Urteil des FG Hamburg vom 11.09.2013

FG Hamburg: ware, verordnung, steuerhinterziehung, konnossement, datum, befreiung, bedingter vorsatz, strafbare handlung, eugh, kopie

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Zollrecht: Befreiung von Zusatzzoll für bereits auf dem Transportweg befindliche Ware
1. Hängt eine Befreiung von Zusatzzoll für Ware, die sich bei Erlass der Zusatzzoll-Verordnung bereits auf
dem Seetransport befand, davon ab, dass ein Konnossement vorgelegt wird, aus dem hervorgeht, dass
die Verladung vor diesem Zeitpunkt erfolgt ist, kommt es auf die Verladung auf das Seeschiff an und
nicht auf die Verladung auf ein Flussschiff, das die Ware zum Seeschiff transportierte.
2. Die Vorlage eines Konnossements ist zum Nachweis nicht hinreichend, wenn sein Beweiswert
erschüttert worden ist, etwa weil das in ihm angegebene Verladedatum im Widerspruch zu den ermittelten
Containerläufen steht.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 11.09.2013, 4 K 35/12
220 ZK, 12/3 EGVO-1964/2003
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
1.Die Klägerin wendet sich dagegen, dass von ihr Zusatzzoll für die Einfuhr von Mandarin-Orangen in Dosen
nacherhoben wird.
Durch die Verordnung VO (EG) Nr. 1964/2003 vom 7. November 2003 zur Einführung vorläufiger
Schutzmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte
(im Folgenden: VO 1964/2003) war für die Einfuhr von Mandarin-Orangen in Dosen außerhalb eines
Kontingents ein Zusatzzoll von EUR 155 pro Tonne eingeführt worden. Die Kläger nimmt für sich die
Regelung in Art. 12 VO 1964/2003 in Anspruch, nach der Erzeugnisse von der Abgabe befreit sind, die sich
bei Inkrafttreten der Verordnung am 09.11.2003 bereits auf dem Transportweg in die Union befanden.
2.Die Klägerin schloss unter dem ... 2003 einen Kaufvertrag mit einem chinesischen Lieferanten über eine
Menge von 20 Containern, insgesamt 46.000 Kartons Dosenmandarinen. In dem Vertrag war eine
Verschiffung von China nach A vor dem 30.11.2003 und "FOB B" vereinbart. Die Ware wurde in Containern
mit Flussschiffen von der Stadt C im chinesischen Hinterland zum knapp 1000 km entfernten Hafen von B
transportiert. Unstreitig wurden die ersten zehn Container nicht vor dem 26.11.2003 in B auf das Seeschiff
"D-1" verladen und trafen am 22.12.2003 in A ein und wurden die zweiten zehn Container nicht vor dem
13.12.2003 in B auf das Seeschiff "D-2" verladen und trafen am 13.01.2004 in A ein.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es für die Befreiung vom Zusatzzoll auf den Zeitpunkt der Verladung
auf die Seeschiffe oder auf die Verladung auf die Flussschiffe ankommt und die Klägerin in diesem Fall einen
hinreichenden Nachweis erbracht hat, dass die Container vor dem 09.11.2003 in C auf die Flussschiffe
verladen wurden.
3.a) Die Klägerin veranlasste nach Ankunft der Ware für jeden der 20 Container eine Zollanmeldung zur
Überführung der Ware in den freien Verkehr. Die Zollanmeldungen enthielten jeweils die - unstreitig
unzutreffende - Erklärung, Verschiffungsdatum ab B sei der 30.10.2003 gewesen, sowie einen Hinweis auf
die Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 1 VO 1964/2003 (Beweismittelordner- BMO -; beispielhaft auch Strafakte
Bl. 10). Die zehn Anmeldungen vom 16.01.2004 für die mit der "D-2" transportierten Container waren zudem
mit dem Zusatz "Kopie-B/L wird bei Gestellung vorgelegt" versehen. Der Beklagte erhob daraufhin zunächst
keinen Zusatzzoll bzw. erstattete diesen in drei Fällen nach Vorlage der Kopie eines "ocean bill of lading"
(D...), in dem die ersten zehn mit der "D-1" transportierten Container aufgelistet sind und das mit der
unterschriebenen Erklärung versehen ist: "E CO., LTD ON BOARD, OCT. 30, 2003"
b) Weil den Zollbehörden aufgefallen war, dass seit dem 09.11.2003 zahlreiche Containersendungen mit
Dosenmandarinen unter Bezugnahme auf die Übergangsregelung des Art. 12 VO 1964/2003 zum freien
Verkehr abgefertigt worden waren, nahm das Zollfahndungsamt A Ermittlungen auf. Nachdem es
Containerläufe für die Container ermittelt hatte, in denen die Ware der Klägerin eingeführt worden war, und die
dort angegebenen Daten nicht mit dem in den "bills of lading" vermerkten Verladedatum übereinstimmten,
veranlasste es im September 2008 eine Durchsuchung der Räume der Klägerin. Im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens legte die Klägerin erneut die Kopie des "ocean bill of lading" D... vor. Ein
entsprechendes Dokument für die zweiten zehn Container soll nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag
der Beteiligten existiert haben, befindet sich allerdings nicht in den Akten und konnte von den Beteiligten auf
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der Beteiligten existiert haben, befindet sich allerdings nicht in den Akten und konnte von den Beteiligten auf
Nachfrage des Gerichts auch nicht vorgelegt werden. Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die
Geschäftsführerin und gegen eine Mitarbeiterin der Klägerin sind in der Zwischenzeit eingestellt worden.
c) Der Beklagte erhob mit Bescheid vom 11.11.2010 auf der Grundlage der VO 1964/2003 Einfuhrabgaben für
die 20 Zollanmeldungen in Höhe von rund EUR 54.000 nach. Zur Begründung heißt es, die in den jeweiligen
Zollanmeldungen angegebenen Nachweisunterlagen (bill of lading) enthielten unzutreffende Angaben über den
Verladezeitpunkt. Nach Art. 12 VO 1964/2003 sei für die Befreiung maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die
Ware das Versendungsland China verlassen habe. Dabei komme es auf das Verlassen des
Seeschifffahrtshafens B an; etwaige Verschiffungen der Ware innerhalb Chinas seien unerheblich.
Nachweislich sei die streitgegenständliche Ware erst am 26.11.2003 bzw. 18.12.2003 und damit nach dem
maßgeblichen 09.11.2003 auf die Seeschiffe verladen worden.
d) Die Klägerin legte mit Schreiben vom 18.11.2010 Einspruch ein.
Zugleich beantragte die Klägerin Aussetzung der Vollziehung (AdV), die ihr aber weder vom Beklagten noch
vom sodann angerufenen Finanzgericht Hamburg (ablehnender Beschluss vom 02.09.2011, Az. 4 V 18/11)
gewährt wurde. Die Klägerin machte geltend, von den festgesetzten Abgaben aufgrund von Art. 12 VO
1964/2003 befreit gewesen zu sein. In den vorliegenden "ocean bill of lading" sei unstreitig eine Verladung am
30.10.2003 vermerkt. Den in Art. 12 Abs. 3 VO 1964/2003 vorgesehenen Nachweis durch Konnossement
habe sie damit erbracht. Im Übrigen wendete die Klägerin Verjährung ein. Die regulär dreijährige
Verjährungsfrist habe sich nicht auf 10 Jahre verlängert, denn es liege keine Steuerhinterziehung vor; die
insoweit eingeleiteten Strafverfahren seien eingestellt worden.
e) Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26.01.2012 als unbegründet zurück.
Die bei der Reederei D erhobenen Bewegungsdaten für jeden der Container belegten, dass vor dem
14.11.2003 keiner der Container mit der Ware in C auf ein Flussschiff verladen worden sei. Damit stehe fest,
dass die Angabe auf den von der Klägerin vorgelegten Kopien der "bill of lading", dass die Container bereits
am 30.10.2003 auf die Schiffe verladen worden seien, objektiv falsch seien. Da es somit schon an dem in der
Befreiungsvorschrift des Art. 12 VO 1964/2003 vorgesehenen Verladenachweis fehle, komme es nicht mehr
auf die zwischen den Beteiligten weiterhin streitige Frage an, ob für eine Befreiung ohnehin erst der - für die
Befreiung zu späte - Zeitpunkt der Verladung auf die Seeschiffe in B maßgeblich sei.
In seiner Einspruchsentscheidung wies der Beklagte zudem darauf hin, dass bei der Durchsuchung der
Räume der Klägerin ein Exemplar des Kaufvertrags vom ... 2003 aufgefunden worden sei, auf dem die
Geschäftsführerin der Klägerin - wie von der Klägerin nicht bestritten - handschriftlich vermerkt habe, "please
arrange document requirment ... shipment before 30. Oct.". Nach der Überzeugung des Beklagten handele es
sich dabei um die Anweisung, die Unterlagen entgegen den tatsächlichen Abläufen so zu gestalten, dass sie
ein Verschiffungsdatum vor dem 30.10.2013 auswiesen. Die Nacherhebung sei fristgerecht erfolgt, denn im
Hinblick auf das in den "bills of lading" unrichtig angegebene Verladedatum läge eine strafbare Handlung vor,
mit der Einfuhrabgaben verkürzt worden seien, so dass gemäß Art 221 ZK i. V. m. § 370, 169 AO eine auf 10
Jahre verlängerte Festsetzungsfrist gelte.
4.Die Klägerin hat am 01.03.2012 Klage erhoben.
Die Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung gemäß Art. 12 Abs. 3, 1 Anstrich VO 1964/2003 seien
erfüllt. Die Klägerin habe Konnossemente vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass die Verladung vor dem
Inkrafttreten der VO 1964/2003 am 09.11.2003 erfolgt sei. Nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift sowie
unter den Gesichtspunkten von Eindeutigkeit und Rechtssicherheit komme es nur auf die Vorlage eines
solchen Konnossements an. Es gebe verschiedene Arten von Konnossementen - z. B. Bordkonnossemente
oder Übernahmekonnossemente - und die Verordnung gebe nicht vor, dass eine bestimmte Art von
Konnossement vorgelegt werden müsse. Zweck der Vorschrift sei es, dass Kontrakte, die bei Inkrafttreten
der VO 1964/2003 bereits geschlossen worden seien, noch zu den bis dahin bestehenden Bedingungen
abgewickelt werden können, ohne dass es darauf ankomme, wo genau in China der Lieferant sich befinde.
Nach dem Wortlaut der VO 1964/2003 gelte die Ware mit der Vorlage eines Konnossements als verladen. Mit
der Vorlage der Konnossemente habe die Klägerin ihre Nachweispflicht erfüllt und es sei Abgabenbefreiung
zu gewähren; die Vorschrift des Art. 12 Abs. 3 VO 1964/2003 eröffne den Zollbehörden kein Ermessen.
Anlässlich der - für die Frage der Anwendbarkeit der VO 1964/2003 ohnehin unbeachtlichen - Umladung der
Ware in B auf ein größeres Seeschiff werde grundsätzlich kein neues Konnossement ausgestellt; das
insoweit vorliegende "draft bill of lading" sei ein bloßes Informationspapier.
Die Klägerin trägt vor, bei der Verschiffung auf ein Flussschiff sei es die Regel, dass ein
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Übernahmekonnossement ausgestellt werde, mit dem die Reederei den Erhalt der Ware zur Beförderung und
Verladung quittiere. Während für den Seetransport bestimmte Seeschiffe gebucht werden könnten, sei dies
bei einem Flussschiff nicht möglich. Dort bestimme die Reederei, welche Ladung wann befördert werde.
Häufig werde leichtere Ware vorrangig befördert. Es sei üblich, dass ein Container nach der Übernahme
zunächst am Verladeort stehe, bis die Reederei freie Kapazitäten an Bord eines Schiffes habe. Es könne
deswegen zu zeitlichen Differenzen zwischen den Angaben in einem "bill of lading" und den tatsächlichen
Ladezeiten kommen. Die VO 1964/2003 trage diesem Umstand Rechnung, indem sie ausdrücklich auf den
Nachweis durch das Konnossement abstelle. Nur dieses Verständnis der Regelung sei sachgerecht. Denn,
ob eine Verladung tatsächlich genau zu dem in dem Dokument angegebenen Datum erfolge, entziehe sich
der Einflussnahme und auch der Kenntnis eines Ladungsversenders wie der Klägerin. Die Klägerin sei sich
bei jeder in einem chinesischen Inlandshafen stattfindenden Verladung bewusst, dass von der Abgabe der
Ware an die Reederei bis zur Verladung auf das Seeschiff mindestens 14 Tage bis zu einem Monat vergehen
könnten. Die Dauer hänge auch von dem Gewicht der Ware und dem Wasserstand des Flusses ab sowie von
der Laune der Reederei, das Schwergut mitzunehmen. Der Beklagte gehe daher zu Unrecht davon aus, dass
ein am 30.10.2003 in China an Bord eines Flussschiffes verladener Container bis spätestens Mitte Dezember
2003 A hätte erreicht haben müssen. Die Klägerin erklärt, sie gehe davon aus, dass die vorgelegten
Konnossemente zutreffend seien. Für den Transport von Containern aus Chinas Hinterland nach A sei eine
Dauer von zwei Monaten keine Seltenheit.
Mit Schriftsatz vom 29.08.2013 trägt die Klägerin vor, aus dem Umstand, dass die vorgelegten "bills of
lading" den Vermerk "on board, 30. Oct" trügen, ergebe sich eindeutig, dass sich die Ware zu diesem Datum
tatsächlich an Bord befunden habe und zollamtlich abgefertigt worden sei. Denn ein "bill of lading" werde erst
ausgestellt, bevor das Schiff den Hafen verlasse (Beweis: Sachverständigengutachten). Das angegebene
Datum sei immer das tatsächliche Verschiffungsdatum; dass ein "bill of lading" mit einem Datum ausgestellt
werde, an dem der Container nicht physisch den Hafen verlassen habe, sei ausgeschlossen. Die Klägerin
legt insoweit eine ihr gegenüber erteilte Bestätigung eines Mitarbeiters der Reederei D vor (Anl. K 3) und
benennt diesen Mitarbeiter als Zeugen.
Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit der von dem Beklagten vorgelegten Containerläufe. Diese Unterlagen
seien keine Dokumente des Handelsverkehrs und daher nicht geeignet, die Aussage eines "bill of lading" zu
widerlegen. Die Klägerin macht geltend, dass im Übrigen nach Art. 221 Abs. 3 Satz 1 ZK bereits
Festsetzungsverjährung nach drei Jahren, also spätestens am 17. Januar 2007 eingetreten sei. Das vor
Ablauf der regulären Verjährung am 12. Januar 2004 eingeleitete Ermittlungsverfahren sei bis zum Juli 2008
nicht maßgeblich gefördert worden und könne daher einen späteren Ablauf der Verjährung nicht bewirken.
Eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre komme nicht in Betracht. Die Klägerin wehrt sich
gegen den Vorwurf einer strafbaren Steuerhinterziehung. Die handschriftliche Notiz der Geschäftsführerin
stütze den strafrechtlichen Vorwurf nicht. Insoweit hatte die Klägerin bereits im vorgerichtlichen Verfahren
vorgetragen, bei dem Kaufvertrag habe es sich um einen Abrufkontrakt gehandelt, aufgrund dessen sie zu
bestimmten Verschiffungsterminen Teilmengen habe abrufen können. Der handschriftliche Vermerk stelle
eine Konkretisierung im Rahmen des Vertrags dar. Die Klägerin trägt vor, Zweck der zitierten Notiz sei - für
importerfahrene Kaufleute offensichtlich - allein gewesen, die Abwicklungsabteilung der Klägerin anzuweisen,
die Versendungsdokumente vom Lieferanten anzufordern und zu überwachen, dass die Dokumente das
vertragsgemäße Datum aufwiesen. Keinesfalls handele es sich um eine Anweisung zur Ausstellung
unrichtiger Dokumente. Es sei überhaupt unrealistisch und abwegig anzunehmen, dass ein Unternehmen wie
die Klägerin rechtlich oder faktisch in der Lage sei, eine falsche Ausstellung der "bill of lading" zu bewirken.
Dass in den Zollanmeldungen der 30.10.2003 als Verladedatum in B angegeben worden sei, beruhe auf einem
offensichtlichen Irrtum des von der Klägerin beauftragen Verzollungsbüros, und habe seine Ursache
vermutlich in einer Unkenntnis des dortigen Mitarbeiters von den geographischen Gegebenheiten. Die
Klägerin habe dem Verzollungsbüro jedenfalls korrekte Unterlagen zur Verfügung gestellt und habe die
Zollanmeldungen vor ihrer Abgabe nicht gesehen. Die Klägerin trägt vor, dass der Verdacht einer
Steuerhinterziehung auch deswegen ins Leere gehe, weil sie seinerzeit über hinreichende Importlizenzen
verfügt habe, um die streitgegenständliche Ware, ohne Zahlung des Zusatzzolls einzuführen. Um ihre
Lizenzen auszunutzen und nicht verfallen zu lassen, habe sie sogar noch im Nachhinein weitere Kontrakte
abgeschlossen. Im Übrigen macht die Klägerin Zweifel an der Wirksamkeit der VO 1964/2003 geltend. Die
VO (EG) Nr. 1355/2008, mit der sodann die vorläufige Antidumpingzoll-Maßnahme der VO 1964/2003 in eine
reguläre Maßnahme überführt worden sei, sei mit Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
vom 22.03.2012 (C-338/10) für ungültig erklärt worden.
Die Klägerin beantragt, den Einfuhrabgabenbescheid vom 11.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 26.01.2012 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung. Ein für die Befreiung erforderlicher Nachweis
im Sinne von Art. 12 VO 1964/2003 könne nicht mit einem bloßen Übernahmekonnossement geführt werden,
sondern bedürfe eines ordnungsgemäßen Bordkonnossements, mit dem das Verladedatum zutreffend
bestätigt werde. Zwar sei das in Kopie vorgelegte "bill of lading" als Bordkonnossement zu werten, denn es
beinhalte eine Erklärung, an welchem Datum die Ware an Bord des Schiffes genommen worden sei.
Allerdings handele es sich um keinen ordnungsgemäßen Nachweis, weil damit etwas objektiv Falsches
erklärt werde. Anhand der von der Reederei D zur Verfügung gestellten Bewegungsdaten aller 20 verwendeten
Container stehe fest, dass diese nicht an dem angegebenen Datum des 30.10.20013 in C zum Transport auf
Flussschiffe verladen worden seien, sondern die ersten zehn Container am 14.11.2003 und die weiteren zehn
Container erst am 02.12.2003. Auch der Schriftwechsel zwischen der Klägerin und ihrem Abnehmer weise als
Verschiffungsdaten den 28.11.2003 bzw. 13.12.2003 aus. Die dort angegebenen Daten deckten sich nahezu
mit den anhand der Containerläufe ermittelten Daten der Verladung ab B, nämlich dem 26.11. bzw.
17.12.2003. Mit Angabe eines falschen Verladedatums auf den Frachtpapieren "bill of lading" und in den
Zollanmeldungen habe vorsätzlich der bei einer Verladung nach dem 09.11.2003 zu entrichtende Zusatzzoll
vermieden werden sollen. Dies ergebe sich auch aus der Notiz der Geschäftsführerin der Klägerin.
Ausweislich eines weiteren handschriftlichen Zusatzes der Geschäftsführerin sei dieses Schreiben
einschließlich ihrer handschriftlichen Ergänzung in chinesischer Schrift an den Lieferanten versendet worden.
Eine Verjährung des Zusatzzolls sei nicht eingetreten. Mit der Verkürzung der Einfuhrabgaben sei eine
Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begangen worden, so dass eine zehnjährige
Verjährungsfrist gelte. Für eine Fristverlängerung wegen Steuerhinterziehung müsse die Person des Täters
nicht feststehen. Ausreichend sei, dass von mehreren in Betracht kommenden Personen jedenfalls eine die
Steuerhinterziehung zum Vorteil des Steuerpflichtigen begangen habe. Der Umstand, dass in den
Zollanmeldungen der 30.10.2003 als Datum der Verladung in B angegeben worden sei, obwohl selbst nach
dem Vortrag der Klägerin am 30.10.2003 erst die Verladung in C stattgefunden haben soll, spreche allerdings
dafür, dass der Klägerin und / oder dem die Zollanmeldung fertigenden Speditionsangestellten bewusst
gewesen sei, dass es im Rahmen des Art. 12 VO 1964/2003 auf die rechtzeitige Verladung auf ein Seeschiff
ankomme. Der Vortrag der Klägerin, ihrer Auffassung nach reiche die rechtzeitige Verladung auf ein
Flussschiff aus, sei als nachträgliche Schutzbehauptung zu werten.
Im Hinblick auf die von der Klägerin angesprochenen Lizenzen trägt der Beklagte vor, die Klägerin habe
seinerzeit eine Lizenz für eine Menge von rund 4.400 t beantragt, habe aber nur knapp 1.200 t bewilligt
erhalten und dies auch erst am 16.12.2003. Zweifel an der Wirksamkeit der VO 1964/2003 bestünden nicht.
Die VO (EG) Nr. 1355/2008 sei vom EuGH deswegen für ungültig erklärt worden, weil der Verordnungsgeber
bei der Normalwertermittlung zwecks Feststellung des Dumpings die Erfordernisse nach Art. 2 Abs. 7
Buchst. a) der VO (EG) Nr. 384/96 in der durch die VO (EG) Nr. 2117/2005 geänderten Fassung missachtet
habe. Die VO 1964/2003 gründe hingegen auf einer anderen Basis, die eine derartige Normalwertermittlung
nicht voraussetze.
5.Dem Gericht lagen folgende Behördenakten vor: - E ... / ... Firma F GmbH Beweismittel-Ordner Hauptakte
Lasche A Laschen 01-25 - Strafakte StrL .../... Heft I - Beweismittelheft "Containerläufe" zu StrL .../... - FG
2... B-RL .../... - B... Heft II F GmbH Steuerakte ab Einfuhrabgabenbescheid - E ... / ... Verordnung (EG) Nr.
1964/2003 für die Ermittlungs-Haupt- Akte in dem Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Firma F
GmbH.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und das Protokoll des
Erörterungstermins am 16.01.2013 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 11.09.2013.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Nacherhebungsbescheid ist rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Nacherhebung ist
Art. 220 ZK. Nach Art. 220 Abs. 1 ZK hat die buchmäßige Erfassung eines Betrages nachträglich zu
erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK
buchmäßig erfasst worden ist. So liegt der Fall hier. Denn bei der Überführung der Waren in den freien
Verkehr war die Festsetzung des gemäß Art. 1 Abs. 3 VO Nr. 1964/2003 zu erhebenden Zusatzzolls von
EUR 155 pro Tonne unterblieben. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin in Anspruch genommene
Befreiung gemäß Art. 12 VO Nr. 1964/2003 für Waren, die sich bei Erlass der Verordnung auf dem
Transportweg in die Union befanden, sind nicht erfüllt (1). Die Nacherhebungsfrist war bei Erlass des
angefochtenen Bescheids noch nicht abgelaufen (2).
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1.Durch die Verordnung Nr. 1964/2003 war für die Einfuhr von Mandarin-Orangen in Dosen außerhalb eines
Kontingents ein Zusatzzoll eingeführt worden. Nach Art. 12 VO Nr. 1964/2003 waren nur Erzeugnisse hiervon
befreit, die sich bei Inkrafttreten der Verordnung am 09.11.2003 bereits auf dem Transportweg in die Union
befanden.
a) Die VO Nr. 1964/2003 ist gültig. Eine Ungültigkeit der Verordnung könnte nur der EuGH feststellen.
Der Senat hat auch keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung. Mit der vom EuGH durch Urteil
vom 22.03.2012 (C-338/10) für ungültig erklärten Verordnung über Zusatzzoll für Dosen-Mandarinen, VO (EG)
Nr. 1355/2008, war ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt worden. Der EuGH hatte beanstandet, dass
das für die Einführung einer solchen Maßnahme erforderliche Verfahren der Ermittlung von Preisen in anderen
Drittländern nicht hinreichend ausgeführt worden war. Die im vorliegenden Fall angewendete VO Nr.
1964/2003 führte hingegen Schutzmaßnahmen ein, deren Voraussetzungen eine Schutzbedürftigkeit der
Unionsanbieter war. Für die Einführung von Schutzmaßnahmen sind die vom EuGH beanstandeten
Untersuchungen indes nicht vorgesehen, so dass das Urteil vom 22.03.2012 nicht auf die VO Nr. 1964/2003
übertragen werden kann.
b) Die Regelungen in Art. 12 Abs. 1, 2 VO Nr. 1964/2003 befreien die Erzeugnisse vom Zusatzzoll, die
erstens das Ursprungsland verlassen haben, bevor diese Verordnung in Anwendung gebracht wurde, und
zweitens mit einem Transportdokument befördert werden, das vom Verladeort im Ursprungsland bis zum
Entladeort in der Union gültig ist und ausgestellt wurde, bevor diese Verordnung in Anwendung gebracht
wurde. Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 1964/2003 verlangt, dass die Betreffenden gegenüber den
Zollbehörden die Erfüllung dieser Bedingungen zu beweisen haben. Bei der Klägerin sind diese Bedingungen
jedenfalls nicht vollständig erfüllt. Dass das als Transportdokument in Kopie vorgelegte "ocean bill of lading"
vor dem 09.11.2003 ausgestellt worden ist, kann das Gericht nicht feststellen, weil die Angabe des
Ausstellungsdatums im unteren Teil des Dokuments mit chinesischen Schriftzeichen überschrieben und
daher für das Gericht nicht zu entziffern ist. Es kann jedoch dahinstehen, ob das angegebene Datum eines
vor dem 09.11.2003 ist. Denn jedenfalls ist die erste Bedingung nicht erfüllt, weil die Ware an diesem Tag
das Ursprungsland China noch nicht verlassen hatte. Der Hafen von B ist ein Teil Chinas und die dort
vorgenommenen Umladungen der Ware auf die Seeschiffe sind unstreitig erst nach dem 09.11.2003 - wohl
am 26.11.2003 bzw. am 18.12.2003 - erfolgt.
c) Nach Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2, 1. Anstrich VO Nr. 1964/2003 können die Behörden allerdings darüber
hinaus anerkennen, dass die Erzeugnisse das Ursprungsland verlassen haben, bevor diese Verordnung in
Anwendung gebracht wurde, wenn die in dieser Vorschrift im Einzelnen benannten Dokumente vorgelegt
werden. Im Fall des Seetransports handelt es sich um das Konnossement, aus dem hervorgeht, dass die
Verladung vor diesem Zeitpunkt erfolgt war. Die Voraussetzungen dieser Nachweismöglichkeit sind im Fall
der Klägerin gleichfalls nicht erfüllt.
aa) Zum einen ist nach Auffassung des Senats mit dem Konnossement, aus dem hervorgeht, dass die
Verladung vor diesem Zeitpunkt erfolgt ist, ein solches gemeint, das sich auf den Seetransport und auf die
Verladung auf das Seetransportmittel, also das Seeschiff bezieht. Ein solches Konnossement liegt indes
schon gar nicht vor bzw. datieren die in den Akten befindlichen "draft bill of lading" der D vom 25.11.2003
bzw. 13.12.2013 (z. B. BO Fach 5, 13). Das streitgegenständliche "ocean bill of lading" enthält keine
Erklärung über eine Verladung auf ein Seeschiff.
Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin nicht, dass es im Falle des Seetransports ausreicht, wenn der
Betreffende ein Konnossement vorlegt, das sich entweder gar nicht auf den Seetransport bezieht, sondern
auf einen Transport, der dem eigentlichen Seetransport vorgelagert ist, oder aber auf einen kombinierten
Transport, das aber keine Erklärung enthält, dass die Verladung auf das Seeschiff vor dem maßgeblichen
Zeitpunkt erfolgt ist. Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelung für den Nachweis bezüglich eines
Seetransports enger ist als die anderen Regelungen in Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 1964/2003. Die
Regelung in Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2, 4. Anstrich VO Nr. 1964/2003 etwa lässt im Fall des Lufttransports
die Vorlage eines Dokuments ausreichen, aus dem hervorgeht, dass die Fluggesellschaft das Erzeugnis vor
dem 09.11.2003 angenommen hat. Entsprechend könnte man sich eine Regelung für den Seetransport
vorstellen, nach der nur ein Dokument vorzulegen ist, aus dem sich ergibt, dass eine Reederei oder ein
entsprechender Frachtführer die für den Seetransport bestimmte Ware - möglicherweise im Landesinneren -
angenommen hat. Tatsächlich hat der Gesetzgeber einen solchen Nachweis für die Befreiung von auf dem
Seeweg transportierten Dosenmandarinen indes nicht getroffen. Er hat nicht den Zeitpunkt einer Übernahme,
sondern ausdrücklich den Zeitpunkt der Verladung als maßgeblich bestimmt. Die Verladung für den
Seetransport ist die Verladung auf das Seeschiff, denn der Seetransport wird mit einem Seeschiff und nicht
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etwa mit einem Flussschiff durchgeführt. Der Senat sieht daher weder einen Anlass noch eine Möglichkeit zu
einer erweiternden Auslegung der Regelung im 1. Anstrich auf den Nachweis einer Verladung auf ein
Flussschiff.
bb) Selbst wenn jedoch die Verladung auf ein Flussschiff bzw. ein Feederschiff, das dem Seeschiff das
Transportgut zuführt, bereits als Verladung für den Seetransport im Sinne von Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2, 1.
Anstrich VO 1964/2003 verstanden würde, wäre der Beklagte nicht verpflichtet, aufgrund der vorgelegten
Dokumente anzuerkennen, dass die streitgegenständliche Ware bereits verladen worden war. Die Vorlage der
Kopie des hinsichtlich der ersten zehn mit der "D-1" verschifften Container ausgestellten "Ocean Bill of
Lading B/L D..." der Firma E Co. Ltd. (Strafakte Bl. 4 = 5 = 6), das als Ladehafen C und als Zielort A
ausweist und auf dem "ON BOARD OCT. 30. 2003" vermerkt ist, reicht als Nachweis nicht aus. Die bloße
Vorlage dieses Dokuments ist deswegen nicht hinreichend, weil sein Beweiswert durch das Ergebnis der
Ermittlungen über die Bewegungsdaten der in ihm aufgelisteten Container erschüttert ist. Insoweit wird Bezug
genommen auf den Inhalt des Beweismittelheftes "Containerläufe". Für jeden der zehn sodann mit der "D-1"
bzw. mit der "D-2" transportierten Container ist in dem Beweismittelheft "Containerläufe" nicht nur
dokumentiert, dass dieser Container am 26.11.2003 auf die "D-1" bzw. am 18.12.2003 auf die "D-2" verladen
wurde, sondern auch, dass eine vorherige Verladung des Containers in C stattgefunden hat, allerdings jeweils
erst am 14.11.2003 bzw. für die zweiten zehn Container am 02.12.2003. Wenn Beweismittel wie die
Containerläufe die Richtigkeit eines vorgelegten Konnossements widerlegen, müssen die Zollbehörden den
Nachweis der rechtzeitigen Verladung nicht anerkennen. Auch im Handelsrecht hat ein Konnossement keinen
uneingeschränkten Beweiswert, wenn es nachweislich unzutreffend ist.
Das Gericht sieht keinen Grund an der Richtigkeit der in dem Beweismittelheft "Containerläufe"
zusammengetragenen Daten zu zweifeln. Die Klägerin hat zwar in ihrem letzten Schriftsatz erstmals
("vorsorglich") die Richtigkeit dieser Unterlagen bestritten. Allerdings hat sie ihr Bestreiten nicht weiter
substantiiert. Zunächst spricht für die Richtigkeit der "Containerläufe", dass sie das Datum der Verladungen
auf die "D-1" am 26.11.2003 bzw. auf die "D-2" am 18.12.2003 zutreffend angeben. Diese beiden Daten
stehen in Übereinstimmung mit den übrigen Dokumenten, soweit sie Angaben zu dem Verladedatum
enthalten bzw. zur sich infolge der Verladung ergebenden Ankunft der Schiffe in A (so z. B. "draft bill of
lading" vom 25.11.2003 und 13.12.2003, Korrespondenz des Abnehmers der Klägerin, Verzollungsauftrags
der Klägerin vom 17.12.2003); diese Übereinstimmung ist im Übrigen auch von der Klägerin nicht bestritten
worden. Die weiteren Angaben in den "Containerläufen", die u. a. auch den Verladezeitpunkt in C enthalten,
sind in sich und auch untereinander schlüssig. Ein deutliches Indiz für die Richtigkeit der aufgezeichneten
Containerläufe ist für den Senat, dass es sich dabei nicht nur um ein Dokument für einen Container handelt,
sondern um 20 voneinander unabhängige Dokumente für 20 verschiedene Container. Für die hier
maßgeblichen Bewegungen der Container, nämlich die Verladung in C und die Umladung in B, stimmen sie
ausnahmslos überein. Diese Übereinstimmung ist ein eindeutiger Beleg für ihre Richtigkeit. Dass die
Containerläufe im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit rein zufällig vollständig übereinstimmen, ist nicht denkbar, und
für eine andernfalls allein in Betracht zu ziehende gezielte Manipulation sämtlicher Containerläufe fehlt
jeglicher Anhaltspunkt.
Die Klägerin ist nicht damit zu hören, dass das "bill of lading" immer das tatsächliche Verschiffungsdatum
ausweise und ausgeschlossen sei, dass es mit einem Datum ausgestellt werde, an dem der Container den
Hafen physisch nicht verlassen habe. Dabei ist nicht allein zu bedenken, dass die Klägerin selbst die
vorgelegte Unterlage im Klageverfahren zunächst als bloßes Übernahmekonnossement beschrieben hat. Die
Klägerin hat insbesondere nicht dargetan, warum eine - irrtümliche oder bewusste - Falscherklärung bei dieser
Art von Dokument zwingend ausgeschlossen werden können soll, wo doch allgemein und auch
gerichtsbekannt ist, dass Falscherklärungen grundsätzlich in allen Bereichen vorkommen können. Vor
diesem Hintergrund stellt sich auch die Benennung des Zeugen als bloße Beweisanregung dar.
2.Die Nacherhebung ist auch rechtzeitig erfolgt.
Gem. Art. 221 Abs. 3 ZK können Einfuhrabgaben grundsätzlich nur innerhalb von drei Jahren nach ihrer
Entstehung gegenüber dem Abgabenschuldner festgesetzt werden. Die Festsetzung der Einfuhrabgaben
kann nur dann unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der
Dreijahresfrist erfolgen, wenn die Einfuhrabgabenschuld aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem
Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war (Art. 221 Abs. 4 ZK). Diese Voraussetzungen sind erfüllt,
wenn hinsichtlich der streitgegenständlichen Einfuhrabgabenschuld eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO
begangen worden ist und deshalb die zehnjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO gilt. Die
zehnjährige Verjährungsfrist gilt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 3 AO auch gegenüber einem Steuerschuldner, der
die Steuerhinterziehung nicht selbst begangen hat. Es kommt nicht darauf an, wer die Steuerhinterziehung
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begangen hat, sondern nur darauf, dass sie begangen wurde. Eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378
AO hat als bloße Ordnungswidrigkeit allerdings keine Fristverlängerung zur Folge.
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass im Zusammenhang mit der Entstehung der
streitgegenständlichen Einfuhrabgabenschuld eine Steuerhinterziehung begangen worden ist. Der Senat hat
diese Frage eigenständig zu klären; ob es hierzu strafrechtliche Verfahren gegeben hat und wie diese
gegebenenfalls ausgegangen sind, ist für das abgabenrechtliche Verfahren nicht maßgeblich. Den objektiven
Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) erfüllt hier bereits die Abgabe der
Zollanmeldungen. Die Zollanmeldungen, die zunächst dazu geführt haben, dass der Zusatzzoll nicht erhoben
wurde, enthielten zum einen die Erklärung, die Ware sei jeweils bereits am 30.10.2003 in dem Seehafen B
zur Verschiffung nach Deutschland verladen worden, und zum anderen - z. T. ausdrücklich, zum Teil
konkludent - die Erklärung, dass entsprechende Nachweisdokumente vorhanden seien, was zusammen
gemäß Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 1964/2003 zu einer Befreiung vom Zusatzzoll hätte führen können. Die
Anmeldungen waren aber insoweit, wie auch die Klägerin nicht in Abrede nimmt, in beiderlei Beziehung
inhaltlich falsch. Wie sich aus der Erklärung in den Anmeldungen weiter ergibt, war der Zweck dieser
Angaben die Abgabenbefreiung nach Art. 12 VO 1964/2003, deren Voraussetzungen allerdings, wie gezeigt,
tatsächlich nicht erfüllt waren. Das Gericht ist davon überzeugt, dass zumindest bedingter Vorsatz bei der
Person bestanden hat, die diesen Inhalt der Zollanmeldung veranlasst hat. In der Gesamtschau der
Umstände schließt der Senat aus, dass die Ursache hierfür allein in einem zufälligen Fehler gelegen hat,
sondern geht von einer bewussten Falschangabe aus. Die Erklärung der Klägerin, der Fehler habe seine
Ursache wohl in mangelhaften geografischen Kenntnissen des die Anmeldung ausführenden Mitarbeiters des
Verzollungsbüros, ist nicht glaubhaft. Gegen einen bloßen Flüchtigkeitsfehler spricht, dass diese
Falschangaben wiederholt gemacht worden sind - in den ersten zehn Zollanmeldungen vom Dezember 2003
und dann noch einmal in den zehn Zollanmeldungen vom Januar 2004. Es ist auch unwahrscheinlich, dass
die Klägerin die Zollanmeldungen, selbst wenn sie sie nicht vor ihrer Abgabe zur Kenntnis erhalten hat, nicht
im Nachhinein überprüft hat. Bei einer Überprüfung der Zollanmeldungen vom Dezember hätte ihr der Fehler
auffallen müssen und zu einer Fehlerwiederholung im Januar hätte es nicht kommen können.
Ein deutliches Indiz hierfür sieht der Senat in dem Umstand, dass für die sodann allenfalls nur noch in
Betracht zu ziehende Befreiung nach Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2, 1. Anstrich VO Nr. 1964/2003 sodann
Konnossemente vorgelegt worden sind, die wiederum inhaltlich unzutreffend sind, indem in ihnen ein den
Containerlaufdaten widersprechendes und damit falsches Verladedatum erklärt worden ist. Offensichtlich war
Zweck der Erstellung und der Vorlage dieser unrichtigen Konnossemente, dass der nach der VO Nr.
1964/2003 zu erhebende Zusatzzoll für Nichtkontingentware vermieden werden sollte. Es ist kein anderer
Grund für die Erstellung und Verwendung des inhaltlich falschen Konnossements erkennbar. Im Übrigen sind
die Vermerke der angeblichen Verladedaten auf den Konnossementen auch ohne Kenntnis der genauen
Containerläufe schon zweifelhaft. Nach den Konnossementen - dem in der Akte befindlichen und dem
anderen, das nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten existiert hat - sollten sowohl die ersten zehn
Container als auch die zweiten zehn Container bereits am 30.10.2003 in C verladen worden sein - zu einer
Verladung auf die Seeschiffe ist es aber nicht nur deutlich später, sondern auch noch mit einem
Zeitunterschied von rund 2 1/2 Wochen gekommen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr
entscheidend darauf an, ob die Geschäftsführerin der Klägerin durch ihren handschriftlichen Zusatz "please
arrange document requirment ... shipment before 30. Oct." auf dem Kaufvertrag den Lieferanten tatsächlich,
wie der Beklagte meint, angewiesen hat, ohne Berücksichtigung des wahren Verladedatums für ein
entsprechendes Konnossement zu sorgen - auch wenn dies nach Ansicht des Senats eine durchaus
naheliegende Erklärung ist.
3.Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision, § 115 Abs. 2 FGO, sind nicht gegeben.