Urteil des FG Hamburg vom 20.12.2012

FG Hamburg: zollrechtliche tarifierung, ware, einreihung, form, pos, holz, gewebe, eugh, zusammenhalt, einspruch

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Zolltarif: Tarifierung von Bambusmatten
Zur Verwendung als Läufer vorgesehene Matten, die aus biegsamen, dünnen Bambusreifen hergestellt
sind, die parallel nebeneinander liegen und mit Fäden verbunden sind, die um die einzelnen Streifen
herumgelegt sind, sind, auch wenn Fixierung der Bambusstreifen maßgeblich durch ein auf die Rückseite
geklebtes Gewebe nebst Vliesschicht hergestellt wird, in die Position 4601 einzureihen.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 20.12.2012, 4 K 104/12
Pos 4601 KN, Pos 4421 KN
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft.
Die Klägerin führte in zahlreichen Fällen eine als "Bamboo Carpet" (Bambusteppich) bezeichnete Ware ein. Die
Einfuhrabgaben wurden unter Zugrundelegung der Warennummer 4601 2190 und einem Zollsatz von 2,2 %
berechnet.
Das Hauptzollamt A kam im Rahmen einer Zollprüfung zu dem Ergebnis, dass bestimmte, als Bambusteppiche
bezeichnete Waren in die Warennummer 4421 9098 900 mit dem Zollsatz "frei" hätten eingereiht werden
müssen (Prüfbericht vom 20.07.2011).
Auf Antrag der Klägerin erteilte der Beklagte die verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 16.01.2012 (DE ...-2 und
DE ...-3), mit denen er die Bambusteppiche in die Warennummer 4601 2190 einreihte. Zur Warenbeschreibung
führte der Beklagte in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ...-2 aus, es handele sich um 11 mm breite und 1
mm dicken Bambusstreifen, die abwechselnd parallel nebeneinander gelegt und dekorativ schachbrettartig
durch Haltefäden (helle Spinnstoffgarne) miteinander verbunden seien. Die Bambusmatte sei zur Verstärkung
an der Unterseite vollflächig auf ein undichtes Spinnstoffgewebe und auf eine dünne, genoppte Vliesschicht
geklebt. Alle drei Lagen seien von einem braunen Gewebeband eingefasst und miteinander vernäht. Zur
Warenbeschreibung führte er in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE ...-3 aus, es handele sich um 2 mm bzw.
11 mm breite und 1 mm dicke Bambusstreifen, die abwechselnd parallel nebeneinander gelegt und dekorativ
schachbrettartig durch Haltefäden (silberfarbene Spinnstoffgarne) in Flächenform miteinander verbunden seien.
Die Bambusmatte sei zur Verstärkung an der Unterseite vollflächig auf ein undichtes Spinnstoffgewebe und auf
eine dünne, genoppte Vliesschicht geklebt. Alle drei Lagen seien von einem schwarzen Gewebeband
eingefasst und miteinander vernäht.
Der Beklagte erteilte der Klägerin noch eine dritte verbindliche Zolltarifauskunft DE ...-1, die nicht
streitgegenständlich ist, mit der er einen Bambusteppich, bei dem die Bambusstreifen nicht durch Haltefäden
verbunden waren, in die Warennummer 4421 9098 einreihte.
Gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-2 und DE ...-3 legte die Klägerin Einspruch ein, den der
Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 zurückwies.
In einer Stellungnahme zum Einspruch führte das Bildungs- und Wissenschafts-zentrum der
Bundesfinanzverwaltung unter dem 15.03.2012 aus, dass der Charakter der Waren durch die Bambusstreifen
bestimmt werde. Bambus, der aufgrund seiner Beschaffenheit und Form zum Fechten, Weben oder ähnlichen
flechtstoffmäßigen Verarbeitungen geeignet sei, könne in das Kapitel 46 eingereiht werden. Wenn der Bambus
einem flechtstoffmäßigen Verarbeitungsverfahren unterzogen worden sei, könne er nicht mehr in das Kapitel 44
eingereiht werden. Die Bambusstreifen seien dünn, biegsam und flexibel, nebeneinandergelegt und durch
Haltefäden miteinander verbunden. Demzufolge handele es sich um Erzeugnisse aus Flechtwaren der Position
4601 und eine Einreihung das Kapitel 44 komme nicht mehr in Betracht.
Mit ihrer am 12.06.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint
unter Hinweis auf den Prüfbericht, dass Bambuswaren nur dann zum Kapitel 46 gehörten, wenn sie tatsächlich
aus Flechtstoffen hergestellt seien und die Bambusstücke nach Beschaffenheit und Form zum unmittelbaren
Flechten, Weben oder zu ähnlichen Verarbeitungsverfahren geeignet seien. Eine derartige Eignung fehle im
Streitfall, so dass eine Einreihung in das Kapitel 44 und die Warennummer 4421 9098 erfolgen müsse. Die
verwandten Bambusstreifen seien hart, nicht biegsamen und nicht flexibel und daher nicht zum Flechten,
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Weben oder ähnlichen Verarbeitungsverfahren geeignet. Die Bänder/Spinnstofffäden dienten nicht dem
Zusammenhalt der Bambusstreifen, sondern ausschließlich dekorativen Zwecken. Die Bambusstreifen könnten
ohne Probleme auch ohne Haltebänder auf die Textilunterlage geklebt werden, ohne dass sie verrutschen
würden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 16.01.2012 (DE ...-2 und DE
...-3) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2012 zu verpflichten, verbindliche
Zolltarifauskünfte zu erteilen, mit denen die streitgegenständlichen Waren in die Warennummer 4421
9098 eingereiht werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und ergänzt, in Anm. 6 zu Kapitel 44 werde Bambus zwar als
Holz angesprochen, dies erfolge allerdings vorbehaltlich der Anm. 1 zu Kapitel 44. Ausgenommen seien daher
Flecht- und Korbmacherwaren des Kapitels 46. Eine Einreihung in das Kapitel 44 komme also nur in Betracht,
wenn der Bambus nicht einem flechtstoffmäßigen Verarbeitungsverfahren unterzogen worden sei, oder er sich
aufgrund seiner Beschaffenheitsmerkmale nicht als Flechtstoff im Sinne der Anm. 1 zu Kapitel 46 darstelle.
Die streitgegenständlichen Bambusteppiche bestünden aus dünnen, biegsamen und flexiblen Bambusstreifen,
die nach ihrer Beschaffenheit und Form zum Flechten, Weben oder ähnlichen Verarbeitungsverfahren geeignet
seien und damit objektiv einen Flechtstoff im Sinne der Anm. 1 zu Kapitel 46 darstellten. Das parallele
Aneinanderfügen von Flechtstoffen sei in Anm. 3 zu Kapitel 46 als Verarbeitungsverfahren genannt. Die
Spinnstoffe würden die einzelnen Streifen verbinden und trügen damit maßgeblich zum Zusammenhalt der
Bambusstreifen bei. Unabhängig von optischen Gesichtspunkten gehe von den Fäden objektiv eine
Haltefunktion aus. Ob die Fäden tatsächlich nötig seien, sei unerheblich. Die Verstärkung durch die rutschfeste
Unterlage und die Verstärkung mit einem Gewebeband sei unerheblich (Erl. KN Pos. 4601 Rz. 15.0). Bei einer
Vielzahl vergleichbarer Produkte werde zudem auf eine rutschhemmende Unterlage verzichtet, da bereits durch
die Spinnstofffäden die Haltefunktion gewährleistet sei. Es handele sich daher um Flechtwaren der Position
4601.
Die von der Klägerin zum Vergleich vorgelegte verbindliche Zolltarifauskunft DE ...-1 beschreibe keine
vergleichbare Ware, da keine Haltefäden verwendet worden seien, so dass kein paralleles Aneinanderfügen im
Sinne der Anm. 3 zu Kapitel 46 vorliege.
Mangels vorliegender Artikelnummern könne nicht überprüft werden, ob die streitgegenständlichen Waren
Gegenstand des Prüfberichts des Hauptzollamts Braunschweig gewesen seien. Zudem sei der Prüfbericht
nicht verbindlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten einschließlich
der vorgelegten Warenproben Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
I.
Die Verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 16.01.2012 sind in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
11.05.2012 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat nach Art. 12
Zollkodex keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten verbindlichen Zolltarifauskünfte unter Einreihung der
streitgegenständlichen Waren in die Codenummer 4421 9098.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl.
etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C-121/95; BFH, Urteil vom 18.11.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R
69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98 und vom 23.07.1998, VII R 36/97) ist das
entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen
und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen
zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen
Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und
Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis
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5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum
Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur
Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn
auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl.
EuGH, Urteil vom 09.12.1997, C-143/96, und vom 19.05.1994, C-11/93). Auf den Verwendungszweck einer
Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu
ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteil vom 14.11.2000, VII R 83/9 und vom
05.10.1999, VII R 42/98; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02).
Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der streitgegenständlichen Waren sprechen nach Überzeugung
des Gerichts für die Einreihung in die Unterposition 4601 2190.
Die Unterposition 4421 9098, die die Klägerin für richtig hält, erfasst andere Waren aus Holz, andere als
Kleiderbügel oder solche aus Faserplatten. Die Unterposition 4601 2190, von der der Beklagte ausgeht, erfasst
Gefechte und ähnliche Waren aus Flechtstoffen, auch miteinander zu Bändern verbundenen; Flechtstoffe,
Gefechte und ähnliche Waren aus Flechtstoffen, in Flächenform verwebt oder parallel aneinander gefügt, auch
wenn sie dadurch den Charakter von Fertigwaren erhalten (z. B. Matten, Strohmatten, Gittergeflechte), aus
Bambus, andere als solche aus Geflechten oder ähnlichen Waren aus Flechtstoffen.
Die Tarifierungsauffassung des Beklagten ist richtig. Die Waren sind in den verbindlichen Zolltarifauskunft
zutreffend beschrieben, die Warenbeschreibung entspricht den vorliegenden Warenproben. Die Matten
bestehen aus biegsamen, dünnen Bambusreifen, die parallel nebeneinander liegen und mit Fäden verbunden
sind, die um die einzelnen Streifen herumgelegt sind. Diese Fäden verbinden die Bambusstreifen und führen
dazu, dass die Streifen fest aneinander halten. Beide Matten sind an der Unterseite vollflächig mit einem
Gewebe und einer Vliesschicht verklebt. Wie sich an den Warenprobe an Stellen, an denen sich das Gewebe
und die Vliesschicht gelöst haben, eindeutig erkennen lässt, führen bereits die Fäden dazu, dass die
Bambusstreifen in der gewünschten Form zusammengehalten werden, des Gewebes und der Vliesschicht
bedarf es dazu nicht. Darauf, dass die Fäden angesichts der konkreten Verwendung als Läufer und der damit
einhergehenden besonderen Beanspruchung der Matten für sich genommen nicht ausreichen, um die
Bambusstreifen hinreichend und dauerhaft zu fixieren, ist unerheblich. Es ist nicht auf den konkreten
Verwendungszweck, sondern auf die objektive Warenbeschaffenheit abzustellen. Objektiv verbinden die
Spinnstofffäden die Bambusstreifen miteinander. Auch das die Matten einfassende Gewebeband ist für das
Zusammenhalten nicht erforderlich. Die Bambusstreifen bestimmen auch - im Gegensatz zu den sonst
eingesetzten Materialien - eindeutig den Charakter der Ware.
Eine Einreihung in das Kapitel 44 scheidet aus. Zwar wird Bambus ausweislich der Anm. 6 zu Kapitel 44 auch
als Holz angesehen, so dass es sich theoretisch um Holzwaren im Sinne des Kapitel 44 handeln könnte. Wie
sich aus der Anm. 1 f. zu Kapitel 44 ergibt, darf es sich dann jedoch nicht um eine Ware des Kapitel 46
handeln. Im Streitfall handelt es sich jedoch um eine Ware aus Flechtstoffen aus Bambus des Kapitels 46.
Streifen aus Bambus, die auf Grund ihrer Beschaffenheit und Form zum Flechten, Weben oder für ähnliche
Verarbeitungsverfahren geeignet sind, werden in Anm. 1 zu Kapitel 46 ausdrücklich als Flechtstoffe im Sinne
dieses Kapitels bezeichnet. Dass die dünnen, schmalen und recht biegsamen Bambusstreifen insbesondere
zum Flechten aber auch für ähnliche Verarbeitungsverfahren geeignet sind, und daher Flechtstoffe im
Rechtssinne darstellen, hält das Gericht für offensichtlich. Die streitgegenständlichen Waren entsprechen
eindeutig den in Anm. 3 zu Kapitel 46 beschriebenen Waren. Nach dieser Anmerkung sind parallel
aneinandergefügte Flechtstoffe im Sinne der Position 4601 Waren aus Flechtstoffen, bei denen diese
nebeneinandergelegt und durch Bindematerial, auch durch Garne aus Spinnstoffen, in Flächenform miteinander
verbunden sind. Genau um solche Waren handelt es sich im Streitfall. Die Garne aus Spinnstoffen verbinden
die Bambusstreifen tatsächlich. Dabei ist es unerheblich, ob die Bambusstreifen auch ohne die Haltefäden
zusammengehalten würden oder nicht, da die Verwendung der Garne und die damit einhergehende Verbindung
der Bambusstreifen - wie gesagt - die objektiven Eigenschaften der Ware bestimmen.
An der Richtigkeit der streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünfte weckt auch die verbindliche
Zolltarifauskunft DE ...-1 keinen Zweifel, da die dort beschriebene Ware gerade nicht über Haltefäden verfügt
und insoweit nicht die in der Anm. 3 zu Kapitel 46 beschriebene Verarbeitung gegeben ist.
Unerheblich ist schließlich der Prüfbericht des Hauptzollamts A. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist,
inwieweit die nämlichen Waren Gegenstand der Prüfung waren, bindet der Prüfbericht den Beklagten bei der
Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften nicht.
II.
26 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die
Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.