Urteil des FG Hamburg vom 19.02.2014

FG Hamburg: firma, gütliche einigung, anfang, energiesteuer, ratenzahlung, mahnung, kaufmann, erhaltung, zahlungsverzug, gefährdung

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Verbrauchsteuerrecht: Vergütung von Energiesteuer nach § 60 Abs. 1
Zu der Frage, ob es im Lichte der erforderlichen rechtzeitigen gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs i.
S. v. § 60 Abs. 1 EnergieStG schädlich ist, wenn der Anspruchsberechtigte zwischen dem vom
Warenempfänger erhobenen Widerspruch gegen einen Mahnbescheid und der Beantragung der
Überleitung ins streitige Verfahren über Ratenzahlungen verhandelt und eine Ratenzahlungsvereinbarung
abschließt und erst über einen Monat - nachdem Raten vereinbarungswidrig nicht gezahlt wurden - nach
Kenntnis vom Widerspruch die Überleitung ins streitige Verfahren beantragt.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 19.02.2014, 4 K 68/13
§ 60 Abs 1 EnergieStG
Verfahrensgang
nachgehend BFH, Az: VII B 36/14
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Entlastung für im Verkaufspreis enthaltene Energiesteuer,
die beim Warenempfänger ausgefallen ist.
Mitte 2006 traf die Klägerin mit der Firma A GbR ... (Firma A) eine Vereinbarung, wonach die Firma A mit von
der Klägerin überlassenen Tankkarten Kraftstoff bei Tankstellen des B und des C beziehen konnte. Zweimal
monatlich sollten Tankabrechnungen erstellt werden, die nach der Vereinbarung sofort fällig wurden.
Abweichend davon ergibt sich aus E-Mails vom 07.06.2006 und 04.05.2007, dass die Rechnungsbeträge bis
Mai 2007 nach 15 Tagen und danach nach 30 Tagen fällig würden. Die Lieferungen erfolgten unter
Eigentumsvorbehalt.
Zunächst zahlte die Firma A innerhalb der Zahlungsfrist. Seit 2008 leistete sie jedoch nur noch
Teilzahlungen. Die Klägerin akzeptierte dies bis November 2008, da bis zu diesem Zeitpunkt
Versicherungsschutz durch ihre Warenkreditversicherung bestand. Die Rechnungen vom 31.08.2008 (Nr.-1)
und vom 15.09.2008 (Nr.-2) wurden nicht mehr bezahlt. Am 17.09.2008 verhängte die Klägerin eine
Liefersperre. Am 30.09.2008 beantragte sie in Bezug auf die Rechnung-1 den Erlass eines Mahnbescheids.
Am 06.10.2008 beantragte sie in Bezug auf die Rechnung Nr.-2 den Erlass eines Mahnbescheids. Die
Mahnbescheide wurden am 07.10.2008 bzw. 10.10.2008 erlassen. Die Firma A erhob gegen die
Mahnbescheide jeweils am 17.10.2008 Widerspruch. Dies wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am
29.10. bzw. 23.10.2008 mitgeteilt.
Am 07.11.2008 schlossen die Klägerin und die Firma A eine Ratenzahlungsvereinbarung, nach der die
offenen Forderungen beginnend am 01.12.2008 jeweils zum Monatsersten in 11 Raten abbezahlt werden
sollten. Nachdem die Firma A bereits die erste Rate nicht fristgerecht gezahlt hatte, beantragte die Klägerin
Anfang Dezember 2008 die Durchführung des streitigen Verfahrens.
Am ... 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma A eröffnet, am ... 2009 meldete die
Klägerin ihre Forderungen zur Tabelle an.
Am 22.09.2010 beantragte die Klägerin die Vergütung der ausgefallenen Energiesteuer.
Mit Bescheid vom 01.06.2011 lehnte der Beklagte den Vergütungsantrag ab. Die Klägerin habe ihre
Ansprüche nicht konsequent gerichtlich verfolgt. Nachdem sie Ende Oktober 2008 Kenntnis vom
Widerspruch gegen die Mahnbescheide erhalten habe, hätte Anfang November die Überleitung ins streitige
Verfahren erfolgen müssen. Tatsächlich habe sie jedoch frühestens Anfang Dezember 2008 Klage erhoben,
ohne dass dies sachlich gerechtfertigt gewesen wäre. Dadurch habe sie ihren Vergütungsanspruch verloren.
Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der am 04.11.2008 abgeschlossenen
Ratenzahlungsvereinbarung. Sie hätte mit der Klagerhebung nicht bis nach der ersten vereinbarten
Ratenzahlung am 01.12.2008 warten dürfen.
Am 07.06.2011 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie habe zulässigerweise
nach Eingang des Widerspruchs gegen die Mahnbescheide zunächst nach intensiven Verhandlungen am 04.
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bzw. 07.11.2008 eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und diese überwacht. Anfang Dezember sei
dann das streitige Verfahren eingeleitet worden, nachdem die erste Rate nicht gezahlt worden sei. Vom
Beklagten habe sie die telefonische Auskunft erhalten, dass sie das Klageverfahren nur dann sofort einleiten
müsse, wenn die Firma A nach Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung eine Rate nicht bezahle.
Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22.04.2013 zurück. Die gerichtliche
Geltendmachung des Anspruchs, zu der nicht nur der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides, sondern
auch die Überleitung in das streitige Verfahren gehöre, habe zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem ein im
Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und wie
ein sorgfältiger Kaufmann handelnder Lieferant erkennen müsse, dass eine Durchsetzung des Anspruchs die
Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordere. Die zu ergreifenden Maßnahmen hingen von den Umständen
des jeweiligen Einzelfalls ab. Nach einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid gebe es keine sinnvolle
Alternative zum Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens. Jede Verzögerung könne zu einer
Gefährdung des Anspruchs durch Zeitablauf führen. Unstreitig habe die Klägerin rechtzeitig die erforderlichen
Mahnbescheide beantragt. Über den Widerspruch gegen die Mahnbescheide sei sie am 23.10.2008 bzw. am
30.10.2008 informiert worden, hätte also bereits Anfang November 2008 die gerichtliche Geltendmachung der
Ansprüche durch Klagerhebung fortführen müssen. Dies habe sie jedoch frühestens Anfang Dezember 2008
gemacht. Der Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung rechtfertige diese Verzögerung nicht. Da ein
Überschreiten der Zweimonatsfrist durch die rechtzeitige Beantragung der Mahnbescheide nicht vorgelegen
habe, sei eine Fristverlängerung für die Einleitung der gerichtlichen Verfolgung nicht mehr zu prüfen. Die
Entscheidung, statt Klage zu erheben, eine Ratenzahlungsvereinbarung zu schließen, liege in ihrem
Risikobereich. Ihr Vermerk über ein Telefonat mit dem Hauptzollamt D ändere daran nichts, da sich nicht
ergebe, welcher Sachverhalt genau erörtert worden sei.
Mit ihrer am 21.05.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie
wiederholt die Einspruchsbegründung, und betont, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die
Möglichkeit bestehe, die Zweimonatsfrist für die Einleitung der gerichtlichen Anspruchsverfolgung durch
Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zu verlängern. Das streitige Verfahren sei nach einem
Widerspruch gegen den Mahnbescheid durchzuführen, sobald es erforderlich sei. Diese Erforderlichkeit fehle
im Streitfall vor dem Hintergrund der Ratenzahlungsvereinbarung, die nur vor Klagerhebung möglich gewesen
sei. Die Ratenzahlungsvereinbarung habe die Chance geboten, die Forderung zu realisieren. Durch den
Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung, die am 01.12.2008 eine teilweise Realisierung der Forderung
ermöglicht hätte, wären die Aussichten auf eine Realisierung der Forderung im Vergleich zu einem sich über
Monate hinziehenden Klageverfahren verbessert worden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.06.2011 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 22.04.2013 zu verpflichten, ihr Energiesteuer in Höhe von 27.028,85 €
zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Begründung der Einspruchsentscheidung.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
I.
Der Bescheid vom 06.07.2012 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2013 rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO. Der Klägerin steht kein Anspruch auf
Energiesteuervergütung zu.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 60 Abs. 1 EnergieStG. Danach wird dem Verkäufer von
nachweislich nach § 2 EnergieStG versteuerten Energieerzeugnissen auf Antrag eine Steuerentlastung für die
im Verkaufspreis enthaltene Energiesteuer gewährt, die beim Warenempfänger wegen dessen
Zahlungsunfähigkeit ausfällt, wenn
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1. der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000 € übersteigt,
2. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem
Verkäufer herbeigeführt worden ist,
3. der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der
Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher
Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war,
4. Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind.
Danach besteht ein Vergütungsanspruch nicht, da die Klägerin es unterlassen hat, ihren Anspruch rechtzeitig
und mit hinreichendem Nachdruck gerichtlich zu verfolgen, wie dies nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG
Voraussetzung ist. Dabei kann offen bleiben, ob alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die in § 60 Abs.
1 EnergieStG normierten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels
Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt
ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 53 Abs. 1 MinöStG, der inhaltlich § 60 Abs.
1 EnergieStG entspricht und die insofern nicht überholt ist, ist die erforderliche rechtzeitige Mahnung bei
Zahlungsverzug unter Fristsetzung im Zusammenhang mit der nachfolgend angeordneten gerichtlichen
Verfolgung zu sehen. Dem Schuldner soll eine letzte Chance eingeräumt werden, den Zahlungsanspruch, mit
dessen Erfüllung er in Verzug geraten ist, außergerichtlich, das heißt ohne Einleitung einer gerichtlichen
Verfolgung des Anspruchs, zu erfüllen. Die Fristsetzung muss somit einen letzten Zahlungstermin entweder
nach dem Kalender oder wenigstens kalendermäßig bestimmbar benennen, zu dem der Schuldner geleistet
haben muss, ohne bis dahin eine gerichtliche Verfolgung des Anspruchs befürchten zu müssen. Gleichzeitig
muss aus der Mahnung unter Fristsetzung hervorgehen, dass nach erfolglosem Ablauf dieser letzten
Zahlungsfrist der Zahlungsanspruch unabkömmlich rechtshängig gemacht wird (BFH, Beschluss vom
21.05.2001, VII B 53/00 und vom 08.02.2000, VII B 269/99).
"Gerichtlich verfolgen" bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die
rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den
Mitteln, die nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Verfügung stehen, rechtshängig zu
machen sind. Es ist zum Beispiel Klage zu erheben oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den
Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken, mit ggf. anschließender Überleitung ins streitige Verfahren (§
696 ZPO), und es ist aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung
vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Ob diese Handlungen letztlich zum Erfolg, das heißt zur Eintreibung
wenigstens eines Teils der offenen Forderungen führen, spielt keine Rolle (BFH, Urteil vom 17.12.1998, VII R
148/97).
Der Begriff "rechtzeitig" in § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG bezieht sich zwar nur auf die Mahnung, die
gerichtliche Verfolgung hat sich jedoch unmittelbar an den fruchtlosen Ablauf der dem Schuldner gesetzten
(letzten) Zahlungsfrist anzuschließen (BFH, Urteil vom 08.01.2003, VII R 7/02). Da der Bestimmung des § 60
Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG kein schuldnerschützender Charakter zukommt, die dem Gläubiger der Forderung
abverlangten Maßnahmen vielmehr im eigenen Interesse zur Erhaltung seines Vergütungsanspruchs
gegenüber dem Fiskus zu treffen sind, kann es für die Erhaltung des Anspruchs letzten Endes nicht darauf
ankommen, ob der Gläubiger im Falle des Zahlungsverzugs seines Schuldners den in der Vorschrift
aufgezeigten typischen Weg (letzten Mahnung unter Fristsetzung) einschlägt oder unter Verzicht auf diese
Präliminarien den Anspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Wenn die Vorschrift sicherstellen soll, dass der
Gläubiger seine Rechte gegenüber seinem Schuldner zügig verfolgt, damit Zahlungsausfälle möglichst
verhindert werden, kann letztlich nur entscheidend sein, dass die gerichtliche Geltendmachung des
Anspruchs "rechtzeitig" im Sinne der Vorschrift erfolgt. Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die
gerichtliche Verfolgung des Anspruchs spätestens zwei Monate nach der Belieferung des Schuldners in die
Wege zu leiten ist (BFH, Urteile vom 08.01.2003, VII R 7/02 und vom 08.08.2006, VII R 15/06). Bei dieser
Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass der Mineralölhändler seinen
Vergütungsanspruch verliert, wenn er nicht spätestens zwei Monate nach der Belieferung seines Kunden
konkrete Schritte zur gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs unternommen hat (BFH, Urteil vom 08.01.2003,
VII R 7/02; FG Hamburg, Urteil vom 05.11.2003, IV R 208/03), wobei eine Fristüberschreitung unter den
besonderen Umständen des Einzelfalls hingenommen werden kann (BFH, Beschluss vom 06.02.2006, VII B
53/05 und vom 01.07.2008, VII B 31/07).
Die vom Bundesfinanzhof aufgestellte 2-Monatsfrist bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf den Zeitraum
zwischen der letzten Belieferung und der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens, hier durch Antrag auf
Erlass eines Mahnbescheides, dies kann jedoch nicht bedeuten, dass die weitere Vorgehensweise auch in
zeitlicher Hinsicht in das Belieben des Mineralöllieferanten gestellt wäre. Weder dem Gesetz noch der
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Rechtsprechung lässt sich indes entnehmen, innerhalb welcher Frist die Durchführung des streitigen
Verfahrens nach erfolgtem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid eingeleitet werden muss. Vielmehr hat
der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass dem Erlass eines Mahnbescheides ggf. -
also im Falle eines Widerspruchs - die Überleitung in das streitige Verfahren zu folgen hat, und dass die
gerichtliche Geltendmachung zu einem Zeitpunkt zu erfolgen hat, zu dem ein im Geschäftsverkehr die
Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und wie ein sorgfältiger
Kaufmann handelnder Mineralöllieferant erkennen muss, dass eine Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs die
Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordert (BFH, Urteil vom 08.08.2006, VII R 15/06). Dann bezieht sich
das Adjektiv "rechtzeitig" in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV auf die gerichtliche Anspruchsverfolgung insgesamt
und damit auch auf die Einleitung des streitigen Verfahrens, so dass die Durchführung des streitigen
Verfahrens so zügig erfolgen muss, dass Zahlungsausfälle möglichst vermieden werden, was bedeutet, dass
der Übergang ins streitige Verfahren dann erfolgen muss, wenn erkennbar wird, dass ein streitiges Verfahren
erforderlich ist.
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 14.12.2010 (VII B 144/10) erkannt, dass sich diese Frage nicht
allgemeingültig klären, sondern nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beantworten lasse,
wobei es aber eine sachliche Rechtfertigung für eine spätere Klagerhebung geben könne. Generell hat der
Bundesfinanzhof dem Mineralölhändler bei der Entscheidung darüber, mit welchen Maßnahmen ausstehende
Forderungen am effektivsten durchgesetzt werden können, einen gewissen Beurteilungsspielraum eingeräumt
(Urteil vom 01.07.2008, VII R 31/07). Auch das Finanzgericht Hamburg hat es in seiner bisherigen
Rechtsprechung als nicht ausgeschlossen angesehen, dass es sachliche Gründe dafür geben kann, mit der
Überleitung in das streitige Verfahren etwas zu warten (Urteil vom 13.02.2007, 4 K 184/06).
Den vorstehend skizzierten Anforderungen für die Erhaltung des Vergütungsanspruchs ist die Klägerin nicht
vollen Umfangs gerecht geworden, da sie ihren Anspruch nicht in dem genannten Sinne rechtzeitig gerichtlich
verfolgt hat.
Zwar hat sie, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, innerhalb der 2-Monatsfrist in Bezug auf beide
nicht beglichenen Forderungen einen Mahnbescheid beantragt, der auch kurz darauf erlassen wurde,
allerdings haben sich dieser Einleitung der gerichtlichen Anspruchsverfolgung keine rechtzeitigen, hinreichend
nachdrücklichen Bemühungen angeschlossen.
Der seinerzeitige Bevollmächtigte der Klägerin erhielt unstreitig Ende Oktober 2008 Kenntnis vom
Widerspruch gegen die Mahnbescheide. Erst Anfang Dezember 2008 und damit deutlich über einen Monat
später hat die Klägerin die Überleitung in das streitige Verfahren beantragt. Der sich zwischen diesen Daten
errechnende Zeitraum ist zu lang, als dass man noch von rechtzeitiger gerichtlicher Anspruchsverfolgung
reden könnte. Die Notwendigkeit eines streitigen Verfahrens zur Erwirkung eines Urteils als
Vollstreckungstitel musste der Klägerin bereits in dem Moment erkennbar geworden sein, in dem sie
Kenntnis von der Erhebung des Widerspruchs erhalten hat. Will man die Verfolgung des Anspruchs nicht
aufgeben, ist es nach der Erhebung des Widerspruchs grundsätzlich geboten, die Durchführung des streitigen
Verfahrens zu beantragen. Es erscheint daher grundsätzlich sachgerecht, bereits mit der Stellung des
Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides die Durchführung des streitigen Verfahrens im Falle eines
Widerspruchs zu beantragen. Einen solchen Antrag sieht das Mahnbescheidsformular ausdrücklich vor, wie
dies auch in § 696 Abs. 1 S. 2 ZPO geregelt ist. Sofern aus Gründen des Einzelfalls davon abgesehen wird,
den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens bereits im Mahnbescheidsantrag zu stellen, ist dieser
doch unverzüglich nachzuholen. Jede Verzögerung führt zu einer Gefährdung des Anspruchs allein durch
Zeitablauf.
Dies schließt nicht aus, dass es sachliche Gründe dafür geben kann, mit der Überleitung in das streitige
Verfahren etwas zu warten. Eine sachliche Rechtfertigung für die Verzögerung ist im vorliegenden Fall jedoch
nicht erkennbar. Insbesondere gilt dies in Bezug auf die am 04./07.11.2008 mit der Firma A geschlossene
Ratenzahlungsvereinbarung. Die Klägerin hat vorgetragen und durch entsprechende Unterlagen belegt, dass
sie schon vor dem Widerspruch gegen die Mahnbescheide über die Vereinbarung einer Ratenzahlung mit der
Firma A verhandelt hat, weil sie dies als aussichtsreich angesehen hat. Aus ihrem Vorbringen und den
Schreiben vom 01.10.2008, 06.10.2008 und 29.10.2008 ergeben sich die Verhandlungen über eine
Ratenzahlungsvereinbarung, die dann schließlich in die Vereinbarung vom 04./07.11.2008 mündeten.
Die Vereinbarung einer Ratenzahlung kann grundsätzlich sinnvoll sein, um die Forderung zu realisieren. Der
Bundesfinanzhof hat dies wiederholt bestätigt (Urteil vom 01.07.2008, VII R 31/07, Beschluss vom
06.02.2006, VII B 52/05). Diese Entscheidungen beziehen sich zwar unmittelbar nur auf
Ratenzahlungsvereinbarungen, die nach Ausfall der Forderung und vor der gerichtlichen Geltendmachung des
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Anspruchs getroffen und als geeignet angesehen wurden, die Zweimonatsfrist für die gerichtliche
Geltendmachung zu verlängern. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb eine Ratenzahlungsvereinbarung
nicht auch einen sachlichen Grund darstellen soll, die Überleitung ins streitige Verfahren nach erfolgtem
Widerspruch gegen einen Mahnbescheid etwas hinauszuschieben. In seinem Urteil vom 01.07.2008 hat es
der Bundesfinanzhof als entscheidend angesehen, dass sich der Mineralölhändler ernsthaft und nachhaltig
um eine Begrenzung des Forderungsausfalls bemüht und dass Verhandlungen über eine Ratenzahlung
konkret Erfolgsaussichten erkennen lassen müssen; nur der nachlässig handelnde Mineralölhändler habe das
Risiko eines endgültigen Forderungsausfalls selbst zu tragen. Dass der Abschluss einer
Ratenzahlungsvereinbarung nur vor der gerichtlichen Geltendmachung, nicht aber während der verschiedenen
Schritte der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs als nicht anspruchshindernd angesehen werden
kann, ist der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht zu entnehmen. Vielmehr hat er ganz allgemein
erkannt, dass die Gewährung von Ratenzahlungen unter bestimmten Umständen der Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns entsprechen könne und möglicherweise der einzige Weg sei, einem
vorübergehenden Liquiditätsengpass des Kunden wirtschaftlich sinnvoll zu begegnen (BFH, Beschluss vom
06.02.2006, VII B 52/05). Dass diese Überlegungen nur zwischen der letzten Belieferung und der Einleitung
der gerichtlichen Anspruchsverfolgung Geltung beanspruchen können, ist nicht ersichtlich.
Im Streitfall war es im Lichte dessen, was von einem ordentlich handelnden Kaufmann zu verlangen ist,
allerdings nicht vertretbar, zunächst den Ausgang der Verhandlungen über eine Ratenzahlung abzuwarten.
Die Klägerin hatte nämlich keinerlei nachvollziehbaren Anlass für die Annahme, dass die Firma A sich an die
Ratenzahlungsvereinbarung halten würde. Zunächst sah die Klägerin den Abschluss einer
Ratenzahlungsvereinbarung offenbar selbst nicht als Erfolg versprechend an, so hat sie den Abschluss einer
solchen, von der Firma A angeregten Vereinbarung mit Schreiben vom 01.10.2008 abgelehnt. Aus Gründen,
die nicht im Einzelnen aufgeklärt werden konnten, hat sie sich wenig später - mit Schreiben vom 06.10.2008 -
zum Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung bereit erklärt, allerdings hat sie verlangt, dass bis Mitte
Oktober 2008 ein Sicherungsentgelt in Höhe von 15.000 € gezahlt wird. Mit Schreiben vom 29.10.2008 hat
sie dann nur noch ein Sicherungsentgelt in Höhe von 10.000 €, zahlbar bis Ende November 2008, verlangt.
Dieses Sicherungsentgelt, das der Klägerin offenbar im Zusammenhang mit dem Abschluss der
Ratenzahlungsvereinbarung wesentlich erschien, wurde, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vom 19.02.2014 ausdrücklich erklärt hat, nicht gezahlt. Gleichwohl hat die Klägerin
die Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen. Dem Umstand, dass die Firma A offenbar nicht bereit bzw.
nicht in der Lage war, das Sicherungsentgelt zu zahlen, hätte bei der Klägerin Zweifel an der Fähigkeit der
Firma A, die Raten zu zahlen, wecken müssen. Auch sonst ist nicht im Ansatz ersichtlich, woher die
Klägerin die Hoffnung nahm, die Raten würden gezahlt werden. Allein auf die - soweit ersichtlich - nur
mündlich geäußerte Versicherung der Firma A, die Raten zahlen zu wollen, durfte sich die Klägerin
angesichts der Vorgeschichte nicht verlassen. Letztlich hat die Klägerin sich vom Warenempfänger hinhalten
lassen, indem sie seinem Bemühen um eine Ratenzahlungsvereinbarung nachgab, ohne dass dies sachlich
geboten gewesen wäre. Der Hinweis der Klägerin auf § 802 b ZPO führt nicht zu einer anderen Betrachtung.
Selbst wenn man dieser Norm den allgemeingültigen Rechtssatz entnehmen wollte, es sei auch im Rahmen
der Zwangsvollstreckung eine gütliche Einigung anzustreben, kann dies doch in Fällen wie denen des
Streitfalls nur mit der Einschränkung gelten, dass eine gütliche Einigung auch im Sinne des Begleichens der
Forderung Erfolg versprechend ist.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Üblichkeit im Mineralölhandel berufen. Es mag sein, dass sie sich
angesichts der Marktbedingungen gehalten gesehen hat, nicht mit deutlichem Nachdruck auf das
Zahlungsverhalten der Firma A zu reagieren. Dies macht sie dann jedoch auf eigenes wirtschaftliches Risiko
und kann nicht beanspruchen, dass der ihr daraus erwachsende Schaden teilweise von der Allgemeinheit
getragen wird.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Gründe
des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.