Urteil des FG Hamburg vom 20.08.2012

FG Hamburg: beendigung des dienstverhältnisses, freistellung von der arbeit, bilanzstichtag, gesellschaft, geschäftsführer, verbindlichkeit, auszahlung, handelsrecht, kapitalwert, gehalt

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Körperschaftsteuer: Rückstellung für Arbeitszeitkonto nur in Höhe der angesparten Beträge
Wird Arbeitsentgelt nicht ausgezahlt, sondern in Arbeitszeitguthaben umgewandelt mit dem Ziel des
vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand, ohne dass der Arbeitgeber Aufstockungsbeträge zusagt, ist die
Rückstellung nur in Höhe der angesparten Beträge zu bilden (Erfüllungsrückstand).
FG Hamburg 3. Senat, Urteil vom 20.08.2012, 3 K 63/11
§ 249 Abs 1 S 1 HGB, § 253 Abs 1 S 1 HGB, § 6a EStG, § 5 Abs 1 S 1 EStG, § 3 Abs 1 Nr 1a AltTZG, § 1 Abs 3
Nr 3 BetrAVG, § 1a BetrAVG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewertung der Rückstellung für das Arbeitszeitkontoguthaben des
geschäftsführenden Alleingesellschafters der Klägerin nur mit den bis zum Bilanzstichtag angesparten
Beträgen (Erfüllungsrückstand) oder sogleich mit dem vollen künftigen Erfüllungsbetrag (Streitjahr: 2006).
I.
1. Die klagende Gesellschaft wurde 1991 ins Handelsregister eingetragen. Der ... geborene damalige
Mitgründungsgesellschafter, spätestens seit 2001 Alleingesellschafter, ist seit Gründung ununterbrochen
alleiniger, vom Verbot des Selbstkontrahierens befreiter Geschäftsführer und aufgrund eines
Geschäftsführervertrages vom ... 1991 tätig. Er erhielt anfänglich ein Bruttomonatsgehalt von 25.000 DM
(12.782 €) zuzüglich 20 % Gewinntantieme sowie einen PKW zur auch privaten Nutzung. Das Monatsgehalt
betrug aufgrund vorheriger schriftlicher Vereinbarungen ab Januar 2003 18.500 €, ab Januar 2006 20.500 € und
ab Juni 2008 5.000 €. Ab Januar 2009 wurde die Gehaltszahlung bis zur Besserung der wirtschaftlichen
Situation der Gesellschaft eingestellt.
2. Durch vier Vereinbarungen, alle vom ... 2005, überschrieben mit "Ergänzung zum Geschäftsführervertrag
vom ... 1991", "Ergänzende Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag über Guthaben von Lebensdienstzeit",
"ergänzende Vereinbarung zur Vereinbarung über Guthaben von Lebensdienstzeit vom ... 2005" sowie
"Vereinbarung 2006" vereinbarten die Gesellschaft und der Geschäftsführer, dieser jeweils für beide Seiten
zeichnend, Folgendes (im Einzelnen Rb-A Bl. 24-29, drei der vier Vereinbarungen auch im Anlageband):
Die Bestimmung des Geschäftsführervertrages über die Vergütung wurde dahingehend ergänzt, dass der auf
Geld gerichtete Vergütungsanspruch umgewandelt werden kann in Wertguthaben über Arbeitszeit. 1/12 des
Jahresgehalts entspricht dabei einem monatlichen Bruttogehalt, die Dienstfahrzeugnutzung bleibt
unberücksichtigt. Bei der Umwandlung entspricht ein Bruttomonatsgehalt dem Zeitguthaben für einen Monat.
Soweit der monatliche Umwandlungsbetrag geringer als das monatliche Bruttogehalt ist, erhält der
Arbeitnehmer entsprechend nur ein anteiliges monatliches Zeitguthaben. Jeweils zum Jahresende wird für das
Folgejahr der Umwandlungsbetrag durch gesonderte Vereinbarung festgelegt, mindestens in Höhe von
monatlich 2.850 €. Für 2006 wurden monatlich 2.850 € vereinbart.
Der Arbeitnehmer kann das angesparte Zeitguthaben nicht entnehmen ("gebundenes Dienstzeitkonto"), außer
bei Verkürzung der Lebensarbeitszeit oder bei Beendigung des Dienstvertrages. Jeweils zum Ende des Jahres
stellen die Vertragsparteien verbindlich fest, in welcher Höhe ein Zeitguthaben, berechnet nach Monaten,
entstanden ist. Das Zeitguthaben wird jährlich verzinst (3,5 % p. a. als Ausgleich für den entgangenen
Zinsverlust mangels Auszahlung sowie 0,7 % p. a. als Ausgleich für das Totalverlustrisiko, da eine
Insolvenzsicherung nicht vereinbart ist, zusammen 4,2 %).
Das Guthaben soll einer Verkürzung der Dienstzeit um bis zu fünf Jahren dienen. Der Arbeitnehmer hat
Anspruch auf Freistellung, sobald das Guthaben fünf vollen Jahren entspricht und bis zur Vollendung des 65.
Lebensjahres oder eines vorgezogenen Altersrententermins realisiert werden kann. Einen Monat vor Vollendung
des 60. Lebensjahres wird ermittelt, in welcher Höhe Zeitguthaben zur Verfügung steht, und das weitere
Vorgehen zwischen den Vertragsparteien erörtert. Reicht das angesparte Wertguthaben zur Finanzierung des
vollständigen fünfjährigen Freistellungszeitraums nicht aus, wird entweder der Freistellungszeitraum
entsprechend dem vorliegenden Guthaben verkürzt oder - bei beiderseitigem Einvernehmen - die monatliche
Gehaltszahlung während des Freistellungszeitraums entsprechend vermindert.
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Bei vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses wird das Guthaben durch Freistellung für die noch
verbleibende Vertragsdauer abgegolten; ist das Guthaben höher als die noch ausstehende Vertragsdauer, wird
das überschießende Guthaben als Gehalt unter Lohnsteuerabzug ausgezahlt. Der Übertrag des Guthabens auf
eine andere Gesellschaft ist mit deren Zustimmung auf Wunsch des Arbeitnehmers möglich. Im Falle des
Todes des Arbeitnehmers wird das Guthaben an schriftlich zu benennende Bezugsberechtigte, hilfsweise an
die Erben gegen Erbscheins Vorlage unter Lohnsteuerabzug ausgezahlt.
II.
1. Die Gesellschaft passivierte in der Bilanz zum 31.12.2006 den Kapitalwert des Lebensarbeitszeitkontos mit
214.018,93 € (unabgezinst, da verzinslich, Bilanzakte Band 2 Bl. 163) und erläuterte, die Höhe der
Rückstellung für die ungewisse Verbindlichkeit aus Pensionsverpflichtungen sei durch ein
finanzmathematisches Gutachten unter Beachtung von § 6a EStG ermittelt worden (Bilanzakte Band 2 Bl.
172). Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - veranlagte mit Bescheiden vom 13.03.2008 erklärungsgemäß unter
Vorbehalt der Nachprüfung.
2. a) Im Rahmen der Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, es könne nur der Teil zurückgestellt
werden, der zum jeweiligen Bilanzstichtag auf dem Arbeitszeitkonto eingezahlt worden sei
(Erfüllungsrückstand), hier 12 x 2.850 € = 34.200 €. Eine Abzinsung sei hingegen zu Recht nicht erfolgt, weil
das Zeitguthaben verzinslich sei (Bp-Bericht vom ... 2009, Bp-A Bl. 11).
b) Das FA folgte dem und erließ am 04.12.2009 Änderungsbescheide, in denen der steuerliche Verlust des
Jahres 2006 um (214.018 € ./. 34.200 € =) 179.818 € geringer zugrunde gelegt wurde. Der Einspruch vom
21.12.2009 wurde durch Einspruchsentscheidung vom 09.03.2011, abgesandt am 11.03.2011, als unbegründet
zurückgewiesen.
III.
Mit ihrer Klage vom ... 2011 begehrt die Klägerin weiterhin die Bewertung der Rückstellung mit dem Kapitalwert
und trägt vor:
Es handele sich um eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit, die sowohl in der Handels- als auch
in der Steuerbilanz zu berücksichtigen sei. Es handele sich nicht um einen typischen Erfüllungsrückstand,
vielmehr schulde die Gesellschaft dem Geschäftsführer bereits zum Bilanzstichtag eine Freistellung von fünf
Jahren. Da eine entgeltliche Freistellung zu erfolgen habe, soweit bis zum Freistellungsbeginn ein
entsprechendes Zeitwertguthaben angesammelt worden sei, sei die Verpflichtung bereits heute zu
berücksichtigen. Außerdem müsse während der Freistellungszeit ein Ersatzgeschäftsführer eingestellt werden.
Die Rückstellungsbildung sei daher sowohl für die Freistellung als auch für die durch einen
Ersatzgeschäftsführer verursachten Kosten erfolgt.
Zwar gebe es zur Höhe der Rückstellung kein versicherungsmathematisches Gutachten, jedoch die
Berechnung im Schreiben des steuerlichen Beraters vom ... 2009 (FG-A Bl. 107), aus der die Höhe der
Rückstellung folge.
Aufgrund des BMF-Schreibens vom 17.06.2009 (BStBl I 2009, 1286) zur lohnsteuerlichen Behandlung, wonach
Arbeitslohn dem Arbeitnehmer erst bei Auszahlung zufließe, könne sich die Klägerin gemäß der Regelungen
unter F.I. dieses Schreibens auf Bestandsschutz berufen.
Soweit die Klägerin zunächst vorgetragen hat, die Regelungen von § 6a EStG seien zwar nicht unmittelbar,
aber analog anwendbar, woraus sich die Berechnung zum Teilwert ergebe und dies der Kapitalwert sei, hält sie
dies nicht mehr aufrecht.
Die Klägerin beantragt,
die die Bescheide über die Feststellung zum 31.12.2006 des verbleibenden Verlustvortrags zur
Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, beide vom 04.12.2009 und in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2011, dahingehend zu ändern, dass der steuerliche Verlust
2006 bzw. Gewerbeverlust 2006 statt mit 18.715 € um 179.818 € höher mit 198.533 € zugrunde gelegt
wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Das FA verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren. Eine analoge Anwendung von § 6a EStG
komme nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.
IV.
Folgende Akten lagen vor:
Rechtsbehelfsakten Band 1, Betriebsprüfungsakten Band 1, Bilanz- und Bilanzberichtsakten Band 2,
Körperschaftsteuerakten Band 2 und 3, Gewerbesteuerakten Band 2, Allgemeines-Akten Band 1.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Änderungsbescheide aufgrund der Betriebsprüfung sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil die
Rückstellung für das Arbeitszeitkonto gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. § 5 Abs.
1 Satz 1 EStG nur in Höhe des Erfüllungsrückstandes bzw. Verpflichtungsüberhangs (hier: 34.200 €)
anzusetzen ist.
I.
1. Eine Rückstellung ist dem Grunde nach - unstreitig - anzusetzen, weil sich aufgrund der Vereinbarungen
vom ... 2005 für die Klägerin die Verpflichtung ergibt, in der Freistellungsphase Zahlungen zu leisten. Diese
Verbindlichkeit ist jedoch ungewiss sowohl dem Grunde nach wegen des vor dem vorgesehenen Beginn der
Freistellungsphase möglichen Todes des Geschäftsführers oder einer vorzeitigen Beendigung des
Dienstverhältnisses und der Höhe nach wegen der Unbestimmtheit der umzuwandelnden Beträge (§ 249 Abs. 1
Satz 1 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 8 Abs. 1 KStG, § 7 GewStG).
2. a) Der Höhe nach ist die Rückstellung gemäß dem zunächst maßgeblichen Handelsrecht mit dem
Erfüllungsbetrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist (§ 253 Abs. 1
Satz 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; Kozikowkski/Schubert in BBK, 8. Aufl. 2012, § 253 Rn. 151). Es
muss dabei ein wirtschaftlicher Bezug der entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen
Bilanzstichtag bestehen (BFH, Urteil vom 27.01.2010 I R 103/08, BFHE 228, 91, BStBl II 2010, 614, Juris Rn.
23; BFH, Urteil vom 30.11.2005 I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251, Juris Rn. 29).
Hier ergibt sich aus den geschlossenen Vereinbarungen, dass nur die Beträge später geschuldet werden, die
laufend nicht ausgezahlt wurden. Daher sind auch genau die bis zum jeweiligen Bilanzstichtag aufsummierten,
nicht ausgezahlten, sondern umgewandelten Beträge anzusetzen. Was später erst noch erdient und angespart
wird, ist nicht bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht. Aus tatsächlichen Gründen erfolgt somit nur
eine ratierliche Ansammlung entsprechend der zum Bilanzstichtag bereits erdienten Bezüge in der
Freistellungsphase.
b) Insofern weicht die hiesige Vertragsgestaltung von den typischen Altersteilzeitvereinbarungen mit
Arbeitnehmern im sog. "Blockmodell" gemäß Altersteilzeitgesetz ab, bei denen der Arbeitgeber zusätzlich zu
dem sich rechnerisch aus dem jeweiligen Teilzeitanteil ergebenen Grundbetrag hinaus Aufstockungszahlungen
(§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a AltTZG) leistet. Für diese Aufstockungszahlungen war bis zur Entscheidung des BFH vom
30.11.2005 (I R 110/04, BStBl II 2007, 251, DStR 2006, 367) umstritten, ob sie quasi als Abfindungszahlung
für die einvernehmliche Vertragsumgestaltung gleich in voller Höhe zu passivieren oder ratierlich anzusammeln
seien, und sie machten es nach der Rechtsprechung des BFH (Juris Rn. 46, 54) notwendig, die in der
Freistellungsphase zu gewährende Vergütung, bestehend aus Grundbetrag, Aufstockungsbeträgen und ggf.
Nebenleistungen, versicherungsmathematisch zu bewerten. Durch die Beschränkung der späteren Leistungen
der Klägerin auf die angesparten Beträge bzw. die ihnen entsprechenden Zeiträume ist hier eine solche
versicherungsmathematische Bewertung nicht erforderlich.
c) Soweit die Klägerin darauf hinweist, die Freistellung beginne in jedem Falle fünf Jahre vor dem gesetzlichen
Renteneintrittsalter, ist dies nicht zutreffend. Zwar ist genau dies in § 3 Satz 3 der Ergänzenden Vereinbarung
zum Geschäftsführervertrag über Guthaben von Lebensdienstzeit bestimmt. Es heißt jedoch in § 3 Satz 4
dann weiter, dass die Einzelheiten in einer gesonderten Vereinbarung getroffen werden; und in § 2 Abs. 6 der
ergänzenden Vereinbarung zur Vereinbarung über Guthaben von Lebensdienstzeit vom ... 2005 ist ausdrücklich
bestimmt, dass bei nicht ausreichendem angesparten Guthaben bei Vollendung des 60. Lebensjahres entweder
der Freistellungszeitraum anteilig gekürzt wird (d. h. die Freistellung erst später als fünf Jahre vor dem
Renteneintrittsalter beginnt) oder im gegenseitigem Einvernehmen im vollen fünfjährigen Freistellungszeitraum
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nur ein geringeres, anteiliges monatliches Gehalt gezahlt wird. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aus Sicht
des Senats zweifelsfrei, dass nur die angesparten (nicht ausgezahlten) Beträge (zuzüglich Zinsen) später von
der Klägerin gezahlt werden müssen, keine weiteren Beträge.
d) Soweit die Parteien bei nicht ausreichendem Guthaben übereinkommen sollten, den vollen fünfjährigen
Freistellungszeitraum zu belassen und nur ein anteiliges Gehalt zu zahlen, bedeutet diese Bestimmung
letztlich, dass der Geschäftsführer einen Anspruch auf (teilweise) unbezahlte Freistellung hat. Ein Anspruch
eines Arbeitnehmers auf unbezahlten Urlaub oder unbezahlte Freistellung führt jedoch zu keiner Rückstellung,
weil hier keine zukünftige (Außen-)Verpflichtung besteht.
In diesem Zusammenhang geht der Hinweis der Klägerin auf die Notwendigkeit, einen Ersatzgeschäftsführer zu
bestellen, fehl. Aufwandsrückstellungen sind selbst gemäß § 249 Abs. 1 HGB nicht zulässig. Hätte die
Klägerin die Dienstzeitkontovereinbarung mit ihrem Geschäftsführer nicht getroffen, so müsste sie
(voraussichtlich) ihn - auch noch im Alter zwischen 60 und 65 Jahren - beschäftigen und bezahlen. Dafür kann
sie heute keine Rückstellung bilden. Ist er aufgrund der getroffenen Vereinbarung in seiner Freistellungphase,
so muss sie statt ihm jemand anderes beschäftigen und bezahlen. Es ist nicht ersichtlich, wieso dieser
Aufwand - nur weil der Vertragspartner und damit Zahlungsempfänger dann ein anderer ist - zu einer
Rückstellung führen sollte. Eine Rückstellung kann vielmehr nur erfolgen für die dem heutigen Geschäftsführer
in seiner Freistellungsphase, dann ohne Arbeitsleistung, zu zahlenden Beträge.
e) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass gleichfalls bei einer - hier nicht vorliegenden - Pensionszusage die
Rückstellung auch handelsrechtlich nur ratierlich anzusammeln wäre. Denn bei der Bewertung von
Anwartschaften noch tätiger Pensionsberechtigter ist nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen nur ein auf
die Dienstzeit bis zum Bilanzstichtag entfallender und somit vergangenen Geschäftsjahren zuzurechnender
Teil des vollen Anwartschaftsbarwerts anzusetzen (Ansammlungsverfahren, Ellrott/Rhiel in BBK, 8. Aufl. 2012,
§ 249 Rn. 198).
3. Aus steuerrechtlichen Vorschriften ergibt sich hier keine Abweichung.
a) Aus § 6 Abs.1 Nr. 3a EStG ergeben sich der Höhe nach steuerlich allenfalls geringe, aber keine höheren
Ansätze im Vergleich zum Handelsrecht; dies folgt schon aus dem Wortlaut ("... sind höchstens ...
anzusetzen").
b) Entgegen der früheren Ansicht der Klägerin folgt auch aus § 6a EStG nichts anderes.
aa) Zum einen ergeben sich aus § 6a EStG im Vergleich zum Handelsrecht ebenfalls keine Erweiterungen,
sondern allenfalls Einschränkungen (Abs. 1: "nur"; Abs. 3 "höchstens"; Abs. 4 "höchstens"). Die Vorschrift §
6a EStG ist somit zwar lex specialis zu §§ 5, 6 EStG, aber nicht zum Handelsrecht. Sie stellt zusätzliche
Voraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach auf, um nicht ernst gemeinte oder überhöhte Rückstellungen
zu verhindern; die allgemeinen Rückstellungsvoraussetzungen müssen gleichwohl gegeben sein (Weber-Grellet
in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 6a Rn. 1; ähnlich Gosch in Kirchhof, EStG, § 6a Rn. 6, 12).
bb) Außerdem ist der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet. Wesentliches Merkmal einer
Pensionsverpflichtung ist, dass sie versorgungshalber gewährt wird, d. h. an Stelle oder zusätzlich zu Renten
aus der Sozialversicherung oder zu öffentlich-rechtlichen Versorgungsbezügen bei Tod, Invalidität oder
Erreichen der vorgesehenen Altersgrenzen. Maßgeblich ist, dass eine Gegenleistung vom Empfänger nicht
mehr erbracht wird. Das Arbeitsverhältnis muss rechtlich beendet und die lfd. Gehaltszahlung muss eingestellt
sein, bevor die lfd. Pensionszahlung einsetzt (Ellrott/Rhiel in BBK, 8. Aufl. 2012, § 249 Rn. 152, 154).
Hier handelt es sich jedoch gerade um eine Freistellung von der Arbeit vor Erreichen der Altersgrenze. Das
Dienstverhältnis ist während der Freistellungsphase (noch) nicht beendet; die vertraglichen Nebenpflichten
dauern fort. § 6a EStG wäre hingegen anwendbar, wenn die Auszahlung des angesparten Guthabens nicht vor,
sondern nach Renteneintritt bzw. Ende des Dienstverhältnisses sukzessive erfolgen würde (sog.
Entgeltumwandlung zur betrieblichen arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung, auch "Deferred
Compensation" genannt, vgl. für Arbeitnehmer § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 1a Betriebsrentengesetz).
cc) Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Lücke. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der
Gesetzgeber die steuerlichen Vorschriften über Pensionsrückstellungen nur versehentlich nicht auf
Altersteilzeitregelungen im Blockmodell und Arbeitszeitkontenmodelle mit Auszahlung vor Erreichen des
Rentenalters erstreckt hat.
dd) Schließlich könnte auch bei Geltung von § 6a EStG die Rückstellung nur ratierlich angesammelt werden (§
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6a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 bis 3 EStG, vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 6a Rn. 51).
4. Es kann offen bleiben, ob die vereinbarten Zinsen in den Betrag der Rückstellung einzubeziehen sind, weil
auch in Höhe der Zinsen die Klägerin später erfüllen muss (vgl. oben 2.a) Erfüllungsbetrag). Denn gemäß § 2
Abs. 2 und 3 der Ergänzenden Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag über Guthaben von Lebensdienstzeit
erfolgt die Verzinsung auf das zum Jahresende festgestellte Guthaben und daher erstmals für 2007, so dass
im Streitjahr noch keine Verzinsung eintrat.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht ersichtlich.