Urteil des FG Düsseldorf vom 12.08.2003

FG Düsseldorf (Vergabe Von Aufträgen, Darlehen, Satzung, Absicht, Bürgschaft, Betrug, Befragung, Gewinnung, Gesellschafter, Ausnahme)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 3 K 4640/01 E
12.08.2003
Finanzgericht Düsseldorf
3. Senat
Urteil
3 K 4640/01 E
Der Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 12.11.1996 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 02.01.1997 wird abgeändert und die
Steuer auf 35.043,95 EUR (= 68.540 DM) herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens - einschließlich der Kosten des
Revisionsverfahrens -trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der
Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Verluste im Zusammenhang mit einer
Beteiligung an einer Aktiengesellschaft als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus
selbständiger Arbeit in Ansatz bringen kann.
Der Kläger betrieb im Streitjahr 1991 als selbständiger Diplom-Ingenieur ein Planungsbüro
für Statiken und Planungen im Bauwesen. Seinen Gewinn aus dieser freiberuflichen
Tätigkeit ermittelte er durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3
Einkommensteuergesetz -EStG-.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21.08.1989 beteiligte sich der Kläger als
Gründungsmitglied an einer AG , deren Aktienkapital 1.050.000 DM betrug. Die Beteiligung
des Klägers betrug zunächst 150.000 DM (1/7). Später erwarb der Kläger einen 1/8 Anteil
an einer weiteren Aktie zum Betrag von 18.750 DM hinzu, so dass sich seine Beteiligung
insgesamt auf 168.750 DM belief. Der Kläger wies die Beteiligung buchmäßig als
Betriebsvermögen aus. An der AG waren neben dem Kläger zunächst zwei weitere
Ingenieure, drei Kaufleute, davon ein Kaufmann, und eine GmbH, ein Planungsbüro,
beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war gemäß § 3 Ziffer 1. der Satzung der Erwerb
eines bestimmten Grundstücks und die Errichtung, Verpachtung und Verwertung eines
Hotels auf diesem Grundbesitz. Ferner bestimmte die Satzung unter § 3 Ziffer 2., dass die
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Gesellschaft berechtigt sei, andere Unternehmungen zu gründen, zu erwerben oder sich an
solchen zu beteiligen sowie Niederlassungen zu errichten und alle sonstigen Maßnahmen
ergreifen sowie Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die zur Erreichung und Förderung des
Gesellschaftszweckes notwendig oder dienlich seien. Ziel des Unternehmens war es, dass
potentielle Messebesucher und Kapitalanleger zu einem Einmalpreis in Höhe von 4.000
DM pro Zimmer und Messetag Belegungsrechte (beschränkt persönliche Dienstbarkeiten)
für einen Zeitraum vom 25 Jahren erwerben sollten.
Die AG kaufte im Januar 1990 eine Hotelanlage an. Laut Werbeprospekt der AG sollte die
GmbH die Architekturleistungen des geplanten Umbaus - Umbau und Aufstockung des
Hotels sowie Erweiterung um einen Neubau - übernehmen. Am 07.01.1990 erhielt der
Kläger von der GmbH den Auftrag, die hierzu erforderlichen Statiken und Pläne zu
erstellen. Das Auftragsvolumen betrug 150.000 DM. Im Verlauf des Jahres 1990 übernahm
der Kläger ferner unentgeltlich mehrere selbstschuldnerische Bürgschaften für
Verbindlichkeiten der AG. Er gewährte des weiteren einer GmbH, die die Messe-Sharing-
Rechte vermarkten sollte, ein Darlehen von 5.000 DM. Noch im selben Jahr kaufte ein
Zeuge ohne Zustimmung der Aktionäre für die AG weitere Hotelgrundstücke In der
Folgezeit wurde die AG zahlungsunfähig und geriet im Jahr 1991 in Konkurs. Der Kläger
wurde daraufhin aus den übernommenen Bürgschaften in Anspruch genommen, so dass
ihm insgesamt folgender Verlust entstand:
Beteiligung
168.750 DM
Zinsen
61.500 DM
Rechtsanwaltskosten
16.935 DM
Grunderwerbsteuer
24.853 DM
Darlehen
5.000 DM
Gesamtbetrag
277.038 DM
Bei den Posten "Zinsschulden" und "Grunderwerbsteuer" handelte es sich um Schulden
der AG, für die der Kläger infolge der persönlichen Haftungsübernahme und der Bürgschaft
in Anspruch genommen worden war. Die Rechtsanwaltskosten waren bei dem Versuch
angefallen, die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft abzuwehren.
In der gemeinsam mit der Klägerin abgegebenen Einkommensteuererklärung für 1991
machte der Kläger Aufwendungen von 277.038 DM als Betriebsausgaben bei seinen
Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte (das Finanzamt FA) ließ die
Aufwendungen nicht zum Abzug zu und erließ am 08.04.1993 einen
Einkommensteuerbescheid für 1991, in welchem es die Steuer auf 209.490 DM festsetzte.
Die Steuerfestsetzung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1
Satz 1 Abgabenordnung -AO-. Zur Begründung führte das FA an, die Beteiligung an der AG
stelle kein notwendiges Betriebsvermögen des Ingenieurbüros dar. Unabhängig davon
habe der Kläger nicht dargelegt, dass die Bürgschaftsaufwendungen ausschließlich
betrieblich veranlasst gewesen seien.
Mit ihrem Einspruch machten die Kläger geltend, mit der Beteiligung seien für den Kläger
entsprechende Statikaufträge für den Umbau sowie die Erweiterung der Hotelprojekte
verbunden gewesen. Der Unternehmensgegenstand der AG, die Errichtung von Hotels, sei
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der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers als Baustatiker nicht wesensfremd. Auch die
Bürgschaften hätten allein der Erhaltung und Sicherung der Beteiligung als notwendiges
Betriebsvermögen gedient und seien damit aus betrieblichen Gründen erteilt worden. Die
AG habe weitere Hotelprojekte geplant, aus denen er -der Kläger- sich fortlaufend weitere
Aufträge versprochen habe. Er habe eine auf die Vergabe von Aufträgen gerichtete
Geschäftsbeziehung schaffen wollen. Für alle Beteiligten habe festgestanden, dass er die
Ingenieurleistungen übernehmen werde. Hierzu legte der Kläger entsprechende
Bestätigungen vor, die nicht von allen Aktionären unterschrieben worden sind.
Im Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens erließ das FA am 12.11.1996 aus das vorliegende
Verfahren nicht betreffenden Gründen einen gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten
Einkommensteuerbescheid für 1991, in welchem es die Einkommensteuer auf 214.872 DM
heraufsetzte.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.1997 wies das FA den Einspruch sodann als
unbegründet zurück. Eine Identität zwischen dem Betrieb der AG und der Ingenieurtätigkeit
des Klägers sei nur für die Zeit der Aufbauphase des Hotels gegeben gewesen, so dass
keine ähnlichen Einkünfte gegeben seien. Die Absicht zur Errichtung weiterer
Hotelprojekte ließe sich nicht aus der Satzung der AG ableiten, in der lediglich als
Geschäftszweck die Errichtung eines Hotels angeführt sei. Der Unternehmensgegenstand
umfasse darüber hinaus wesentliche, nicht unter die eigentliche freiberufliche Tätigkeit des
Klägers fallende andere Bereiche, wie die der Verpachtung und Vermarktung des Hotels,
die diese Tätigkeit gegenüber der Ingenieurtätigkeit als wesensfremd erscheinen ließe. Da
drei weitere Gesellschafter der AG Ingenieure gewesen seien, sei die Erteilung weiterer
Aufträge für den Kläger keinesfalls sicher gewesen. Unabhängig davon sei das
Auftragsvolumen aus dem abgeschlossenen Vertrag bezogen auf die Beteiligung des
Klägers deutlich geringer, so dass von einer Förderung des Betriebes des Klägers nicht die
Rede sein könne.
Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Ergänzend führen sie an, gerade
weil andere Ingenieure Gesellschafter der AG gewesen seien, sei die Vergabe der Aufträge
direkt abhängig von der Beteiligung an der AG gewesen. Die AG sei als Dachgesellschaft
zum Zusammenschluss von Geschäftsleuten der Baubranche zur beruflichen Betätigung
gegründet worden. Der Veranlassungszusammenhang entfalle auch nicht durch die
"gemischten Tätigkeiten" der AG, da die bauplanerische Tätigkeit nach dem Gesamtbild für
ihn -den Kläger- vorrangig gewesen sei. Bei einem Umsatz von 150.000 DM könne auch
nicht von einer unwesentlichen Betätigung gesprochen werden, zumal in die Betrachtung
auch die Folgeprojekte einbezogen werden müssten.
Mit Urteil vom 17.05.1999 hat der erkennende Senat die Klage abgewiesen. Dieses Urteil
hat der Bundesfinanzhof -BFH- mit Urteil vom 31.05.2001 aufgehoben und an den
erkennenden Senat zurückverwiesen.
Ergänzend macht der Kläger geltend, es sei absolut branchenüblich, dass ein
Gesamtplanungsauftrag für alle Ingenieur- und Fachingenieurleistungen einem
Generalplaner übertragen werde und dieser einzelne Fachingenieurleistungen (u.a.
Tragwerksplanung) weiter vergebe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1991 vom 12.11.1996 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 02.01.1997 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte
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des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit um 277.038 DM herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an seiner im ersten Rechtszug geäußerten Auffassung fest.
Am 16.10.2002 hat der Berichterstatter den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Wegen
der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen (Bl. 160
bis 162 d.A.).
Im Nachgang zum Erörterungstermin haben die Kläger schriftliche Bekundungen von
Zeugen beigebracht (Bl. 172 bis 178 d.A.), in denen die Zeugen insbesondere schildern, ob
und in welchem Umfang bereits zum Zeitpunkt der Gründung der AG über das erste Hotel
hinaus, weitere Objekte beabsichtigt bzw. in konkreter Planung waren. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Bekundungen Bezug genommen.
Das Gericht hat die Steuerakten des FA und die Handakte der Großbetriebsprüfung zum
Verfahren beigezogen. Auf diese und auf die Schriftsätze der Beteiligten im vorliegenden
Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Zeugen vernommen. Wegen des
Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug
genommen.
Die Klage ist begründet.
Der Steuerbescheid für Einkommensteuer 1991 vom 12.11.1996 ist rechtswidrig und
verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung FGO).
Die geltend gemachten Aufwendungen sind als weitere Betriebsausgaben bei den
Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 4
Einkommensteuergesetz –EStG-).
1) Nach der Revisionsentscheidung des BFH sind "Geldgeschäfte" eines Freiberuflers wie
die Gewährung von Darlehen, die Übernahme einer Bürgschaft oder die Beteiligung an
einer Kapitalgesellschaft generell als berufsfremde Vorgänge zu bezeichnen, die in der
Gewinnermittlung außer Betracht bleiben müssen (BFH-Urteile vom 28. Januar 1960 IV
109/59 U, BStBl III 1960, 172; vom 9. September 1965 IV 245/63, HFR 1966, 73; vom 11.
Januar 1966 I 53/63, BStBl III 1966, 218; vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BStBl II 1981,
564; vom 9. Oktober 1986 IV R 57/83, BFH/NV 1987, 708). Bei der Ausübung eines freien
Berufs stehe grundsätzlich die eigene Arbeitskraft des Steuerpflichtigen sowie der Einsatz
seines geistigen Vermögens und der durch eine qualifizierte Ausbildung erworbenen
Kenntnisse im Vordergrund. Wenn es auch freie Berufe gebe, die etwa wegen der
benötigten technischen Geräte einen nicht unerheblichen Kapitaleinsatz erforderten, so sei
doch die Nutzung vorhandenen Kapitals eher die Ausnahme und jedenfalls nicht das
Merkmal einer freiberuflichen Tätigkeit. Das den freien Berufen zugrunde liegende eigene
Berufsbild begrenze und präge auch den dazugehörigen Betrieb.
Daraus folge, dass "Geldgeschäfte", die ihrer Art nach zu Einkünften nach § 20 EStG
führten, der persönlichkeitsbezogenen freiberuflichen Tätigkeit grundsätzlich wesensfremd
und deshalb getrennt zu beurteilen seien, auch wenn sie der Steuerpflichtige im sachlichen
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und wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner eigentlichen Tätigkeit, so auch mit dem Ziel
der Gewinnung eines Mandanten oder Auftraggebers, eingegangen sei.
Im Einzelfall könne sich allerdings ergeben, dass die Eingehung von "Geldgeschäften" als
Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit anzusehen sei; dies könne selbst im Falle der
Beteiligung an Kapitalgesellschaften zutreffen. Die Beteiligung sei dann nicht
"wesensfremd". Die Abgrenzung sei danach zu treffen, ob die Gewinnung eines neuen
Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt sei, einerseits, dann "Geldgeschäft",
oder ob das Geschäft ohne Aussicht auf neue Aufträge nicht zustanden gekommen wäre,
andererseits, dann nicht wesensfremd.
2) Die Beteilung des Klägers an der AG ist notwendiges Betriebsvermögen seines
freiberuflichen Planungsbüros, denn zur Überzeugung des Gerichts (§ 96 Abs. 1 FGO)
steht fest, dass der Kläger die Beteiligung eingegangen ist, um sein Planungsbüro, in dem
der Kläger im Streitjahr 7 Mitarbeiter beschäftigte, mit Aufträgen zu bevorraten und dass der
Kläger die Beteiligung ohne Aussicht auf neue Aufträge nicht eingegangen wäre.
a) Die Überzeugung für die Motivation des Klägers stützt der Senat auf folgende
Erwägungen: Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, er habe mit Beteiligungen der
vorliegenden Art sicherstellen wollen, dass in seinem Büro, in dem im Streitjahr 7
Mitarbeiter beschäftigt gewesen seien, stets ausreichend Arbeit vorhanden gewesen sei.
Zu diesem Zweck sei er nicht nur die Beteiligung an der AG eingegangen, sondern auch
eine Reihe anderer Beteiligungen. Diese Vorgehensweise sei zudem in der Branche
üblich, denn es sei sehr schwierig, auf andere Weise Aufträge für ein Planungsbüro
einzuwerben.
Die Zeugen haben den Vortrag des Klägers bestätigt. Mit Schreiben vom 06.11.2002 wurde
mitgeteilt, dass Grund für die Beteiligung der GmbH an der AG der Erhalt von
Architektenaufträgen war und dass dem Kläger die Aufträge zur Lösung der statischen
Aufgaben übertragen werden sollten. Die Beauftragung des Klägers habe außer Zweifel
gestanden. In der mündlichen Verhandlung hat ein Zeuge ausgeführt, er und der
Projektentwickler hätten vor Gründung der AG Personen gesucht, die die erforderlichen
Fähigkeiten gehabt hätten und bereit gewesen seien, Geld zur Finanzierung des Projekts
bereitzustellen. Für die Beteiligten sei die AG quasi eine ABM-Maßnahme gewesen. Den
Kläger habe er auch damit gelockt, dass er Aufträge erhalten sollte. Von den Mitbegründern
sei allein der Kläger in der Lage gewesen, die notwendigen statischen Berechnungen
durchzuführen. Der Zeuge hat bestätigt, dass das Grundprinzip der AG die Aufgabenteilung
gewesen sei. Die Aufgabe des Klägers seien die statischen Berechnungen gewesen. Auch
ein weiterer Zeuge hat mit schriftlicher Bekundung vom 05.11.2002 und bei der Befragung
bestätigt, dass das Konzept der AG auf der Idee beruhte, mehrere Fachleute zusammen zu
führen, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse zur Verwirklichung und zum Erfolg beitragen
konnten. Als Spezialist hätte der Kläger auch bei eventuellen weiteren Objekten die
Statikerarbeiten erledigen sollen.
Die Motivation des Klägers findet zudem Bestätigung in der Tatsache, dass er die
Beteiligung von Anfang an in seinem Betriebsvermögen ausgewiesen hat, nicht also erst
zu einem Zeitpunkt, als bereits absehbar war, dass er die Beteiligung wegen des
Konkurses der AG verlieren würde. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der
Steuerberater des Klägers die Beteiligung in das Betriebsvermögen eingebucht hat, weil
der Kläger ihm gegenüber geäußert hat, er erwarte aus der Beteiligung weitere Aufträge.
Das FA hat den Vortrag in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht bestritten.
Schließlich ist auch der Betriebsprüfer für Großbetriebsprüfung im Zusatzbericht zum
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Betriebsprüfungsbericht vom 01.02.1996 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe von
Anfang an die Vorgänge zur AG in seine betriebliche Buchführung eingebracht und habe
im wesentlichen die aus der Beteiligung zu erwartenden Statikaufträge für sein Büro
eingeplant.
Angesichts der vorstehenden Überlegungen misst der Senat der Tatsache, dass der Kläger
auch am wirtschaftlichen Erfolg der AG teilhaben sollte – ein Zeuge sprach von der
Faustregel, das eingesetzte Kapital zu verdoppeln – kein so großes Gewicht bei, dass der
Kläger die Beteiligung auch ohne Aussicht auf neue Aufträge eingegangen wäre. Gegen
die Motivation des Klägers spricht nicht – anders als das FA meint –, dass bei Gründung
der AG keine schriftlichen Vereinbarungen über die spätere Auftragsvergabe getroffen
wurden. Zum einen existiert keine rechtliche Notwendigkeit für die Schriftform einer solchen
Vereinbarung und zum anderen erachtet es der Senat als vollkommen ausreichend, dass
bei arbeitsteiligen Projekten wie dem vorliegenden, die Absicht - entsprechend arbeitsteilig
zu verfahren - unter den Beteiligten besteht. Der Zeuge hat dieses Vorgehen der Beteiligten
nachvollziehbar mit dem vorherrschenden Motto der AG umschrieben: "Kaufst Du bei mir
die Brötchen, kauf ich bei Dir die Wurst".
b) Darüber hinaus war die Geschäftstätigkeit der AG objektiv geeignet, dem Kläger
Aufträge für sein Büro zu beschaffen. Tatsächlich hatte der Kläger bereits den Auftrag für
das Erstobjekt mit einem Auftragsvolumen von 150.000 DM erhalten. Zur Überzeugung des
Gericht steht auch fest, dass die AG bereits im Zeitpunkt der Gründung – für den Fall eines
Erfolgs im ersten Objekt – die Absicht hatte, weitere Objekte zu verwirklichen, aus denen
der Kläger weitere Aufträge für sein Büro erhalten hätte.
Die beigezogenen Protokolle der Aktionärsversammlungen und Arbeitssitzungen belegen,
dass jedenfalls seit der zweiten Aktionärsversammlung am 02.10.1989 konkret weitere
Objekte in Aussicht genommen wurden, die mit Um-, An- oder Neubauarbeiten verbunden
gewesen wären (Protokoll der 6. Arbeitssitzung vom 28.06.1990, TOP 4; Protokoll der 7.
Arbeitssitzung vom 25.07.1990, TOP 5, 6 und 7; Aktennotiz der Postbesprechung vom
16.04.1991, Pkt. 9). Ein Zeuge hat mit schriftlicher Bekundung vom 08.07.1999 namentlich
7 Bauvorhaben bezeichnet mit einer Bausumme von mehr als 2 Mio. DM bis zu mehr als 20
Mio. DM, mit Schreiben vom 06.11.2003 ferner, dass außer Zweifel gestanden habe, dass
der Kläger für die weiteren Objekte beauftragt werden sollte. Bei der Befragung in der
mündlichen Verhandlung hat der Zeuge nochmals glaubhaft bestätigt, dass der Kläger für
Folgeobjekte die Aufträge im Rahmen einer Vergütung nach der HAOI sicher erhalten
hätte. Ein weiterer Zeuge hat ebenfalls bestätigt, dass der Kläger innerhalb der AG "der"
Ansprechpartner für Fragen der Statik gewesen sei und dass er bei Umbauplänen des
Objekts für die AG bereits tätig geworden sei.
Der Tatsache, dass über das Erstobjekt hinausgehende Objekte in der Satzung der AG
nicht ausdrücklich benannt worden sind, misst der Senat keine entscheidende Bedeutung
bei. Zum einen enthält die Satzung durch § 3 Ziffer 2 eine Öffnungsklausel, die es der AG
erlaubte, über das Erstobjekt hinaus weitere Objekte zu realisieren (vgl. Blatt 9 des
Revisionsurteils). Zum anderen erachtet es der Senat als wirtschaftlich vernünftig,
Folgeobjekte unter der Prämisse ins Auge zu fassen, dass das Erstobjekt erfolgreich
verläuft. Dies hat neben der glaubhaften Einlassung des Klägers auch ein Zeuge
ausdrücklich und glaubhaft bekundet.
3) Wegen des Umfangs der abzugsfähigen Aufwendungen besteht zwischen den
Beteiligten – mit Ausnahme des Ausfalls des gewährten Darlehens – Einvernehmen. Auch
der Senat erachtet Zeitpunkt und Höhe des Betriebsausgabenabzugs für zutreffend.
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Anders als das FA meint, sind auch die Aufwendungen aus dem gewährten Darlehen in
Höhe von 5.000 DM, mit dem der Kläger im Streitjahr ausgefallen ist, als Betriebsausgaben
abzugsfähig. Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind die Aufwendungen, die durch
den Betrieb veranlasst sind. Darunter sind auch Aufwendungen zu fassen, die einen – nur
– mittelbaren betrieblichen Zusammenhang aufweisen (Heinicke in Schmidt, Kommentar
zum EStG, 22. Auflage (2003), § 4 Rz. 488). Bei nur mittelbarer betrieblicher Veranlassung
ist entscheidend, welches das auslösende Moment für die Aufwendung war und ob dieses
dem betrieblichen oder außerbetrieblichen Bereich zuzurechnen ist.
Der Senat sieht das auslösende Element für das Darlehen im betrieblichen Bereich des
Klägers, weil der Kläger mit dem Darlehen sein notwendiges Betriebsvermögen – die
Beteiligung an der AG – und das daraus für ihn zu erwartende Geschäft erhalten bzw.
sicherstellen wollte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen,
das Darlehen zur "Stabilisierung des Gesamtgefüges" und "Sicherung des Geschäfts mit
der AG" ausgegeben zu haben. Darin sieht das Gericht ein ausreichend betriebliches
Motiv. Ohne die Vermarktung – und Reinvestition der Erlöse – wären weitere Projekte der
AG undenkbar gewesen, zumal die AG schon Schwierigkeiten hatte, das erste Objekt
entsprechend zu finanzieren. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das Darlehen vorrangig
zur Erzielung von Kapitaleinkünften gemäß § 20 EStG gegeben hat, sieht der Senat nicht
und hat auch das FA nicht vorgetragen.
4) Die festgesetzte Steuer ergibt sich aus folgender Berechnung:
zu versteuerndes Einkommen
Einkommensteuer 1991
bisher: 491.675 DM
109.862,23 EUR (= 214.872 DM)
abzgl. 277.038 DM
neu: 214.637 DM
35.043,95 EUR (= 68.540 DM)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO
i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.