässig wäre (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 22 BauNVO Rn. 2; Schilder in:
Bönker/Bischopenk, BauNVO, 2014, § 22 Rn. 9; Niere in: Alexejew, a.a.O., § 6 HBauO
Rn. 36). Andernfalls würde dieses daraus folgen, dass in der die Bebauung prägenden
Umgebung überwiegend eine geschlossene Bauweise vorzufinden ist und sie im
Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB deshalb auch für das jetzt genehmigte Vorhaben der
Beigeladenen zulässig wäre, das über den bisherigen, durch den Neubau ersetzten
Baukörper nur um jene 1,23 m hinausragt und in dieser Form allein deshalb auch keinen
Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darstellen würde.
bb) Entgegen ihrer Auffassung im Beschwerdeverfahren wird die Baugenehmigung
voraussichtlich auch keine der Antragstellerin durch das Bauplanungsrecht vermittelten
subjektiven Rechte verletzen.
(1) Dies gilt zunächst hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung ihres
Gebietserhaltungsanspruchs auf Einhaltung der im Baugebiet zulässigen Nutzungsarten,
weil die Antragsgegnerin der Beigeladenen in unzulässiger Weise eine Nutzung der
Gebäude zu Wohnzwecken gestattet habe. Denn auf eine Verletzung des
planungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruchs könnte sich die Antragstellerin nur
(noch) berufen, soweit das Bauvorhaben der Beigeladenen ausschließlich auf der Basis
des Bebauungsplans U. 9 zu beurteilen wäre. Nur in diesem Fall lägen beide
Grundstücke (weiterhin) in einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO, in dem
Wohnnutzungen mit Ausnahme der besonderen Ausnahmeregelung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1
BauNVO unzulässig sind (OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990 ff.).
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Die Beigeladene könnte eine Vereinbarkeit mit § 8 BauNVO in diesem Fall nicht durch
ein Offenhalten der konkreten Nutzung als Wohnung, gemischte Nutzung oder rein
gewerbliche Nutzung durch die Bezeichnung „Loft“ erreichen. Vielmehr geböte die
erforderliche Bestimmtheit der zu genehmigenden Nutzungsart eine klare Festlegung, um
deren Vereinbarkeit mit § 8 BauNVO sicherzustellen (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2011,
NordÖR 2011, 556 f.).
Dabei kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht im Verfahren gemäß §§ 80 Abs. 5,
80a Abs. 1, 3 VwGO überhaupt Anlass und Berechtigung hat, die Wirksamkeit eines
Bebauungsplans im Rahmen einer Inzidentprüfung zu überprüfen, insbesondere dann,
wenn – wie hier – nicht die Verletzung eigener Belange des vorläufigen Rechtsschutz
Suchenden, sondern die Verletzung formeller Verfahrensvorschriften geltend gemacht
wird (generell verneinend OVG Saarlouis, Beschl. v. 10.5.2012, 2 B 49/12, juris Rn. 25
m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.12.2009, OVG 10 S 15.09, juris Rn. 7 -
Ausnahme allenfalls bei Evidenz der Fehlerhaftigkeit; ähnlich OVG Schleswig, Beschl. v.
26.4.2005, 1 MB 19/05, juris Rn. 21; a.A. wohl BayVGH, Beschl. v. 5.10.2001, 14 Cs
01.1364, juris Rn. 18).
Denn von einer Fortgeltung der Bebauungsplans U. 9 wird bei summarischer Prüfung
voraussichtlich selbst dann nicht auszugehen sein, wenn sich in weiteren Verfahren
ergeben sollte, dass der Bebauungsplan U. 14 wegen der von der Antragstellerin
gerügten Verfahrensfehler im Planaufstellungsverfahren unwirksam ist. Denn in diesem
Fall tritt der vorherige Bebauungsplan U. 9 nicht automatisch wieder in Kraft, bis die
Antragsgegnerin einen verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen Bebauungsplan
erlässt. Insbesondere dann, wenn mit dem Erlass eines neuen Bebauungsplans der zuvor
geltende Bebauungsplan ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird, wie hier durch § 3 der
Verordnung über den Bebauungsplan U. 14 geschehen, ist durch Auslegung zu ermitteln,
ob die Regelung zur Aufhebung des früheren Bebauungsplans im Falle der inhaltlichen
Unwirksamkeit des neuen Bebauungsplans ebenfalls von der Unwirksamkeit erfasst wird
oder ob sie nach dem Willen des Plangebers fortgelten soll und die planungsrechtliche
Situation deshalb in dieser Konstellation nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre
(BVerwG, Urt. v. 10.8.1990, BVerwGE 85, 289, 293; OVG Hamburg, Urt. v. 1.7.1993, Bf II
45/92). Mangels einer planerischen Festsetzung zur Art des Baugebiets würde es im
letztgenannten Fall an einem Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin fehlen, da
dieser nur innerhalb durch Bebauungsplan festgesetzter Baugebiete oder solcher nach §
34 Abs. 2 BauGB besteht.
Vorliegend spricht nach summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass § 3 der
Verordnung Ausdruck dessen ist, dass der Plangeber im Falle einer Unwirksamkeit des
Bebauungsplans U. 14 den Bebauungsplan U. 9 nicht wieder in Kraft treten lassen wollte,
sondern die Aufhebung des alten Planrechts in diesem Fall fortbestehen soll. Zwar enthält
die Begründung zum Bebauungsplan U. 14 zur Regelung des § 3 der Verordnung keine
spezifischen Begründungserwägungen. Die Erwägungen für die Einleitung des
Planverfahrens und die inhaltlichen Festsetzungen dieses Plans sprechen jedoch für
diesen mutmaßlichen Planungswillen.
Denn es entsprach von vornherein der Zielsetzung des Plangebers des
Planaufstellungsverfahrens, die Ausweisung der Grundstücke um den S.-weg als
ausschließliches Gewerbegebiet nicht aufrechtzuerhalten, weil diese Festsetzung weder
nach dem Bestand noch nach der perspektivischen Entwicklung die Verhältnisse in
diesem Teil des Plangebiets widerspiegelte. Deutlich wird dies bereits in den
Ausführungen zum Anlass der Planung, in der das bestehende Planrecht pauschal als
„überholt“ gekennzeichnet wird (Planbegründung S. 3). Auch die Antragstellerin verkennt
nicht, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite des S.-wegs (Nr. 2 und 4, vgl.
Planbegründung S. 5) über die gesamte Geltungsdauer des Bebauungsplans U. 9
weiterhin Wohnbebauung vorhanden war, die inzwischen sogar unter Denkmalschutz
steht. Auch die Bebauung auf dem Eckgrundstück Z.-straße 54/S.-weg auf der Seite der
Grundstücke der Antragstellerin dient in den Obergeschossen der Wohnnutzung.
Gleiches gilt für die weitere Bebauung entlang der Z.-straße zwischen W. Weg und A.--
straße, die nach der Bestandsaufnahme der Antragsgegnerin seit jeher Wohnbebauung
aufweist (Planbegründung S. 5). Dieser Bereich war vor Schaffung des Bebauungsplans
U. 9 Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts im bis dahin anwendbaren
Baustufenplan B. /U. auch als Wohngebiet ausgewiesen. Nur die rückwärtigen zum U.
Kanal hin gelegenen Flächen waren typischerweise gewerblich genutzt. Dies zeigt, dass
die Bebauung in erheblichen Teilen des Geltungsbereichs des Bebauungsplans U. 9 nie
dessen Festsetzung entsprochen hat, sich während seiner Geltung auch nicht in eine
gewerbegebietstypische Richtung entwickelt hat und der Plangeber mit der
Neuüberplanung hieraus die Konsequenzen ziehen wollte. Letzteres kommt auch im
Rahmen der Ausführungen der Planbegründung zur Abwägung mit der Erwägung zum
Ausdruck, dass die traditionell vorhandene Wohnbebauung in diesem Bereich zukünftig
in ihrem Bestand gesichert werden solle (Planbegründung S. 26). Solches wäre mit einem
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Wiederaufleben des Bebauungsplans U. 9 und der Festsetzung als Gewerbegebiet, mit
der eine Wohnnutzung grundsätzlich unverträglich ist, unvereinbar. Selbst wenn bei
Einleitung des Planungsverfahrens für den Bebauungsplan U. 14 noch kein
durchgreifender Anlass für die Annahme bestand, die einheitliche Ausweisung des
gesamten Planbereichs als Gewerbegebiet sei obsolet, fehlen angesichts dieser
Sachlage gegenwärtig erforderliche Hinweise darauf, dass es dem Willen des Plangebers
entspricht, im Falle einer Unwirksamkeit des neuen Plans den von ihm zuvor als überholt
gekennzeichneten und ausdrücklich außer Kraft gesetzten Bebauungsplan U. 9 wieder
aufleben zu lassen.
(2) Soweit das Bauvorhaben die im Bebauungsplan U. 14 die im Bebauungsplan
festgesetzte Grundflächenzahl von 0,6 überschreitet und auch die hier allein maßgebliche
Privilegierungsregelung in § 2 Nr. 3 der Planverordnung i.V.m. mit § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
und Satz 4 BauNVO mit einer Grundflächenzahl von bis zu 0,9 nicht einhält, da diese nur
für bauliche Anlagen „unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück
lediglich unterbaut wird“ Anwendung finden kann, werden dadurch subjektive Rechte der
Antragstellerin nicht verletzt. Denn die Regelung des § 19 BauNVO ist als Bestimmung
zum Maß der zulässigen Bebauung nicht aus sich heraus nachbarschützend (vgl.
Fickert/Fieseler, a.a.O., § 16 Rn. 58, 58.1 m.w.N.). Für die Annahme, dass die
Festsetzung im konkreten Bebauungsplan vom Plangeber als nachbarschützend
ausgestaltet worden sein könnte, fehlen alle Anhaltspunkte.
Soweit der Bebauungsplan U. 14 unwirksam sein sollte, ergibt sich aus den dann für das
zulässige Maß der Bebauung anwendbaren Regelungen nichts anderes.
(3) Gleichermaßen lassen sich weder den Ausführungen der Antragstellerin im gesamten
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch den vorliegenden
Genehmigungsunterlagen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass das
genehmigte Vorhaben so schwere Nachteile für das Grundstück der Antragstellerin zur
Folge hat, dass die bauliche Gestaltung oder die genehmigte Nutzung ihr gegenüber
einen Verstoß gegen das in § 34 BauGB oder § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene
nachbarschützende Rücksichtnahmegebot darstellen.
Da sich die Grundfläche von Vorder- und Hinterhaus der Beigeladenen gegenüber der
bisherigen Bestandsbebauung nicht vergrößert, führt allein die seit jeher um ca. 5 m
größere Tiefe des Vorderhauses gegenüber der gegenwärtigen Bebauung auf dem
Grundstück der Antragstellerin nicht zu einer rücksichtslosen Beeinträchtigung,
unabhängig davon, ob der Bebauungsplan U. 14 wirksam ist oder nicht. Auch eine
abriegelnde Wirkung des gesamten Vorhabens besteht nicht, da eine solche allein mit der
ca. 2 m hohen Wand aus Garagenteil, Stütz- und Gartenmauer, die nunmehr
weitestgehend in einem Abstand von mindestens 2,5 m zur Grenze verläuft, für das
Grundstück der Antragstellerin nicht entsteht. Für die Fünfgeschossigkeit des
Vorderhauses zuzüglich eines Staffelgeschosses gilt insoweit nichts anderes. Soweit der
Bebauungsplan gültig ist, entspricht sie der planerischen Festsetzung und darf auch die
Antragstellerin einen gleichartigen Neubau errichten. Wenn deren Bestandsbebauung
gegenwärtig hinter der zulässigen Bebauung zurückbleibt, führt nicht per se zur
Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen (OVG Hamburg, Beschl. v.
8.1.2007, NordÖR 2007, 366). Dass vorliegend aufgrund atyischer Verhältnisse etwas
anderes gelten könnte, ist weder ersichtlich noch von der Antragstellerin geltend gemacht.
Sollte sich der Bebauungsplan U. 14 als unwirksam erweisen, dürfte das Vorhaben
hinsichtlich seiner Geschossigkeit gleichwohl nicht rücksichtslos sein. Denn, wie sich aus
der Bestandserfassung im Bereich des S.-weges und der Z.-straße ergibt, sind in der
maßgeblichen näheren Umgebung andere fünfgeschossige Wohnhäuser seit langem
vorhanden (Planbegründung S. 6) und weicht das Vorhaben nicht in einer Weise davon
ab, die Anhaltspunkte für seine Rücksichtslosigkeit erkennen lassen.
Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens lässt sich schließlich nicht aufgrund der für das
Grundstück der Beigeladenen genehmigten Wohnnutzung herleiten, sollte das Vorhaben
nach § 34 Abs. 1 BauNVO zu beurteilen sein. Auch auf der Basis des Vorbringens der
Antragstellerin und der Aktenlage ist nicht ersichtlich, dass die auf ihrem Grundstück
betriebene gewerbliche Nutzung wegen der verstärkt heranrückenden Wohnnutzung der
Gefahr unzumutbarer Einschränkungen ausgesetzt sein könnte, etwa weil die zulässigen
Immissionsrichtwerte für die Wohnnutzung durch die gewerbliche Nutzung der
Antragstellerin überschritten werden. Soweit ersichtlich ist, findet auf dem Grundstück der
Antragstellerin eine Büronutzung statt, die mit einer Wohnnutzung ohne weiteres
verträglich ist.
b) Wird eine Anfechtungsklage der Antragstellerin danach voraussichtlich mangels
Verletzung ihrer subjektiven Rechte keine durchgreifenden Erfolgsaussichten aufweisen,
führt die Abwägung der zu berücksichtigenden Belange von Antragstellerin und
Beigeladener dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr
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erteilten Baugenehmigung entsprechend der gesetzgeberischen Wertung des § 212a
Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einem
weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zukommt. Soweit eine
tiefergehende rechtliche Klärung der verbleibenden Unsicherheiten für die Beurteilung
der planungsrechtlichen Situation in vorliegenden Verfahren nicht möglich ist, rechtfertigt
dies keinen Vorrang des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin. Sollte sich in einem
Hauptsacheverfahren insoweit Anderes ergeben, hat die Beigeladene die sich daraus
ergebenden Risiken für ihr Vorhaben zu tragen, wenn sie die Baugenehmigung ausnutzt.
Dieser Umstand rechtfertigt demgegenüber nicht, ihr diese Entscheidung durch eine
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die
Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. Mai 2014
vorzuenthalten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und die Festsetzung
des Streitwerts aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.