Urteil des FG Hamburg vom 31.01.2013

FG Hamburg: wohnung, einstellung der zahlungen, getrennt lebender ehegatte, mittelpunkt der lebensinteressen, einkünfte, ausbildung, aufenthalt, anschrift, hotel, umschulung

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Einkommensteuer: Inländischer Wohnsitz eines Piloten bei Stand-by-Zimmer in
Wohngemeinschaft
1. Hat ein Pilot ein voll möbliertes Stand-by-Zimmer in einer Wohnung mit Küche und Bad angemietet, das
ihm zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht, und sucht er dieses Zimmer in Abhängigkeit von seinen
Dienstplänen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf, hat er einen Wohnsitz i. S. des § 8 AO begründet und
unterliegt der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.
2. Das gilt auch dann, wenn der Pilot das Zimmer nur zum Übernachten und nicht als Ausgangspunkt für
Freizeitaktivitäten oder soziale Kontakte nutzt.
NZB, Az.: I B 45/13
FG Hamburg 6. Senat, Urteil vom 31.01.2013, 6 K 224/12
§ 8 AO, § 1 Abs 1 EStG, § 1 Abs 3 EStG, § 1 Abs 4 EStG, § 1a Abs 1 EStG, § 1a Abs 3 EStG, § 49 Abs 1 Nr 4
Buchst e EStG
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in Deutschland in den Streitjahren einen Wohnsitz hatte und
deshalb unbeschränkt steuerpflichtig war.
Der Kläger ist Schweizer Staatsbürger. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die ... und ... geboren wurden.
Ihren Familienwohnsitz verlegten der Kläger und seine Ehefrau im Juli 2000 von A (Deutschland) nach B
(Schweiz).
Seit 1990 ist der Kläger bei der C AG angestellt. Zunächst war er dort als Flugingenieur - auch auf
Flugeinsätzen - tätig. In der Zeit vom 17.11.2002 bis zum 11.05.2005 wurde er zum Co-Piloten ausgebildet und
anschließend von seiner Arbeitgeberin auch als Co-Pilot eingesetzt. Er war durchgehend am Flughafen D
stationiert. Sitz der C AG ist in E (U-Straße ...) nahe D; eine weitere Betriebsstätte unterhält sie ebenfalls in E
(V-Straße ...).
Von Mai 1992 bis September 2000 hatte der Kläger im Dachgeschoss des Vorderhauses in der X-Straße -1 in
E ein sog. Stand-by-Zimmer angemietet. Beim Einwohnermeldeamt E war er zunächst mit Nebenwohnsitz und
in der Zeit vom 20.07.2000 bis zum 01.09.2000 mit Hauptwohnsitz gemeldet; anschließend meldete er sich,
wie zuvor schon seine Familie, in die Schweiz ab. Seit dem 12.07.2010 hat der Kläger unter der im Rubrum
aufgeführten Anschrift eine Wohnung in den USA angemietet.
Der Kläger wurde bis zum Veranlagungszeitraum 1999 gemeinsam mit seiner Ehefrau beim Finanzamt F-1 zur
Einkommensteuer veranlagt. Für die Veranlagungszeiträume ab 2000 beantragte der Kläger beim Beklagten die
Erteilung von Bescheinigungen für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer, wobei er angab, dass
er unter seiner schweizerischen Anschrift seinen Wohnsitz habe und sich nicht im Inland aufhalte. Der
Beklagte erteilte die Bescheinigungen für die Streitjahre jeweils antragsgemäß. Die Arbeitgeberin des Klägers
behielt daher nur für den nach damaliger Rechtslage der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden
Inlandsanteil des vom Kläger erzielten Arbeitslohns Lohnsteuer ein und führte sie ab. In einem am 03.06.2009
beim Beklagten eingereichten Fragebogen zur Wohnsitzprüfung (EStA Bl. 49 ff.) gab der Kläger an, seinen
Wohnsitz in Deutschland im Jahr 2000 vollständig aufgegeben zu haben. Er übernachte durchschnittlich
zweimal monatlich in Deutschland, teilweise in den Ruheräumen der Arbeitgeberin und teilweise in Hotels.
Wegen des Verdachtes, dass mehrere Mitglieder des fliegenden Personals der C-Gruppe einen ausländischen
Wohnsitz vorgetäuscht oder einen inländischen Wohnsitz verschwiegen hätten, führte das Finanzamt für
Strafsachen und Prüfungsdienste in G in der Personalabteilung der C-Gruppe und in den Geschäftsräumen
eines Rechtsanwaltes, der u. a. für den Kläger tätig geworden war, Durchsuchungen durch und übersandte das
sichergestellte Beweismaterial an die Steuerfahndungsstelle H (im Folgenden: Steuerfahndung). Diese leitete
am 15.04.2009 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.
Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger bis zum 31.05.2006 einen inländischen Wohnsitz
unterhalten habe und daher unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Er habe unter der Anschrift
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X-Straße -1 in E ein sog. Stand-by-Zimmer angemietet, das er regelmäßig aufgesucht habe. Der Vermieter Herr
J habe bestätigt, dass der Kläger den mit ihm geschlossenen Mietvertrag auch nach September 2000
fortgesetzt, die bis dahin per Überweisung gezahlte Miete von DM 300,00 bzw. später € 150,00 von da an aber
nur noch bar gezahlt habe. Weiteres Indiz für die Annahme eines Wohnsitzes in der X-Straße -1 in E seien die
regelmäßigen Bargeldabhebungen des Klägers an einem im Nachbarhaus (X-Straße -2) gelegenen
Geldautomaten der Bank-1 im Zeitraum Oktober 2000 bis Mai 2006. Schließlich habe der Kläger die Anschrift
X-Straße -1 gegenüber seiner Arbeitgeberin bis November 2004 als zweiten Wohnsitz angegeben. Die
Steuerfahndung stützte ihr Ermittlungsergebnis vor allem auf folgende Unterlagen, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird:
- Aktenvermerke vom 16.02.2009, 14.04.2009 und 10.11.2005 über Gespräche der
Fahndungsprüfer mit Herrn AJ (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bd. I Bl. 35 ff.);
- Schreiben der C AG vom 06.01.2009 (RbA Bd. I Bl. 38);
- E-Mail-Schreiben der C AG vom 11.03.2009 und Dienstpläne des Antragstellers für den Zeitraum
Juni 2000 bis Dezember 2006 (RbA Bd. I Bl. 65 ff.);
- anhand der Dienstpläne und der von der Bank-2 überlassenen Unterlagen für das dort geführte
Konto des Antragstellers von der Steuerfahndung erstellte Listen "Bewegungsdaten" des
Antragstellers (RbA Bd. I Bl. 43 ff., 157 ff., 162 ff.) und
- Protokolle über die Vernehmungen des Vermieters, Herrn AJ, und seines Sohnes, Herrn BJ, vom
29.06.2011 (RbA Bd. II Bl. 126 ff.).
Nach Auffassung der Steuerfahndung war daher für den Veranlagungszeitraum 2000 eine
Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau durchzuführen. Für die folgenden
Veranlagungszeiträume seien Einzelveranlagungen vorzunehmen. Für die Zeit vom 01.06. bis zum 31.12.2006
sei der Kläger nur noch beschränkt steuerpflichtig gewesen mit der Folge, dass seine inländischen Einkünfte in
die Steuerpflicht einzubeziehen und der Arbeitslohn im Übrigen im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu
berücksichtigen sei. Hinsichtlich der einzelnen von der Steuerfahndung angenommenen
Besteuerungsgrundlagen wird auf den Bericht vom 08.12.2009 (Tz. 2.1. bis 2.8., EStA Bl. 169 ff.) und die
Anlagen 1a bis 2 g (EStA Bl. 173 ff.) sowie auf die Aufstellung zur Schätzung der Werbungskosten (RbA Bd. I
Bl. 185) Bezug genommen.
Der Beklagte erließ unter Zugrundelegung der Feststellungen der Steuerfahndung am 21.10.2010 einen
Einkommensteuerbescheid für 2000 (festgesetzte Steuer: € 15.235,48) und am 25.10.2010
Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2006 (Einkommensteuer 2001: € 28.468,73; 2002: € 22.240,00; 2003:
€ 28.909,00; 2004: € 23.651,00; 2005: € 25.301,00; 2006: € 14.825,00).
Mit Schreiben vom 03.11.2010 legte der Kläger Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide ein. Er habe
lediglich bis zum September 2000 eine Schlafmöglichkeit im Dachgeschoss des Gebäudes X-Straße -1
gemietet. Mit dem Umzug in die Schweiz und der Einstellung der Zahlungen an Herrn J habe die
Vertragsbeziehung mit ihm geendet. Die Barabhebungen von dem Geldauszahlungsautomaten der Bank-1
hätten mit den angeblichen Mietzahlungen nichts zu tun. Der Automat habe auf dem Weg zwischen dem S-
Bahnhof E und dem Firmensitz der Arbeitgeberin gelegen; bisweilen habe er, der Kläger, auf dem Weg vom D
Flughafen zum Arbeitsplatz dort Geld abgehoben. Den Schlüssel habe er Herrn J im September 2000
zurückgegeben. Daher sei der Tatbestand des Innehabens einer Wohnung i. S. des § 8 Abgabenordnung (AO)
nicht erfüllt. Er, der Kläger, habe im fraglichen Zeitraum auch nicht mehr in der X-Straße -1 übernachtet,
sondern sei nach Möglichkeit von dem neuen Familienwohnsitz in B zur Arbeit geflogen oder mit dem Zug
gefahren. Wenn es sich nicht anders habe einrichten lassen, habe er in Hotels übernachtet, vorzugsweise im
Hotel K in E. In der Zeit vom 17.11.2003 bis zum 05.05.2005 habe er wegen der Umschulung überhaupt nicht
in Deutschland übernachtet. Den theoretischen Teil der Umschulung habe er in Form eines Fernlehrgangs via
Internet von B aus durchgeführt und sei währenddessen nicht im Flugdienst eingesetzt worden. Den
praktischen Teil der Ausbildung habe er in Kroatien absolviert. Vom dritten Quartal 2004 bis März 2005 sei er
krankgeschrieben gewesen. Der Streckeneinsatz habe erst am 11.05.2005 wieder begonnen, allerdings habe
er, der Kläger, von da an nur noch in L und M übernachtet. Im Ergebnis fehle es somit an der erforderlichen
Verfügungsbefugnis über die angeblich angemietete Wohnung und an deren tatsächlicher Nutzung. Zudem sei
ihm, dem Kläger, aus der Zeit, in der er im Dachgeschoss des Hauses X-Straße -1 übernachtet habe, bekannt,
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dass diese Wohnung weder über eine Küche noch über ein Badezimmer verfüge und die vorhandenen Betten
von verschiedenen Personen benutzt worden seien, so dass von einem "Bewohnen" ohnehin keine Rede sein
könne. In Bezug auf die von der Steuerfahndung angenommenen Besteuerungsgrundlagen sei anzumerken,
dass die an Herrn J angeblich gezahlten Mieten offenbar nicht als Werbungskosten abgezogen worden seien
und dass die Schichtzulage in Höhe von 19,9 % entgegen der entsprechenden Verfügung der OFD D nicht
steuerfrei belassen worden sei.
Der bei Gericht gestellte Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide
wurde mit Beschluss vom 30.08.2011 (Az. 6 V 54/11) abgelehnt und der Antrag auf Änderung dieses
Beschlusses mit Beschluss vom 30.11.2011 (Az. 6 V 161/11).
Mit Schreiben vom 27.10.2011 stellten der Kläger und seine Ehefrau beim Beklagten einen Antrag auf
Zusammenveranlagung für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2006. Der Beklagte forderte den Kläger und
seine Ehefrau daraufhin mit Schreiben vom 10.11.2011 zur Vorlage der von der schweizerischen
Steuerverwaltung unterzeichneten sog. "Bescheinigungen außerhalb EU/EWR" über die Höhe der
ausländischen Einkünfte auf.
Da diese Bescheinigungen trotz Erinnerung nicht eingereicht wurden, wies der Beklagte den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 18.09.2012 als unbegründet zurück. Der Kläger habe im streitigen Zeitraum in
der X-Straße -1 in E einen Wohnsitz unterhalten. Auch Stand-by-Wohnungen des fliegenden Personals könnten
einen steuerlichen Wohnsitz im Inland begründen. Sowohl die Erdgeschoss- als auch die
Dachgeschosswohnung erfüllten nach Größe und Ausstattung die Voraussetzungen für eine Wohnung. Dafür,
dass mehr als nur ein reiner Schlafplatz vermietet worden sei, spreche die Höhe der vereinbarten Miete. Das
angemietete Zimmer habe dem Kläger zur jederzeitigen Benutzung zur Verfügung gestanden. Dass der Kläger
das Zimmer auch tatsächlich genutzt habe, ergebe sich aus der glaubhaften Aussage des Vermieters und den
regelmäßigen Geldabhebungen am Geldautomaten der Bank-1 im Nachbarhaus, die, da sie für den Kläger
gebührenpflichtig gewesen seien, nur durch das Aufsuchen der Stand-by-Wohnung erklärt werden könnten. Die
Darstellung des Klägers, er habe den Geldautomaten auf dem Arbeitsweg von der S-Bahn-Station E
aufgesucht, sei nicht glaubhaft. Denn hierfür hätte er einen Umweg in Kauf nehmen müssen, während er ohne
Umweg und zudem ohne Gebührenpflicht an zwei anderen Automaten Geld hätte abheben können. Ferner
ergäben sich aus den Kontoauszügen des Klägers erst für die Zeit nach Mai 2006 regelmäßige Abbuchungen
für Übernachtungen im Hotel K in E. Aus den Dienstplänen sei ersichtlich, dass D regelmäßiger Ort des
Beginns und Endes von Flugeinsätzen gewesen sei. Während der Umschulung habe die theoretische und die
Simulatorausbildung nach Auskunft der Arbeitgeberin ebenfalls in D stattgefunden. Schließlich habe der Kläger
im gesamten Zeitraum einen Mobilfunkvertrag mit dem deutschen Anbieter ... unterhalten und gegenüber seiner
Arbeitgeberin zumindest bis November 2004 die Anschrift X-Straße -1 als zweiten Wohnsitz und die auf den
Namen eines Kollegen unter vorgenannter Anschrift registrierte Festnetznummer hinterlegt. Aus den vom
Kläger im Verfahren 6 V 161/11 vorgelegten AIDA-Auszügen ergebe sich nichts anderes. Die z. T.
geschwärzten Auszüge über die angeblichen Flüge des Klägers zwischen D und N sagten nichts darüber aus,
ob und wann er in der Wohnung übernachtet habe. Bei der Steuerfestsetzung sei die Steuerfreiheit der
Schichtzulage ebenso berücksichtigt worden wie der Mietaufwand im Rahmen der Schätzung der
Werbungskosten. In den Veranlagungszeiträumen 2001 bis 2006 sei keine Zusammenveranlagung
durchzuführen, da der Kläger die angeforderten Bescheinigungen nicht eingereicht habe und davon auszugehen
sei, dass die Ehefrau des Klägers nicht unerhebliche eigene Einkünfte gehabt habe.
Der Kläger hat am 19.10.2012 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe das bis zum 31.08.2000 angemietete
Zimmer in der Dachgeschosswohnung des Hauses in der X-Straße -1 ab dem 01.09.2000 nicht mehr genutzt.
Die Wohnung habe aus zwei spartanisch eingerichteten Zimmern, Küche und Bad bestanden und sei von
insgesamt drei Piloten genutzt worden. Einen Schlüssel für das Zimmer habe er, der Kläger, nicht besessen.
Soweit der Beklagte behaupte, er, der Kläger, habe durchgehend bis 2006 ein Zimmer in der
Erdgeschosseinheit des Hauses genutzt, so stehe diese Behauptung in Widerspruch zu den Zeugenaussagen
des Vermieters und seines Sohnes. Danach habe er, der Kläger, bis 2002 gemeinsam mit zwei anderen Piloten
die aus zwei Zimmern, Küche und Bad bestehende und 36 qm große Dachgeschosseinheit benutzt, sei im Jahr
2002 in die Drei-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss umgezogen und habe dieses Zimmer nur bis 2004 benutzt,
in 2005 und 2006 also nicht mehr.
Träfen diese Aussagen zu, handelte es sich um die typische Nutzung eines Stand-by-Zimmers durch
Angehörige des fliegenden Personals und damit um die Nutzung zum bloßen Übernachten, vergleichbar mit der
Nutzung stets desselben Pensions- oder Hotelzimmers oder der Nutzung des von der Arbeitgeberin zur
Verfügung gestellten Ruheraumes. Wohnen sei aber etwas anderes als Übernachten und genüge nicht zur
Annahme eines Wohnsitzes i. S. des § 8 AO. Um pflichtgemäß ausgeruht morgens zum Dienst erscheinen zu
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können oder bei Spätankünften nicht übermüdet sofort die weite Fahrt in die Schweiz zu seiner Familie
antreten zu müssen, habe er, der Kläger, keinen Grund gehabt, in Deutschland eine Wohnung zu unterhalten,
sondern allenfalls, eine reine Schlafmöglichkeit in Arbeitsplatznähe zu haben, bei der nicht die Gefahr einer
Ausbuchung bestehe. Bei einem gut situierten Steuerpflichtigen wie ihm, dem Kläger, spreche eine Vermutung
dafür, dass er primitiv eingerichtete Räumlichkeiten wie die streitgegenständlichen allenfalls für die eine oder
andere Übernachtung nutzen würde, nicht jedoch zum Wohnen i. S. des § 8 AO, also etwa zur Pflege sozialer
Kontakte, zu Verwandtenbesuchen oder zur Wahrnehmung sportlicher oder kultureller Aktivitäten. Das
Hessische FG habe mit Urteil vom 12.04.2012 (Az. 3 K 1061/09) entschieden, dass ein Stand-by-Zimmer nicht
zu Wohnzwecken genutzt werde, wenn es lediglich Übernachtungszwecken diene.
Wegen des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens bzgl. dieses Urteils (Az. I R 50/12) sei eine
Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO sinnvoll, sofern der Beklagte in dieser Zeit von der
Vollstreckung absähe.
Wegen des weiteren Inhalts der Klagebegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 19.10.2012 und die
dort in Bezug genommenen Anlagen verwiesen (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 33 ff., FGA Anlagenband)
sowie auf den Schriftsatz vom 29.01.2013 nebst Anlage (FGA Bl. 126 ff.).
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide für 2000 vom 21.10.2010 und für 2001 bis 2006 vom 25.10.2010,
jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.09.2012, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt auf die Begründung der Einspruchsentscheidung und die Schriftsätze im Verfahren 6 V
54/11 Bezug und trägt ergänzend vor, das vom Kläger zitierte Urteil des Hessischen FG betreffe einen anderen
Sachverhalt. Dort habe es sich um ein einfaches Kellerzimmer gehandelt, das nicht in einer abgeschlossenen
Wohnung gelegen habe und von mehreren Personen genutzt worden sei. Demgegenüber handele es sich im
hiesigen Fall um eine abgeschlossene Wohnung mit mehreren Zimmern, Bad, Küche und Fernseher. Der
Kläger habe von Beginn an ein eigenes Zimmer gehabt, das er nicht mit anderen habe teilen müssen. Die
Wohnung sei geeignet gewesen, sich dort einzurichten. Die Bewohner, die dort über einen sehr langen Zeitraum
in unveränderter Zusammensetzung zusammen gewohnt hätten, hätten sich auch tatsächlich dort eingerichtet
und gemeinsam aufgehalten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen AJ und BJ. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme und des weiteren Inhalts der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2013 wird auf die
Sitzungsniederschrift Bezug genommen (FGA Bl. 139 ff.).
Dem Gericht haben Band I der Einkommensteuerakten und Bände I und II der Rechtsbehelfsakten (St.-Nr.
.../.../...) vorgelegen. Ferner hat das Gericht die Gerichtsakten in den Verfahren 6 V 54/11 und 6 V 161/11
beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
I.
Der Beklagte ging zu Recht davon aus, dass die Einkünfte des Klägers in der Zeit vom 01.01.2000 bis zum
31.04.2006 im Inland vollen Umfangs steuerpflichtig waren (1.) und das deutsche Besteuerungsrecht nicht
ausgeschlossen war (2.), und hat die Besteuerungsgrundlagen nach Grund und Höhe zutreffend geschätzt (3.).
Festsetzungsverjährung war nicht eingetreten (4.).
1. Der Arbeitslohn des Klägers unterlag bis zum 31.05.2006 vollen Umfangs der deutschen Besteuerung.
a. Im Falle einer beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) von Personen
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG der
gesamte Arbeitslohn aus einer an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs, das
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gesamte Arbeitslohn aus einer an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs, das
von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, ausgeübten nichtselbständigen Arbeit
(Tätigkeit) der Besteuerung im Inland. Jedoch gilt diese Fassung der Vorschrift erst seit dem 01.01.2007
(eingeführt durch Steueränderungsgesetz vom 19.07.2006, BGBl I 2006, 1652). Nach der in den Streitjahren
geltenden Fassung der Vorschrift unterlag bei derartigen Einkünften hingegen nur der sog. Inlandsanteil der
inländischen Besteuerung.
b. Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.05.2006 jedoch unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig, weil er einen Wohnsitz im Inland innehatte, so dass deshalb der gesamte
Arbeitslohn einschließlich des sog. Auslandsanteils der deutschen Besteuerung unterlag.
Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG natürliche Personen, die im Inland
einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz hat jemand gemäß § 8 AO dort, wo
er eine Wohnung (aa.) unter Umständen innehat (bb.), die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung
beibehalten und benutzen wird (cc.). Der Wohnsitz i. S. des § 8 AO muss nicht den Mittelpunkt der
Lebensinteressen der betreffenden Person darstellen. Ein Steuerpflichtiger kann vielmehr gleichzeitig mehrere
Wohnsitze i. S. des § 8 AO haben, die im In- und/oder Ausland gelegen sein können. Auf einen Vergleich der
Wohnung mit einer anderen nach Größe und Ausstattung kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R
56/02, BFH/NV 2004, 917).
aa. Bei dem vom Kläger angemieteten Stand-by-Zimmer handelt es sich um eine Wohnung i. S. des § 8 AO.
aaa. Die für den Wohnsitz vorausgesetzte Wohnung erfordert Räumlichkeiten, die zum dauerhaften Wohnen
objektiv geeignet sind. Sie müssen eine selbständige Lebensführung ermöglichen, also so ausgestattet sein,
dass sie ihren Bewohnern eine dauerhafte Bleibe bieten. Das setzt eine feste Abgrenzung zur Umwelt durch
Wände und eine Decke und eine örtliche Fixierung voraus. Da das Wohnen durch eine private Atmosphäre
gekennzeichnet ist (Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 16), sind neben einer gewissen
Mindestausstattung eine Mindestgröße bzw. ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit und eine
Rückzugsmöglichkeit (durch eine abschließbare Tür) erforderlich (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO/FGO, § 8 AO Rz. 20 ff.) Dabei ist unerheblich, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder fremden Möbeln
ausgestattet sind (Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Rz. 5 m. w. N.; Schwarz in Schwarz, AO, § 8 Rz. 7
m. w. N.). Eine sog. Stand-by-Wohnung mit minimalem Ausstattungsstandard ist eine Wohnung in diesem
Sinne (Hessisches FG, Urteile vom 12.04.2012 3 K 1061/09, EFG 2012, 1718, noch nicht rechtskräftig; vom
13.12.2010 3 K 1060/09, juris; FG Hamburg, Urteil vom 10.07.2008 6 K 56/06, juris; Musil in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 23). Selbst ein kleines Stand-by-Zimmer im Keller mit
minimalem Ausstattungsstandard und Gemeinschaftsbad und ohne Kochgelegenheit erfüllt - gerade noch - den
Begriff der Wohnung (Hessisches FG, Urteil vom 12.04.2012 3 K 1061/09, EFG 2012, 1718).
bbb. Bei der Dachgeschosswohnung in der X-Straße -1 handelt es sich um eine Wohnung in diesem Sinne. Sie
war 36 qm groß und bestand aus zwei Zimmern, einer Kochnische und einem mit einem Duschbad, einem WC,
einem Waschbecken und einem Spiegelschrank ausgestatteten Badezimmer. Das Zimmer, das nach der
Aussage des Zeugen AJ von dem Kläger angemietet war und genutzt wurde, hatte nach dieser Aussage eine
Bodenfläche von 18 qm und war mit einem Bett, einem Schrank, einem Tisch, einem Sofa und einem Sessel
eingerichtet. Der Sohn des Vermieters, Herr BJ, hat ausgesagt, das Zimmer sei statt mit einem Sessel mit
zwei Stühlen eingerichtet gewesen und zusätzlich mit einem Sideboard. Der erkennende Senat misst diesen
geringfügigen Abweichungen weder in rechtlicher Hinsicht noch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen
entscheidende Bedeutung bei.
Entsprechendes gilt für die Erdgeschosswohnung. Diese war 76 qm groß und bestand aus drei Zimmern, einer
voll ausgestatteten Küche und einem Badezimmer mit Waschbecken, WC und Badewanne. Das nach der
Aussage des Zeugen AJ vom Kläger gemietete Zimmer war danach mit zwei Betten, einem Schrank, einem
Tisch und zwei Stühlen ausgestattet. Der Zeuge BJ hat dies bestätigt, statt eines Bettes aber ein Schlafsofa
genannt. Der Senat geht davon aus, dass der Zeuge AJ mit den von ihm genannten zwei Betten zwei
Schlafgelegenheiten meinte.
Der Kläger hat die von den Zeugen geschilderte Größe und Ausstattung der Wohnungen und der Zimmer nicht
in Abrede gestellt.
bb. Der Kläger hatte diese Wohnung auch inne im Sinne der Vorschrift.
Für das "Innehaben" i. S. des § 8 AO ist zum einen erforderlich, dass der Steuerpflichtige über die Wohnung
verfügen kann (aaa.), und zum anderen, dass er sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit (bbb.) zu
Wohnzwecken (ccc.) aufsucht (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294).
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aaa. Verfügungsmacht über die Wohnung hat der Mieter, auch wenn er die Wohnung mit anderen Personen
gemeinsam (z. B. in Form einer Wohngemeinschaft) anmietet (Schwarz in Schwarz, AO, § 8 Rz. 8; Musil in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 29).
(1) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger jedenfalls vom 01.01.2000 bis zum 31.08.2000 ein
Zimmer in der X-Straße -1 angemietet hatte.
(2) Nach der Beweisaufnahme und aufgrund des Akteninhalts steht zur Überzeugung des erkennenden Senats
fest, dass zwischen dem Zeugen AJ und dem Kläger auch nach dem 31.08.2000 ein Mietverhältnis bestand,
und zwar bis 2002 über ein Zimmer in der Dachgeschosswohnung und im unmittelbaren Anschluss über ein
Zimmer in der Erdgeschosswohnung, jeweils verbunden mit einem Mitbenutzungsrecht der Küche und des
Badezimmers, zu einem monatlichen Mietzins von zunächst DM 300,00 und später € 150,00. Dies hat sowohl
der Zeuge AJ, der Vermieter, bestätigt als auch der Zeuge BJ, sein Sohn. Beide wohnten in dem streitigen
Zeitraum auf dem Grundstück, der Zeuge AJ mit seiner Ehefrau im ersten Obergeschoss des Vorderhauses, in
dem sich auch die betroffenen Wohnungen befinden, und der Zeuge BJ mit seiner Familie im Hinterhaus.
Der Senat hält diese übereinstimmenden Zeugenaussagen für glaubhaft. Die Zeugen haben bei ihren Antworten
immer deutlich gemacht, wenn sie sich an einen Umstand nicht erinnern konnten, wie etwa an Einzelheiten zu
anderen Mietern oder an das konkrete Ende des Mietverhältnisses mit Herrn O (dazu s. unten unter (3)). Vor
allem besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Zeugen die Unwahrheit sagen könnten. Sie haben kein
ersichtliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits oder daran, dem Kläger zu schaden.
Die jedenfalls im Einspruchsverfahren und im Verfahren 6 V 54/11 noch aufrecht erhaltene Behauptung des
Klägers, das Mietverhältnis sei im September 2000 beendet worden, stellt sich danach als reine
Schutzbehauptung dar, die im Übrigen auch dadurch entkräftet wird, dass der Kläger selbst die X-Straße -1
gegenüber seiner Arbeitgeberin bis November 2004 als zweiten Wohnsitz angegeben hat (vgl. Schreiben der C
AG vom 06.01.2009, RbA Bd. I Bl. 38).
(3) Das Mietverhältnis dauerte nach der Überzeugung des erkennenden Senats bis Ende Mai 2006 an.
Zwar konnten sich die beiden Zeugen an das Ende des Mietverhältnisses nicht mehr erinnern. Beide haben auf
Nachfrage nicht ausgeschlossen, dass es bereits 2004 geendet haben könnte, ohne diesen Zeitpunkt aber zu
bestätigen. Der Zeuge AJ hat erklärt, er habe den Kläger nach dessen Pilotenausbildung nicht mehr gesehen.
Wegen des Zeitablaufs seit diesen Jahren und der großen Zahl an Mietern, die nach beiden Aussagen in den
beiden Wohnungen insgesamt gewohnt haben, ist es nachvollziehbar, dass den Zeugen das genaue Ende des
Mietverhältnisses mit dem Kläger nicht erinnerlich war.
Dass das Mietverhältnis nicht im Jahr 2004 oder mit dem Abschluss der Umschulung des Klägers im Mai 2005
geendet hat, ergibt sich jedoch aus einem Testanruf der Steuerfahndung bei Herrn AJ am 10.11.2005.
Ausweislich des hierüber erstellten Aktenvermerks (RbA Bd. I Bl. 37) gab sich der Beamte der Steuerfahndung
als ehemaliger Kollege des Herrn O aus und bat, ihn sprechen zu dürfen. Herr J habe daraufhin die Auskunft
erteilt, der Kläger sei zurzeit im Urlaub und erst im Dezember wieder zurück. Nach seinem Dienstplan hatte der
Kläger vom 31.10. bis zum 27.11.2005 tatsächlich freie Tage bzw. Urlaub.
Der Zeuge AJ hat bei seiner Vernehmung durch die Steuerfahndung am 29.06.2011 (RbA Bd. I Bl. 126 ff.)
ausdrücklich erklärt, der Kläger habe bis 2006 bei ihm gewohnt, und konnte sich nur nicht an den Monat des
Auszugs erinnern. Er war sich allerdings sicher, dass der Kläger am 10.06.2006, dem ... der Ehefrau des
Zeugen, nicht mehr dort wohnte. Bei seinem ersten Gespräch mit der Steuerfahndung am 12.02.2009 hat Herr
J nach dem Aktenvermerk der Steuerfahndung vom 16.02.2009 (RbA Bd. I Bl. 35) angegeben, der Kläger sei in
2006, und zwar etwa im Juni, ausgezogen.
Der Senat geht davon aus, dass diese Aussagen zutreffend waren und der Zeuge sich wegen des Zeitablaufs
seitdem und insbesondere seit dem Streitzeitraum bei seiner jetzigen Vernehmung nicht mehr an den Zeitpunkt
der Beendigung des Mietverhältnisses erinnern konnte. Dabei stützt der Senat sich auf die regelmäßigen
Geldabhebungen, die der Kläger an dem im Nachbarhaus X-Straße -2 gelegenen Geldautomaten getätigt hat.
Diese Geldabhebungen fanden während des gesamten Streitzeitraums statt, auch noch am 03.05.2006 (€
100,00) und am 16.05.2006 (€ 150,00; RbA Bd. I Bl. 160). Da sich dieser Automat aber in dem Gebäude neben
dem Haus X-Straße -1 befand, ist davon auszugehen, dass der Kläger vor oder nach den Geldabhebungen das
von ihm gemietete Zimmer in diesem Haus aufgesucht und die abgehobenen Beträge, die sich immer auf €
100,00 bis € 400,00 beliefen, zumindest z. T. zur Bezahlung der Miete verwendet hat. Dass der Kläger mit den
im Mai 2006 abgehobenen Beträgen lediglich Mietrückstände für eine frühere Zeit beglichen hat, ist aufgrund
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der zweimaligen Abhebung jeweils eines geringen Betrages unwahrscheinlich und wurde von ihm auch nicht
geltend gemacht.
Die Erklärung des Klägers im Einspruchsverfahren, er habe diese Abhebungen auf dem Weg von der S-Bahn-
Station E zum Betriebsgelände der C AG getätigt, ist unglaubhaft. Ausweislich der Straßenkarte von E (RbA
Bd. I Bl. 165) liegt dieser Automat keineswegs auf diesem Weg. Unmittelbar auf diesem Weg lagen vielmehr
zwei Geldautomaten der Bank-3 ... (Y-Straße ... und Z-Straße ...), an denen der Kläger sogar gebührenfrei
hätte Geld abheben können, während die Abhebungen an dem Automaten der Bank-1 in der X-Straße -2 für ihn
gebührenpflichtig waren.
Hinzu kommt, dass der Kläger nach seinen Kontounterlagen erst ab Juni 2006 - erstmalig am 25.06.2006 -, und
von da an regelmäßig, Kartenzahlungen im Hotel K in E vorgenommen (RbA Bd. I Bl. 160 f.) und nicht
dargelegt und unter Beweis gestellt hat, wo in D er bis einschließlich Mai 2006 übernachtet haben sollte, wenn
nicht in dem Stand-by-Zimmer in der X-Straße.
(4) Der Kläger hatte auch die alleinige Verfügungsmacht über die von ihm gemieteten Zimmer. Nach den
übereinstimmenden Aussagen der Zeugen J hat der Kläger sowohl im Dach- als auch im Erdgeschoss jeweils
ein Zimmer allein gemietet. Andere Personen waren danach während der Dauer des Mietverhältnisses mit dem
Kläger nicht zur Benutzung dieser Zimmer befugt und haben diese auch nicht benutzt. Der Senat misst der
vom Kläger eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Herrn P, der danach bis 2004 ebenfalls Mieter des
Herrn J war und erklärt hat, die Wohnung im Erdgeschoss sei auch von den Mietern des Dachgeschosses
genutzt worden, wenn das Dachgeschoss voll besetzt oder zu heiß gewesen sei, demgegenüber keine
Bedeutung bei, da Herr P nicht behauptet hat, auch das Zimmer des Klägers jemals selbst benutzt oder
wahrgenommen zu haben, dass es von anderen benutzt worden sei. Auch die Bekundung des Zeugen BJ, die
Zimmer seien immer bettenweise vermietet worden, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Zeuge den
Kläger ausdrücklich ausgenommen und erklärt hat, dieser habe sein Zimmer stets allein gehabt.
Die Zeugen haben darüber hinaus bestätigt, dass dem Kläger die Schlüssel zum Hoftor, zur Haustür und zum
Zimmer ausgehändigt worden waren. Der Kläger hatte damit die tatsächliche Verfügungsgewalt über sein
Zimmer und die Möglichkeit, andere Personen als seine Mitmieter von dessen Nutzung auszuschließen.
Dass der Kläger in seinem Zimmer nach den übereinstimmenden Aussagen beider Zeugen seine Uniform und
nach Aussage des Zeugen BJ einen Koffer aufbewahrte, in dem sich vermutlich persönliche Gegenstände
befanden, ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Kläger die durchgehende Verfügungsmacht über das jeweils
gemietete Zimmer hatte.
(5) Der Mietvertrag wurde nach diesen Aussagen zwar nur mündlich geschlossen. Nach § 550 Satz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt die Nichteinhaltung der Schriftform allerdings nicht zur Unwirksamkeit
des Vertrages, sondern bei Mietverträgen, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, dazu, dass sie
für unbestimmte Zeit gelten.
bbb. Der Kläger hat die beiden Zimmer auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht.
(1) In tatsächlicher Hinsicht ist für das "Innehaben" einer Wohnung deren Nutzung zu Wohnzwecken
erforderlich, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu
Verwaltungszwecken hinausgehen, andererseits aber weder regelmäßig noch über längere Zeit erfolgen muss.
Der Steuerpflichtige muss sich nicht während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich in
der Wohnung aufhalten (BFH-Beschluss vom 31.05.2006 I B 79/05, juris; BFH-Urteile vom 28.01.2004 I R
56/02, BFH/NV 2004, 917; vom 19.03.2002 I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411; vom 24.01.2001 I R 100/99,
BFH/NV 2001, 1402). Sucht ein Mitglied des fliegenden Personals eine Stand-by-Wohnung über mehrere Jahre
regelmäßig in Abhängigkeit von seinen dienstlichen Einsatzplänen zu Wohnzwecken auf, hat es die Wohnung
auch dann inne i. S. des § 8 AO, wenn die absolute Zahl der Aufenthaltstage pro Jahr gering ist (FG Hamburg,
Urteil vom 10.07.2008 6 K 56/06, juris).
(2) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die Wohnung in der X-Straße -1 in der Zeit vom 01.10.2000
bis zum 31.05.2006 mit hinreichender Regelmäßigkeit aufgesucht hat.
(a) Für die Zeit vor und nach der Ausbildung des Klägers zum Co-Piloten (vom 17.11.2002 bis zum 11.05.2005)
ist aus den von seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Dienstplänen ersichtlich, dass er laufend aus D
starten und dort landen musste. Hinzu kamen zahlreiche Simulatortrainings, die der Kläger z. T. in N absolviert
hat, überwiegend aber in D, sowie in der Zeit vor der Umschulung monatliche Einsatzreservezeiten.
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Die beiden vernommenen Zeugen konnten zwar keine genauen Angaben darüber machen, wie oft der Kläger
sein Stand-by-Zimmer aufgesucht hat, haben aber beide erklärt, ihn dort in - bedingt durch die Einsatzpläne -
unregelmäßigen Abständen, aber doch immer wieder gesehen zu haben.
Der Kläger selbst hat in dem von ihm am 02.06.2009 ausgefüllten Fragebogen zur Wohnsitzprüfung
angegeben, durchschnittlich zweimal im Monat in D übernachten zu müssen. Dass sich dieser Umstand über
die Jahre seines Flugdienstes geändert hätte, ist nicht erkennbar. Der Kläger war nach Auskunft seiner
Arbeitgeberin seit 2000 durchgehend am Flughafen D stationiert.
(b) Aber auch während der Ausbildung zum Co-Piloten in der Zeit vom 17.11.2002 bis zum 11.05.2005 war der
Kläger laufend in D. Aus der von der Steuerfahndung erstellten Liste "Bewegungsdaten" (RbA Bd. I Bl. 43 ff.)
ist ersichtlich, dass der Kläger zwar einige Wochen zur praktischen Ausbildung in Kroatien war (im Mai, Juni
und November 2003 sowie im Januar 2004) und dort Geld abgehoben hat. Unmittelbar davor und danach sowie
in den Monaten dazwischen war er aber auch immer in D.
Zwar muss der Kläger nicht zwangsläufig jedes Mal die Wohnung aufgesucht und dort übernachtet haben,
wenn er in D war. Dafür, dass er dies aber in jedem Veranlagungszeitraum mehrfach getan hat, sprechen die
Bargeldabhebungen von dem Geldautomaten der Bank-1 in E (vgl. von der Steuerfahndung anhand der
Kontounterlagen erstellte Übersicht, RbA Bd. I Bl. 163 ff.: jeweils drei Abhebungen in 2002, 2003 und 2006,
zwölf in 2004 und acht in 2005).
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger die Wohnung während seiner Ausbildung häufiger aufgesucht und
dort gewohnt hat, als die Bargeldabhebungen am Automaten der Bank-1 indizieren. Bei lebensnaher
Betrachtung ist unwahrscheinlich, dass der Kläger jedes Mal vor dem Aufsuchen der Wohnung eine
Bargeldabhebung vorgenommen hat. Da der Kläger nach seinen Dienstplänen in 2003 an 42 Tagen und in 2004
an 48 Tagen (nach dem Klägervortrag nur an 41 Tagen, jedoch ist diese Diskrepanz nicht
entscheidungserheblich) seinen Dienst in D antreten musste (vgl. Aufstellung der Steuerfahndung, RbA Bd. I
Bl. 185), ist davon auszugehen, dass er die Mehrzahl der Nächte davor in der Wohnung in E verbracht hat. So
fand nach den von ihm eingereichten Dienstplänen beispielsweise am 19., 20. und 21.10.2004 jeweils von
16.00 bis 20.00 ein Simulatortraining in D statt. Bei lebensnaher Betrachtung ist aber nicht anzunehmen, dass
er zwischendurch jedes Mal in die Schweiz zurückgekehrt ist. Zudem wäre es unwirtschaftlich gewesen, das
Zimmer während der gesamten Ausbildung beizubehalten und hierfür monatlich € 150,00 aufzuwenden, wenn
man es gar nicht bzw. nur dreimal pro Jahr aufsucht.
Im Ergebnis ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger von 1992 bis 2006 durchgehend ein Zimmer in der X-
Straße angemietet und dieses in allen Jahren regelmäßig aufgesucht hat, unschädlich, dass die absolute Zahl
des Aufenthaltstage in den Jahren 2003 und 2004 geringer als sonst gewesen sein mag.
(c) Dass der Kläger bestreitet, im fraglichen Zeitraum in der Wohnung in der X-Straße -1 übernachtet zu haben,
hält der erkennende Senat danach für eine Schutzbehauptung. Da die Frage, ob, wann und wo genau der
Kläger in E bzw. D übernachtet und wann und wie er seinen Wohnort in der Schweiz aufgesucht hat, Umstände
aus seiner persönlichen Sphäre betrifft, hätte es ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oblegen, diese
Umstände detailliert oder zumindest exemplarisch darzulegen und unter Beweis zu stellen. Dies hat der Kläger
jedoch nicht getan. Es fehlt bereits an einem detaillierten Vortrag dazu, wann und wo er während des
regelmäßigen Flugdienstes in D oder E übernachtet hat, so etwa am 14./15.12. und am 21./22.12.2005 (vgl.
Aufstellung des Klägers gemäß Anlage K 11, FGA Anlagenband). Im Übrigen sind die Angaben des Klägers in
dieser Aufstellung nicht glaubhaft, weil sie z. T. den Zeitpunkten der Geldabhebungen in E widersprechen (z.
B. angeblich Abreise am 08.10.2000 nachmittags nach B, Geldabhebung in E aber um 20.17 Uhr, Abreise nach
B am 30.11.2000 morgens, Geldabhebung in E um 14.31 Uhr). Erst recht hat der Kläger seinen Vortrag,
überwiegend in die Schweiz zurückgefahren zu sein und im Übrigen im Hotel K übernachtet zu haben, in keiner
Weise belegt, etwa durch Hotelrechnungen oder Fahrkarten. Wie ausgeführt, ist aus den Kontounterlagen
ersichtlich, dass der Kläger Kartenzahlungen für das Hotel erst ab Juni 2006 geleistet hat, während er zuvor
regelmäßig Bargeld von dem neben dem Haus der Familie J in der X-Straße befindlichen Geldautomaten
abgehoben hat.
ccc. Entgegen der Auffassung des Klägers hat er das Zimmer zu Wohnzwecken aufgesucht.
(1) Soweit der Kläger behauptet, das Zimmer sei nur aus beruflichen Gründen und zu Übernachtungszwecken
erforderlich gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass auch das Übernachten einen Wohnvorgang darstellt (ebenso
Hessisches FG, Urteil vom 13.12.2010 3 K 1060/09, EFG 2011, 1133; FG Hamburg, Urteil vom 10.07.2008 6 K
56/06, juris). Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers und des Hessischen FG (Urteil vom 12.04.2012
3 K 1061/09, EFG 2012, 1718), dass Wohnen mehr ist als Übernachten. Da auch ein Übernachten häufig mit
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einer Nahrungsaufnahme vorher und hinterher verbunden ist und mit Freizeitaktivitäten wie Lesen oder
Fernsehen, ist eine derartige Differenzierung kaum möglich und nicht an objektivierbaren Umständen
festzumachen.
Liegt eine Wohnung vor, die die erforderliche Ausstattung aufweist und eine private Atmosphäre und
Rückzugsmöglichkeit bietet (s. oben 1.b.a.aaa.) und sucht der Steuerpflichtige sie regelmäßig auf, kommt es
nach Auffassung des erkennenden Senats nicht darauf an, ob er die Wohnung nur zum Übernachten oder
darüber hinaus auch zur Pflege sozialer Kontakte o. Ä. benutzt. Denn für die Frage, ob jemand im Inland einen
Wohnsitz hat, ist allein der objektive Zustand maßgebend. Einem etwaigen Willen des Steuerpflichtigen, an
diesem Platz keinen Wohnsitz begründen zu wollen, kommt keine Bedeutung zu (Hessisches FG, Urteil vom
13.12.2010 3 K 1060/09, EFG 2011, 1133; FG Hamburg, Urteil vom 10.07.2008 6 K 56/06, juris). Ob man die
Wohnung lediglich als Schlafstelle betrachtet oder darüber hinaus als Ausgangspunkt für die Pflege sozialer
Kontakte und welche Qualität und Intensität diese sozialen Kontakte gegebenenfalls haben, hängt aber von der
Einschätzung des Wohnungsinhabers ab und ist damit Teil des subjektiven Bereichs, der für die Annahme
eines Wohnsitzes irrelevant ist. Soweit der Kläger darauf verweist, dass bei Annahme eines Wohnsitzes
bereits bei der Nutzung eines Raumes allein zu Übernachtungszwecken kein Unterschied bestehe zu einem
regelmäßigen Aufsuchen immer desselben Pensions- oder Hotelzimmers, so ist dieser Auffassung nicht zu
folgen. Der Unterschied besteht in der jederzeitigen Verfügungsmöglichkeit über das Stand-by-Zimmer, die bei
der Buchung immer desselben Hotelzimmers nur für den jeweiligen Aufenthalt nicht vorliegt. Wird ein
Hotelzimmer dagegen langfristig angemietet, so kann es ebenfalls zum Wohnsitz werden (Buciek in
Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 17; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Rz. 5).
(2) Auf die Frage, ob auch ein bloßes Übernachten als Wohnen anzusehen ist, kommt es im Streitfall jedoch
nicht an.
(a) Denn zum einen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger das Zimmer ausschließlich zu
Übernachtungszwecken aufgesucht hat. Dass er sich vielmehr auch tagsüber dort aufgehalten hat, ergibt sich
bereits aus den Geldabhebungen von dem benachbarten Geldautomaten, die der Kläger zu ganz
unterschiedlichen Tageszeiten vornahm. Ferner haben die Zeugen J übereinstimmend bestätigt, den Kläger
auch tagsüber in dem Haus in der X-Straße -1 gesehen zu haben. Danach hat der Kläger sich dort sogar
mehrere Tage hintereinander aufgehalten, wenn er Bereitschaftsdienst hatte. Da der Kläger das Stand-by-
Zimmer von 1992 bis 2006 gemietet hatte und auch andere Piloten und Flugingenieure in dieser Zeit und
jeweils über mehrere Jahre dort Zimmer gemietet hatten, haben sich zwischen ihnen außerdem sicherlich
soziale Kontakte entwickelt. Der Zeuge AJ hat darüber hinaus bekundet, dass der Kläger sich zum Rauchen
des Öfteren in dem Aufenthaltsraum im Keller aufgehalten und sich dabei mit ihm, dem Zeugen, und seiner
Ehefrau unterhalten habe. Der Kontakt zu dem Vermieter war immerhin so eng, dass dieser den Kläger bei
einer Durchreise durch die Schweiz sogar an seinem Heimatort besucht hat.
(b) Zum anderen hat das Hessische FG das Urteil vom 12.04.2012 (3 K 1061/09, EFG 2012, 1718) nicht nur
auf die fehlende Nutzung des Zimmers zu Wohnzwecken, sondern unabhängig davon auch darauf gestützt,
dass der dortige Kläger das Zimmer nicht nachweislich innehatte. Im dortigen Fall wurde das in dem - zum
übrigen Haus nicht abgeschlossenen - Keller befindliche Zimmer ohne Kochgelegenheit nicht nur von
insgesamt drei Piloten, sondern zusätzlich von Gästen der Vermieterfamilie genutzt und es konnte nicht
festgestellt werden, ob die Piloten im Konfliktfall ein Vorrecht bzgl. der Zimmernutzung gehabt hätten, so dass
das Gericht die Voraussetzungen für ein Innehaben der Wohnung nicht feststellen konnte. Demgegenüber
konnte der hiesige Kläger über sein angemietetes Zimmer jederzeit verfügen und während der gesamten Dauer
des Mietverhältnisses Dritte von der Nutzung ausschließen (s. oben 1.b.bb.aaa.(4)).
cc. Schließlich ist aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen, dass der Kläger die Wohnung beibehalten
und nutzen wollte.
aaa. Für die Annahme eines Wohnsitzes i. S. des § 8 AO müssen die äußeren Umstände objektiv betrachtet
auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung durch ihren Inhaber schließen lassen. Maßgebend für diese
Prognoseentscheidung sind die Umstände des Einzelfalls, u. a. die Ausstattung der Wohnung und die
Umstände ihrer tatsächlichen Nutzung (BFH-Urteil vom 19.03.2002 I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411; Musil in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 32).
bbb. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger war nach Auskunft seiner Arbeitgeberin seit
2000 durchgehend am Flughafen D stationiert. Nach seinen eigenen Angaben in dem Fragebogen zur
Wohnsitzprüfung musste er daher durchschnittlich zweimal pro Monat in D übernachten. Sowohl das
Arbeitsverhältnis als auch das Mietverhältnis bestanden viele Jahre lang und waren im streitigen Zeitraum
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unbefristet und ungekündigt. Nach der Zeugenaussage des Herrn BJ bewahrte der Kläger in der Wohnung seine
Uniform und seinen Koffer auf. Diese objektiven Umstände lassen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf
schließen, dass der Kläger die Wohnung beibehalten und nutzen wollte.
2. Die Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und
Vermögen vom 11.08.1971 i. d. F. des Protokolls vom 21.12.1992 (DBA-Schweiz) stehen der inländischen
Besteuerung der streitgegenständlichen Einkünfte des Klägers nicht entgegen.
Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines
Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich
der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, hier also in Deutschland. Die Schweiz
hat derartige Einkünfte nach Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Schweiz von der Besteuerung freizustellen. Der vom
Beklagten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zusätzlich angesetzte "Auslandsanteil" beinhaltet die
Vergütung des Klägers für seine Einsätze an Bord von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Die
Anwendung der sog. Grenzgängerregelung (Art. 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DBA-Schweiz) auf Bordpersonal i.
S. des § 15 Abs. 3 DBA-Schweiz ist ausgeschlossen (Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung,
Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 85). Darüber hinaus hat der Kläger nicht glaubhaft dargelegt, an welchen Tagen er
nach Dienstschluss in die Schweiz zurückgekehrt ist (s. oben 1.b.bb.bbb.(2)(c)), so dass nicht beurteilt werden
kann, ob die Voraussetzungen der Grenzgängerregelung vorliegen oder nicht.
3. Die Festsetzung der Einkommensteuer ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Beklagte war
gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AO zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt, weil der Kläger
keine Einkommensteuererklärungen eingereicht hat. Der erkennende Senat schließt sich der Schätzung des
Beklagten an (§ 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO).
a. Der Beklagte hat für die Veranlagungszeiträume ab 2001 zu Recht Einzelveranlagungen des Klägers
durchgeführt.
aa. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten (§ 26b EStG) setzt grundsätzlich gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1
EStG die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht beider Ehegatten voraus. Staatsangehörige eines
Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) oder eines Staates, auf den das Abkommen über den
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) anwendbar ist, die nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu
behandeln sind, können jedoch beantragen, dass ihr nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte ohne Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland für die Anwendung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG als unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Voraussetzung dafür ist, dass der nicht unbeschränkt
einkommensteuerpflichtige Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines
anderen Mitgliedstaates der EU oder eines EWR-Staates hat (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Da der Kläger
Schweizer Staatsbürger ist, seine Ehefrau in der Schweiz lebt und die Schweiz weder Mitgliedsstaat der EU
noch ein EWR-Staat ist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
bb. Zwar ist das zwischen der EU und der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgeschlossene
Freizügigkeitsabkommen vom 21.06.1999 (BGBl II 2001, 8810 ff.) möglicherweise so auszulegen, dass in der
Schweiz lebenden Eheleuten, die mit ihren gesamten steuerpflichtigen Einkünften der Besteuerung in der
Bundesrepublik Deutschland unterliegen, die Zusammenveranlagung nicht verweigert werden darf (vgl.
Vorlagebeschluss des FG Baden-Württemberg vom 07.07.2011 3 K 3752/10). Auf diese Rechtsfrage kommt es
im Streitfall jedoch nicht an.
cc. Denn zusätzlich sind nach § 1a Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 Satz 3 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG in der in den
Streitjahren gültigen Fassung (vor Änderung durch das Jahressteuergesetz 2008) bestimmte
Einkommensgrenzen zu beachten. Eine Zusammenveranlagung ist danach nur dann möglich, wenn entweder
die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90 v. H. der deutschen Einkommensteuer
unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer
unterliegenden Einkünfte den Betrag von € 12.272,00 nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss zudem gemäß § 1a Abs. 1
Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG a. F. durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen
Steuerbehörde nachgewiesen werden. Diesen Nachweis hat der Kläger trotz Aufforderung durch den Beklagten
jedoch nicht erbracht.
b. Die Höhe des jeweiligen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohns hat die Arbeitgeberin mitgeteilt (Anlagen 1a-1g
zum Bericht der Steuerfahndung, EStA Bl. 173 ff.).
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c. Gegen die Schätzung der Werbungskosten in Höhe von DM 10.000,00 für 2000 und 2001 und € 6.000.00 für
die Folgejahre ist nichts einzuwenden. Der Beklagte hat insbesondere sowohl die Fahrt- und Flugkosten
angemessen berücksichtigt als auch die an Herrn J gezahlte Miete. Weitere bzw. höhere Werbungskosten hat
der Kläger nicht erklärt und belegt.
d. Entsprechendes gilt für die Sonderausgaben. Die Vorsorgeaufwendungen wurden entsprechend den in den
Lohnsteuerbescheinigungen der Arbeitgeberin ausgewiesenen Beiträgen und steuerfreien Zuschüssen
angesetzt und für die übrigen Sonderausgaben der Pauschbetrag nach § 10c Abs. 1 EStG.
e. Freibeträge für die beiden Kinder des Klägers wurden ebenfalls berücksichtigt.
4. Die Frist für die Steuerfestsetzung war bei Erlass der angefochtenen Bescheide im Jahr 2010 nicht
abgelaufen, weil § 169 Abs. 2 Satz 2 AO eine zehnjährige Festsetzungsverjährungsfrist galt, die für das erste
Streitjahr 2000 mit Ablauf des 31.12.2003 begann (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Der Senat geht aus den dargelegten Gründen davon aus, dass der Kläger in den Streitjahren einen inländischen
Wohnsitz hatte und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig war. Dennoch hat er für die Streitjahre keine
Einkommensteuererklärungen abgegeben, sondern stattdessen die Erteilung von Bescheinigungen für
beschränkt Steuerpflichtige ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland beantragt, ohne auf das in
E unterhaltene Stand-by-Zimmer hinzuweisen. Damit hat er gegenüber dem Beklagten unrichtige bzw.
unvollständige Angaben gemacht und hierdurch die Einkommensteuer objektiv verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1
AO). Dass der Kläger dabei zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, ergibt sich zur Überzeugung des
erkennenden Senats daraus, dass er die Mieten ab September 2000 nicht mehr überwies, sondern nur noch in
bar entrichtete, den bis Juli 2000 für die X-Straße -1 angemeldeten Nebenwohnsitz bzw. bis August 2000
angemeldeten Hauptwohnsitz trotz in tatsächlicher Hinsicht unveränderter Umstände abmeldete und die weitere
Anmietung und Nutzung des Zimmers später insgesamt bestritt. Dieses Verhalten lässt mit ausreichender
Sicherheit den Schluss zu, dass der Kläger es zumindest für möglich hielt, dass die Unterhaltung des Stand-
by-Zimmers rechtlich zur Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht führen würde, und das Bekanntwerden
des Stand-by-Zimmers verhindern wollte, um die Versteuerung der Einkünfte unter billigender Inkaufnahme
einer Verkürzung zu verhindern.
III.
1. Die Verhandlung war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf
beim BFH anhängige Musterverfahren zu einfachgesetzlichen Rechtsfragen kommt grundsätzlich nicht in
Betracht (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.07.2010 11 K 2479/09 E, EFG 2011, 35; Brandis in Tipke/Kruse,
AO/FGO, § 74 Rz. 14). Die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe (§ 155 FGO in Verbindung mit § 251 der
Zivilprozessordnung - ZPO -) liegen ebenfalls nicht vor, weil der Beklagte dem Antrag des Klägers nicht
zugestimmt hat.
2. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Insbesondere war die
Zulassung der Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2.
Alt. FGO im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren I R 50/12 geboten. Wie oben dargelegt
(I.1.b.bb.ccc.(2)), unterscheidet sich der dort zu beurteilende Sachverhalt in entscheidungserheblicher Weise
von dem hiesigen.