Urteil des FG Hamburg vom 15.11.2012

FG Hamburg: einzelunternehmer, einspruch, einkünfte, miteigentum, grundstück, anfechtung, festsetzungsverjährung, geschäftsführer, verrechnung, steuerpflicht

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Gewerbesteuer: Verlustnutzung bei unterschiedlicher gewerblicher Betätigung,
Verlustfeststellung
Betätigt sich ein Gewerbetreibender als Einzelunternehmer und als Mitunternehmer einer KG, kann er die
auf seinen Sonderbetriebsausgaben beruhenden Verluste der KG nicht im Rahmen seines
Einzelunternehmens nutzen.
NZB, Az.: 2386/12
FG Hamburg 2. Senat, Urteil vom 15.11.2012, 2 K 140/11
§ 10a GewStG, § 35b Abs 2 GewStG
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung gewerbesteuerliche Verluste.
Seit den 1990er Jahren war der Kläger als Kommanditist an der im Handelsregister des Amtsgerichts A
eingetragenen B & Co. ... GmbH & Co. KG (im Folgenden KG), einer Bauträgergesellschaft, beteiligt. Bis zu
seiner Abberufung Anfang 1998 war er zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Durch Beschluss
des Amtsgerichts C vom 03.04.2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Zu
diesem Zeitpunkt verfügte sie noch über sechs Grundstücke, die der Insolvenzverwalter in der Folgezeit
verwertete. Dieser beauftrage den Kläger, für ein in D belegenes Grundstück, das im Miteigentum des Klägers
und der KG stand, die noch nicht abgeschlossenen Projektentwicklungsarbeiten fortzusetzen und die
Vermietung bzw. den Verkauf durchzuführen.
Mit Berechnung vom 31.07.2007 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf
den 31.12.2001, die dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben wurde, stellte das Finanzamt (FA) C I einen
vortragsfähigen Gewerbeverlust von ... € fest. Mit Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 vom 27.07.2007 hatte
es negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ... € festgestellt und dem Kläger in voller Höhe zugerechnet,
weil sie auf seinen Sonderbetriebsausgaben beruhten. Dieser Bescheid änderte die ursprüngliche Feststellung
vom 22.02.2005. Dem vorausgegangen war ein Rechtsstreit des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) E wegen
gesonderter und einheitlicher Feststellung 1996 bis 1998 (...) und 1999 bis 2002 (...), in dessen Verlauf am
02.03.2007 eine Einigung u. a. dahin erzielt worden war, dass 10 % einer gegen den Kläger geltend gemachten
Ausgleichsforderung, ... €, in 2001 in die Sonderbilanz des Klägers einzustellen sei. Dieser
Feststellungsbescheid wurde -ohne Auswirkungen für den Kläger-- erneut am 10.07.2008 geändert.
In Umsetzung der tatsächlichen Verständigung ergingen am 09.12.2008 für die KG auch Änderungsbescheide
über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die Folgejahre auf den 31.12.2002 bis
31.12.2007 und am 02.09.2010 auf den 31.12.2008 sowie am 18.10.2010 auf den 31.12.2009, die dem
Insolvenzverwalter bekannt gegeben wurden und im Wesentlichen unverändert einen vortragsfähigen Verlust
von ca. ... € feststellten.
Die in dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 dem Kläger zugewiesenen negative Einkünfte
aus Gewerbebetrieb berücksichtigte sein Wohnsitzfinanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer.
Seit den 1990er Jahren war der Kläger auch einzelunternehmerisch als Immobilienmakler und Bauträger
gewerblich in Hamburg tätig. In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2007 erklärte er einen
Gewerbeertrag von ... €. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.09.2010 den Gewerbesteuermessbetrag
unter Berücksichtigung eines auf den 31.12.2006 festgestellten Gewerbeverlustes von ... € auf ... € fest und
stellte mit Bescheid vom selben Tag den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2007 mit 0 € fest.
Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 25.10.2010, mit dem der Kläger einen berichtigten Jahresabschluss
ankündigte und zur Begründung vortrug, der bei der KG per 31.12.2001 festgestellte vortragsfähige Verlust sei
bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2007 bei seinem Einzelunternehmen zu berücksichtigen.
Insoweit bestehe Unternehmer- und Unternehmensidentität. Die von der KG in C erbrachten Leistungen seien
mit denen von ihm in Hamburg als Einzelunternehmer erbrachten identisch. Mit Entscheidung vom 28.06.2011
wies der Beklagte den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid zurück. Am 21.07.2011 hat der
Kläger Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2007 und den Bescheid über die Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 erhoben.
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Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass die Voraussetzungen für eine Nutzung der bei der KG
entstandenen Verluste erfüllt seien. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet
worden sei, habe er, der Kläger, die Verbindungen zu den Kunden des Bauträgergeschäfts und die Kontakte zu
den Bauunternehmen aufrechterhalten. Das von der KG betriebene Geschäft habe er praktisch als
Einzelunternehmer in Hamburg fortgeführt. Zudem habe er bereits von der KG projektierte Objekte fortgeführt.
Auch die Stellungnahme des Insolvenzverwalters F vom 13.07.2012 (Anl. K 14) belege die gleichbleibende
Tätigkeit für die KG und als Einzelunternehmer. Sonach sei die erforderliche Unternehmensidentität zu
bejahen. Weil er, der Kläger, die Verluste als Mitunternehmer selbst erlitten habe, und die Geschäfte als
Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblich geprägt habe, sei auch die Unternehmeridentität gegeben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 23.09.2010 und die
Einspruchsentscheidung vom 28.06.2011 mit der Maßgabe zu ändern, dass unter Berücksichtigung
eines Gewerbeverlustes von ... € der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt wird
sowie
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2007 zu ändern und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von ... € festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und hält an seiner Ansicht fest, dass weder Unternehmens- noch Unternehmeridentität bestehe. Die Nutzung
von Kunden- und anderen Kontakten für das Einzelunternehmen bedeute keine Fortsetzung der
mitunternehmerischen Betätigung durch die KG. Die bei Insolvenzeröffnung noch vorhandenen Grundstücke
der KG seien bereits 2001 veräußert und der Betreib eingestellt worden. Lediglich ein einzigen Grundstück der
KG habe der Kläger in Absprache mit dem Insolvenzverwalter entwickelt und vermarktet.
Zudem fehlten auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Verlustnutzung. Die Verluste hätten ab
2002 berücksichtigt werden müssen und zwar entsprechend dem gesellschaftsrechtlichen
Verteilungsschlüssel.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften über den Erörterungstermin und die
Senatssitzung Bezug genommen.
Die den Kläger betreffende Gewinnfeststellungsakte nebst Beiakten hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
1.) Die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2007 ist unzulässig. Nach § 351 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können Entscheidungen in einem
Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht durch Anfechtung des Folgebescheides
angegriffen werden.
Gemäß § 10a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) wird der maßgebende Gewerbeertrag um die
Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die vorangegangenen
Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben, soweit die Fehlbeträge nicht bei
der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind.
Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 2 GewStG). Der
Feststellungsbescheid ist jeweils Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuermessbescheid des oder der
Folgejahre(s), vgl. § 182 AO (vgl. Bundesfinanzhof (BFH) vom 09.06.1999 I R 92/98, BStBl II 1999, 733; Drüen
in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 10a GewStG Rz. 116).
Steht die Höhe des zu berücksichtigen gewerblichen Verlustes im Streit, muss sonach der Bescheid über die
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes angegriffen werden bzw. der Erlass eines entsprechenden
Bescheides beantragt werden. Die Klage gegen den Folgebescheid, den Gewerbesteuermessbescheid, ist
demgegenüber unzulässig.
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2.) Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes
richtet, fehlt es an der Durchführung eines Vorverfahrens i. S. von § 44 FGO, weil insoweit eine
Einspruchsentscheidung bislang nicht ergangen ist. Die Klage wäre danach unzulässig. Sie kann aber als
Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO angesehen werden, weil der Beklagte ohne Mitteilung eines
zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht über den Einspruch des Klägers entschieden hat.
Die so verstandene Klage hat aber in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
Wie vorstehend dargestellt, ist die Höhe der vortragsfähigen Gewerbeverluste gesondert festzustellen.
Maßgebender Gewerbeertrag in diesem Sinne ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem
Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2 Satz 1
GewStG) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den
§§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GewStG bestimmt, dass unter
Erhebungszeitraum das Kalenderjahr bzw. ggf. der Zeitraum der Steuerpflicht zu verstehen ist. Nach dessen
Ablauf wird der Steuermessbetrag (vgl. § 11 GewStG) festgesetzt. Daraus folgt in zeitlicher Hinsicht, dass das
Gesetz auf eine lückenlose Fortschreibung der vortragsfähigen Fehlbeträge hin angelegt ist. Die Höhe dieser
Beträge ist in Einklang hiermit gemäß § 10a Satz 2 GewStG für den jeweiligen Erhebungszeitraum (vgl. § 35b
Abs. 2 Satz 2 GewStG) unter Verrechnung oder Zuschreibung von Fehlbeträgen gesondert festzustellen (BFH
vom 09.06.1999 I R 92/98, BStBl II 1999, 733).
Im Streitfall geht es um Verluste, die -nach Maßgabe der tatsächlichen Verständigung vor dem FG E - auf
Sonderbetriebsausgaben des Klägers im Erhebungszeitraum 2001 beruhen. Diese Verluste sind mit formell
bestandskräftigem Verlustfeststellungsbescheid vom 31.07.2007 auch für 2001 und sodann für die Folgejahre
gesondert festgestellt worden. Allerdings ist diese Feststellung für die KG erfolgt, an der der Kläger weiterhin
beteiligt war und ist, und deren Insolvenzverwalter bekannt gegeben worden.
Die Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste ist auch zu Recht für die KG erfolgt. Denn der
Verlustabzug erfordert in materieller Hinsicht, dass der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch
ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat, sog. Unternehmensidentität (vgl. z.
B. BFH vom 14.09.1993 VIII R 84/90, BStBl II 1994,764; GewStR 2009 R 10a. 2 Satz 1). Ferner bedarf es der
Unternehmeridentität, d.h. der Unternehmer muss den Verlust in eigener Person erlitten haben. An beiden
Voraussetzungen fehlt es bezogen auf das Einzelunternehmen des Klägers. Dieses und der in
mitunternehmerischer Verbundenheit geführte Betrieb der KG sind zwei unterschiedliche Gewerbebetriebe, die
von unterschiedlichen Unternehmern -einerseits der Kläger als Einzelunternehmer in Hamburg, andererseits die
Personengesellschaft in C- betrieben worden sind.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger ab 2001 als Einzelunternehmer einen
abgrenzbaren Teilbetrieb der KG übernommen hätte, dem die in Rede stehenden Verluste auch sachlich
zuzuordnen wären. Abgesehen davon, dass für die Annahme eines übertragenen bzw. übernommenen
Teilbetriebes jegliche Anhaltspunkte fehlen -insoweit reicht das Ausnutzen von während der Tätigkeit für die
KG erworbenen Geschäftskontakten oder die Verwertung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks im
Auftrag des Insolvenzverwalters nicht aus (s. dazu im einzelnen z. B. BFH vom 05.09.1990 X R 20/89, BStBl
II 1991, 25)--, würde es auch diesbezüglich in formeller Hinsicht an der erforderlichen auf diesen Teilbetrieb
bezogenen gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ab 2001 fehlen.
Das Verfahren ist auch nicht nach § 74 FGO auszusetzen, bis über die Höhe der in Rede stehenden
vortragsfähigen Fehlbeträge zum 31.12.2001 eine bestandskräftige Feststellung gem. § 10a Satz 2 GewStG
ergangen ist (vgl. hierzu z. B. BFH vom 09.06.1999 I R 91/98, BFH/NV 1999, 913). Abgesehen vom Fehlen der
materiellen Voraussetzungen, ist für 2001 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Die
Gewerbesteuerklärung für sein Einzelunternehmen hat der Kläger im April 2003 eingereicht, sodass mit Ablauf
des Jahres 2007 Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§§ 169 Abs. 2 Nr. 4; 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 35b Abs.
2 Satz 4 GewStG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht
vorliegen.