Urteil des FG Düsseldorf vom 24.01.2002
FG Düsseldorf: treu und glauben, pauschalierung, begründung des urteils, geldwerter vorteil, erlass, auskunft, nachforderung, bindungswirkung, dienstverhältnis, aktiven
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 14 K 871/97 L
24.01.2002
Finanzgericht Düsseldorf
14. Senat
Urteil
14 K 871/97 L
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 1997 und
Änderung des Bescheides vom 20. April 1993 wird die Nachforderung für
Lohnsteuer 1993 um 466.328,67 DM (238.430,06 EUR) und die
Nachforderung für evangelische und römisch-katholische
Lohnkirchensteuer jeweils um 16.321,50 DM (8345,05 EUR) reduziert.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Flugunternehmen, das seinen Arbeitnehmern und deren
Familienangehörigen unentgeltliche bzw. teilentgeltliche Flüge für private Zwecke anbietet.
Die Beteiligten streiten über die Bewertung sog. "A-Urlaubsflüge" für lohnsteuerliche
Zwecke in den Jahren 1988 und 1989.
Mit Urkunde vom 26. Oktober 1977 hat der Bundesminister für Verkehr der Klägerin die
unbefristete Genehmigung zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen
durch Luftfahrzeuge im nicht planmäßigen Verkehr (Gelegenheitsverkehr) erteilt.
Die Klägerin flog in den Jahren 1988 und 1989 Urlaubsziele im europäischen und
außereuropäischen Raum an. Die Gestaltung des Flugprogramms erfolgte in Abstimmung
mit Reiseveranstaltern. Neben der Bereitstellung von Sitzplatz-Kontingenten für die
Reiseveranstalterkunden in Voll- bzw. Teilcharter vertrieb sie auch Einzelplatzverkauf an
Einzelkunden. Die Erlöse je Passagier und Flugkilometer variieren je nach Flugziel, nach
Saison, nach Abflugtag sowie nach Buchungsstand.
Die Arbeitnehmer der Klägerin hatten in den Streitjahren die Möglichkeit, außerhalb der
sog. "Sperrzeiten", die in der Regel der Hauptsaison entsprechen, Freiflüge und verbilligte
Flüge für sich und ihre Familienangehörigen zu buchen. Nach der Reiseordnung der
Klägerin gab es ua. die Flugscheinkategorie:
"A-Urlaubsflug" - 100 % Ermäßigung - Festbuchung.
Urlaubsflug in diesem Sinne ist ein Flug in Verbindung mit mindestens sieben
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Kalendertagen Aufenthalt, die voll gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen auf den
Urlaub angerechnet werden müssen. Das "A"-Ticket trägt keinen einschränkenden "SA" (=
if space available) -Vermerk.
Weitere Einzelheiten und Beschränkungen im Reservierungsstatus ergeben sich aus der
Reiseordnung, auf die Bezug genommen wird.
Bezüglich des Wertes der Sachbezüge bei Freiflügen bzw. verbilligten Flügen hat das
Finanzministerium diverse Erlasse verfasst. Ausweislich des Erlasses S 2334 - 3 - V B 3
vom 10. Dezember 1986 (vgl. BStBl I 1987, 172) betreffend Sachbezugswerte bei
Freiflügen und verbilligten Flügen für die Jahre 1987 bis 1989 verringerten sich die dort
angegebenen Werte bei Beschränkungen im Reservierungsstatus (Vermerk "space
available" -S.A.- auf dem Flugschein) um 50 %.
Erstmalig mit Schreiben vom 4. Februar 1982 beantragte die Klägerin beim Beklagten, den
geldwerten Vorteil für Arbeitnehmer-Freiflüge mit 50 v.H. der von den obersten
Finanzbehörden des Bundes und der Länder jeweils festgesetzten Durchschnittswerte je
Flugkilometer ansetzen zu dürfen.
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der in den Erlassen verwendete Begriff
"Luftverkehrsgesellschaft" sei dem Luftverkehrsgesetz -LuftVG- in der Fassung vom 14.
Januar 1981 (BGBl I S. 61) fremd. Das Gesetz unterscheide lediglich zwischen
Luftfahrtunternehmen im öffentlichen Fluglinienverkehr (§ 21 LuftVG) und im (Luftfahrt-
)Gelegenheitsverkehr (§ 22 LuftVG). Sie selbst betreibe als Charterfluggesellschaft keinen
Fluglinienverkehr sondern Gelegenheitsverkehr mit Luftfahrzeugen; sie befördere keine
Personen oder Sachen auf öffentlichen Linien. Dem Begriff "Luftverkehrsgesellschaft" in
den Erlassen der obersten Finanzbehörden über die Festsetzung von Durchschnittswerten
für Flugvergünstigungen sei zu entnehmen, dass damit Gesellschaften gemeint seien, die
als öffentliche Gesellschaft Luftverkehr betrieben. Als öffentliche Verkehrsgesellschaft
könne somit nur ein Fluglinienunternehmen i.S. des § 21 LuftVG angesprochen sein. Als
Charterfluggesellschaft sei sie jedoch kein öffentliches Fluglinienverkehrsunternehmen und
damit keine Luftverkehrsgesellschaft. Die Durchschnittswerte seien auf sie als
Charterfluggesellschaft nicht anwendbar.
Zur Begründung der Höhe des Abschlages von den festgestellten Werten wurden folgende
Ausführungen gemacht:
Der maßgebende Erlass vom 3. Juli 1980 (vgl. Bundessteuerblatt -BStBl- I, 1980, 625)
spreche lediglich vom Ansatz des Flugkilometers, wobei nicht hinreichend klar sei, welcher
Kilometersatz, d.h. Entfernungskilometer (umgerechnet aus nautischen Meilen) oder
einfach geflogene Kilometer anzuwenden seien. Sie selbst berechne betriebsintern (wie
alle anderen Luftfahrtunternehmen auch) ihre Flugkilometer regelmäßig nicht nach
tatsächlich geflogenen Kilometern sondern in Entfernungskilometern.
Sie habe im Jahr 1982 durchschnittlich 0.098 DM pro Flugkilometer erlöst, wobei dieser
Wert dem regulären "Linienflugpreis" entspräche. Damit liege der steuerpflichtige
Sachbezugswert - angesichts eines Durchschnittswertes laut Erlass für Europaflüge von
0.096 DM - über dem Betrag, den sie für ihren Flugverkauf bekomme.
Darüber hinaus sei aufgrund bestimmter Reisebeschränkungen für "B"-Arbeitnehmer
(Schadenersatzpflicht, Streckensperren) sowie der Tatsache, dass die Arbeitnehmer die
Sozialversicherung auf den geldwerten Vorteil selbst zu tragen hätten, eine entsprechende
Minderung zu rechtfertigen.
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Ferner habe sich der Bundesfinanzhof -BFH- in seinem Urteil vom 20. August 1965 (VI
54/64 U, BStBl III 1966, 101) dafür ausgesprochen, 50 % des billigsten Charterpreises als
geldwerten Vorteil anzusetzen.
Dem Antrag der Klägerin wurde mit Anrufungsauskunft gem. § 42 e
Einkommensteuergesetz -EStG- vom 5. März 1982 durch den Beklagten entsprochen. In
dem Schreiben heißt es, man sei mit der Klägerin der Meinung, dass die für
Luftverkehrsgesellschaften geltenden, vom Finanzministerium NW mit Erlass S 2334 - 3 - V
B 3 vom 3. Juli 1980 festgesetzten Kilometersätze bei der Klägerin als
Charterfluggesellschaft nicht anwendbar seien. Man sei damit einverstanden, ab dem 1.
Januar 1982 bis zunächst 31.12.1983 die dort festgesetzten Werte zur Hälfte auf volle DM
abgerundet als geldwerten Vorteil zu berücksichtigen.
Diese Genehmigung wurde anschließend zweimal, letztmalig mit Schreiben vom 21.
November 1986 bis zum 31. Dezember 1989 verlängert.
U.a. die sog. "A-Urlaubsflüge" wurden sodann von der Klägerin für lohnsteuerliche Zwecke
- wie Flüge mit Tickets mit "SA"-Vermerk - mit 50 % des Sachbezugswertes bewertet.
Unter dem 2. Dezember 1991 erstellte der Bundesrechnungshof nach Einsichtnahme der
Lohnsteuerakten der Klägerin einen Prüfbericht, auf den Bezug genommen wird und in
dem u.a. die vorgenannte Bewertung des Sachbezuges beanstandet wurde.
Im Jahre 1992 wurde daraufhin bei der Klägerin für die Zeit von 1/1988-12/1991 eine
Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1992 übersandte die ZALSt der Klägerin eine
Zusammenstellung der vorläufigen Prüfungsfeststellungen. Auf S. 16 dieser Feststellungen
führte der Beklagte aus:
"Nach der Anrufungsauskunft, die bis zum 31.12.1989 galt, ist es dem Finanzamt nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, den Arbeitgeber als Haftungsschuldner in
Anspruch zu nehmen. Dem Finanzamt bleibt es jedoch unbenommen, Kontrollmitteilungen
an die Wohnsitzfinanzämter der Arbeitnehmer zu versenden und entsprechende
Nachbesteuerungen zu veranlassen. Die "B" hat jedoch erklärt, dass sie an einer
derartigen Handhabung nicht interessiert ist, da die Mehrsteuern der Arbeitnehmer von ihr
übernommen würden. Im Interesse des Rechtsfriedens und der Vermeidung von unnötigem
Verwaltungsaufwand für die "B" und die Finanzverwaltung stellte die "B" deshalb einen
Antrag auf Pauschalierung gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG, dem vom Finanzamt
entsprochen wurde."
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1992 erklärte die Klägerin daraufhin u.a., sie habe sich
entschlossen, die Mehrsteuern der Arbeitnehmer-Flüge in 1988 und 1989 für die am
Stichtag 1. November 1992 in einem aktiven Dienstverhältnis zu ihr stehenden
Arbeitnehmer zu übernehmen, jedoch ohne Anerkennung der in den vorläufigen
Prüferfeststellungen gezogenen Schlussfolgerungen.
Bezüglich der Behandlung der einzelnen Flugscheinkategorien durch den Arbeitgeber
heißt es ausweislich Tz. 1 des (endgültigen) Prüfberichts vom 15. Februar 1993:
Kategorie "A-Urlaubsflug" - 100 % Ermäßigung - Festbuchung in den Jahren 1988 und
1989
Der Flugschein ist weder gekennzeichnet noch mit einem "SA-Vermerk" versehen. Der
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amtliche Sachbezugswert wurde aufgrund der vom Betriebsstättenfinanzamt genehmigten
Anrufungsauskunft um 50 v.H. gemindert. Der geminderte Sachbezugswert wurde als
geldwerter Vorteil über das Lohn- und Gehaltskonto des jeweiligen Arbeitnehmers zu
dessen Lasten versteuert.
...
Zusammenfassung
In den Flugscheinkategorien "C" und "A" hat der Arbeitgeber aufgrund der vom
Betriebsstättenfinanzamt genehmigten Anrufungsauskunft in den Jahren 1988 und 1989
die maßgeblichen Sachbezugswerte nach den gleich lautenden Erlassen der obersten
Finanzbehörden der Länder nur in Höhe von 50 v.H. bei der Ermittlung des geldwerten
Vorteils aus der Gewährung von Freiflügen oder verbilligten Flügen angesetzt."
Aufgrund der inzwischen gewonnenen Überzeugung der Finanzverwaltung, so der Prüfer,
müsse nunmehr bei der Klägerin als "Commercial Air Carrier" im Sinne der Terminologie
der ICAO davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Luftfahrtunternehmen gemäß
§§ 21, 22 LuftVG handele. Sachbezüge aus der Gewährung unentgeltlicher oder verbilligter
Mitarbeiterflüge seien daher entgegen der bisherigen Auffassung des
Betriebsstättenfinanzamts nach § 3 Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-
auch für die Jahre 1988 und 1989 mit den durch die obersten Finanzbehörden
festgesetzten ungekürzten Durchschnittswerten anzusetzen.
U.a. in der Flugscheinkategorie "A" sei für die Jahre 1988 und 1989 auf der Grundlage der
ungekürzten Sachbezugswerte eine Nachversteuerung durchzuführen. Die
Besteuerungsgrundlage für die Nachversteuerung in der Flugscheinkategorie "A"
entspreche der Summe des maßgeblichen Lohnartenschlüssels.
Für die am Stichtag 01.11.1992 zwischenzeitlich ausgeschiedenen Arbeitnehmer habe die
"B" eine Namensliste mit Angaben zu den nachzuversteuernden geldwerten Vorteilen
vorgelegt. Unter Fortsetzung der Prüfungshandlungen seien im Einverständnis mit der "B"
im Januar 1993 die erforderlichen Kontrollmitteilungen in den Räumen der "B" erstellt
worden.
Ausweislich der Anlage 10 des Prüfungsberichts schuldete die Klägerin aufgrund der in Tz.
1 getroffenen Feststellungen - die auch sog. "C"-Flüge betrafen - wegen Minderung der
Sachbezugswerte um 50 % in den Jahren 1988 und 1989 insgesamt Lohnsteuer in Höhe
von 537.528,- DM sowie evangelische und römisch-katholische Kirchensteuer jeweils in
Höhe von 18.813,48,- DM.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte unter dem 20. April 1993
einen Lohnsteuer-Haftungs- und -Nachforderungsbescheid. Zugleich hob er für die
abgegebenen Lohnsteuer-Anmeldungen für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 31.
Dezember 1991 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Darüber hinaus erklärte der Beklagte
den Prüfungsbericht zum Bestandteil des Bescheides.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Mai 1993 Einspruch ein. Dieser richtete
sich u.a. gegen die in Tz. 1 des Nachforderungsbescheides getroffene Entscheidung
hinsichtlich der Bewertung der Sachbezugswerte bei sog. "A"-Flügen.
Zur Begründung führte die Klägerin aus, die Anrufungsauskunft vom 21. November 1986
sei mit Schreiben vom 5. November 1986 unter ihrer Steuer-Nr. beantragt worden, unter
Bezugnahme auf frühere entsprechende Anträge und Auskünfte und für "... geldwerte(r)
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Vorteil(e) durch Arbeitnehmer-Freiflüge bei ... "B" ...". Der Auskunft vom 5. März 1982 sei
eine eingehende Sachverhaltsbeurteilung im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung (für
die Zeit von 1976 bis 1981) vorausgegangen, die dann zur verbindlichen Auskunft vom 5.
März 1982 geführt habe. Diese Auskunft sei entsprechend dem Antrag vom 4. Februar
1982 nicht eingeschränkt gewesen auf sie selbst als Arbeitgeber. Sie habe eine
uneingeschränkte - also im eigenen Namen und im Namen ihrer Arbeitnehmer ("geldwerte
Vorteile durch Arbeitnehmer-Freiflüge bei ... "B" ...") - Lohnsteuer-Anrufungsauskunft
beantragt und erhalten, d.h. auch mit Bindungswirkung für die Arbeitnehmer. Eine solche
Bindungswirkung reiche nach Meinung des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- (vgl.
BStBl II 1979, 451) über das Lohnsteuer-Abzugsverfahren hinaus auch in das
Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers und zwar auch dann, wenn Betriebsstätten-
Finanzamt ("B") und Wohnsitz-Finanzamt (Arbeitnehmer) nicht identisch seien.
Soweit sie die Übernahme von Mehrsteuern erklärt habe, sei dies ohne Anerkennung der in
den vorläufigen Prüferfeststellungen gezogenen Schlussfolgerungen geschehen.
Zwar stellten verbilligte bzw. kostenlose Arbeitnehmer-Flüge sonstige Sachbezüge gemäß
§ 3 Abs. 1 der LStDV und gemäß §§ 8 und 19 EStG dar. Auch könnten nach § 3 Abs. 2 Nr.
2 LStDV die obersten Landesbehörden für den Wert von bestimmten Sachbezügen
diese
geschehen. Die gleich lautenden Ländererlasse vom 28. November 1986 seien nicht
geeignet für die Bewertung von Arbeitnehmer-Flügen bei Charterfluggesellschaften bzw.
Charterflügen, sondern nur für die Bewertung von Arbeitnehmer-Flügen bei Linienflügen.
Der Prüfungsbericht lasse bei seinem Ansatz des Sachbezugswertes diverse Art-
Unterschiede zwischen Linienflügen (L-Flügen) und Charterflügen (C-Flügen), die sich
naturgemäß auch in unterschiedlichen Werten ausdrückten, außer Acht.
Schließlich kämen zusätzlich, jedenfalls bei den besonderen Umständen dieses Falles, die
Gesichtspunkte von Treu und Glauben und auch Verwirkung im Verhältnis zu den
einzelnen Arbeitnehmern, und damit auch zur "B", als derjenigen soweit sie die
Steuerschuld übernehme, selbst zum Tragen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 1997 wies der Beklagte den Einspruch der
Klägerin als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte er aus, nach der von ihm genehmigten Anrufungsauskunft, die bis
zum 31. Dezember 1989 gegolten habe, sei es ihm verwehrt gewesen, den Arbeitgeber als
Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Man sei jedoch nicht daran gehindert, im
Besteuerungsverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen anderen, ungünstigeren
Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren. Die Bindung an die Auskunft
darüber, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer
anzuwenden seien (Anrufungsauskunft), beschränke sich allein auf das Lohnsteuer-
Abzugsverfahren und erstrecke sich nicht auf den Lohnsteuerjahresausgleich oder das
ESt-Veranlagungsverfahren.
In Kenntnis dieser von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsauffassung habe sich die
Klägerin dennoch mit Schreiben vom 28. Oktober 1992 bereit erklärt, die Mehrsteuern für
die am Stichtag 01.11.1992 in einem aktiven Dienstverhältnis stehenden Arbeitnehmer zu
ihr stehenden Arbeitnehmer zu übernehmen. Sie habe einen entsprechenden Antrag auf
Pauschalisierung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG gestellt. Mit der Übernahme der Mehrsteuern
könne sich die Klägerin jedoch nicht auf die ihr erteilte Anrufungsauskunft berufen, da
diese nur im Hinblick auf das Lohnsteuer-Abzugsverfahren erteilt worden sei und sich nicht
auf den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder das Einkommensteuerveranlagungsverfahren
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der Arbeitnehmer der Klägerin erstrecke bzw. durch die Übernahme der Mehrsteuern ihrer
Arbeitnehmer durch die Klägerin hierauf übergehe.
Mit der am 13. Februar 1997 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Ergänzend macht sie geltend, eine Inanspruchnahme auf der Basis eines
Pauschalierungsbescheides gemäß §§ 42, 42 a, 42 b EStG scheide aus. Die Bezeichnung
des streitbefangenen Bescheides des Beklagten als Nachforderungsbescheid auf der
Grundlage von §§ 40, 40 a, 40 b EStG sei nicht zutreffend. Es sei ein sog.
Pauschalierungsantrag erforderlich gewesen. Einen solchen Antrag habe sie nicht gestellt.
Gegen den Willen des Arbeitgebers dürfe das Pauschalierungsverfahren nicht durchgeführt
werden.
Die in dem Schreiben vom 28. Oktober 1992 enthaltene Formulierung könne nicht als
Antrag auf Pauschalierung qualifiziert werden. Die Pauschalierung setze voraus, dass der
Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten habe. Damit müsse erst der
nicht vorschriftsmäßige Einbehalt der Lohnsteuer feststehen, bevor ein Antrag auf
Pauschalierung gestellt werden könne. Ob die "B" als Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug
nicht vorschriftsmäßig durchgeführt habe, sei jedoch Gegenstand der vorliegenden Klage.
Außerdem habe die Klägerin die Freiflüge entsprechend der Anrufungsauskunft bewertet
und lohnversteuert. Da die Anrufungsauskunft auch dann bindend sei, wenn sie falsch sei,
könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, die "B" sei nicht berechtigt gewesen, die
Freiflüge entsprechend der Anrufungsauskunft zu bewerten.
Die in dem vorgenannten Schreiben gewählten Worte könnten nur dann als eindeutiger
Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer aufgefasst werden, wenn die Übernahme von
Mehrsteuern außerhalb einer Pauschalierung nicht möglich wäre. Neben der
Pauschalierung sei jedoch eine Übernahme der Lohnsteuer mit der Folge der
Individualversteuerung möglich.
Ein Pauschalierungsantrag setze voraus, dass der Arbeitgeber eine klare Aussage
dahingehend treffe, dass er ein Pauschalierungsverfahren wünsche und dass er zukünftig
als Steuerschuldner angesehen werden solle. Eine derart eindeutige Erklärung sei jedoch
zu keinem Zeitpunkt abgegeben worden. In einem Schreiben des FA "D" an die OFD vom
25. Juni 1993 werde das Schreiben vom 28. Oktober 1992 lediglich als "Erklärung der
Übernahmebereitschaft durch den Arbeitgeber" bezeichnet. Ferner gehe aus dem
Schreiben eindeutig hervor, dass das zuständige Finanzamt aufgrund personeller
Engpässe gar nicht in der Lage gewesen wäre, entsprechende Kontrollmitteilungen an
sämtliche betroffene Arbeitnehmer zu versenden. Dies sei auch "B" bekannt gewesen, so
dass für sie keine Veranlassung bestanden habe, eine Lohnsteuerpauschalierung zur
Vermeidung negativer innerbetrieblicher Konsequenzen aufgrund einer individuellen
Auswertung des Sachverhalts mittels Kontrollmitteilungen zu beantragen. Auch im Rahmen
der Abschlussbesprechung sei kein entsprechender Antrag gestellt worden. Zudem
entspreche das Schreiben vom 28. Oktober 1992 schon nicht den formellen
Mindestanforderungen an einen Antrag auf Lohnsteuerpauschalierung. Der Arbeitgeber
müsse - wolle er einen wirksamen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer stellen -
gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG dem Antrag eine Berechnung beifügen, aus der sich der
durchschnittliche Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahreslöhne und
der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse ergebe. Eine solche
Berechnung sei dem Schreiben vom 28. Oktober 1992 nicht beigefügt gewesen.
Der Pauschalierungsbescheid sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft. Es bedürfe im
Einspruchsverfahren dann einer erneuten Ermessensentscheidung, wenn der Behörde
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Umstände bekannt würden, die für die Ausübung des Auswahlermessens bedeutsam
seien. Diesbezüglich habe der Beklagte nicht berücksichtigt, dass sie ihr Schreiben vom
28. Oktober 1992 nicht als Antrag auf Erlass eines Pauschalierungsbescheides aufgefasst
habe. Sie habe auch keinen Grund gehabt anzunehmen, ihr Bekunden zur Zahlung der
streitbefangenen Summe könne ein Pauschalierungsantrag sein.
Überdies gelte nach h.M. die Anrufungsauskunft gemäß § 42 e EStG für das
Lohnsteuerabzugsverfahren. Sie entfalte ihre Bindungswirkung nicht nur gegenüber
demjenigen Beteiligten, der die Anrufungsauskunft beantragt hat, sondern auch gegenüber
den Arbeitnehmern. Dies ergebe sich zum einen aus der Rechtsnatur der
Anrufungsauskunft und zum anderen aus der Tatsache, dass ihre Arbeitnehmer - hätten sie
ebenfalls einen Antrag auf Anrufungsauskunft gestellt - eine gleich lautende Auskunft
erhalten hätten. Entgegen der neueren Rechtsprechung des BFH erstrecke sich die
Bindungswirkung der Anrufungsauskunft über das Lohnsteuerabzugsverfahren hinaus
auch auf den Lohnsteuer-Jahresausgleich des betroffenen Arbeitnehmers. Insoweit sei an
der ursprünglichen Rechtsansicht des BFH (vgl. Urteil vom 9. März 1979, VI R 185/76)
festzuhalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 1997 und Änderung
des Bescheides vom 20. April 1993 die Nachforderung für Lohnsteuer 1993 um 466.328,67
DM und die Nachforderung für evangelische und römisch-katholische Lohnkirchensteuer
jeweils um 16.321,50 DM zu reduzieren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Ergänzend macht er geltend: Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin, wonach ihr
Schreiben vom 28. Oktober 1992 keinen Antrag auf Pauschalierung beinhalte, ergebe sich
ein solcher aus der dort gewählten Formulierung. Die Einschränkung des Folgesatzes
könne sich danach nur auf den Umfang der nachgeforderten Steuern beziehen und berühre
nicht deren grundsätzliche Übernahme. In diesem Zusammenhang sei auf das Urteil des
Finanzgerichts -FG- Hamburg vom 18. Dezember 1999 (VI 67/98, Entscheidung der
Finanzgerichte -EFG- 2000, 841) hinzuweisen, in dem festgestellt worden sei, dass selbst
ein ohne Pauschalierungsantrag ergangener LSt-Nachforderungsbescheid nicht nichtig,
sondern lediglich rechtswidrig sei. Nach der Begründung des Urteils sei bedeutsam
gewesen, dass die Beteiligten erst nach einem Hinweis des Berichterstatters Ermittlungen
angestellt hätten, ob und in welcher Form ein Antrag gestellt worden sei. Vorliegend ergebe
sich jedoch bereits aus der gewählten Formulierung im Einspruchsschreiben vom 18. März
1993 ein weiterer Hinweis darauf, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt selbst vom
Vorliegen des Pauschalierungsantrages und der daraus folgenden Schuldübernahme
ausgehe (".. und damit auch zur "B", als derjenigen soweit sie die Steuerschuld
übernehme, zum Tragen"). Ein auf den Punkt eines fehlenden Pauschalierungsantrages
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gestütztes Klagebegehren könne daher keinen Erfolg haben.
Mit Schreiben vom 28. März 2001 hat der Beklagte ein Schreiben der ZALST vom 19. März
2001 überreicht. Danach soll die Klägerin in der Schlussbesprechung mündlich darauf
hingewiesen worden sein, dass im Falle des Unterlassens eines Pauschalierungsantrages
für sämtliche Arbeitnehmer Kontrollmitteilungen an die jeweils zuständigen
Wohnsitzfinanzämter übersandt würden. Den in der Besprechung als Lösungsvorschlag
abgesprochenen Pauschalierungsantrag für die aktiv Beschäftigten habe die Klägerin dann
mit Schreiben vom 28. Oktober 1992 überreicht. Für die rund 260 ausgeschiedenen
Mitarbeiter seien sämtlich Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter versandt
worden. Dass es sich bei dem Antrag auf Steuerübernahme um einen
Pauschalierungsantrag mit dem damit verbundenen Wechsel der Steuerschuldnerschaft
handele, sei allen Beteiligten klar gewesen und auch im Prüfungsbericht auf S. 4 unter III
sowie im zweiten Absatz auf S. 12 zum Ausdruck gekommen. Nur die gewählte
Pauschalierung habe damals die insgesamt gewünschte Vereinfachung im Verfahren bei
ca. 1.500 Arbeitnehmern ergeben. Dieser Wunsch sei nicht zuletzt von der Klägerin
ausgegangen, weil sie seinerzeit mit nicht unerheblicher Unruhe in und mit der Belegschaft
als auch mit dem Betriebsrat gerechnet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die
Klägerin nach den §§ 40, 40 a, 40b EStG die im Prüfungsbericht vom 15. Februar 1993 für
die unentgeltliche Gewährung sog. "A-Urlaubsflüge" errechneten Steuern - über die bereits
insoweit abgeführte Lohn- und Kirchensteuer hinaus - schulde. Einer Heranziehung zur
Nachversteuerung steht die der Klägerin - u.a. für den hier streitigen Zeitraum - erteilte
Anrufungsauskunft vom 21. November 1986 entgegen.
Angesichts der Ausführungen in der Klageschrift vom 13. Februar 1997 geht der Senat im
Einklang mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass die Klägerin mit
der vorliegenden Klage von Anfang an lediglich den mit dem Haftungsbescheid rein
äußerlich zusammengefassten Nachforderungsbescheid - und diesen wiederum nur
insoweit - angreifen wollte, als darin die Sachbezüge aus der den Arbeitnehmern in den
Jahren 1988 und 1989 unentgeltlich gewährten sog. "A-Urlaubsflügen" auf der Grundlage
der ungekürzten Sachbezugswerte des Erlasses S 2334 - 3 V B 3 vom 10. Dezember 1986
(vgl. BStBl I 1987, 172) einer Nachversteuerung zugeführt wurden.
Unstreitig sind den Arbeitnehmern der Klägerin mit der Gewährung von unentgeltlichen
Urlaubsflügen lohnsteuerpflichtige Vorteile im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 1
EStG (1988 bzw. 1989) zugeflossen. Der Vorteil ist ihnen auch "für die Beschäftigung" bei
der Klägerin zugeflossen, denn der Vorteil wurde ihnen nur gewährt, weil zwischen ihnen
und der Klägerin ein Dienstverhältnis bestand. Der von der Klägerin gewährte Vorteil
unterlag bei der Klägerin grundsätzlich dem Steuerabzug vom Arbeitslohn gemäß § 38
EStG.
Es ist dem Beklagten jedoch im Hinblick auf die zuletzt mit Schreiben vom 21. November
1986 bis zum 31. Dezember 1989 verlängerte Anrufungsauskunft verwehrt, die
Urlaubsflüge für lohnsteuerliche Zwecke mit mehr als 50 % der in dem vorgenannten Erlass
festgesetzten Sachbezugswerte zu bewerten.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin geht der Senat allerdings davon aus, dass die Klägerin
im Rahmen der im Jahre 1992 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung einen Antrag auf
Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG gestellt hat.
Bereits in dem vorläufigen Prüfbericht, der der Klägerin mit Schreiben vom 29. Juni 1992
übersandt wurde, finden sich auf Seite 16 Ausführungen zu einer Pauschalierung.
Nachdem die Klägerin diesen vorläufigen Bericht erhalten hatte, erklärte sie dann mit
Schreiben vom 28. Oktober 1992, sie habe sich "entschlossen, die Mehrsteuern der
Arbeitnehmer-Flüge in 1988 und 1989 für die am Stichtag 1. November 1992 in einem
aktiven Dienstverhältnis zu ihr stehenden Arbeitnehmer zu übernehmen". Parallel dazu hat
sie, wie dem endgültigen Prüfbericht zu entnehmen ist, dem Beklagten jene 260 Mitarbeiter
namentlich benannt, die an diesem Stichtag bereits das Unternehmen verlassen hatten, so
dass seitens des Beklagten entsprechende Kontrollmitteilungen übersandt werden
konnten. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat das Schreiben vom 28. Oktober 1992
dahingehend, dass die Klägerin ein Verfahren wünschte, welches ihre
Steuerschuldnerschaft und die Abgeltungswirkung auslöste. Im Übrigen hat ein Antrag
beim Erlass eines Pauschalierungsbescheides nach einer LSt-Außenprüfung eine
geringere Bedeutung als in Fällen des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. FG Hamburg,
Urteil vom 18. November 1999, VI 67/98, EFG 2000, 841; Wagner in Hermann/ Heuer/
Raupach, EStG-Kommentar, § 40 Rn. 13). Dem Arbeitgeber muss nur sein
Ablehnungsrecht bekannt gewesen sein. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht um
die Möglichkeit wusste, die angedachte Pauschalierung zurückzuweisen, sind nicht
vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Dabei ist es ohne rechtlichen Belang, dass die Klägerin zusammen mit dem Antrag keine
Berechnung der pauschalen Lohnsteuer vorgelegt hat (vgl. zu diesem Erfordernis § 40 Abs.
1 Satz 4 EStG), denn nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung ist die Vorlage einer
Berechnung durch den Arbeitgeber entbehrlich, sofern der Betriebsprüfer - wie hier - die
Berechnung bereits vorgenommen hat (Seifert in Korn, EStG-Kommentar, § 40 Rn 26;
Wagner in Hermann /Heuer /Raupach, a.a.O., § 40 Rn 30; Trzaskalik in Kirchhof/ Söhn/
Mellinghoff, EStG-Kommentar, § 40 Rn. B 26; Nissen in Bordewin/ Brandt, EStG-
Kommentar, § 40 Rn 33).
Die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer lagen jedoch nicht vor.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird die Lohnsteuer mit einem zu ermittelnden
Pauschsteuersatz erhoben, soweit in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer
nachzuerheben ist, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten
hat.
Eine "nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung" der Lohnsteuer durch die Klägerin ist nach
Auffassung des Senats hier nicht anzunehmen, denn die Klägerin als Arbeitgeber hat die
Lohnsteuer entsprechend der ihr u.a. für die Streitjahre vom zuständigen
Betriebsstättenfinanzamt erteilten Anrufungsauskunft i.S.d. § 42 e EStG (vgl. dazu auch
BFH-Urteil, vom 9. Oktober 1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166, 168) einbehalten.
Entgegen der Ansicht des Bundesrechnungshofes hat der Beklagte in seiner
Anrufungsauskunft nicht etwa unzuständigerweise Sachbezugswerte festgesetzt. Vielmehr
hat er allenfalls - unterstellt, die genehmigten Werte seien zur Bemessung des geldwerten
Vorteils nicht geeignet gewesen - eine schlicht rechtswidrige Auskunft erteilt, was jedoch
den Wert der Anrufungsauskunft für den Anfragenden nicht mindern kann und darf. Durch
die Anrufungsauskunft wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, vom Finanzamt
verbindlich zu erfahren, wie er im Zweifelsfall beim Lohnsteuereinbehalt verfahren soll. Auf
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die Frage, ob die Auskunft objektiv richtig war, kommt es dabei nicht an (vgl. Barein in
Littmann/ Bitz/ Pust, EStG-Kommentar, § 42 e Rn. 8; unter Hinweis auf § 42 d Abs. 3 Satz 4
Nr. 1 EStG: Heuermann in Blümich, EStG-Kommentar, § 42 e Rn. 33; Seifert in Korn, a.a.O.,
§ 42 e Rn. 11; Drenseck in Schmidt, EStG-Kommentar, 20. Aufl., § 42 d Rn. 3). Dass auch
eine objektiv unrichtige Anrufungsauskunft die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers
ausschließt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 IV R
97/90, BStBl II 1993, 166). Im vorliegenden Fall kann nichts anders gelten. Denn bei der
Lohnsteuer-Nachforderung handelt es sich ebenso wie bei der Lohnsteuer-Haftung um
steuerrechtliche Folgerungen für den Arbeitgeber, die sich aus seiner Einschaltung in die
Besteuerung seiner Arbeitnehmer ergeben (vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom
10. Oktober 1996, 3 K 268/92, EFG 1997, 109).
Da der Arbeitgeber selbst nach Stellung des Pauschalierungsantrages grundsätzlich nicht
gehindert ist, die Entstehung der nachgefordeten Lohnsteuer zu bestreiten (vgl. auch BFH-
Urteil vom 21. September 1990 VI R 97/86, BStBl II 1991, 262, 265; vgl. auch Altehoefer in
Lademann, EStG-Kommentar, § 40 Rn. 40), blieb es der Klägerin auch nach Beantragung
der Pauschalierung unbenommen, sich auf die erteilte Anrufungsauskunft zu berufen,
zumal sie bereits im Schreiben vom 28. Oktober 1992 zum Ausdruck gebracht hatte, sie
übernehme die Lohnsteuer "ohne Anerkennung der in den vorläufigen Prüferfeststellungen
gezogenen Schlussfolgerungen".
Auf die Frage, ob die Werte des Ländererlasses auf einer unzulässigen Schätzungsbasis
beruhen, weil der Erlass nicht zwischen Linien- und Charterflügen unterscheidet (so: FG
Hamburg, Urteil vom 3. Juli 1992, II 229/89, EFG 1993, 155), kommt es daher im
vorliegenden Fall nicht an.
Unter Zugrundelegung der Anlage 10 des Prüfberichts errechnen sich für die sog. "A-
Flüge" folgende Beträge an Lohnsteuer und Kirchensteuer, die der Beklagte zu Unrecht
von der Klägerin gefordert hat:
1. "A-Flüge" Austritte Gesamt Steuersatz Lst ev. KSt rk. KSt
1988:
1989:
Gesamt
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage, wann der Arbeitgeber die Lohnsteuer im
Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat, grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).