Urteil des FG Hamburg vom 23.11.2012

FG Hamburg: pos, verkehr, ware, weiterverkauf, überführung, umrechnungskurs, beweismittel, ursprungsland, markt, einspruch

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Zoll: Berechnung des Zusatzzolls gemäß Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 VO Nr. 2777/75
1. Liegt der sich aus der Zollanmeldung ergebende cif-Einfuhrpreis (Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 VO Nr. 2777/75,
Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1484/95, Art. 4 VO Nr. 1484/95, Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1484/95) oberhalb des
repräsentativen Preises, ist der Anwendungsfall des Art. 3 Abs. 2, Abs. 4 VO Nr. 1484/95 gegeben.
2. Der nach Art. 3 Abs. 2, Abs. 4 VO Nr. 1484/95 vom Einführer zu führende Nachweis dient der
Überprüfung, ob der cif-Einfuhrpreis unzutreffend hoch angegeben worden ist. Dies wird man - wenn keine
besonderen Umstände ersichtlich sind - regelmäßig dann bejahen können, wenn ein Weiterverkauf
innerhalb der Union ausweislich der Weiterverkaufsrechnung unterhalb dieses Einfuhrpreises stattgefunden
hat. Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 gibt kein bestimmtes Beweismittel vor, knüpft den Nachweis aber an die
Bedingungen des Absatzes der Sendung, also die Umstände des Weiterverkaufs. Daher darf nicht nur auf
den Weiterverkaufspreis abgestellt werden, es sind auch Fälle denkbar, in denen der Weiterverkaufspreis
zwar Zweifel an der Richtigkeit des angemeldeten cif-Einfuhrpreises weckt, in denen diese Zweifel jedoch
durch Darlegung der besonderen Umstände des Geschäfts ausgeräumt werden können.
3. Die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich.
Im Falle eines Weiterverkaufs gilt ausnahmslos die Monatsfrist, die nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
4. Bei der Berechnung des cif-Einfuhrpreises darf das Hauptzollamt den amtlich veröffentlichten
Umrechnungskurs nach Art. 35 Zollkodex zu Grunde legen.
Rev., Az.: VII R 4/13
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 23.11.2012, 4 K 53/11
Art 5 EWGV 2777/75, Art 2 Abs 1 EGV 1484/95, Art 3 Abs 2 EGV 1484/95, Art 3 Abs 3 EGV 1484/95, Art 3 Abs 4
EGV 1484/95, Art 35 ZK
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Zusatzzöllen.
Mit vereinfachten Zollanmeldungen vom 03.05.2006 (Pos. 1, Annahme 03.05.2006), 08.05.2006 (Pos. 2,
Annahme 08.05.2006) und 12.05.2006 (Pos. 3, Annahme 15.05.2006) meldete die A Spedition als direkte
Vertreterin der Klägerin die Überführung gefrorener Teile von Hühnern mit Ursprung in Brasilien (Pos. 1) bzw.
Argentinien (Pos. 2 und 3) der Code Nr. 0207 1410 00 0 zur Überführung in den freien Verkehr an. In der
ergänzenden Zollanmeldung (Sachakte Heft I Bl. 2) gab die Klägerin die ihr von den Verkäufern mit Sitz auf
den Britischen Jungfraueninseln, Argentinien bzw. Uruguay in Rechnung gestellten Nettopreise sowie die
Fracht- und Versicherungskosten an. Der Beklagte errechnete daraus jeweils den cif-Einfuhrpreis in Höhe von
231,05 €/100 kg (Pos. 1), 220,54 €/100 kg (Pos. 2) bzw. 233,88 €/100 kg (Pos. 3). Der zolltariflich festgelegte
repräsentative Preis betrug 172,90 €/100 kg (Pos 1) bzw. 199,2/100 kg (Pos. 2 und 3). Der Beklagte
berechnete den Zusatzzoll gemäß VO Nr. 2777/75 zunächst nicht abschließend.
Die Klägerin verkaufte die Ware innerhalb Deutschlands weiter und legte die von ihr gestellten
Weiterverkaufsrechnungen vor. Daraus ergeben sich Weiterverkaufspreise in Höhe von 84.242,42 € (Pos. 1 =
325 €/100 kg, Sachakte Heft I Bl. 23, vorgelegt am 05.07.2006), 40.255,80 € (Pos. 2 = 338 €/100 kg, Sachakte
Heft I Bl. 19, vorgelegt am 29.05.2006) bzw. 11.284,70 € (Pos. 3 = 343 €/100 kg, Sachakte Heft I Bl. 25,
vorgelegt am 05.07.2006). Abzüglich des entrichteten Zolls ergeben sich danach bereinigte
Weiterverkaufspreise in Höhe von 201,87 €/100 kg (Pos. 1), 211,72 €/100 kg (Pos. 2) bzw. 220,72 €/100 kg
(Pos. 3).
Der Beklagte überprüfte die vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf § 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 und erhob mit
Einfuhrabgabenbescheid vom 24.03.2009 Zoll in Höhe von insgesamt 15.219,-- € nach, wovon 8.520,-- €
bereits nach der nicht abschließenden Festsetzung des Zusatzzolls entrichtet wurden und 6.699,-- € noch zu
zahlen waren. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die cif-Einfuhrpreise lägen oberhalb des maßgeblichen
repräsentativen Preises, jedoch unterhalb des Weiterverkaufspreises. Daher sei der Differenzbetrag zwischen
der auf der Grundlage des repräsentativen Preises von der Europäischen Kommission festgesetzten Sicherheit
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der auf der Grundlage des repräsentativen Preises von der Europäischen Kommission festgesetzten Sicherheit
für Zusatzzölle für Geflügelfleisch und dem bereits gezahlten Zusatzzoll anzufordern.
Am 01.04.2009 legte die Firma A Spedition für die Klägerin Einspruch gegen den Abgabenbescheid ein. Sie
trägt vor, nach Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 sei nicht zu prüfen, ob die Weiterverkaufspreise des Einführers
den cif-Einfuhrpreis bestätigten, sondern ob die Sendung zu Bedingungen abgesetzt worden sei, die den cif-
Einfuhrpreis bestätigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn die Weiterverkaufspreise den gegebenenfalls
niedrigeren Marktpreisen im Zeitpunkt des Weiterverkaufs entsprochen hätten. Die Weiterverkaufsrechnungen
seien in allen Fällen fristgerecht vorgelegt worden. Die Fristen liefen nicht ab Annahme der vereinfachten
Zollanmeldungen, sondern ab Annahme der ergänzenden Zollanmeldung am 29.05.2006, mithin bis zum
29.11.2006. Selbst wenn man auf die vereinfachten Zollanmeldungen abstellen würde, wäre die Frist von sechs
Monaten ab Annahme dieser vereinfachten Zollanmeldungen in keinem Fall verstrichen. Art. 3 Abs. 4 VO Nr.
1484/95 enthalte keine alternativen Fristen. Eine absolute Ausschlussfrist von sechs Monaten würde die
Möglichkeit des Vorlegens von Nachweisen unverhältnismäßig verkürzen. Aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit sei die Fristenregelung so auszulegen, dass generell von der längeren Vorlagefrist von
sechs Monaten auszugehen sei, wobei Fristbeginn auch der Zeitpunkt der ergänzenden Zollanmeldung sein
könne.
Der Einspruch wurde - in Bezug auf die Erhebung des Zusatzzolls - mit Einspruchsentscheidung vom
16.02.2011 zurückgewiesen. Aus § 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 ergebe sich, dass der Einführer dann, wenn er
einen über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreis anmelde, innerhalb einer Frist von einem
Monat ab dem Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens sechs Monate ab Annahme der Anmeldung
zum freien Verkehr, Nachweisunterlagen zur Prüfung des angemeldeten cif-Einfuhrpreises vorlegen müsse. In
Bezug auf die Positionen 1 und 3 habe die Klägerin die Weiterverkaufsrechnungen nicht fristgerecht vorgelegt,
weshalb der Zusatzzoll auf der Basis des repräsentativen Preises berechnet werden müsse. Auch in Bezug auf
die Position 2 sei der cif-Einfuhrpreis nicht bestätigt worden. Auf mögliche Besonderheiten des Einzelfalles
könne nicht eingegangen werden.
Mit ihrer am 21.03.2011 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie nimmt
Bezug auf die Einspruchsbegründung. Ergänzend trägt sie vor, ein Abstellen auf den fob-Preis des Lieferanten
im Ursprungsland werfe bei einer Käuferkette Probleme auf, weil der Anmelder mit dem veräußernden
Lieferanten in keiner geschäftlichen Verbindung stehe. Daher müsse auf das Kaufgeschäft desjenigen
abgestellt werden, der die Ware zur Überführung in den freien Verkehr anmelde. Eine andere Auslegung würde
dazu führen, dass die Frist des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 schon vor der die Nachweispflicht auslösenden
Zollanmeldung zu laufen beginne; auch dieses Problem erübrige sich, wenn man auf das Verkaufsgeschäft
nach der Überführung in den freien Verkehr abstelle. Probleme gebe es auch bei der Bestätigung des
Einfuhrpreises, wenn dieser über dem repräsentativen Preis liege, weil der vom Beklagten für maßgeblich
gehaltene Kauf im Ursprungsland und der Weiterverkauf zeitlich weit auseinanderlägen und die
Marktbedingungen sich zwischenzeitlich geändert haben könnten. Im Rahmen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr.
1484/95 dürfe nicht nur auf den Weiterverkaufspreis abgestellt werden, eine solche Pauschalierung sei nicht
geboten. Im Streitfall seien die Bedingungen durch die zur Jahreswende 2005/2006 in Asien ausgebrochene
Vogelgerippe geprägt gewesen, die zu erheblichen Preisschwankungen auf den Märkten geführt habe. Das
streitgegenständliche Hühnerfleisch sei im Wesentlichen kurz vor dem Ausbruch der Vogelgrippe erworben
worden und habe während der Hochphase der Verbraucherpanik abgesetzt werden müssen. Der
Weiterverkaufspreis habe den Marktpreisen zu jener Zeit entsprochen. Die Klägerin führt dies auch unter
Bezugnahme auf ein in einem anderen Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten weiter aus. Die
Anwendung der Monatsfrist des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 hinsichtlich der Positionen 1 und 2 sei wegen
Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig. Das anzuerkennende Interesse an Rechtssicherheit werde durch die
Sechsmonatsfrist gewahrt. Schließlich hat sie im Erörterungstermin vom 17.01.2012 erklärt, die in der
Einspruchsentscheidung tabellarisch aufgelisteten Preise und Daten seien zutreffend und würden nicht
bestritten. Streitig sei jedoch der Umrechnungskurs.
Die Klägerin beantragt,
den Abgabenbescheid vom 24.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.02.2011
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten des Beklagten und wegen der
Berechnung insbesondere auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
I.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 21.02.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.03.2009 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Zusatzzolls, um den es hier allein geht, ist Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2777/75
in der Fassung der VO Nr. 1574/93. Danach wird zur Vermeidung oder zur Behebung von Nachteilen, die sich
aus der Einfuhr von u. a. Erzeugnissen der Position 0207 für den Markt der Gemeinschaft ergeben können, zu
dem im Gemeinsamen Zolltarifs vorgesehenen Zollsatz ein zusätzlicher Einfuhrzoll erhoben, wenn die
Bedingungen des Art. 5 des Übereinkommens über die Landwirtschaft, das in Übereinstimmung mit Art. 228
des Vertrags im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde geschlossen wurde, erfüllt sind,
es sei denn, die Einfuhren können keine Störung des Gemeinschaftsmarkts verursachen oder die
Auswirkungen stehen in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel.
Die näheren Modalitäten der Berechnung ergeben sich aus der VO Nr. 1484/95. Dort heißt es in Art. 3 Abs. 1,
dass zur Bestimmung des Zusatzzolls gemäß den Vorschriften von Art. 4 der cif-Einfuhrpreis der betreffenden
Sendung herangezogen wird. Was unter dem cif-Einfuhrpreis zu verstehen ist, definiert Art. 2 Abs. 1 Beistrich
2 VO Nr. 1484/95. Danach besteht der cif-Einfuhrpreis im Sinne dieser Verordnung aus dem fob-Preis im
Ursprungsland und den tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten bis zum Ort des Verbringens in das
Zollgebiet der Gemeinschaft. Im Zusammenhang mit den Zollanmeldungen hat die Klägerin unstreitig Angaben
gemacht, die den Beklagten grundsätzlich in die Lage versetzen, den cif-Einfuhrpreis zu berechnen.
Im Streit ist zwischen den Beteiligten allein die Frage, ob der Beklagte den Zusatzzoll aufgrund dieser von der
Klägerin im Zusammenhang mit den Zollanmeldungen gemachten Angaben berechnen muss, oder ob er - wie
mit Einfuhrabgabenbescheid vom 24.03.2009 geschehen - den Zusatzzoll auf der Grundlage des - für die
Klägerin ungünstigeren - repräsentativen Preises berechnen darf. Insoweit merkt der Senat im Lichte des
Vorbringens der Beteiligten folgendes an:
Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 verpflichtet den Einführer zur Vorlage konkret benannter Nachweisunterlagen,
wenn der cif-Einfuhrpreis je 100 kg einer bestimmten Sendung über dem anwendbaren repräsentativen Preis
gemäß Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1484/95 liegt. Sofern dies der Fall ist, muss der Einführer gemäß Art. 3 Abs. 3 VO
Nr. 1484/95 Sicherheit in Höhe der Zusatzzölle leisten, die bei Berechnung auf der Grundlage des für das
betreffende Erzeugnis geltenden repräsentativen Preises fällig wären. Für die Vorlage von Nachweisunterlagen
sieht Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 Fristen vor. Danach verfügt der Einführer über eine Frist von einem Monat
ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens jedoch von sechs Monaten (auf begründeten Antrag
verlängerbar um drei Monate) ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr, um nachzuweisen, dass die
Sendung zu Bedingungen abgesetzt wurde, die die in Abs. 2 genannten Preise bestätigen. Die geleistete
Sicherheit verfällt bzw. wird als Zusatzzoll einbehalten, wenn die Fristen nicht eingehalten werden bzw. wenn
dem Einführer der Nachweis nicht gelingt.
In allen drei Fällen lag der sich aus den Anmeldungen der Klägerin ergebende cif-Einfuhrpreis oberhalb des
repräsentativen Preises mit der Folge, dass der Anwendungsfall des Art. 3 Abs. 2, Abs. 4 VO Nr. 1484/95
gegeben war.
In Bezug auf die Positionen 1 und 3 hat die Klägerin schon die Weiterverkaufsrechnung nicht innerhalb der
vorgegeben Frist vorgelegt. Die Frist beträgt - wie dargelegt - regelmäßig einen Monat ab Verkauf der
betreffenden Erzeugnisse, jedoch höchstens sechs Monate ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr.
Die Weiterverkaufsrechnungen tragen die Daten 09.05.2006 (Pos. 1) bzw. 16.05.2006 (Pos. 3) und enthalten
den Hinweis auf die Anlieferung jeweils am selben Tag. Die Rechnungsdaten können als Verkaufsdaten
angesehen werden, jedenfalls kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass die
Rechnungen nicht vor dem Verkauf gestellt worden sind. Die Weiterverkaufsrechnungen wurden in beiden
Fällen am 05.07.2006 und damit ersichtlich außerhalb der Monatsfrist vorgelegt. Sofern die Klägerin meint, es
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sei in jedem Fall eine Frist von sechs Monaten ab Annahme der Zollanmeldung zu gewähren, kann dem nicht
gefolgt werden. Die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ist eindeutig und einer Auslegung nicht
zugänglich. Die Sechsmonatsfrist stellt keine regelmäßig anwendbare Alternativfrist, sondern eine Maximalfrist
dar, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Sendung nicht innerhalb von fünf Monaten und einem Tag
ab der Anmeldung zum freien Verkehr verkauft worden ist. Diese Fristenregelung verstößt auch nicht gegen
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wird eine Ware zeitnah nach der Überführung in den freien Verkehr
weiterverkauft, ist es dem Einführer - jedenfalls dann, wenn er, wie im Streitfall, auch der Verkäufer der Waren
ist - regelmäßig möglich und zumutbar, die Weiterverkaufsrechnung sowie etwaige sonst erforderliche
Nachweise zur Bestätigung des cif-Einfuhrpreises im Zusammenhang mit diesem Weiterverkauf innerhalb
eines Monats vorzulegen. Da er selbst Vertragspartner ist, müssen ihm diese Unterlagen zugänglich sein.
In Bezug auf die Position 2 hat die Klägerin durch Vorlage der Weiterverkaufsrechnung am 29.05.2006 die
Monatsfrist gewahrt, die Rechnung datiert vom 16.05.2005, die Übernahme der Ware hat am 15.05.2006
stattgefunden. Dies räumt auch der Beklagte ein. Gleichwohl ist der Klägerin der Nachweis, dass die Sendung
zu Bedingungen abgesetzt wurde, die die in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 genannten Preise bestätigen, nicht
gelungen. Nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Berechnungen des Beklagten in der
Einspruchsentscheidung erfolgte der Weiterverkauf zu einem Preis von 211,72 €, wobei vom Rechnungspreis
die entrichteten Abgaben abgezogen worden sind. Dieser Preis liegt unterhalb des cif-Einfuhrpreises von
220,54 € und ist daher erklärungsbedürftig. Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ist dahin zu verstehen, dass ein
Einführer dann, wenn der cif-Einfuhrpreis oberhalb des repräsentativen Preises liegt, wenn er also zu
überdurchschnittlich hohen Preisen eingekauft hat, die Richtigkeit des angemeldeten cif-Einfuhrpreises
nachweisen muss. Dabei gibt Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nach seinem Wortlaut kein bestimmtes
Beweismittel vor, knüpft den Nachweis aber an die Bedingungen des Absatzes der Sendung, also die
Umstände des Weiterverkaufs. Insofern hält es der Senat für sachgerecht, grundsätzlich die
Weiterverkaufsrechnung als Beweismittel heranzuziehen und diese - wie es der Beklagte wohl regelmäßig
macht - als Nachweis anzuerkennen, wenn sie einen Preis auf Höhe des oder oberhalb des cif-Einfuhrpreises
ausweist. Dem liegt die im Wirtschaftsleben regelmäßig zutreffende Erwartung zu Grunde, dass ein Einführer
mit Gewinnerzielungsabsicht am Markt teilnimmt und eine Ware teurer verkauft, als er sie selbst eingekauft
hat. Da Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 - wie gesagt - aber keine ausdrückliche Beschränkung auf ein
bestimmtes Beweismittel enthält, spricht viel dafür, dass es einem Einführer möglich sein muss, die
Richtigkeit seiner Angaben zum cif-Einfuhrpreis auch dann zu belegen, wenn der Weiterverkauf zu einem unter
dem Einfuhrpreis liegenden Preis erfolgt ist. Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 spricht ausdrücklich nicht vom
Absatzpreis (Weiterverkaufspreis), sondern von den Bedingungen des Absatzes, lässt also einen Blick auf die
Gesamtumstände des Warenabsatzes zu. Dieses Verständnis ist auch deshalb nahe liegend, weil es Fälle
gibt, in denen die Ware während der Sechsmonatsfrist lediglich zum freien Verkehr angemeldet, nicht jedoch
verkauft worden ist und der Nachweis, dass die Sendung zu Bedingungen abgesetzt wurde, die den cif-
Einfuhrpreis bestätigen, nicht einmal theoretisch durch Vorlage der Weiterverkaufsrechnung erbracht werden
kann. Eine Differenzierung hinsichtlich der Nachweismittel enthält die Bestimmung indes nicht. Insofern sind
grundsätzlich Fälle denkbar, in denen der Weiterverkaufspreis zwar Zweifel an der Richtigkeit des
angemeldeten cif-Einfuhrpreises weckt, in denen diese Zweifel jedoch durch Darlegung der besonderen
Umstände des Geschäfts ausgeräumt werden können. Vorstellbar wäre dies etwa, wenn ein Einführer
nachweist, dass er eine Ware zu einem oberhalb des repräsentativen Preises liegenden Preis eingekauft und
sich nach der Einfuhr herausgestellt hat, dass ein Weiterverkauf mit Gewinn (entgegen der ursprünglichen
Erwartung) nicht möglich gewesen ist und die Ware daher unterhalb des Einkaufspreises veräußert werden
musste. In welcher Weise der Nachweis gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 geführt werden kann und welche
Anforderungen insoweit an den Nachweis der besonderen Umstände des Geschäfts zu stellen sind, muss der
Senat im Streitfall indes nicht entscheiden. Die Klägerin hat nämlich innerhalb des von § 3 Abs. 4 VO Nr.
1484/95 vorgegebenen Zeitraums keinerlei Bedingungen des Absatzes vorgetragen, die ein Unterschreiten des
cif-Einkaufspreises durch den Weiterverkaufspreis nachvollziehbar machen könnten. Nachdem sie im
Einspruchsverfahren nur allgemein von niedrigen Marktpreisen gesprochen hatte, hat sie im Erörterungstermin
vom 17.01.2012 erstmals auf die Absatzprobleme im Zusammenhang mit der Vogelgrippe und die dadurch
verursachten niedrigen Verkaufspreise hingewiesen. In ihrem Schriftsatz vom 13.06.2012 hat sie das dann
näher dargelegt. All dies erfolgte jedoch erst mehrere Jahre nach dem Verkauf der Waren bzw. nach der
Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr. Da Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 dem Ausführer eine
Nachweispflicht auferlegt, kann es nicht auf die Frage ankommen, inwieweit im Zeitraum 2005/2006 allgemein
bekannt gewesen ist, dass die Vogelgrippe zu Absatzproblemen bei Geflügelfleisch geführt hat. Eine derart
allgemeine Kenntnis lässt zudem keinen hinreichenden Rückschluss auf die Richtigkeit des vom Einführer
angegebenen cif-Einfuhrpreises im Verhältnis zum Weiterverkaufspreis zu.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den nach Art. 168 ZK-DVO veröffentlichten
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Umrechnungskurs und nicht den tagesaktuellen Handelswechselkurs zu Grunde gelegt hat. Nach Art. 35
Zollkodex ist der von den dafür zuständigen Behörden ordnungsgemäß veröffentlichte Kurs anzuwenden, wenn
Faktoren, die zur Ermittlung des Zollwerts von Waren dienen, in einer anderen Währung als der des
Mitgliedstaates ausgedrückt sind, in dem die Bewertung vorgenommen wird. Die Einzelheiten der Berechnung
sind in Art. 168 ff. ZK-DVO geregelt. Im Streitfall geht es bei der Ermittlung des cif-Einfuhrpreises zwar nicht
im engen Sinne um die Ermittlung des Zollwerts gemäß den Art. 29 ff. Zollkodex, gleichwohl jedoch um die
Ermittlung eines für die Berechnung eines Zusatzzolls maßgeblichen Preises und somit - wie beim Zollwert -
um einen für die Höhe des zu zahlenden Zolls erheblichen Wert bzw. Preis. Dieser Umstand rechtfertigt auch
vor dem Hintergrund, dass sich weder im Zollkodex noch in sonstigen zollrechtlichen Bestimmungen
anderweitige Regelungen über den maßgeblichen Umrechnungskurs finden, die zumindest entsprechende
Anwendung von Art. 35 Zollkodex in den Fällen, in denen der Ermittlung des Zollbetrags dienende Faktoren in
einer Fremdwährung ausgedrückt sind. Anhaltspunkte dafür, dass der zu Grunde gelegte Umrechnungskurs
nicht den Vorgaben des Art. 35 Unterabs. 2 Zollkodex, Art. 168 ff. ZK-DVO entsprechen könnte, hat der Senat
nicht. Auch die Klägerin macht dies nicht geltend.
Dass die Voraussetzungen für die Erhebung des Zusatzzolls im Übrigen vorliegen, und dass die Berechnung
des Zusatzzolls rechnerisch richtig ist, bestreitet die Klägerin nicht. Auch dem Senat drängen sich insoweit
keine Bedenken auf. Weiterer Ausführungen bedarf es daher nicht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.