Urteil des FG Hamburg vom 11.02.2013

FG Hamburg: vergleich, widerspruchsverfahren, hochschule, hauptsache, verwaltungsgerichtsbarkeit, vorschlag, abschlag, unternehmen, übereinstimmung, belastung

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Der Gegenstandswert eines im Vergleichswege miterledigten Widerspruchsverfahrens ist nicht stets mit
dem Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG zu veranschlagen; vielmehr kann sich je nach den
Umständen des Falls auch eine deutlich niedrigere Bemessung als richtig erweisen. Wird durch einen
außergerichtlichen Vergleich im Verlaufe eines auf vorläufige Zulassung zum Studium gerichteten
gerichtlichen Eilverfahrens ein Antragsteller endgültig zu dem begehrten Studium zugelassen und nimmt
er im Gegenzug neben dem gerichtlichen Eilantrag bzw. der Beschwerde zur endgültigen Beilegung des
Streit-verhältnisses auch den noch anhängigen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der
Hochschule zurück, so ist der Gegenstandswert des über das gerichtliche Verfahren hinausgehenden
Vergleiches (Mehrvergleich) mit einem Viertel des Auffangwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG, also mit 1.250,-
Euro zu bemessen (Bestätigung und Vertiefung der bisherigen Rechtsprechung).
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3. Senat, Beschluss vom 11.02.2013, 3 Nc 48/11
§ 17 RVG, § 33 Abs 1 RVG, § 33 Abs 8 RVG, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 2 GKG
Tenor
Der Gegenstandswert für die rechtsanwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin
hinsichtlich des Mehrvergleichs wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
Über den Antrag entscheidet nach der gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG erfolgten Übertragung der Senat
anstelle des zunächst berufenen Einzelrichters.
1. Die Antragstellerin beantragte zum Wintersemester 2011/2012 bei der Antragsgegnerin ihre Zulassung zum
Studiengang Psychologie (B.Sc.). Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab, weil es mehr Bewerber als
Studienplätze gegeben habe und andere Bewerber im Rahmen der Auswahl vorzuziehen gewesen seien. Die
Antragstellerin legte gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Außerdem beantragte sie beim
Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie außerhalb
der festgesetzten Kapazität zu dem Studiengang zuzulassen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab,
weil die Kapazität in dem Studiengang erschöpft sei. Die Antragstellerin legte gegen diesen Beschluss
Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht ein. Das Oberverwaltungsgericht bewilligte der Antragstellerin für das
Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Während des
laufenden Beschwerdeverfahrens schlossen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin einen
außergerichtlichen Vergleich, durch den die Antragstellerin endgültig zum Psychologiestudium zugelassen
wurde und sie im Gegenzug die anhängige Beschwerde sowie den noch anhängigen Widerspruch
zurückzunehmen hatte. Zuvor hatte die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beim
Oberverwaltungsgericht beantragt, ihr auch für den sich aus dem beabsichtigten Vergleich ergebenden
Mehrvergleich (Erledigung des Widerspruchsverfahrens) Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den
Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Das Oberverwaltungsgericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 13.
August 2012 statt. Nachdem die Beteiligten daraufhin den o. g. Vergleich geschlossen hatten, nahm die
Antragstellerin ihre Beschwerde zurück. Mit Beschluss vom 3. September 2012 stellte das
Oberverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren ein und setzte den diesbezüglichen Streitwert auf 3.750,-
Euro fest.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2012 beantragt, den
Gegenstandswert für den o. g. Mehrvergleich festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2013 trägt er vor,
dieser Gegenstandswert sei auf 5.000,- Euro festzusetzen. Bei dem gerichtlichen Beschwerdeverfahren
einerseits und dem Widerspruchsverfahren andererseits handele es sich um verschiedene Angelegenheiten im
Sinne des § 17 Nr. 4 RVG. Es verbiete sich daher, die jeweiligen Gegenstandswerte miteinander zu
verrechnen; vielmehr sei für beide Angelegenheiten ein eigener Gegenstandswert festzusetzen. Der zutreffende
Gegenstandswert für das erledigte Widerspruchsverfahren betrage in Fällen der hier vorliegenden Art daher
nicht, wie das Oberverwaltungsgericht in einem anderen Verfahren mit Beschluss vom 22. November 2012 (3
Bs 203/11, juris) entschieden habe, 1.250,- Euro, sondern 5.000,- Euro.
2. Die nach Maßgabe des Beschlusstenors erfolgte Festsetzung beruht auf § 33 Abs. 1 und 8 RVG.
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, in Fällen der vorliegenden Art den Gegenstandswert für den
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Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, in Fällen der vorliegenden Art den Gegenstandswert für den
Mehrvergleich hinsichtlich des erledigten Widerspruchs-verfahrens auf 1.250,- Euro festzusetzen. Die oben
wiedergegebenen Argumente des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin veranlassen den Senat zu
keiner anderen Entscheidung. Es trifft zwar zu, dass ein gerichtliches Beschwerdeverfahren und ein
Widerspruchsverfahren verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 (Nr. 1 bzw. Nr. 4) RVG darstellen und
dementsprechend jeweils eigene Streit- bzw. Gegen-standswerte festzusetzen sind. Davon ist auch der Senat
in seinem o. g. Beschluss vom 22. November 2012 (a. a. O.) ausgegangen. Allerdings ist der Gegenstandswert
für das erledigte Widerspruchsverfahren, wie bereits erwähnt, nicht mit 5.000,- Euro, sondern mit 1.250,- Euro
zu veranschlagen. Der Gegenstandswert eines im Vergleichswege miter-ledigten Widerspruchsverfahrens ist
nicht stets mit dem Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG zu veranschlagen; vielmehr kann sich je nach
den Umständen des Falls auch eine deutlich niedrigere Bemessung als richtig erweisen (vgl. etwa LAG
Düsseldorf, Beschl. v. 6.1.2010, 6 Ta 815/09, juris Rn. 4: Gegenstandswert für Mehrvergleich hinsicht-lich
Rücknahme eines Widerspruchs gegen Bescheid des Integrationsamts: 500,- Euro). Die hier gegebene
Angemessenheit des Werts von 1.250,- Euro folgt aus dem Rechtsgedanken des § 52 Abs. 1 GKG, wonach
der (Streit-) Wert gemäß der sich für den Kläger aus seinem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache nach
Ermessen zu bestimmen ist. Diese Bedeutung der Sache für ein durch außergerichtlichen Vergleich
miterledigtes Widerspruchsverfahren erschließt sich nach der Auffassung des Senats in den Fällen der hier
vorliegenden Art, indem die Bedeutung des gerichtlichen Eilverfahrens ins Verhältnis gesetzt wird zur
Bedeutung einer endgültigen Einigung über die Zuweisung eines Studienplatzes. Im Einzelnen ist hierzu
Folgendes zu bemerken:
a) Für das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren in den Fällen der vorliegenden Art ist, wie der Senat in
ständiger Rechtsprechung entscheidet, ein Streitwert in Höhe von drei Vierteln des Auffangwerts gemäß § 52
Abs. 2 GKG, also in Höhe von 3.750,- Euro angemessen. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Vorschlag in
Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.), wonach der
Streitwert in Eilverfahren in der Regel die Hälfte des Auffangwerts beträgt. Wie bereits die Formulierung „in der
Regel“ verdeutlicht, kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein höherer Streitwert bis zur Höhe
des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angebracht sein, sofern die Entscheidung in der
Sache ganz oder zum Teil vorweg genommen wird. Je mehr die einstweilige Anordnung die Hauptsache
vorwegnimmt, umso mehr nähert sich der Streitwert des Eilverfahrens dem Streitwert eines
Hauptsacheverfahrens an.
Nach diesem Maßstab ist es in Fällen der hier vorliegenden Art, in denen der Rechtsschutzsuchende eine
vorläufige Zulassung zum Studium erstrebt, angemessen, den Streitwert des gerichtlichen Eilverfahrens nicht
bloß mit der Hälfte, sondern mit drei Vierteln des Auffangstreitwerts zu bemessen, der gemäß § 52 Abs. 2
GKG derzeit 5.000,- Euro beträgt (ständige Rechtsprechung des Senats, etwa OVG Hamburg, Beschl. v.
11.8.2005, NVwZ-RR 2006, 655). Denn in solchen Eilverfahren wird (sofern der Antragsteller obsiegt) die
Hauptsache bereits weitgehend vorweg genommen. Der Antragsteller kann auf Grund der einstweiligen
Anordnung studieren und Prüfungen ablegen, ohne dass sich dies rückgängig machen ließe, falls nachträglich
in einem Klageverfahren eine Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers ergeht und er seine vorläufige
Zulassung zum Studium wieder verliert. Angesichts der Belastung der Gerichte und der damit unter Umständen
verbundenen Dauer eines Hauptsacheverfahrens hat der im Eilverfahren erfolgreiche Antragsteller gute
Chancen, das Studium schon aufgrund der vorläufigen Zulassung weitgehend oder sogar vollständig zu
absolvieren. All dies spricht entscheidend dafür, die verbleibende Unsicherheit solcher Antragsteller nur mit
einem Abschlag in Höhe eines Viertels des Auffangwerts zu berücksichtigen.
b) Wird durch einen außergerichtlichen Vergleich der hier vorliegenden Art ein Antragsteller endgültig zu dem
begehrten Studium zugelassen und nimmt er im Gegenzug neben dem gerichtlichen Eilantrag bzw. der
Beschwerde zur endgültigen Beilegung des Streitverhältnisses auch den noch anhängigen Widerspruch gegen
den Ablehnungsbescheid der Hochschule zurück, so ist der diesbezügliche Gegenstandswert anknüpfend an
die vorstehenden Ausführungen mit einem Viertel des Auffangwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG, also mit 1.250,-
Euro zu bemessen. Die Erledigung des Widerspruchsverfahrens (das in diesen Fällen ohnehin regelmäßig nur
eine rein verfahrensrechtlich notwendige „Durchlaufstation“ zu einem etwaigen Klagverfahren ohne inhaltliche
Prüfung seitens der Hochschule darstellt) hat hier allein die Bedeutung, auch die o. g., im Fall einer bloß
vorläufigen Zulassung trotz weitgehender Vorwegnahme der Hauptsache verbleibende Restunsicherheit der
Antragsteller und der Hochschule zu beseitigen. Diese Bedeutung ist, wie oben bereits ausgeführt, mit einem
Gegenstandswert in Höhe eines Viertels des Auffangwerts im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen.
3. Eine Kostenentscheidung ist in dem vorliegenden Festsetzungsverfahren nicht veranlasst (§ 33 Abs. 9
RVG).